3. Julias Facebook Status: Bin
wieder Single ...
Tatsächlich fängt der nächste Morgen völlig anders an, als ich es bis dato gewohnt war. Als ich aufwache, kitzelt mich die Sonne auf den Lidern und es duftet herrlich nach Kaffee.
„Morgen!“, ertönt Katjas Stimme über mir.
„Morgen“, murmele ich und öffne die Augen. Anstatt Johanns verknautschtem Gesicht blicke ich in das von Katja, die bereits frisch geduscht und perfekt geschminkt ist.
„Willst du Kaffee?“
„Au ja, bitte.“ Sie reicht mir eine heiße Tasse Kaffee und ein Croissant dazu.
Für gewöhnlich verzichte ich auf Croissants. Also eigentlich seit Johann in letzter Zeit damit angefangen hat mich Moppelchen zu nennen und mir seltsame Vorträge über gesunde Ernährung zu halten. In einem einzigen Croissant seien mehr als vierhundert Kalorien versteckt, das müsse man sich mal vorstellen! Dafür könnte man ein halbes Hähnchen essen. Okay, morgens vielleicht nicht ganz das Richtige, aber immerhin.
Johann hat überhaupt unheimlich viel Wert auf gesunde Ernährung gelegt. Dazu gehört morgens das Frühstücks-Müsli. Natürlich eines mit Zutaten aus biologischem Anbau und Fairtrade-Gütesiegel. Meine geliebten Schokokekse hat er durch Vollkornkekse ersetzt. Also ehrlich, diese ganzen Öko-Süßigkeiten schmecken doch irgendwie nach Pappe, die man mit etwas Kakaopulver versetzt hat. Brrr. Ich schaudere bei dem Gedanken an meinen letzten Schokoriegel von Erdkorn, der so trocken war, dass ich dazu einen Liter Cola trinken musste, um ihn runter zu bekommen. Ich war nie wirklich dick in meinem Leben, aber ich hatte ständig Angst, es zu werden. Meine Mutter behauptet immer, ich hätte schon als Kind einen trägen Stoffwechsel gehabt. Was sie zum Anlass nahm mich beim Essen ständig zu ermahnen nicht zu viel zu essen. Das Ergebnis ist, dass ich seit knapp zwanzig Jahren hungrig vom Tisch aufstehe und trotzdem nicht schlank bin.
Ich beiße herzhaft in mein Croissant. Sofort habe ich diesen köstlichen Geschmack nach Butter auf der Zunge. Ich rolle genießerisch die Augen und nehme einen Schluck Kaffee.
„Und?“, fragt Katja. „Wie fühlst du dich?“
„Herrlich!“, gebe ich zur Antwort und lasse mich vorsichtig, um den Kaffee nicht zu verschütten, zurück auf mein Kissen fallen.
Katja grinst zufrieden. „Hier.“ Sie reicht mir eine Zeitung. „Du solltest mal einen Blick reinwerfen. Heute ist eine Sonderseite mit Stellenanzeigen drin. Vielleicht ist ja was für dich dabei.“ Sie sieht auf den Nachttisch neben meinem Bett, auf dem das aufgeschlagene Buch liegt. Ich habe tatsächlich die halbe Nacht darin gelesen, nachdem ich trotz redlicher Bemühungen meinerseits, nicht einschlafen konnte. „Wie ich sehe hast du angefangen, das Buch zu lesen?“
Ich muss mich räuspern. „Genau genommen bin ich so gut wie fertig.“
„Ha! Habe ich es dir doch gesagt – das Buch ist der absolute Knaller!“, ruft Katja begeistert.
Obwohl mir die ganze Esoterikwelle seit meinen Erlebnissen mit Sunjii eher zuwider ist, muss ich mir eingestehen, dass mich dieses Buch wirklich fasziniert hat. Ich hätte bei jeder Seite, die ich gelesen habe, aufspringen und laut – „Ja!“ - schreien können. Nehmen wir nur mal den Satz:
Das Universum ist freigiebig ohne Unterlass! Bring deine Bitte nur klar genug zum Ausdruck und alles was dein Herz begehrt, wird zu dir kommen.
