SIEBTES KAPITEL

Es herrschte eine Weile peinliches Schweigen. Ich dachte darüber nach, was ich zu meiner Entschuldigung sagen konnte.

Rodenstock räusperte sich verlegen. »Sehen Sie, Baumeister. Ich erinnerte mich daran, wie gut wir damals zusammengearbeitet haben und wie gut die Zusammenarbeit mit Elsa war. Ich, na ja, ich hatte irgendwie das Gefühl, das zurückholen zu müssen.« Er wedelte verzweifelt mit den Händen. »Ich habe sie angerufen und sie gebeten zu kommen.«

»Ich kann mich wieder ins Auto setzen und gehen«, sagte Elsa tonlos. Sie sah mich nicht an, sie hockte da schmal und verloren auf ihrem Gartenstuhl und kam sich schrecklich überflüssig vor.

»Wo ist denn dein Auto?« fragte ich.

»Um die Ecke. Ich wollte dich überraschen.«

»Hol es her und pack es aus«, sagte ich. »Ich bin so gottverdammt versunken in diesen Fall, ich bin ... ich bin so überrascht. Es ... es tut gut, dich zu sehen. Wie geht es dir?«

»Das weiß ich nicht«, meinte sie und sah mich noch immer nicht an.

»Ich habe noch Rührei«, rief Bettina hinter mir.

»Kollegin!« kam auch noch Unger an und verbeugte sich tief. »Ich habe einen Rose, der dich entzücken wird.« Er hielt ihr ein Glas hin. »Du mußt Baumeister nicht so ernst nehmen. Er ist ein Einsiedler, und wir haben seine Insel besetzt.«

»Und das kriegt er nicht geregelt«, murmelte Rodenstock.

»Trink einen Schluck«, sagte Unger. »Die Bauern hier sind stur und mies und irgendwie abweisend. Aber Baumeister ist okay, der Geldklau auch, und die Leiche ist prima.«

»Meine Bauern sind nicht stur, mies und abweisend«, widersprach ich.

»Magst du ein Rührei? Bettina macht prima Rührei.«

Elsa schniefte, bevor sie erklärte: »Ich mag kein Rührei mitten in der Nacht, und ich will erst mal dieses Glas Rose austrinken und meine Karre holen.« Sie trank und fragte dann: »Ist hier alles beim alten?«

»Ja. Fritz der Frosch lebt immer noch zwei Meter hinter dir in der Mauer. Wahrscheinlich ist es bereits der zehnte Fritz. Dann haben sich zwei Glockenunken dazugesellt, die ich Castor und Pollux nenne, weil ich nicht auseinanderhalten kann, wer das Weibchen und wer das Männchen ist. Über dem Küchenfenster vor dem Rhabarber hat im Frühling eine Starenfamilie genistet. Und Krümel wird dich wiedererkennen.«

»Lebst du immer noch allein?«

»Natürlich. Ich hab's schon schwer genug mit mir selbst. Das muß ich nicht jemandem anders antun.«

»Und Sie, Rodenstock?« Sie hob den Kopf, und sie war schön und wild wie immer.

»Etwas hat sich verändert«, murmelte er. »Ich bin Witwer.«

»Scheiße.«

»Richtig«, nickte er.

»Und man hat wirklich über achtzehn Millionen geklaut?« Sie blickte uns der Reihe nach an.

»Ja«, strahlte Bettina. »Und stellen Sie sich vor: Keiner von diesen klugen Menschen hat auch nur einen Schimmer, wer der Dieb war.«

Elsa biß sich auf die Lippen. »Wirklich keinen Schimmer?«

»Keinen Schimmer«, bestätigte ich.

»Wir haben einen starken Hinweis darauf, daß der Bankfritze beteiligt war«, sagte Unger schnell, als gehe es ihm auf die Nerven, so gänzlich erfolglos zu sein.

»Ich mache Ihnen ein Bett auf dem Sofa im Arbeitszimmer«, bot Bettina an.

»Ich weiß noch gar nicht, ob ich eines brauche«, erwiderte Elsa. »Ich kann mir irgendwo ein Bett kaufen. Ich habe den redaktionellen Auftrag, über diese Sache zu schreiben. Aus Frauensicht.«

»Fotografierst du nicht mehr?«

»Doch, doch, aber ich lerne jetzt auch schreiben. Heh, Krümel!«

Krümel kam um die Ecke geschürt, betrachtete uns und ließ den Schwanz peitschen. Soviel Betriebsamkeit tagein, tagaus machte sie nervös. Sie kam herangetänzelt, Elsa hielt ihr die Hand hin, und Krümel legte ihren Kopf hinein und begann zu schnurren.

Rodenstock fragte sehr direkt: »Sind Sie sauer, Baumeister?«

»Nein, bin ich nicht. Aber man kann alte Zeiten nicht aufwärmen.«

»Das wollte ich nicht«, meinte er. »Ich bin ein Egoist.«

»Ist schon in Ordnung«, sagte ich. »Komm, wir holen deine Karre. Du kannst das Sofa nehmen. Die Geschichte hat etwas für Frauen: Männerspiele und eine sehr wahrscheinliche Mörderin.«

Bevor wir gingen, mahnte ich Unger: »Lieber Unger, Sie sollten vielleicht Ihre große Liebesfähigkeit einschränken, weil Marker gleich im Morgengrauen den Bundesgrenzschutz durch die Wälder hetzen will.«

»Sie sind ein Chauvi«, stellt Unger fest.

