Epilog
Wenn Sie wahre Liebe mit Ihrem Gentleman
finden, schätzen Sie sich glücklich. Gegenseitige Liebe ist das
seltenste Gut.
Eine anonyme Dame, Ratgeber …
Oak Hill, Suffolk, im Oktober 1817
Damon erwachte langsam, während die letzten
Bilder seines Traumes noch in seinem Kopf verharrten. Die
Morgensonne fiel in das Schlafgemach, das er mit Elle teilte, und
wärmte ihn, wie es zuvor der Traum getan hatte.
Er hatte von einer kostbaren Begebenheit aus
seiner Kindheit geträumt: Joshua und er hatten zugesehen, wie ein
Fohlen geboren wurde, beide voller Ehrfurcht vor dem neuen Leben,
das in die Welt kam, und sie hatten gelacht, als das Kleine sich
mühsam auf die spindeldürren Beine stellte und zum Euter der Mutter
tapste.
Eleanor hatte Recht, dachte Damon. Nach Oak Hill
zurückzukehren, erlaubte ihm endlich, seine Trauer zu bewältigen.
Nach zwei Wochen hier war der Schmerz zu einem schwachen,
bittersüßen Weh geschrumpft, und seine Alpträume waren gänzlich
fort.
Vor allem aber war Eleanor der Grund, weshalb er
Frieden gefunden hatte. Ihre Liebe umfing und tröstete ihn.
Sie hatte sein Herz befreit, um es mit ihrer
Zuneigung zu füllen.
Damon lag da, ihren süßen Körper an seinen
geschmiegt,
und genoss seine Zufriedenheit, während andere Gedankenfetzen sich
in seinem Kopf mit den Bildern aus seinem Traum mischten.
Auch seine Cousine Tess hatte Recht gehabt. Er
musste für den Moment leben, das Beste aus der Zeit machen, die ihm
auf Erden vergönnt war. Die Launen des Schicksals waren viel zu
unvorhersehbar, als dass er seine Zukunft kontrollieren könnte. Ja,
er könnte Eleanor genauso verlieren, wie er seinen Bruder und seine
Eltern verlor. Dennoch würde er um nichts in der Welt die Chance
aufgeben, mit ihr zusammen zu sein.
Und letztlich war er gerade wegen seiner
Erfahrungen mit größtem Kummer umso besser imstande, die Freude zu
genießen, die Eleanor ihm brachte.
Vorsichtig drehte Damon sich auf die Seite, legte
einen Arm um seine schlafende Frau und zog sie näher zu sich.
Meine Gemahlin, dachte er und wurde von
einem tiefen Glücksgefühl erfüllt.
Elles Liebe war stark, intensiv und heilsam. Wie
auch ihr Liebesakt. Sie empfing seine Leidenschaft mit einem
freudigen Verzücken, das ihn erst recht entfachte.
Nach einem kurzen Moment streifte er ihre
Schulter mit seinen Lippen und zog die Decken höher, um sie warm zu
halten. Dann glitt er aus dem Bett, zog sich einen Morgenmantel
über den nackten Körper und öffnete leise die Glasflügeltüren, die
hinaus auf den Balkon führten.
Damon stand da und betrachtete den taugetränkten
Morgen, wie er es oft getan hatte, seit sie hier waren. Eleanor und
er waren in der letzten Woche
der Hausgesellschaft in Rosemont geblieben, weil Elle ihre Tante
nicht verlassen wollte. Aber sobald sie auf seinem Familiensitz
eintrafen, hatte Eleanor sich entschlossen der Verbannung seiner
Dämonen gewidmet.
Sie wusste, wie wichtig sein Bruder für ihn
gewesen war, daher verbrachten sie Stunden damit, durch die Wälder
zu streifen und über den Besitz der Familie Wrexham zu reiten, um
all die Verstecke aufzusuchen, an denen Damon mit Joshua gespielt,
geschwommen und gefischt hatte. Ihn überraschte nicht, dass er
dieselbe Nähe zu Eleanor empfand, die er zu seinem Bruder gehabt
hatte.
Der schmerzlichste Moment war der gewesen, als
sie die Familiengräber auf dem Dorffriedhof besuchten. Aber Eleanor
half ihm, ihnen endlich Lebewohl zu sagen.
