Ich hatte mein Handy, und, ja, Cody, es war angeschaltet. Nur zwei Menschen hatten die Nummer, Cody und Wellewulst.

Wie oft würde es also klingeln? Die Wahrheit ist, ich mochte es irgendwie. Klein, silbrig, kompakt, sah fast aus wie eine Patronenhülse. Ich trug immer noch die Pflaster, aber alte Zwänge schwinden widerstrebend. Ich patschte auf das Handy in meiner Hosentasche, redete mir ein, es wäre eine Packung Lullen. Cody schlug vor:

»Besorgen Sie sich persönliches Gebimmel.«

Klang, als müsste ich dazu in den Puff gehen. Ich fragte:

»Was soll ich mir besorgen?«

»Ihren eigenen höchstpersönlichen Klingelton. Ich habe Franz Ferdinand, aber Sie könnten, sagen wir mal, Beyoncé oder die Black Eyed Peas nehmen.«

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Johnny Duhan im Angebot war, sagte:

»Wenn die Klingel wie eine Klingel klingelt, reicht mir das schon.«

Und wenn es das Leben gegolten hätte, ich kapierte das Konzept nicht. Es gab Firmen, die einem eine Melodie verkauften? Hier diese Klingeltöne, da die Rausschmeißervermittlung – irgendwo dazwischen trieb das Land, steuerlos, Mensch, Mensch, Mensch.

Ich stellte mir vor, ich bin in der Kirche, niemand hat sich die Mühe gemacht, sein Handy abzuschalten, und ein ganzes Orchester gern gehörter Pop-Melodien haut unisono rein. Wer weiß, vielleicht könnten sie den Chor ersetzen.

Cody war entschlossen, mich zu beschleunigen, fragte:

»Sie haben doch Web-Zugang, oder?«

»Dreimal dürfen Sie raten, nur frisch drauflos.«

Nachdem ich Tom Reed verlassen hatte, ging ich zum Kanal hinunter, beobachtete die Enten. Und bald natürlich die Dunkelheit. Schloss die Augen, stellte mir vor, wie Jeffs Leiche vorübertrieb. Jede Nacht der Woche zog die Polizei jemanden aus dem Wasser, meistens zu spät. Das ging quer durch die Bevölkerung der Stadt. Ins Wasser gingen

Studenten

Betrunkene

die Dementen

die Einsamen

junge Mädchen

die Kranken

die Gesunden.

So klang das Lied der Kanäle: Gebt mir eure Mühseligen und Beladenen.

Keine Geistlichen.

Noch nicht.

Mein Handy klingelte, mein Herz hopste. Ich ging ran, hörte Cody, fragte:

»Was?«

»Nur Kontrollanruf, jefe.«

Jefe.

Ich fragte:

»Irgendwelche Entwicklungen?«

»Nein, Sir, alles ruhig, halte die Pupillen gepellt.«

Er klang, als machte ihm das Spaß, und verwundert fragte ich:

»Macht Ihnen das Spaß?«

»Ich könnte mich wegwerfen. Vollinhaltlich.«

Immer, wenn ich dachte, ich hätte ihn im Griff, wüsste halbwegs, woran ich bei ihm war, erstürmte er neue Höhen des Klischees. Ich sagte:

»Erstatten Sie nicht stündlich Bericht, verstanden?«

»Funkstille, bis Code Rot eintritt?«

»Genau.«

Wollte schon abschalten, als er fragte:

»Was halten Sie von Mary?«

»Von wem?«

»Der Tochter der Wirtin. Feger, oder?«

Ich klickte aus.

Er verdiente sie.

In Wirklichkeit war ich eifersüchtig.

Am Samstagmorgen rief ich Cody an. Dauerte endlos, bis er ranging, dann:

»Ja …«

Der Schlaf war überdeutlich herauszuhören, der Tiefschlaf. Ich beschloss, die Peitsche knallen zu lassen. Ich meine, wenn man der Boss ist, hat man die moralische Verpflichtung. Ich schnappte:

»Sie schlafen?«

Bevor er antworten konnte, hörte ich Gelächter, Mädchengelächter, und er sagte:

»Ämm, ich rufe zurück …«

Genau das tat er nicht.

Ich ging vor die Tür, schlenderte über den morgendlichen Markt. Es war ein schöner Tag, Scharen von Menschen, kaum Iren, geschweige Galwayer. Ein Pärchen aus Dänemark verkaufte Würstchen, die auf einem offenen Grill geröstet wurden, und das Aroma legte sich wie eine Decke über die Menge. Ich wäre versucht gewesen, aber es wurde bereits Schlange gestanden. Stattdessen betrachtete ich auf Glas gedruckte Reproduktionen des Claddagh.