»Ja, ja, mag sein. Aber immerhin ein Chauvi, mit dessen Hilfe Sie eine Geschichte machen, oder?«

»Ich gehe mit dir«, tröstete ihn Bettina.

Elsa und ich schlenderten durch die Nacht und sprachen anfangs nicht, bis Krümel zwischen uns auftauchte und maunzte.

»Hat sie noch einmal Kinder bekommen?« fragte Elsa.

»Nein, ich habe sie sterilisieren lassen. Es war zu riskant. Wie geht es dir wirklich?«

»Ganz ehrlich, ich weiß es nicht. Ich war froh, als Rodenstock anrief und fragte, ob ich nicht Lust hätte, den größten Geldraub nach dem Krieg zu beschreiben.«

»Normalerweise machst du doch Mode?«

»Ja, immer noch. Aber das geht mir schon seit Jahren auf die Nerven. Ich habe dich vor einem halben Jahr angerufen, du hast dich nicht gemeldet.«

»War irgendwas?«

»Ich saß in der Tinte. Das hat sich inzwischen geklärt.«

»Wie lebst du so?«

»Wie lebt man so?« fragte sie mit einem schnellen Lächeln zurück.

»Ich verlange keine teutonische Nabelschau«, sagte ich. »Ich will einfach wissen, wie du dich fühlst.« Wir waren an ihrem Auto angelangt, das enthob sie einer Antwort. Wir fuhren die paar Meter auf meinen Hof, und ehe sie den Motor abstellte, knurrte sie wie eine wütende Katze: »Ich bin zwischendurch verheiratet gewesen.«

»Keine Nabelschau«, warnte ich. »So was kann schiefgehen. Ist es schiefgegangen?«

»Darauf antworte ich nicht.«

Wir schleppten ihre Taschen in mein Schlafzimmer, und sie erklärte, sie wolle duschen. Ich ging in mein Arbeitszimmer und hockte mich in einen Sessel. Als sie hinunterkam, trug sie einen wildbunten Hausanzug, warf sich auf das Sofa und forderte: »Erzähl mir alles von dem geklauten Geld.«

Ich berichtete ihr, was es Berichtenswertes gab. »Wie du siehst, wurde das Geld geklaut, und die Täter sind nicht einmal vage in Sicht. Wir haben einfach nichts.«

»Es hört sich so an, als denkt ihr in einer Einbahnstraße.« Sie klopfte den Tabak einer Zigarette fest.

»Wieso das?«

Sie lächelte leicht, ohne mich anzusehen. »Da wird Geld fast genial geklaut, und ihr habt nur eine Idee: Nämlich geniale Logistik, also organisierte Kriminalität auf hohem Niveau.«

»Aber was sonst?« fragte ich verblüfft.

»Die Lust am Klauen«, meinte sie leichthin. »Du redest unentwegt von einer genial perfekten Sache. Vielleicht war das alles Zufall?«

»Zufall? Fast neunzehn Millionen in bar samt dem Laster spurlos verschwinden lassen?«

Sie sagte trocken: »Das ist genauso wahrscheinlich wie eure Mär von einer hochorganisierten Bande. – Und dir? Wie geht es dir?«

»Eigentlich gut.«

»Ich habe ein paar deiner Geschichten gelesen, sie klangen resignativ.«

»Das bleibt nicht aus in dieser Scheißzeit. Im Grunde kriegen wir doch nichts mehr auf die Reihe, wir verpflastern unsere Sünden, wir heilen sie nicht. Wir denken bis zur Erschöpfung in alten Bahnen und wissen, daß wir auf dem falschen Zug sitzen. Bonn brilliert durch Rücktritte statt durch politische Lösungen, und noch immer wird uns eingeredet, ein Mann ohne Funktelefon sei ein Verlierer ...«

»Du lieber Himmel, ein Baumeisterscher Rundschlag. Und was sollte man tun?«

»Das weiß ich auch nicht. Geh schlafen.«

»Und du?«

»Ich schlafe hier.«

»Es war wohl nicht so gut, herzukommen.«

»Doch, doch, es war gut. Rodenstock hat Angst, weißt du. Nicht nur seine Frau ist tot, er selbst hat Krebs. Schlaf dich aus, wir können reden, wenn es ruhiger wird.«

Sie stand auf, dehnte sich, gähnte herzhaft und verschwand. Krümel lief hinter ihr her. Dann erschien Elsa erneut in der Tür und erklärte: »Ich bin hier, um die Geschichte zu schreiben, nicht um dir auf den Wecker zu gehen.«

»Du gehst mir nicht auf den Wecker, ich selbst gehe mir auf den Wecker.«

»Kannst du das erklären?«

»Sicherlich ... Ich lebe hier in holder Einsamkeit und arrangiere mich mit der Welt, indem ich sie verachte. Dann klaut irgendwer ein bißchen Kleingeld, ich kriege Besuch, und mein Seelchen wimmert, als sei es dem Teufel verschrieben. Jetzt weiß ich, was die katholische Kirche ihren Einsiedlern verdankt: Arroganz und lebensfremde Spielregeln. Ach Scheiße, ich bin sauer.«

»Das war aber eine schöne Rede«, sagte sie ironisch und entschwand ein zweites Mal. Doch sie steckte noch einmal den Kopf durch die Tür und lächelte. »Mir ist eben aufgefallen, daß der beste Rat, den ich dir geben kann, so lautet: Du solltest genausoviel Lust am Leben haben, wie die Leute, die den Geldlaster klauten.«

»Lust am Leben«, erwiderte ich theatralisch. »Hah!«

Als ich mich am nächsten Morgen rasieren wollte, mußte ich fast eine Stunde warten, weil meine Besucher sich geeinigt hatten, in welcher Reihenfolge sie ins Badezimmer durften. Ich war der letzte.

