23

»Hör auf.« Ich packte Amy an den Schultern und schüttelte sie. »Ich bin nicht sie. Ich schwör’s dir. Ich weiß, wen du meinst, und sie ist nicht in mir drin.«

Amy blinzelte mich an, ihre Augen waren eher grau als grün. Trotz ihres geschorenen Haares ähnelte sie dem Mädchen mit dem hübschen Gesicht und dem weichen Blick, das ich auf den Fotos gesehen hatte. Ich konnte verstehen, warum Nash sich in sie verliebt hatte.

»Setz dich mit mir hin.« Ich führte sie zu der Bank unter dem Baum und klopfte auf die glatte Sitzfläche. Der Stein fühlte sich durch meine Jeans kühl und angenehm an nach der brütenden Hitze der Fahrt.

»Wann hat es angefangen?«, fragte ich sie.

Amy blieb stehen. »Wer bist du?«

»Mein Name ist Janet Begay. Deine Eltern haben mich gebeten herauszufinden, was mit dir passiert ist. Es macht ihnen schwer zu schaffen, sie trauern um dich, und mittlerweile gehen sie davon aus, dass du tot bist.«

»Es ist besser so. Erzähle ihnen, dass ich gestorben bin.«

»Blödsinn. Was geschehen ist, war nicht deine Schuld.«

In Amys Gesicht zuckte es. »Du hast keine Ahnung, was passiert ist. Wozu sie mich gezwungen hat.«

»Wozu denn?«

»Ich will nicht darüber reden. Ich kenne dich nicht, und wenn meine Mom und mein Dad dich geschickt haben, will ich nicht, dass du ihnen erzählst, was mit mir geschehen ist.«

Ich verkniff mir einen Seufzer. Ich musste wissen, worum es hier ging, aber Amy hatte nicht einfach nur Angst; sie schämte sich. Sie war immer das brave Mädchen gewesen, und meine Mutter war das personifizierte Böse.

»Wie wär’s, wenn ich dir verspreche, ihnen nur zu sagen, dass es dir gut geht?«, fragte ich. »Sie verdienen es, das zu erfahren. Und ich finde, sie haben ein Recht darauf, dass du sie anrufst und es ihnen selbst erzählst.«

»Ermahne mich nicht, wenn du nicht wissen kannst, was ich durchgemacht habe. Was ich getan habe «

»Das warst nicht du.«

»Nein«, blaffte sie. »Was du nicht verstehst, ist, dass ich diese Dinge tun wollte. Ich war schon böse, bevor der Dämon über mich kam. Es war schwer, die ganze Zeit das gute Mädchen zu spielen, aber die Leute waren so stolz auf mich, dass ich nicht damit aufhören konnte, egal, was in mir war. Ich weiß nicht, ob du das verstehen kannst.«

Ich verstand es absolut, besser als sie ahnte. »Glaub mir, Amy, wir alle werden in Rollen gedrängt, die nicht zu uns passen. Entweder wir fügen uns ein oder wir rebellieren. Ich habe rebelliert. Ich habe meiner Großmutter das Leben zur Hölle auf Erden gemacht das war allerdings gegenseitig. Deine Eltern waren deinetwegen wenigstens glücklich und stolz.«

»Was der Grund ist, weshalb ich nicht von hier fortgehen kann. Lass sie denken, dass ich eine Heilige oder so was bin und mein Leben opfere, um anderen zu helfen und Gutes zu tun.« Amys Miene wurde wehmütig. »Mir gefällt die Arbeit wirklich, der wir hier draußen nachgehen. Wir besuchen Kranke und Bettlägerige, bringen ihnen Essen, putzen ihre Häuser und kümmern uns um die, die sich nicht selbst helfen können. Das gefällt mir. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich das Gefühl, etwas wirklich Nützliches zu tun.«