Wenn das alles ist, dann wird dieses Buch meine neue Bibel. Man muss nur fest an das glauben, was man sich wünscht. Den Rest erledigt das Universum. Supi Sache! Genau das Richtige für mich, ich bin nämlich von Natur aus willensstark. Ich habe gleich mal ein paar Wünsche, die mir spontan auf der Seele lagen, an das Universum abgeschickt.
1. Einen neuen Job.
2. Eine neue Wohnung.
3. Der Gartenfreund soll pleitegehen.
4. Johann soll impotent werden.
5. Bei Titten-Annette soll die Schwerkraft auf natürliche Weise zuschlagen.
6. Der Typ aus dem Zug soll seine gerechte Strafe bekommen.
Und zu guter Letzt soll ich, Julia Zoe Löhmer, die Frau mit dem direkten Draht zum Universum, zur Abwechslung auch mal Glück haben!
„Bis später!“, ruft Katja. Kurz danach klappt die Haustür. Sofort befällt mich dieses Gefühl der totalen Einsamkeit, das ich immer bekomme, wenn ich alleine bin. Alleine. Ich bin ganz alleine, geht es mir durch den Kopf.
Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Keine Nachricht! Nicht mal die klitzekleinste Mail wie zum Beispiel: „Ruf mich an, es tut mir leid!“ oder „Wo bist du?“
Nichts, absolut nichts. Kein Wort! Wahrscheinlich wälzt sich mein Hartmännchen gerade mit Titten-Annette auf meinem Sofa ...
Ich habe Johann nie misstraut. Es gab keinen Grund dazu und ich hatte kein Bedürfnis danach. Misstrauen ist mir zu anstrengend. Ich habe es ihm schön einfach gemacht.
Ob er ein schlechtes Gewissen hat?
Oder machen sich die Beiden gar über mich lustig?
Wie naiv ich bin?
Was hat Annette, was ich nicht habe?
Okay, dicke Möpse. Ich schaue auf meine Brüste. Eine anstrengende Angelegenheit, schließlich muss ich meinen Kopf ganz nach unten drücken, um den vollen Überblick zu haben. Das unschöne Doppelkinn, das zwangsweise dabei entsteht, ignoriere ich bei meinen Betrachtungen geflissentlich. Andere Baustelle. Von oben betrachtet sehen sie gar nicht so schlecht aus. Eine gute Handvoll hat ein Freund mal zu mir gesagt. Beim Bleistifttest würde ich auf jeden Fall als Siegerin hervorgehen und dank der modernen Push-up-BHs beschränken sich meine Kleiner-Busen-Komplexe auf ein Minimum. Johann hat immer gesagt, ihn würde mein kleiner Busen nicht stören. Lügner! Deshalb hat er sich Titten-Annette geschnappt.
Aber egal – warum? Weshalb? Mein Glück, so scheint es mir, ist auf jeden Fall vorbei. Ich habe den Mann verloren, den ich liebe: den Vater meiner ungeborenen Kinder. Ein Leben mit Johann war meine Zukunft. Ich war die Prinzessin und er mein Prinz – ein Bilderbuchleben. Jetzt muss ich für den Rest meiner Tage mit Argwohn und Selbstzweifeln leben. Schöne Aussichten: Willkommen in der Realität! Mir haben die Kinder immer leid getan, die von ihren Eltern bei Ikea in der Spielecke abgegeben und dann vergessen wurden. Genauso komme ich mir gerade vor. Die kleine Julia möchte aus dem Kinderparadies abgeholt werden. Bitte holen sie die kleine Julia aus dem Kinderparadies ab, scheppert es durch meinen Kopf.
Ich greife nach der Zeitung und schlage die letzte Seite mit den Star News auf, der Rest interessiert mich eh nicht. Dieses ganze Politikergeschwafel ist für mich wirklich sterbenslangweilig. Jeder weiß doch, dass Politiker lügen, sobald sie den Mund aufmachen.