Rodenstock stellte neue Überlegungen an. »Wir sollten erst einmal Möglichkeiten ausschließen«, nörgelte er. »Wahrscheinlich ist das Fell des Bären längst verteilt. Von Lockenwicklern bis Eigenheimbau und Kauf von Bundesschatzbriefen. Also, wen können wir ausschließen?«

Ich starrte ihn an und faßte es nicht. »Wen können wir ausschließen? Wir haben nicht einmal einen einzigen stramm Verdächtigen.«

»Doch«, widersprach er. »Wassi. Und weil Unger und Bettina mit dem Bundesgrenzschutz die Wälder pflügen, wäre es gut, wir würden Wassi jetzt erledigen.«

»Wassi arbeitet irgendwo im Wald.«

»Wir werden ihn auftreiben.« Er ließ sich nicht davon abbringen.

»Wenn wir ihn im Wald nageln, ist er erledigt. Seine Kollegen werden denken, daß irgendwas mit ihm nicht stimmt. Das wäre nicht fair.«

Rodenstock sah mich an, und sein Blick war sehr weit weg. »Das ist richtig«, murmelte er. »Was berichtet Elsa? Wie geht es ihr?«

»Ich weiß es noch nicht«, erwiderte ich. »Wo ist sie eigentlich?«

»Sie liegt auf dem Rücken in der Sonne und hat Krümel auf dem Bauch. Sie sagte mir eben, die Eifel habe ihr sehr gefehlt.«

»Das ist merkwürdig, diese Landschaft fehlt allen, die einmal hier waren. Den meisten. Sie bringt dich auf sich selbst zurück. Hier steht noch kein Spielautomat unter jedem dicken Baum.«

»Merken die Leute hier den wirtschaftlichen Abschwung?«

»Oh ja, und wie. Er wird bloß versteckt. Aber sie sind nicht gut im Verstecken, die Eifler. Sie lügen und werden rot.«

»Und wen erwischt es?«

»Zunächst einmal alle Subunternehmer der großen Industrie. Die Zulieferer, die sich hier gegründet haben. Sie geben ums Verrecken nicht zu, daß sie sterben, sie kaufen das nächstgrößere Auto mit Telefon und können ihr Grinsen nicht mehr abstellen.«

»Phantastische Täter«, sinnierte Rodenstock.

»Phantastische Täter«, gab ich zu. »Aber ob sie so viel Mumm haben, weiß ich nicht. Ich glaube nicht, daß diese Leute hingehen und einen ganzen Geldtransporter klauen. Das ist eine Nummer zu groß.«

»Hm«, nickte er vage.

»Glauben Sie eigentlich, daß das BKA einen Verdacht hat?« fragte ich.

Er schüttelte den Kopf. »Marker ist relativ offen, er hätte das gesagt. Ich habe übrigens einen Kaffee gemacht.«

»Danke. Ich möchte Wassi gegen Abend in die Mangel nehmen.«

»Meinetwegen«, gab er zurück.

Mit meinem Becher Kaffee marschierte ich in den Garten und hockte mich neben Elsa, die in einem winzigen Bikini auf einer Decke in der Sonne hockte.

»Du solltest Schatten suchen. Das Ozonloch dräut.«

»Na gut.« Sie nahm ihre Decke und schleppte sie ein paar Meter abseits unter den Weißdorn. »Erzählst du mir von dieser Frau, die ihren Mann umgebracht haben soll?«

»Ich weiß nicht viel von ihr, ich weiß eigentlich gar nichts. Außer, daß sie irgendwie schrecklich kaputt ist.«

»Was heißt denn schrecklich kaputt?« Sie zündete sich eine Zigarette an und streichelte die Blüte eines verspäteten Seifenkrauts.

»Sie wollte ein Kind, er wollte keines, sie bekam trotzdem eines, und er sorgte dafür, daß es nicht geboren wurde.«

Sie hockte sich hin, stellte sich dann aufrecht, bog den Rücken durch. »Kommst du mit zum Kerpener Steinbruch? Ich will die Farben sehen und den Tümpel riechen.«

»Sicher komme ich mit. Das ist eine gute Idee, das ist eine sehr gute Idee. Ich bin ohnehin vernagelt. Aber zieh dir etwas an, sonst fallen die Bauern vom Trecker.«

»Und Rodenstock?«

»Lassen wir hier, soll das Telefon hüten.«

»Ist er suizi... ist er müde?«

»Ja, ich glaube. Aber langsam kommt er wieder.«

»Er ist zu schade für den Tod«, murmelte sie. »Ich zieh mir etwas an.«

Sie kam in Jeans und einem grellroten Shirt wieder und hatte sich ein leuchtend rotes Band in die rote Löwenmähne geflochten, und wir stiefelten los.