»Du hast Nash Jones geholfen. Er soll ja ziemlich durch den Wind gewesen sein, als er von der Armee nach Hause kam, doch als er mit dir zusammen war, hat er sich beruhigt. Alle sind sich einig, dass du ihm gutgetan hast.«

Amy wandte schaudernd den Blick ab. »Ich will nicht über Nash reden.«

»Ich denke, das sollten wir aber. War es deine Idee, ihn Maya auszuspannen? Oder die meiner Mutter?«

»Ich weiß es nicht.« Amy sah mich wieder an. Ihre Augen blitzten wütend. »Verstehst du nicht? Ich kann nie sicher sein. Ich fand Nash schon immer attraktiv, mochte ihn von jeher, doch ich dachte nicht, dass eine wie ich ihm überhaupt auffällt. Außerdem war er mit Maya zusammen. Ich habe ihn immer beobachtet, wenn er nach Magellan kam. Manchmal bin ich ihm nachgegangen, in Geschäfte oder in den Diner, und habe vorgegeben, nur zufällig da zu sein, damit ich mit ihm reden oder ihn einfach nur beobachten konnte.«

Ich prustete vor Lachen, und Amy verstummte verletzt.

»Das muss dir doch nicht peinlich sein«, sagte ich. »Nash hat einen tollen Körper. Ich wundere mich ja, dass er überhaupt irgendwohin gehen kann, ohne massenweise Frauen im Schlepptau zu haben. Es ist ganz normal, wenn du gern schöne Männer anschaust. Da geht es mir genauso wie dir. Das ist der Paarungsinstinkt. Gegen unsere Hormone sind wir machtlos.«

»Nein, sind wir nicht. Wir können uns wie zivilisierte Menschen benehmen, statt Leuten nachzustellen, die uns zufällig gefallen. Darum verabscheuen wir Vergewaltigung die Missachtung von anderen, um unsere eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.«

»Ich habe nicht von Vergewaltigung geredet.«

»Aber ich.« Amys Gesicht war starr. »Was ich mit Nash getan habe, war so etwas wie eine Vergewaltigung. Ich habe ihn von Maya weggenötigt, einer Frau, die er liebte, weil ich ihn selbst haben wollte. Ich habe ihn verführt, um von ihm schwanger zu werden.«

»Du hast ihn nicht direkt gezwungen. Er und Maya standen schon kurz vor der Trennung.«

»Aber sie hätten geheiratet und es geschafft, wenn ich nicht gewesen wäre.«

»Möglich, doch du kannst nicht sicher sein. Ich weiß, dass meine Mutter sich nicht sehr lange in Menschen manifestieren kann. Wenn ich das richtig verstehe, hattest du Phasen, in denen du nicht gewusst hast, was du tust?«

»Stundenlang. Manchmal einen ganzen Tag, jedoch nie länger. Das eine oder andere Mal kam ich draußen in der Wüste wieder zu mir, ohne Erinnerung, wie ich da hinausgekommen bin. Aber ich war angezogen, hatte eine Jogginghose an und Wasser dabei, als wollte ich eine Wandertour unternehmen.«

Ich nickte. »Sie hat sich von dir zurück zu den Wirbeln bringen lassen. Ihr Geist kann zwar durch die Spalten schlüpfen, doch sie kann sich nicht körperlich manifestieren. Also schnappt sie sich die erstbeste Frau, im Idealfall eine, die jung und hübsch ist, und bemächtigt sich ihrer. Soweit ich weiß, ist sie nie in Männer eingefahren. Ich weiß allerdings nicht, ob sie es nicht kann oder nicht will.«

Amy starrte mich mit großen Augen an. »Wovon redest du? Ich war von einem Dämon besessen. Einem Teufel aus der Hölle.«