Und der Verkäufer sagte:

»Mach Ihnen einen guten Preis, Euer Gnaden.«

Euer Gnaden!

Heiland, Camden Lock im Westen Irlands. Ich war fasziniert, fragte:

»Sind Sie aus London?«

»Aus Nordengland.«

»Ah, verstehe.«

Und ums Verrecken fiel mir nichts mehr ein, nichts, was nicht mit Auflauf aus Hackfleisch und Kartoffelbrei oder sonst einem angeblich nordenglischen Klischee zu tun gehabt hätte. Er sagte:

»Ich bin schon fünf Jahre hier.«

Dadurch gewann ich die Sprache zurück, und mit beträchtlicher Originalität fragte ich:

»Gefällt’s Ihnen?«

Er sah mich verwirrt an, fragte:

»Wieso denn nicht? Die Kneipen, die Musik.«

Ich fand, ich musste etwas sagen, aber mein Handy klingelte, und er sagte:

»Von der Klingel gerettet.«

Ich meldete mich, bereit, Cody den Arsch aufzureißen, hörte:

»Jack?«

»Wellewulst …«

Sie weinte, war den Tränen zumindest so nah, wie sie ihnen je kommen würde, sagte:

»Mein Auto, es ist kontaminiert.«

Anstatt zu fragen, was zum Teufel das bedeutete, fragte ich:

»Wo sind Sie?«

»Auf dem Parkplatz am Dom.«

»Bleiben Sie da, ich bin nur fünf Minuten entfernt.«

Ich verließ den Markt, bahnte mir einen Weg durch die Menge und bemerkte einen Typ, der T-Shirts verkaufte, auf denen stand:

Jeder Hund hat seinen Tag.

Glaub bloß nicht,

dass deiner bald kommt.

Darauf ein Amen.

Als ich die Market Street entlangeilte, bemerkte ich die Schlagzeile einer Zeitung:

Viertes Reich in Kalifornien

Arnold war Gouverneur geworden. Weiter unten stand, wie die englische Mannschaft mit Streik drohte, und wenn sie sich weigerte, in die Türkei zu fahren, war es Essig mit der Euro 2004. Irland musste in ein paar Tagen zum entscheidenden Spiel gegen die Schweiz antreten. Ich nahm das alles auf, dachte: »Ich kehre ins Leben zurück«, so bizarr das Leben auch sein mochte. Ich überquerte die Lachswehrbrücke, als ein Angler gerade einen schönen Fisch an Land zog. Es schmerzte mich zu sehen, wie so ein prächtiges Exemplar mit dem Kopf gegen einen Felsen geschmettert wurde. Das Geräusch wie ein Omen.

Wellewulst saß auf dem Mäuerchen, das den Parkplatz umgibt. Die Messe war vorbei, und ich sah, wie die Menschen die Finger ins Weihwasser stippten, sich bekreuzigten, »In ainm an Athair … Im Namen des Vaters …«

Die englische Übersetzung funktionierte einfach nicht, für mich nicht, nicht in meinem Herzen, nicht da, wo es drauf ankommt.

Wellewulst rauchte eine Zigarette.

Ich hätte nicht erstaunter sein können, wenn sie mit einer abgesägten Schrotflinte um sich geschossen oder Koks geschnüffelt hätte. Ich dachte, macht sie mir jetzt meine Süchte nach, eine nach der anderen? Sie trug ein weißes Sweatshirt, ausgebleichte Jeans und abgewetzte Reeboks. Ihr Gesicht war verhärmt. Ich fragte:

»Geht es Ihnen gut?«

Wie lahm war das denn?

Und bekam entsprechend einen übergebraten:

»Wie, zum Teufel, glauben Sie, geht es mir wohl?«

Sie zeigte mit dem Finger, sagte:

»Da drin.«

Sie sah das Auto nicht an, fügte hinzu:

»Die Türen sind offen, der … Gegenstand … liegt auf dem Rücksitz.«

Ich näherte mich vorsichtig, meine Nerven jetzt schon in Fetzen. Am Lenkrad war ein Zettel befestigt.

Du Huure von Babylon
Balt schlägt Deine Stunde.

Ein Hinweis. Rechtschreiber war er nicht.

Die Kirchenglocken begannen zu läuten. Heiland, so ein Timing aber auch.

Frage nicht …

Ich fragte nicht.

Was mir im Kopf herumhämmerte, ungerufen und gewiss unerwünscht, war Warren Zevon, »Knocking On Heaven’s Door«.