»Hat sich hier etwas verändert?«

»Nein. Das Leben fließt gleichmäßig.«

»Sind die Roten Milane noch da?«

»Ja. Wieso hast du die Idee mit der Ehe gehabt? Für so was braucht man einen Waffenschein.«

Sie lachte. »Vielleicht hätte ich dich um Rat fragen sollen. Ich habe es aber nicht.«

»Was war denn das für ein Vogel?«

»Ein ganz netter«, meinte sie nachdenklich. »Eigentlich ein ganz netter.«

»Wie kam es dazu?«

»Sei doch nicht lebensfremd, Baumeister. Wir hatten uns verliebt. Wir hatten beide das Gefühl, etwas schrecklich Normales, Bürgerliches machen zu müssen.«

»Vielleicht hat er dich nicht wirklich geliebt?«

»Oh doch! Er hat mich so sehr geliebt, daß er sein Gehirn an der Garderobe abgab und mich für ihn denken ließ.«

»Und dein Gehirn reagierte wie ein Schweizer Käse?«

»Nein, durchaus nicht. Aber das Vakuum in seinem Kopf machte ihn träge. Seine Karriere funktionierte nicht mehr, und schließlich kam er auf die Idee, mir alles abzunehmen, was mich irgendwie beeinträchtigen könnte. Er machte die Wäsche, er spülte, er bügelte sich seine Hemden, er putzte meine Schuhe, er staubsaugte, er ...«

»Das ist ja furchtbar.«

»Richtig. Das war es auch. Schließlich wollte er Hausmann sein und schlug mir ein Kind vor.«

»Und du bist geflüchtet.«

»Nein, noch nicht. Ich flüchtete erst, als er versuchte, mein ganzes wunderschönes Wohnzimmer mit Nut und Federbrettern auszulegen. Da kam ich mir vor wie bei Mama Ikea persönlich. Erst dann flüchtete ich.«

»Was macht er jetzt?«

»Das weiß ich nicht. Er wollte in eine Therapie gehen, und er wollte sogar, daß ich sicherheitshalber mitgehe.«

»Und wie lange leidest du schon?«

»Das ist ein halbes Jahr her. Jetzt kann ich hin und wieder schon wieder lächeln.«

»Wie schön. – Sieh mal, da tanzt eine Heidelerche«, zeigte ich ihr.

»Du lieber Gott, schlägt die einen Lärm.«

»Ja. Und sie fliegt dabei mit hohem Flügelschlag. Gemessen an menschlichen Kräften, könnten wir diese Leistung nicht einmal zwanzig Sekunden bringen, sie bringt sie stundenlang. Lateinisch heißt das kleine Wunder Lululla arborea. Sie nistet zweimal im Jahr, und gewöhnlich fliegt sie zum Überwintern in den Mittelmeerraum. Aber immer häufiger bleiben sie über den Winter hier. – Was hast du beruflich erlebt?«

»Ich war zwei Monate in Bosnien-Herzegowina.«

»Schlimm?«

»Ein Alptraum. Was ist das da? Dieser violettblühende Strauch?«

»Das ist ein Seidelbast. Aber er blüht nicht. Das ist eine Mogelei. Da hat sich eine Vogelwicke an ihm hochgerankt.«

»Du bist ein guter Biologielehrer«, lächelte sie. »Ist niemand aufgetaucht, der dich haben wollte?«

»Doch schon, aber ich wollte nicht. Es waren Typen, die eher hausfrauliche Beschwerden hatten und so etwas wie eine unverbindliche Abwechslung suchten. Du kennst das ja: Anrufe, bei denen jemand beziehungsvoll seufzt und dann auflegt, um das Schicksal sprechen zu lassen. Bei einem IQ von zehn.«

Eine Weile schwiegen wir.

Dann schlug Elsa vor: »Du kannst das Geld finden und die Belohnung kassieren. Dann pumpst du mir was, und ich mache mich selbständig.«

»Bist du denn pleite?«

»Und wie, Baumeister, und wie! Aus irgendeinem Grund habe ich ihn an mein Sparbuch gelassen. Weißt du, was er angeschafft hat?« Sie lachte strahlend. »Ein Wohnmobil, sechzehn Meter lang, zwillingsbereift mit einer Inneneinrichtung wie für den Schah von Persien.«

»Ach du lieber Gott. War er ein Campingfreund?«

»Nein. Wir haben es uns nur so schön vorgestellt, mit dem Ding durch die Welt zu fahren. Wir waren sehr verrückt, glaube ich.«

»Wie schön«, meinte ich. »Wer von euch kam denn auf die Idee, daß die Konstruktion faul ist?«

»Ich natürlich.«

»Und er?«

»Na ja, er macht seine Therapie und versucht dauernd, mich zu überreden, zurückzukehren.«

»Das darf nicht wahr sein. Morgen steht er auf meinem Hof!«

»Er hat doch keine Ahnung«, sagte sie leichthin. »Und ich liebe ihn nicht mehr.«

»Und was machen wir, wenn er es nicht glaubt?«

Sie lachte nur.

Wir schlenderten in den Wald junger Buchen hinein und kamen auf der obersten Sohle des Steinbruches an.

»Ist der Uhu noch hier?« fragte sie.