»Mehr oder weniger. Sie ist eine Göttin aus der Unteren Welt. Das ist nicht wirklich die Hölle, sondern nur eine andere Welt, aber sie ist dort eingesperrt, zusammen mit den anderen Göttern und Göttinnen, die zu bösartig waren, um herausgelassen zu werden. Sie wurde da von Göttern wie Coyote eingesperrt, mithilfe der Drachen. Schwächere Kreaturen schafften es hinaus aus ihnen wurden die Skinwalker und Wesen, die wir ›Dämonen‹ und ›böse Geister‹ nennen. Sie kann die Skinwalker kontrollieren, die bei den Wirbeln leben, wenn sie will.«

Amy lauschte mit offenem Mund. »Du bist ja noch verrückter als ich.«

»Nein, nur erfahrener. Diese bösen Kreaturen gibt es wirklich, Amy.«

Sie sah wieder weg. »Der Teufel hat mich mit einem Dämon auf die Probe gestellt, so wie Gott es ihm auch mit Hiob erlaubt hat. Bloß, dass ich versagt habe.«

»Es war nicht deine Schuld.«

Amy bewegte sich rastlos. »Doch, war es. Der Dämon war nicht die ganze Zeit in mir. Wenn ich wieder zu mir gekommen war, ging ich nach Hause, und da war Nash, der in meinem Bett schlief, und ich war so stolz auf mich und so glücklich, dass er mir gehörte. Selbst wenn der Dämon ihn für mich verführen musste, gehörte Nash mir ganz allein. Ich sagte mir, dass ich mich viel besser um ihn kümmern könnte als Maya. Aber wenn ich Nash geliebt hätte wenn ich ihn wirklich geliebt hätte , hätte ich ihn gehen lassen. Ich wäre über mein Handeln entsetzt gewesen und hätte ihm geraten, sich von mir fernzuhalten. Stattdessen habe ich mich von ihm küssen lassen, dann haben wir miteinander geschlafen, und ich habe geplant, ihn zu heiraten und sein Baby zu bekommen. Ich wollte beweisen, dass Amy McGuire den bestaussehenden Mann im ganzen County für sich gewinnen und das perfekte Leben mit ihm führen konnte. Sogar den Dämon hätte ich benutzt, um Nash in mich verliebt zu machen, wenn es nicht anders gegangen wäre.« Sie war rastlos auf und ab gegangen, jetzt blieb sie wieder stehen. »Nun schau mich an und sage mir noch einmal, dass ich ein guter Mensch bin!«

Ich hatte im College Mädels gekannt, die skrupellos gut aussehende, betuchte, erfolgreiche Männer gejagt hatten und dabei komplett ohne Dämonen ausgekommen waren. Aber ich dachte nicht, dass Amy beschwichtigt werden wollte.

Nachdenklich stellte ich einen Stiefel auf die Bank und schlang mir die Arme ums Knie. Wir mussten schon komisch zusammen aussehen, ich in meinen engen Jeans, den Chaps und dem tief ausgeschnittenen Top, Amy schlicht in Bluse und Rock, die praktisch schon das Habit einer Nonne waren. Doch ich hatte etwas mit dieser jungen Frau gemeinsam, was die meisten Leute nicht verstehen würden.

»Was ist mit dem Baby passiert?«, fragte ich sanft.

In Amys Augen trat ein schmerzlicher Ausdruck. »Ich habe es verloren, im vierten Monat.«

»Bist du in ein Krankenhaus gegangen? Ich konnte keine Aufzeichnungen finden «

»Ich war hierhergekommen, um mit den Schwestern zu reden und ihrem Orden beizutreten. Sie wollten mich nicht aufnehmen. Ich war nicht katholisch, es gibt ein Noviziat und außerdem hatte ich all diese Sachen mit Nash getrieben, und das auch noch vor der Ehe. Ich erlitt die Fehlgeburt hier. Die Schwestern haben einen Arzt geholt und waren einverstanden, die Sache diskret zu behandeln. Seither arbeite ich meine Arztkosten bei ihnen ab. Das Dämonenkind muss gewusst haben, dass es an einem heiligen Ort war und keine Chance hatte.«

Ich widersprach ihr nicht, obwohl ich glaubte, dass Amy einfach nicht stark genug gewesen war, ein Kind auszutragen, das die Magie meiner Mutter in sich trug.

