Kapitel 10
Leben Der Sinn des Todes
Manchmal erfasst mich eine tiefe Wehmut, wenn ich einen Kinofilm aus der Zeit sehe, als ich selbst noch ein Kind war. Vielleicht rufen diese Filme Erinnerungen an das Abenteuerleben von damals wach: Höhlen bauen, über Zäune klettern, heimlich ein Lagerfeuer machen. Vielleicht ist es die Erkenntnis, dass dieses sorglose Erkunden und Entdecken unwiederbringlich vorbei ist, diese Zeit, die noch Mysterien kannte. Aber vielleicht ist es auch beides, Gefühl und Gedanke: die angenehme Erinnerung an die Vergangenheit und die Ahnung der Endlichkeit, die unausgedrückte, allenfalls halbbewusste Einsicht, dass ich zur Zeit des Films ein Kind, doch die Menschen darin so alt wie ich heute waren, und dass ich heute so alt bin wie sie damals und bald so alt sein werde, wie sie es jetzt sind.
Manchmal werde ich nachdenklich, wenn ich Freunde von früher nach Jahren wiedertreffe. Obwohl unsere Lebenswege uns so weit voneinander entfernt haben, obwohl uns kaum noch etwas verbindet, so bleibt doch das Wissen, dass wir einmal eine gemeinsame Kindheit hatten. Und dann verliert sich mein Blick in diesem fast fremden Gesicht: In den Lachfalten sehe ich nur die Spuren der Zeit und damit die eigene Endlichkeit.
Manchmal spüre ich einen Schauder, wenn ich daran denke, dass jedes Ziel so ungeheuer winzig ist im fast leeren Weltall, ganz gleich, wie großartig es erscheinen mag, und dass jedes noch so erfüllte Leben flüchtig und bedeutungslos ist in der ewigen Zeit.
Doch diese Momente der Wehmut verschwinden, die großen Gedanken verfliegen, und alles ist dann wieder so wichtig und dringend, wie es immer war: meine Wünsche und Pläne, meine Erlebnisse und Taten und mein ganzes Leben. Was könnte wichtiger sein?