Besonders die Stelle, wo er bittet, nimm mir die Last.

Aber genau.

Auf dem Rücksitz lag ein Schlüpfer. Ich nahm meinen Kugelschreiber, bewegte damit den Schlüpfer und konnte den noch feuchten Samen sehen. Der Geist klammert sich an ein Detail, eine Winzigkeit, um das Offensichtliche abzublocken. Der Schlüpfer war vorne mit winzigen Herzen bestickt, und das riss mir durchs Gedärm wie gottverdammte Säure. Auf dem Boden lag eine Tüte von Supermac herum. Ich hinterlegte den Schlüpfer in der Tüte, steckte sie mir in die Tasche. Mein Handy klingelte. Ich sagte knapp:

»Ja?«

»Jack, hier ist Cody. Ich habe tolle Neuigkeiten.«

Hatten wir wirklich so viel Glück? Ich sagte:

»Ich höre.«

Er klang atemlos, sagte:

»Mit Mary und mir hat’s geklappt.«

Ich hielt tatsächlich das Handy auf Abstand, als hätte es mir was getan, dann knirschte ich:

»Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein, oder?«

Er verstand mich falsch, dachte, ich wäre entzückt, sprudelte:

»Ist es nicht unglaublich? Ein echter Fang.«

Wellewulst starrte die Tasche an, in die ich die zerkrumpelte Tüte gestopft hatte, dann, wie aus Trotz, steckte sie sich eine weitere Lulle an, blies den Rauch in meine Richtung. Ich sagte zu Cody:

»Ich werde Ihnen sagen, was unglaublich ist. Während Sie Ihren …«

Mir fiel das Wort nicht ein. Dann konzentrierte ich mich, Weißglut im Kopf, sagte:

»Feger. Während Sie Ihren Feger beglückten, hat der Stalker das Auto unserer Dame verunreinigt.«

Ich konnte ihn Luft schnappen hören, dann:

»Verunreinigt …? Was …? Ich …?«

»Sie sind, scheißenochmal, gefeuert sind Sie.«

Und ich haute mit dem Finger auf die Off-Taste.

Wellewulst bedachte mich mit etwas, das normalerweise vielleicht als Lächeln hätte durchgehen können, fragte:

»Sie haben jemanden gefeuert …? Habe ich ein Kapitel verpasst? Wann haben Sie denn angefangen, Leute einzustellen, vom Feuern mal ganz zu schweigen?«

Ich winkte ab, fragte:

»Wie lang hat Ihr Auto hier gestanden?«

Sie drückte die Zigarette auf dem Mäuerchen aus, mehrmals, wie kleine Messerstiche, ein getreues Abbild ihrer seelischen Verfassung, sagte:

»Ich war in der Messe.«

Hielt inne.

Erwartete etwas? Was? Spott, Überraschung? Ich sagte nichts, war selbst hier eine Zeit lang in die Messe gegangen. Sie fuhr fort:

»Und als ich rauskam, fand ich die … Nachricht …, und falls Sie es nicht bemerkt haben sollten, er hat das Seitenfenster eingeschlagen.«

Ja, das hatte ich übersehen.

Sie starrte auf meine Tasche, fragte:

»Sie bewahren das Beweisstück auf … Wofür, für einen DNA-Test?«

Ich wollte sie hauen, wollte irgendjemanden hauen, sagte:

»Sie müssen etwas tun.«

Sie wartete, trommelte mit den Fingern auf das Mäuerchen. Ich wollte sagen:

»Sich erstens mal zum Beispiel Manieren zulegen.«

Sagte aber:

»Denken Sie scharf nach, wen Sie alles in den letzten paar Jahren verhaftet haben. Ich denke besonders an jemanden, der Sie bedroht hat, der gesagt hat, Sie werden noch von ihm hören oder so.«

Sie stand auf, sagte:

»Als würde das helfen. Glauben Sie vielleicht, jeder Ganove, den ich verhaftet habe, hätte mich anständig behandelt? Gott, Sie waren Polizist – die bedrohen einen alle, oder ist das schon so lange her, dass Sie sich nicht mehr erinnern?«

Sie begann wegzugehen, und ich fragte:

»Was wird mit Ihrem Auto?«

Ohne langsamer zu gehen, sagte sie:

»Scheiß doch auf mein Auto.«

Ein älterer Kirchgänger ging vorüber, sah mich an, sagte:

»Eine Ausdrucksweise haben die jungen Damen heutzutage.«

Ich sagte:

»Glauben Sie mir, eine Dame ist sie nicht.«