Sie begleitete ihn auch, als er seine Pächter
besuchte und sich den meisten von ihnen erstmals vorstellte.
Größtenteils vergaben sie ihm, dass er sich nie hatte
blickenlassen, denn ihre Cottages wurden instand gehalten, ihr Land
gut verwaltet, und sie litten keine Not. Dennoch beschloss Damon,
sich künftig besser um Oak Hill zu kümmern.
Außerdem mühte er sich nach Kräften, den Kummer
wiedergutzumachen, den er Eleanor bereitet hatte. Sie liebten sich
bis weit in die Nächte hinein, tauschten flüsternd die Geheimnisse
Verliebter aus. Sie ergänzten einander vollkommen, wie zwei Hälften
eines Ganzen. Seine größte Freude war die, ihr Genuss zu bereiten,
und sie war leicht zu beglücken …
Damon überraschte nicht, als Eleanor sich von
hinten an ihn heranschlich und die Arme um ihn legte. Sein Körper
erkannte ihren sofort. Sie lehnte die Wange an seinen Rücken, und
so standen sie beide eine längere Zeit auf dem Balkon.
Als sie schließlich zurücktrat, drehte Damon sich
zu ihr um und sah sie fasziniert an. Ihre pechschwarzen Locken
waren zerzaust, ihre leuchtend blauen Augen sanft vom Schlaf, und
ihr wundervoller Körper von dem leichten Nachthemd kaum
verhüllt.
Sie lächelte ihn an, so dass ihm warm ums Herz
wurde. Dann trat ein schelmisches Funkeln in ihren Blick, und sie
streckte die Arme nach oben, um ihm etwas über den Kopf zu
streifen.
»Du solltest deine Medaille voller Stolz tragen,
Mylord«, sagte sie halb lachend.
Damon lachte leise, als er das goldene Medaillon
befühlte, das an einem roten Seidenband hing. Prinz Lazzara hatte
sie ihm für außergewöhnliche Dienste am Königshaus, zusammen mit
einer Kiste Orangen und mehreren Fässern exzellenten Marsala-Weines
geschickt, als Dank für Damons Bemühungen um des Prinzen
Sicherheit.
Seine Hoheit hatte sie überdies eingeladen, ihn
in seinem Fürstentum zu besuchen, wenn sie nächste Woche zu ihrer
Hochzeitsreise nach Italien aufbrachen – nachdem Damon mit Eleanor
sein Sanatorium besucht hatte.
Was den perfiden Cousin des Prinzen betraf, so
war der auf einen Diplomatenposten in Indien verbannt worden.
Gleichwohl hörte man, dass Lazzara gewisses Interesse an Signor
Vecchis hübscher Tochter Isabella zeigte, die der Auslöser für all
das Ungemach gewesen war.
Kopfschüttelnd nahm Damon sich die Medaille ab
und steckte sie in die Tasche des Morgenmantels. »Ich denke, du
wirst verstehen, warum ich keine Erinnerung an den Rivalen tragen
möchte, während ich meine wunderschöne Frau liebe.«
Eleanor neigte den Kopf zur Seite und fragte
übertrieben unbedarft: »Willst du mich denn lieben?«
Natürlich zweifelte sie nicht daran, was er
vorhatte, denn sie erahnte mittlerweile all seine Gefühle, Gedanken
und Wünsche.
Dennoch erwiderte er: »Aber
selbstverständlich!«
Bei ihrem Lächeln war ihm, als würde ihm die
Morgensonne mitten ins Herz scheinen. Und als sie sich bereitwillig
seinem Kuss entgegenstreckte, wurde sein Verlangen noch
größer.
Sie zu küssen, war wie heimzukehren, nachdem er
zu lange fort gewesen war … unendlich befriedigend. Und doch immer
noch nicht genug. Er wollte mehr.
Genau wie Eleanor offensichtlich, denn sie löste
sich aus dem Kuss und erschauderte. »Ich wünschte, du würdest dich
eilen, dein Versprechen wahrzumachen, Damon. Und, nein, dies ist
keine Einladung, mich im Stehen auf dem Balkon zu nehmen, wo uns
alle Welt sehen kann. Hier draußen ist es kühl, und wir würden die
Bediensteten noch schlimmer schockieren als ohnehin schon in den
letzten zwei Wochen.«
»Deine Klage wurde vernommen, Weib«, sagte Damon,
hob sie kurzerhand hoch und trug sie hinein. Mit dem Fuß stieß er
die Flügeltüren hinter ihnen zu, so dass die Morgenkälte
ausgesperrt war.