»Ja, aber er hat seinen Stammsitz ungefähr vierhundert Meter nach Süden verlegt. Irgend etwas gefällt ihm dort besser. Wirst du Hamburg verlassen?«

»Kann sein, ich weiß es nicht.« Sie starrte hinunter auf den Teich, der sich im Laufe der letzten zehn Jahre auf dem Boden der untersten Sohle gebildet hatte. »Gibt es Molche?«

»Scharenweise. Sieh an, wir sind nicht allein, die Gitta hockt dort. Ich wußte gar nicht, daß die etwas für Natur übrig hat.«

»Wer ist sie?«

»Eine nette junge Frau mit Haaren auf den Zähnen. Macht einen privaten Kindergarten auf, zeigt der Caritas die Zähne. Komm.«

Gitta blieb auf dem großen Stein am Teich hocken und schaute uns lächelnd entgegen. »Ich sage, das ist kein Zufall. Ich wollte auf dem Rückweg zu dir reinkommen, Baumeister.«

»Das ist Elsa, das ist Gitta. Gebt euch die Hand. Mein Bürgermeister sagte mir, du willst den Kindergarten jetzt allein bauen.«

»Ich weiß nicht, ob ich das heute noch will«, erklärte Gitta. Sie trug ein blauschwarzkariertes Cowboyhemd über der Jeans, und sie hatte eine Zigarettenschachtel mit einem Feuerzeug neben sich liegen. Den Kippen nach zu urteilen, rauchte sie Kette.

»Mein Bürgermeister sagte, du hast das Geld aufgetrieben.«

»Das habe ich auch. Aber ich weiß nicht, ob ich es nehmen soll.« Sie hatte ein breites, gutmütig hübsches Gesicht, und ihre Augen waren eisblau und wirkten sehr lebendig.

»Was haben Sie vor?« fragte Elsa.

Gitta sah Elsa an und entschied dann, daß sie reden wollte. Sie sagte mit einer weit ausholenden Bewegung: »Anfangs war das eine verrückte Idee. Ich bin jetzt 28, damals war ich 23. Wir hatten in den Dörfern hier immer schon Schwierigkeiten mit Kindergartenplätzen; vornehmlich mit ganz kleinen Kindern, also Krabbelgruppen. Die Caritas hat auf diese Dinge hier ein totales Monopol. Natürlich habe ich nichts dagegen, solange keine Schwierigkeiten entstehen. Aber es entstehen immer Schwierigkeiten. Die Unterrichtung der jungen Kindergärtnerinnen ist natürlich katholisch, katholisch, katholisch. Mit den Kindern durch das Kirchenjahr. Ich halte das für gefährlich. Also hat eine Gruppe von uns eine private Planung ins Auge gefaßt.

Wir waren sechs junge Frauen. Vier davon sind mittlerweile reuig abgesprungen, weil sie Jobs brauchten, um Geld zu verdienen. Eine wurde geschieden, und geschiedene Frauen beschäftigt die Caritas nicht gerne. Bleiben zwei, meine Freundin Edda in Blankenheim und ich. Natürlich bekamen wir keine Gelder, natürlich hieß es anfangs immer von Seiten der Banken: Wir finanzieren euch. Aber dann bekamen die Banken einen Anruf und waren plötzlich nicht mehr so spendabel.«

Sie zuckte die Achseln. »Ich hatte schon aufgegeben. Ich konnte in Köln in einen freien Kindergarten einsteigen. Doch dann ist mein Vater gestorben, meine Mutter hockt allein auf dem Hof und langweilt sich zu Tode. Da fragte sie mich, ob ich den gesamten Hof haben wollte: Für meinen Kindergarten ...«

»Hatten Sie denn genug Anmeldungen?« fragte Elsa.

»Aber ja. Jede Menge, kein Problem. Jetzt hatte ich also einen Bau, denn wir haben eine massive, riesige Scheune, die man nur umbauen muß, um einen erstklassigen Kindergarten zu kriegen. Aber ich bekam kein Geld, ich ...«

»Wieviel hättest du denn gebraucht?« unterbrach ich sie.

»Also, ich habe sparsam gerechnet, aber ich habe alles von Fachleuten machen lassen, weil ich genau weiß: Wenn ich es riskiere, muß jeder Wasserhahn stimmen und jeder Lokus die genaue Kinderhöhe haben, sonst dreht mir einer einen Strick. Wir sind genau auf einhundertzweiunddreißigtausend Mark gekommen.«

»Und das Geld hat Ihnen eine Bank gegeben?« fragte Elsa.

Sie schüttelte den Kopf, stand auf und stieg von dem Stein herunter. Sie stellte sich an das Wasser, und vor ihren Füßen flohen die dicken Quappen der Glockenunken in Scharen.

»Deswegen wollte ich zu dir, Baumeister. Am Sonntag morgen stehe ich auf, gehe mit Mama in die Kirche, und wir kommen zurück. Da sehe ich hinten im Blumengarten hinter dem Haus ein Paket liegen. Es war Zeitungspapier mit einem Gummiband drum herum. Ich mache das Ding auf und denke, ich falle in Ohnmacht. Das war bündelweise Geld, Baumeister. Es waren genau ...«

»Einhundertzweiunddreißigtausend Mark«, rief Elsa und schlug vor Begeisterung ihre Hände auf die Knie.

»Ist das so?« fragte ich.

Gitta nickte.