Da höre ich doch lieber die Kurznachrichten im Radio, wenn man die wichtigsten Infos in aller Kürze mitgeteilt bekommt. Außerdem bin ich eine bekennende Gala-Leserin. Da stehen wenigstens genau die Dinge drin, die mich interessieren. Zum Beispiel: Welchen Lover hat Jennifer Aniston gerade? Oder: Wer datet gerade wen im deutschen Adel? Als aufmerksame Leserin der Gala bemerkt man recht schnell, dass sich der Adel immer noch ungern mit dem gemeinen Volk vermischt und an seinen mittlerweile verstaubten Traditionen wie Pferderennen und Galadiners festhält. Wahrscheinlich aus Loyalität zu den Hutmachern. Ich meine, wer sonst würde diese ganzen hässlichen Hüte kaufen, wie sie der Adel zu diversen Anlässen zur Schau trägt. Man denke nur an die Hochzeit von William und Kate. Die Hüte, die von den beiden Prinzessinen Eugenie und Beatrice von York getagen wurden, waren eine absolute Katastrophe! Prinzessin Beatrice mutete an, als wäre ihr über Nacht ein Hirschgeweih gewachsen und Prinzessin Eugenies Hut sah aus, als ob Opa Philip einen seiner alten Hüte eigenhändig umdekoriert hätte. Und eine moderne junge Frau wie Mette-Marit, die für ihr ausschweifendes Nachtleben bekannt war, würde sich nicht ernsthaft in derart spießige Klamotten zwängen wie sie sie heute trägt, wäre sie nicht durch ihre Heirat mit dem langweiligen, aber gutaussehenden norwegischen Prinzen Harkon Prinzessin geworden. Ich finde, die Gala nicht zu lesen, ist eine echte Bildungslücke. Vor allem in meinem Job. Da ist es essentiell wichtig, über die Klatsch- und Tratsch-Presse Bescheid zu wissen.
Das dicklippige Gesicht von Angelina Jolie lächelt mir entgegen. Mal ehrlich! Was findet so ein absoluter Wahnsinnsmann wie Brad Pitt an dieser Frau? Okay, ihr Gesicht ist ganz hübsch und für ihre Figur würde ich morden, aber mit den ganzen Tattoos sieht sie aus, als wäre sie aus Versehen unter eine Druckerpresse geraten. Und Brad daneben sieht, seit er mit dieser Frau zusammen ist, auch nicht mehr ganz so knackig aus. Was soll dieser alberne Ziegenbart? Ich würde Brad Pitt trotzdem nicht von der Bettkante schubsen, Ziegenbart hin oder her, zumal wir in meiner Phantasie schon Hunderte Male großartigen Sex miteinander hatten.
Ich betrachte das nächste Bild, auf dem die deutsche B-Prominenz abgebildet ist. Das Foto sieht aus wie ein Gruppenbild aus dem Altersheim. Fritz Wepper grinst wie ein Breitmaulfrosch ohne Hals in die Kamera, daneben die ewig junge Iris Berben, die Klassefrau des deutschen Films. Haben denn alle außer mir vergessen, wie sie neben Ingrid Steeger in der Nackedei-Klamauk-Serie Zwei himmlische Töchter aufgetreten ist? Und von wegen »Alles Natur!« Das kann sie ihrer Großmutter erzählen, aber nicht mir. Schließlich bin ich Reporterin und dass die Frau sich an ihrem Gesicht hat herumdoktern lassen, sehe ich sofort. Nicht das ich es verwerflich finde, wenn sich eine Frau operieren lässt um ein paar Jahre jünger auszusehen, aber dann soll sie doch bitte schön dazu stehen.
Ich seufze leise, während ich umblättere und den Sonderteil mit Stellenanzeigen unter die Lupe nehme. Jetzt wird sich zeigen, ob es das Universum gut mit mir meint.
Anzeigenverkäuferin ... nein, das ist definitiv nicht, was ich suche.
Praktikum Redaktion ... aus der Phase bin ich Gott sei Dank raus. Dumpfe Erinnerungen an mein letztes Praktikum kommen hoch, wo ich literweise Kaffee gekocht und getrunken habe. Ätzend, wenn man von allen nur als billige Arbeitskraft missbraucht wird und sich von seinem Chef Dinge wie, „Das machen Sie schon ganz gut, Julia“, anhören muss, während man Kaffee nachschenkt.
Online Redakteur ... nee, also wirklich nicht! Wenn das alles ist, was das Universum zu bieten hat.
Mein Blick fällt auf eine unauffällige kleine Anzeige, ganz unten auf der Seite. Ich blinzele. Kann es sein ... Sollten die wirklich ... Mein Herz beginnt zu rasen.
Flexible Journalistin für Reisemagazin gesucht
Reisemagazin! Reisen!