Eleanor legte die Arme um ihn und blickte zu ihm
auf. Die Liebe, die sie in Damons Augen erkannte, gab ihr ein
Gefühl wundervoller Sicherheit. Und sie wusste, dass er dieselben
Empfindungen in ihrem Blick lesen konnte.
Nachdem er sie zum Bett gebracht hatte,
beobachtete sie, wie er sich den Morgenmantel auszog.
Fasziniert betrachtete sie seine vom Sonnenlicht
ummalte Gestalt. Sein Körper war stark, vital und noch
atemberaubender, als es sich eine Frau von ihrem Geliebten erhoffen
könnte. Nach den vielen Stunden, die sie draußen zusammen
geschwommen waren, hatte seine Haut einen sanften Goldton
angenommen – genau wie ihre.
Bei der Art, wie er sie ansah, war Eleanor, als
würde sie von seinem verführerischen, kühnen Blick buchstäblich
entflammt. Sie konnte es kaum erwarten, in seinen Armen zu liegen,
seinen Leib an ihrem zu spüren.
Ein wonnevoller Seufzer entfuhr ihr, als er sich
zu ihr legte und begann, sein Versprechen wahrzumachen.
Seine Hände waren sanft und ungeduldig zugleich.
Er küsste sich von ihrer Wange angefangen immer weiter nach unten,
wobei seine morgendlichen Stoppeln ein bisschen kratzten. Derweil
spielten seine Finger auf ihren femininen Kurven. Genüsslich
liebkoste er ihren Hals und ihre Brüste, verwöhnte sie mit
zärtlichen Berührungen und erregenden Küssen, während er die
Geheimnisse zwischen ihren Schenkeln erkundete. Als sie vor
Verlangen bebte, legte er sich zwischen ihre Beine, schob beide
Hände unter ihre Hüften und drang in sie ein.
Eleanor war feucht und bereit für ihn, so dass er
geschmeidig in sie eindrang. Dann verharrte er und sah sie mit
einem Blick an, der ihr sagte, dass sie ihm vollständig
gehörte.
Als Eleanor jedoch ihre Bauchmuskeln um ihn
spannte, erschauerte er und küsste sie leidenschaftlich.
Unter seinem forschenden Kuss wurde Eleanors Atem
schneller, passte sich im Rhythmus den Bewegungen an, die Damon mit
Mund, Händen und Hüften vollführte, bis sie leise stöhnte.
Sie war unmittelbar vor dem Höhepunkt, da
stoppten seine Küsse und er hob den Kopf, damit er sie ansehen
konnte.
»Elle«, raunte er, seine Stimme leise und belegt,
seine Augen brennend und verwundbar vor Liebe.
Eleanor versank in der magischen Hitze seines
Blickes. Dann tauchte Damon abermals tief in sie ein.
»Elle!«, stöhnte er wieder, und es klang halb wie
ein Schwur, halb wie ein Flehen. Gleichzeitig schrie sie seinen
Namen. Beide erreichten den Gipfel der Wonne.
Hinterher blieb Damon noch eine lange Weile mit
ihr vereint. Sie lagen eng verschlungen, kraftlos und herrlich
befriedigt.
Eleanor schloss die Augen und genoss das
zauberhafte Glücksgefühl, das sie vollständig ausfüllte. Im Grunde
ihres Herzens wusste sie, dass Damon und sie stets füreinander
bestimmt gewesen waren, auch wenn sie ihr gemeinsames Glück erst
fanden, nachdem sie ihre Ängste überwanden. Sie
hatte ihm geholfen, die finstere Leere in sich zu verbannen,
während er die Kälte und Einsamkeit in ihr heilte.
Mehr konnte sie nicht verlangen.
Als sie seine Schulter küsste, rollte Damon sich
neben sie und zog sie erneut dicht an sich. Wunderbar erschöpft
schlummerte Eleanor in seinen Armen ein.
Es mussten zwei Stunden vergangen sein, bis sie
wieder aufwachte. Damon lag neben ihr auf der Seite, einen Ellbogen
aufgestützt.