»Was hast du damit gemacht?«

»In der ersten Begeisterung habe ich laut verkündet: Jetzt baue ich den Kindergarten auf! Ich habe keinem gesagt, daß ich das Geld bar im Haus habe. Ich bin Montag morgen zur Bank und habe ein Bankfach gemietet. Da liegt es jetzt. Aber ich kann das nicht nehmen, das geht doch nicht.«

»Langsam«, sagte ich nervös, »bitte, ganz langsam. Du hast also das Geld im Garten gefunden. In Zeitungspapier eingewickelt. Was für ein Zeitungspapier?«

»Es war der Trierische Volksfreund, Ausgabe vom vergangenen Donnerstag.«

»Hast du deiner Mutter etwas gesagt?«

»Kein Wort. Natürlich hat sie gemerkt, daß irgend etwas los ist, aber sie ist sicher nicht auf die Idee gekommen, daß ich Geld geschenkt bekommen habe.«

»Was passierte dann? Wann haben Sie verkündet, Sie würden den Kindergarten bauen?« mischte sich Elsa ein.

»Abends, am Sonntag abend. Die Clique hockte bei Mechthild – wie immer.«

»Hast du irgend etwas angedeutet?«

Sie schüttelte den Kopf und brach einen kleinen Weidenast ab. Dann kniete sie sich an das Wasser und schlug damit leicht auf die Oberfläche. »Ich habe nichts angedeutet, kein Wort. Ich habe zu verstehen gegeben, daß die Bank mich jetzt doch finanziert.«

»Wer hat denn gewußt, daß der Umbau ziemlich genau einhundertzweiunddreißigtausend Mark kosten würde?«

»Alle wußten das«, erklärte Gitta. »Jeder aus der Clique, einfach jeder, der mich kennt. Das sind verdammt viele.« Sie starrte vor sich in das Wasser, in dem eine Alge gelbblühende Teppiche gewirkt hatte. Ein Kammolch kam aus der Tiefe geschossen, schnappte Luft, senkte sich und verschwand.

»Das ist doch nicht alles«, sagte Elsa hellsichtig.

»Das ist nicht alles«, bestätigte Gitta. »Das ist längst nicht alles.« Sie hockte sich auf die Fersen. »Als ich das Geld hatte, rief ich sofort Edda in Blankenheim an. Die setzte sich ins Auto und kam zu mir. Wir haben dann gesponnen, und abends war sie mit in Mechthilds Kneipe. Dann fuhr sie nach Hause. Ich wollte gerade ins Bett gehen, da schellt das Telefon, das war nachts um zwei. Edda war dran. Es ist so, daß sie es etwas leichter hat als ich. Ihre Eltern hatten früher mal einen Landhandel, und die große Lagerhalle von denen ist beinahe ein perfekter Kindergarten. Sie brauchte rund siebzigtausend, um es durchzuziehen.« Gitta lachte wirr. »Es war schon irgendwie verrückt: hundertzweiunddreißigtausend für mich, siebzigtausend für Edda. Sie konnte kaum sprechen, sie stotterte. Sie hat vor ihrem Fenster einen Riesenpott mit Fuchsien stehen. Da hatte ihr jemand ein Paket mit Zeitungspapier reingesteckt, siebzigtausend in bar.«

»Wo ist das Geld?« erkundigte ich mich.

»Auch in meinem Bankfach«, antwortete Gitta.

»Hast du mit irgend jemandem außer mit dieser Edda gesprochen?«

»Wir zittern nur noch, wir haben niemandem was gesagt.«

»Aber Sie müssen damit zur Polizei«, sagte Elsa sanft.

»Deswegen wollten wir mit Baumeister sprechen. Das darf keiner erfahren, daß darf wirklich keiner erfahren.« Sie hielt sich die rechte Hand vor den Mund.

»Wieso das?« fragte Elsa.

»Weil es dann unvermeidlich ist, daß die Leute denken, die beiden Frauen hängen in dem Coup drin«, erklärte ich. »So ist das Leben. – Sag mal, Gitta, habt ihr mal versucht, die Runden zu rekonstruieren, die genau wußten, wieviel Geld ihr braucht?«

»Wir haben die Namen aufgeschrieben«, entgegnete sie eifrig. »Aber das ist verdammt aussichtslos. Bei mir sind das circa dreißig Leute, davon gut und gerne zwanzig Männer. Bei Edda sind es genausoviel.«

»Sind es bei Ihnen und Ihrer Freundin dieselben Menschen, oder andere?« fragte Elsa.

»Das haben wir auch überlegt. Bei ihr und mir zusammen sind es ungefähr zwanzig Männer und zwanzig Frauen.«

»Wir haben also in eurer Umgebung rund vierzig Leute, die genau wissen, wieviel Geld ihr braucht«, stellte ich fest. »Richtig?«

»Richtig.«

»Und diese vierzig wissen von beiden, also von dir und Edda?«

»Ja«, nickte sie. »Aber es kann sein, daß wir in der verkehrten Richtung suchen. Daß zum Beispiel jemand durch unsere Eltern davon erfahren hat. Oder durch die Leute bei den Banken. Wir haben eine Riesenauswahl.«

»Moment mal, bitte.« Ich mußte sie unterbrechen, weil ich plötzlich eine Möglichkeit sah. »Also wußte der tote Banker Wolfgang Schuhmacher genau, wieviel Geld du brauchst? Ist es vorstellbar, daß er mit dir verbunden ist? Irgendwie?«

Gitta lächelte. »Nein. Auf keinen Fall. Er wußte natürlich, wieviel Geld ich brauche. Er hat sich anfangs sogar für mich stark machen wollen. Aber sonst war da nichts.«

»Hat er dich angehimmelt oder irgend etwas in der Art?«

»Der? Um Gottes willen, nicht die Spur. Doch auch der Boß der anderen Bank wußte genau, wieviel Geld ich brauche. Schließlich habe ich den auch um Hilfe gebeten. Die wußten auch, wieviel Geld Edda braucht. Denn die hat auch beide gefragt. Wir haben eine Riesenauswahl von Leuten, die unsere Finanzwünsche genau kannten.«

»Wem trauen Sie es denn zu?« erkundigte sich Elsa.