»Also bist du damals aus Magellan fortgegangen, um hierherzukommen und das Kloster für dich auszukundschaften?«

Sie nickte. »Schwester Margaret hatte mir an dem Tag einen Termin gegeben, und ich hatte befürchtet, dass ich keine andere Chance mehr bekommen würde. Ich wollte nicht, dass mich jemand gehen sah ich dachte, wenn das Kloster mich abweist, könnte ich einfach nach Hause zurückkehren, und niemand hätte etwas bemerkt. Wenn sie mich angenommen hätten, hätte ich angerufen. Aber als ich die Fehlgeburt hatte, bekam ich Angst. Ich wollte mit Magellan und seinen Bewohnern nichts mehr zu schaffen haben, nie wieder.«

»Niemand hat dich wegfahren sehen. Du hast nicht dein eigenes Auto genommen.«

»Ich hatte eine Woche zuvor einem Paar in Winslow einen alten Wagen abgekauft und ihn im Süden der Stadt versteckt. An diesem Morgen bin ich zu Fuß durch die Wüste zu diesem Auto gegangen und damit weggefahren.«

Ein Privatkauf gegen Barzahlung hinterließ keine Aufzeichnungen, ein altes Fahrzeug kostete nicht viel, und Amy konnte das Geld dafür nach und nach beiseitegelegt haben. Darum hatten wir keine großen Barabhebungen in ihren Kontoauszügen entdeckt. Die Tochter eines Polizeichefs dachte natürlich an solche Dinge.

Sie konnte den Wagen ohne großen Aufwand hinter einem mit Wacholderbäumen und Mesquiten bestandenen Ufer eines Trockentals im Süden von Magellan versteckt haben es gab so viele von ihnen, und die Straße war wenig befahren. Amy hatte sorgfältig geplant; sie war sichergegangen, dass niemand sie sehen oder anhalten würde. Sie kannte Nash, und wenn der auch nur die leiseste Ahnung von ihrem Vorhaben gehabt hätte, hätte er sie vermutlich mit einem Vorhängeschloss in ihrem eigenen Haus eingesperrt. Und vielleicht hätte er es nicht dabei belassen.

»Möglicherweise war es die richtige Entscheidung wegzufahren«, sagte ich. »Die Wirbel weit hinter dir zu lassen, war ein guter Plan. Wenn du hierbleiben und gute Werke tun willst, wer bin ich, dir zu sagen, dass es falsch ist? Aber melde dich bei deinen Eltern und erzähle es ihnen! Die Ungewissheit bringt sie um.«

Amy nickte mit Tränen in den Augen. »Siehst du? Ich bin egoistisch, genau wie du sagst. Ich hatte solche Angst vor dem, was mit mir passiert ist, und davor, dass meine Familie mich wieder zum Heimfahren überreden würde! Und bei all dem dachte ich gar nicht daran, was sie durchmachen mussten. Sie haben einander, und sie sind stark, sagte ich mir. Ich nahm an, sie würden schon darüber hinwegkommen.«

»Nun, sind sie aber nicht.« Ich dachte an Mrs McGuire und ihren leeren Blick. »Ruf sie an! Es ist dein Leben du kannst dich entscheiden, hierzubleiben, Gemüse anzubauen und den Kranken und Bettlägerigen Essen zu bringen, wenn dich das glücklich macht. Aber sag es deinen Eltern!«

»Es macht mich ehrlich glücklich.« Ihr Blick wurde trotzig. »Und ich will dem Orden wirklich beitreten. Ich bin immer fromm gewesen, und hierherzukommen, war die naheliegende Entscheidung. Ich arbeite mich durch meine Studien und bin schon zum Katholizismus konvertiert. Gott wird sich um mich kümmern, und dafür werde ich ihm dienen.«

»Gut.« Dieser Ort war friedlich, das musste ich zugeben. Es war verlockend, in dieser Stille zu bleiben. In einem Garten Unkraut zu jäten, zu beten und zu meditieren, klang wie Balsam für die Seele. Doch draußen wartete Mick auf mich, ich trug Verantwortung, und schon beim ersten Wüstensturm würde ich den Frieden und die Stille hier wieder zerstört haben. Dieses Kloster war ein Zufluchtsort, aber nicht für mich.