Er hatte sie im Schlaf beobachtet.
Eleanor gähnte und sah zu ihm auf. »Wir sollten
wohl nicht faul im Bett herumliegen«, murmelte sie. »Cornby wird
schon warten.«
»Cornby vergibt dir gewiss, dass du mich zum
Langschläfer machst«, bemerkte Damon. »Er betet dich beinahe so
sehr an wie ich. Außerdem schlägt er sich ohnehin bedenklich oft
auf deine Seite.«
Eleanor lächelte. Ja, Damons Kammerdiener hatte
sie in all ihren Bemühungen unterstützt, Damon zu überzeugen, den
Schmerz und Kummer der Vergangenheit hinter sich zu lassen. »Cornby
liegt einzig dein Wohl am Herzen.«
»Das mag sein, doch vor allem hat er eine sehr
hohe Meinung von dir, wie du weißt.« Damon grinste. »Leider kann
ich nicht behaupten, dass deine Tante mich ähnlich wertschätzt,
obgleich sie sich dieser Tage ein wenig versöhnlicher zeigt.«
»Tante Beatrix wird dich mit der Zeit lieb
gewinnen«, prophezeite Eleanor.
»Nun, ihre Erfahrung mit Vecchi hat sie
anscheinend etwas weicher gemacht.«
»Die und die Aussicht, im nächsten Jahr Großtante
zu werden. Du hast ihren letzten Brief doch gelesen. Marcus und
Arabella erwarten ihr erstes Kind. Und Marcus ist überglücklich,
Vater zu werden.«
»Wie sie außerdem schrieb, teilt sie das
Entsetzen ihrer Freundin, der Countess Haviland.«
»Oh ja. Lady Haviland ist entsetzt über die Wahl
ihres Enkels. Arabella und ihre Schwestern halfen Lord Haviland,
eine geeignete Braut zu finden, doch er überraschte sie alle, indem
er eine Dame erwählte, mit der seine Großmutter ganz und gar nicht
einverstanden ist.«
Damon strich Eleanor eine Locke aus dem Gesicht.
»Ich hoffe, du hast nicht vor, dich als Ehestifterin zu
betätigen.«
»Dazu werde ich keine Gelegenheit haben, denn wir
sind schon bald nicht mehr in England.« Eleanor überlegte. »Es ist
ein Jammer, dass Roslyn und Lily von ihrer Hochzeitsreise gerade
erst zurückkehren, wenn wir abreisen. Aber ich bin froh, dass Mr
Geary uns begleitet. Hast du nicht gesagt, er wäre erst ein
einziges Mal in deinem Sanatorium gewesen, als es noch im Bau
war?«
»Ja, und es wird höchste Zeit, dass er es
wiedersieht, denn immerhin hat er das alles erst möglich
gemacht.«
»Es ist beachtlich, dass Lydia Newlings Schwester
bereits auf dem Weg der Genesung ist.« Sie seufzte zufrieden. »Nun
muss nur noch Fanny Irwin ihr Glück finden. Ich hoffe sehr, dass
sie sich als Autorin ihren Lebensunterhalt verdienen und ihren
Freund aus Kindertagen heiraten kann.«
»Ich würde sagen, dass ihre Chancen sehr gut
stehen. Ihr Roman hat mich wahrlich gefesselt.«
Eleanor freute sich, dass Damon nach dem Lesen
des Manuskript derselben Auffassung war wie sie: Fannys
Schauerroman würde sicher ein großer Erfolg.
»Und ihr Ratgeber für heiratswillige junge Damen
verkauft sich nach wie vor recht gut. Selbst meine Tante liest ihn
neuerdings, seit ich ihn nicht mehr brauche. ›Halten Sie ihn fest,
aber nicht zu fest‹«, zitierte sie aus Fannys Buch.
Damon sah sie zärtlich an. »Du darfst mich so
fest halten wie du möchtest, Liebes.«
Prompt schlang Eleanor die Arme um ihn. »Na
schön, dann würde ich vorschlagen, dass wir den armen Cornby noch
ein wenig länger warten lassen, Mylord. Was meinst du?«
Wie sie gehofft hatte, lachte Damon und küsste
sie.
Und dieser Kuss, der ihr den Atem raubte, war nur
der Auftakt zu einem sinnlichen Liebesspiel.