»Das haben wir uns anfangs nicht zu überlegen getraut. Aber eigentlich denken wir beide, daß wir keinen kennen, der das Ding gedreht hat.«

»Was willst du jetzt von mir?« fragte ich.

»Kannst du mit diesen Leuten vom Bundeskriminalamt reden, daß jetzt nichts bekannt wird?«

»Das mache ich.«

»Und schreibst du, bitte, erst einmal nichts?«

»Er schreibt eh nichts, solange nichts klar ist«, lächelte Elsa.

»Okay«, stimmte Gitta zu. »Was ist mit Edda?«

»Sag ihr einfach, sie soll dich besuchen. Sofort. Und wir verschwinden jetzt.«

»Und noch was, Baumeister. Ruf mich bitte nicht zu Hause an. Meine Mutter riecht schon, daß irgendwas faul ist.«

»Sie sollten überlegen, Ihrer Mutter einfach reinen Wein einzuschenken«, riet Elsa. »Das ist einfacher.«

»In diesem Fall nicht«, sagte Gitta bestimmt.

Die Sonne stach, die Luft wurde zunehmend feuchter, es würde ein Gewitter geben.

»Du mußt vollkommen umdenken, nicht wahr?« stellte Elsa fest.

»Ehe wir umdenken, sollte ich vielleicht das mit Wassi erledigen«, entgegnete ich.

»Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist Wassi ein sympathisches Schlitzohr«, murmelte sie.

»So isses. Er weiß irgend etwas, aber ich ahne nicht einmal, was es ist. Außerdem müssen wir versuchen, Unger auszuquartieren.«

»Wer hat ihn geschickt?«

»Die Hamburger. Sie verlangen von ihm, daß er mir ständig auf den Fersen ist. Und dafür bezahlen sie mich gut. – Laß uns einen Schritt zulegen. Wir müssen jetzt schnell sein. Immer einen Schritt schneller als das Bundeskriminalamt.«

»Das schaffen wir nie.«

»Oh, doch. Wir haben zehn Schritte Vorsprung.«

»Wer ist denn das da drüben? Da auf der Weide? Die drei Trecker?«

»Das sind die drei Musketiere. Wir nennen sie so, weil sie immer zusammenhängen. Nikolaus und Christian Daun, Vater und Sohn, beide bewirtschaften je einen Hof. Und Peter Blankenheim, der Freund, im Alter des Vaters Daun, Mitte Fünfzig.« Ich winkte ihnen zu, und sie winkten zurück. Sie schwätzten miteinander in der mittäglichen Hitze im Schatten ihrer tuckernden Traktoren.

»Könnten denn nicht solche Leute dieses Ding gedreht haben?« fragte Elsa.

»Wie denn?« fragte ich zurück. »Bauern, die einen Geldtransporter klauen und dabei zwei Wachleute mattsetzen, ohne sie anzurühren? Das hört sich nicht nur unglaublich an, das ist es auch.«

»Aber jemand geht mit segnender Hand über die Eifel und verschenkt Bares!« mahnte sie. »Du kannst nichts ausschließen, absolut nichts.«

Sie machte mich wütend mit dieser sanften Besserwisserei. »Ich führe sie dir vor, verdammt noch mal«, erwiderte ich heftig. »Komm mit.« Ich bog vom Weg ab in die Wiese und marschierte auf die drei Musketiere los, als wolle ich ihre Burg stürmen.

»Heh«, gluckste sie hinter mir, »nicht so schnell.« Sie war hörbar erheitert, sie hörte nicht mehr auf zu glucksen.

»Sieh an, sieh an«, knurrte Vater Daun äußerst freundlich und mit süffisantem Grinsen, »so sieht das also aus, wenn Journalisten arbeiten.«

Er und sein Sohn waren sich sehr ähnlich, irgendwann würde der Zeitpunkt kommen, an dem es unmöglich war, die beiden auseinanderzuhalten. Wie Christian war er ein Schrank von Mann, wie Christian hatte er ein sehr gesundes, rotes Gesicht, das merkwürdigerweise nicht im geringsten dick wirkte. Wie Christian hatte er helle Augen mit einer Unmasse an Lachfältchen. Und wie Christian trug er eine modern geschnittene Brille, die ihn so klug aussehen ließ, wie er wirklich war.

»Das ist Elsa, eine Kollegin«, stellte ich vor. »Also, das ist Nikolaus Daun, der Vater, dann Christian Daun, der Sohn. Der links außen ist Peter Blankenheim. Zusammen ergeben sie ein Trio, das die drei Musketiere genannt wird und wegen seiner beleidigenden Gedankenschärfe berühmt ist.«

»Wieso drei Musketiere?« fragte Elsa und gab ihnen die Hand.