»Versprichst du mir, deine Mom und deinen Dad anzurufen?«, fragte ich und stand auf. »Ich verstehe es, wenn du nicht mit Nash oder sonst jemandem reden willst, aber ruf wenigstens deine Eltern an.«

»Kannst nicht einfach du ihnen sagen, dass es mir gut geht?«

»Es muss von dir kommen, Amy, und das weißt du auch.«

Sie nickte, und ihren Augen war anzusehen, wie elend sie sich fühlte. »In Ordnung. Ich rufe sie an.«

Ich glaubte ihr, würde jedoch trotzdem Schwester Margaret bitten, darauf zu achten, dass sie sich auch wirklich bei ihren Eltern meldete. Wie oft wurde eine gute Absicht nicht in die Tat umgesetzt!

Ich spürte, wie sich eine riesige Last von meinen Schultern hob, als ich mich abwandte. Ich hatte meine Mission erfüllt, Amy McGuire gefunden und das Rätsel ihres Verschwindens gelöst. Jetzt war ich von den Ermittlungen befreit.

Aber als ich aus dem Kloster kam und Mick sah, wie er im Schatten der von Bougainvilleen bedeckten Wand an meiner Harley lehnte, erinnerte ich mich daran, dass es, sowenig mir das auch gefiel, noch viel mehr für mich zu erledigen gab, bevor ich meinen Frieden finden konnte.

Mick fuhr wieder, und ich war zufrieden, hinter ihm zu sitzen und mich an ihm festzuhalten. Ich sackte vor Erschöpfung zusammen und öffnete nur die Augen, als er auf den Parkplatz einer Motelkette am nördlichen Stadtrand von Tucson abbog und stehen blieb.

»Was machst du?«, fragte ich. »Wir haben doch Zeit genug, um es bis heute Abend nach Magellan zu schaffen.«

»Nicht, wenn ich befürchten muss, dass du mir jeden Moment von der Maschine fällst. Wir bleiben heute Nacht hier, und morgen frühstücken wir und fahren ausgeruht weiter.«

Sein Plan leuchtete mir ein. Ich war wirklich hundemüde, und ein langes Schläfchen schien eine gute Idee zu sein. Ich wartete beim Motorrad, während Mick in das Motel ging und unsere Zimmer buchte.

»Geh schon mal das Zimmer suchen. Ich werde noch die Maschine abstellen«, sagte er und reichte mir einen Kartenschlüssel aus Plastik.

Ich ging durch das Motel, das sich in Hufeisenform um einen glitzernden Pool voller Kinder zog, bis ich mein Zimmer fand. Ich schloss die Glastür auf und trat ein, pfefferte meinen Rucksack auf den Boden, ließ die Karte auf den Nachttisch fallen und warf mich mit dem Rücken aufs Bett. Ich döste gerade weg, als Mick die Tür öffnete und hereinkam.

»Du hast gar nichts dabei«, sagte ich schläfrig.

Er hielt eine Plastiktüte in die Höhe. »An der Rezeption gibt’s Zahnbürsten, und ich schlafe nie im Pyjama.«

Ich war müde genug, um zu lächeln. »Aber geh bloß nicht nackt schwimmen, sonst schmeißen sie dich garantiert raus. Wo ist dein Zimmer?«

»Das hier ist mein Zimmer.« Er warf die Plastiktüte ins Bad und setzte sich auf die Bettkante.