Peter Blankenheim grinste. Er war ein kleiner, viereckiger Mann, dessen Schultern viel Kraft verrieten und dessen Gesicht sehr schmal geschnitten war und wie eine hölzerne Maske wirken konnte, wenn ihm etwas nicht paßte. »Das hat mit Karneval zu tun«, erklärte er. »Wir sind da mal aufgetreten und haben als drei Musketiere Witze gemacht und so. Und Sie wollen den Geldraub aufklären?«

»Warum nicht?« fragte Elsa zurück.

Sie grinsten alle drei, sie hatten harte wettergegerbte Gesichter, und sie waren nicht eine Spur verlegen.

»Wir kommen vorbei«, verkündete ich großartig, »um euch zu fragen, ob ihr zufällig den Geldtransporter geklaut habt.«

Elsa prustete, Christian Daun schaute die älteren Männer an und fragte: »Also, was ist? Waren wir es nun, oder nicht? Ich meine, wir müßten uns einigen, verdammt noch mal.«

Vater Daun dachte intensiv nach, schüttelte dann den Kopf und erklärte: »Also, ich leugne.«

»Was ist mit dir?« fragte ich Peter Blankenheim. Er hob beide Hände verschreckt abwehrend gegen das Gesicht. »Ich war es auch nicht, meine Frau hat mir mein Taschengeld schon Anfang der Woche gegeben.«

»Und du Verbrecher?« schnauzte ich Christian an. »Gestehe!«

»Bist du bei zehn Prozent ruhig?« fragte er ernsthaft.

»Fünfzehn!«

»Zehn! Mein letztes Wort.«

»Ach hört auf«, kicherte Elsa. »Das ist einfach zu blöd. Aber im Ernst: Wer kann es denn gewesen sein?«

Alle drei sahen sie mitleidig an. Vater Daun murmelte: »Wenn ich es wüßte, würde ich es wohl nicht sagen.«

»Warum nicht?« fragte sie sehr scharf.

»Weil ich nicht weiß, warum diese Leute es geklaut haben«, entgegnete er offen.

Sie meinte etwas übereilt: »Unrecht bleibt Unrecht.«

»Na ja«, murmelte Christian Daun gutmütig.

»Oder gibt es einen Grund, einen wirklichen Grund, neunzehn Millionen zu klauen?« erkundigte sie sich angriffslustig.

Peter Blankenheim grinste. »Also, mein Kontostand wäre schon einer.«

»Und dieser Mord?« Sie provozierte.

»Der ist komisch«, urteilte Vater Daun. »Das stimmt, der ist wirklich komisch. Man weiß ja nicht, was da abgelaufen ist.«

»Wie ich sehe, wißt ihr auch nichts«, stellte ich fest. »Komm, wir marschieren heim, ich will einen Kaffee.«

Die drei lächelten und sahen hinter uns her, wobei Elsas hübsche Figur sicher mehr Grund bot als meine krummen Beine.

»Wenn es Leute aus der Eifel waren, bekommt der Mord an diesem Banker einen ganz anderen Stellenwert«, überlegte sie. »Oder? Oder ist das nicht so?«

»Doch, doch«, nickte ich. »Aber ich denke, es war die Ehefrau. Übrigens Ehefrau: Ist die Scheidung schon vollzogen?«

»Das läuft. Wieso lebst du noch alleine?«

»Mir gefällt das so.«

»Und wenn du mal die Grippe hast?«

»Warum hörst du nicht mit dem verdammten Dünnbrettbohren auf?«

Sie blieb stehen, sie hielt den Kopf geneigt.

»Verdammt noch mal, ich hasse diese blödsinnigen, nichtssagenden Unterhaltungen zwischen Leuten, die sich eigentlich verstehen. Also, was ist: Wo liegt dein Kummer?«

»Ich hasse die deutsch-mythologische Nabelschau. Aber gut: Ich wollte ein Baby. Das ging schief.« Sie ging langsam weiter, sah dabei auf den Boden und hielt den Rücken so, als habe sie einen Buckel.

»Was war mit dem Baby?«

»Es war nicht lebensfähig, sie mußten es mir wegnehmen.«

»Das tut weh, das tut mir leid.« Ich war mit zwei Schritten bei ihr und nahm sie in die Arme. Sie lehnte sich ganz eng an mich und schluchzte: »So eine Scheiße, verdammt noch mal!«

»Du kannst hierbleiben und dich ausruhen«, bot ich ihr an.

»Das geht nicht, verdammt noch mal, ich brauche meinen Job.«

»Dann schreiben wir die Geschichte für dich, und du pumpst mir einen Heiermann.« Mir fallen in derartigen Situationen sehr selten einfühlsame Dinge ein.

Sie lachte unter Weinen und prustete: »Du bist ein unmöglicher Mensch. Aber irgendwie liebe ich dich.«

Wir schlenderten nach Hause und sahen Rodenstock vor meiner Garage stehen, wie er wütend, bekleidet mit meinem Lieblings-T-Shirt, mit der Axt auf einen Holzkloben eindrosch. »Das tut so gut«, keuchte er. »Ich bin gerade dabei, die ganze Welt zu verprügeln.«

»Ihre Faust ist nicht gefordert«, lächelte Elsa. »Wir brauchen Ihr Hirn.«

»Heißt das, ihr habt etwas ausgegraben?«

»Ja«, bestätigte ich. »Wir müssen Abschied nehmen von groß und international arbeitenden Gangstern. Scheinbar war es eine einheimische Gruppe.«

»Wieso das?« fragte er nun ganz ruhig.

»Weil sie den Zaster verschenken«, sagte Elsa hell.