Ich stützte mich auf die Ellbogen. »Und wo ist dann meins?«

»Du bleibst bei mir, Janet. Ich hab dir doch gesagt, dass ich dich nicht aus den Augen lasse.«

»Es weiß schließlich niemand, wo ich bin.«

»Amy weiß es.«

»Sie ist unschuldig in die ganze Sache hineingeraten, und sie will Nonne werden. Traust du einer Nonne nicht?«

»Nicht, wenn die Lady aus der Unteren Welt ihre Finger im Spiel hat«, sagte Mick. »Ich will lieber kein Risiko eingehen.«

Wie wahr. Ich war nicht in der Stimmung, mich zu streiten, und besaß auch nicht mehr die Energie dafür. Ich ließ mich wieder auf die Matratze fallen und hielt Mick zugute, dass er wenigstens ein Zimmer mit zwei Einzelbetten gebucht hatte.

Mick zog mir die Stiefel und die Socken aus. Seine starken Hände fühlten sich gut an, als er begann, mir die Fußsohlen zu massieren.

»Du fehlst mir«, flüsterte ich.

»Du fehlst mir auch, Baby.«

»Es kann nie wieder so sein wie früher, nicht?«, fragte ich. »Du und ich auf der Straße, Streit und Versöhnung. Ich meine, jetzt, da ich weiß, dass du bei mir warst, weil man dich geschickt hatte, um mich zu töten.«

Mick drückte mit dem Daumen tief in mein Fußgewölbe, und ich stieß einen lustvollen Seufzer aus. »Ich hätte dir nie etwas zuleide getan«, antwortete er. »Nie.«

»Unter keinen Umständen?«

»Unter keinen Umständen.«

»Und wenn deine Drachen dich holen kommen?«

»Sollen sie doch.« Mick beugte sich zu mir. »Ich kämpfe bis zum letzten Atemzug gegen sie, damit sie dich nicht kriegen.«

»Warum?« Aus irgendeinem Grund wurde ich wütend. »Ich bin bloß ein Stormwalker, Mick, der möglicherweise die Wirbel öffnet und deine Spezies vernichtet. Warum bist du so interessiert an mir?«

Micks Körper drückte meinen in die Matratze, und ich spürte seine Hitze überall auf mir. »Drachen sind nicht wie Menschen, sie haben nicht dieselben Gefühle Liebe und Hass, Trauer und Kummer kennen sie nicht. Aber als ich dich getroffen habe, habe ich etwas Neues gespürt. Ich wollte es nicht loslassen, bis ich nicht herausgefunden hatte, was es war. Etwas haben Drachen doch mit den Menschen gemeinsam: Neugier.«

»Also hast du mich nicht getötet, weil du neugierig auf mich warst?« Sehr schmeichelhaft.

»Neugierig auf meine Reaktion auf dich.« Er drückte seine Nase an meine Wange. »Du hast in meiner menschlichen Gestalt Gefühle geweckt, die ich noch nie empfunden hatte. Fürsorglichkeit, Begehren.« Er küsste mich auf den Augenwinkel. »Liebe.«

Ich wäre fast dahingeschmolzen, aber ich widerstand. »Du hättest es mir sagen sollen.«

»Was passiert ist, kann ich nicht mehr ändern. Doch ich bedaure keine Sekunde, die ich mit dir zusammen gewesen bin, die ich dich berührt und geliebt habe. Deinen Körper zu erkunden, war eines der besten Dinge meines Lebens. Das hat sich nicht verändert.«

Ich wurde allmählich weich. »Wir haben manchmal ganz schön verrückte Sachen angestellt.«

Mick zog eine Spur von Küssen über meinen Hals und meine Brust zu meinem nackten Bauch und drückte seine Lippen auf meinen Nabel.

»Verrückt«, flüsterte er, und sein Atem verbrannte mir die Haut.