Ich seufze leise. Vor meinen Augen taucht das Bild von Judith Adlhoch von Vox Tours auf, wie sie am Strand von Sansibar in die Kamera lächelt, während sich im Hintergrund die Palmen sanft im warmen Wind biegen.
Jaaa, genau das ist es!! „Julia Zoe Löhmer, die neue Frau an der Reisefront. Heute in Kenia, morgen auf den Seychellen und die Woche darauf auf Hawaii. Gebildet, kosmopolitisch und immer auf Achse, um Neues zu entdecken!“ Ich sehe schon die neidischen Gesichter meiner Freunde vor mir, wenn ich ihnen von meinen Reisen berichte.
„Ach Kinder, ich bin noch völlig erledigt vom Jetlag ... Hawaii.“
„Ach ja, Hawaii war einfach traumhaft schön, aber natürlich nicht zu vergleichen mit den Stränden der Seychellen ... George Clooney war ebenfalls im Ressort untergebracht ... Wir haben uns kurz an der Bar auf einen Drink getroffen ... Nächste Woche kann ich leider nicht zu deiner Party kommen, da bin ich auf Sylt, um über das Grand Spa Ressort Arosa zu berichten ... Ja, ich bin total im Stress ...“
Okay Julia, noch hast du den Job nicht, ermahne ich mich. Aber man wird doch mal träumen dürfen! Ich überfliege die Zeilen der Anzeige.
Sind Sie flexibel, unabhängig und gerne auf Reisen? Haben Sie eine journalistische Ausbildung und besitzen Berufserfahrung mit Kamerapräsenz? Dann ist dieser Job genau das Richtige für Sie! Gute Sprachkenntnisse in Englisch und Spanisch sind Voraussetzung. Gültiger Reisepass! Interessenten melden sich bitte unter folgender Nummer in unserem Personalbüro.
Ich springe aus dem Bett und eile zum Telefon. Holiday Dream, ich komme!
Nach zwei Schritten bleibe ich allerdings wieder stehen. Alles um mich herum dreht sich und meine Beine fühlen sich an wie aus Pudding. Kreislauf! Das geht schon so, seit ich in der Pubertät war. Meine Omi Trude behauptet immer, dass ich zu schnell gewachsen sei. Was ich persönlich bei einer Größe von 1,68 m zu bezweifeln wage, allerdings aus ihrer Sicht und einer Größe von 1,55 m mag das wohl stimmen. Gegen meine Oma bin ich mir immer wie ein Riese vorgekommen. Zwei tiefe Atemzüge später bin ich wieder fit und erreiche unversehrt das Telefon. Mit zittrigen Fingern tippe ich die Nummer ein.
Ring ... ring ... ring ... ring ... Sitzen die etwa auf ihren Ohren? Es klickt am anderen Ende.
„Personalabteilung Hirsekorn-Verlag Hamburg. Sie sprechen mit Laura Marie Lauschke.“
„Guten Tag, Frau Lauschke.“ Ich kann mich nur mühsam beherrschen, um nicht laut loszulachen. Wie kann man sein Kind nur Laura Marie Lauschke bei dem Nachnamen nennen?
„Mein Name ist Julia Löhmer und ich habe gerade ihre Anzeige im Hamburger Abendblatt gelesen.“
Lautes Kruspeln und Stimmengewisper, gefolgt von einem dumpfen Knall. Schweigen. Ich bin zugegebenermaßen etwas irritiert.
„Hallo? Frau Lauschke?“ Vielleicht hat die arme Frau gerade einen Herzinfarkt erlitten und ich warte ahnungslos am anderen Ende der Leitung, während Kollegen gerade dabei sind, die Frau zu reanimieren. Ich überlege, was ich machen soll.
„Halloooooho“, versuche ich es noch einmal.
„Entschuldigung“, meldet sich Frau Lauschke wieder unter den Lebenden zurück. „Wo waren wir stehen geblieben? ... Äh, ja. Sie möchten sich also bei uns für die Stelle als Mitarbeiterin im Ressort Reisen bewerben?“
„Ja, genau genommen auf die Stelle als Journalistin“, nicke ich eifrig. „In der Anzeige stand ihre Nummer.“ Anscheinend hat die Frau keine Ahnung, also helfe ich ihr ein bisschen auf die Sprünge. Schließlich will ich ja nicht irgendeine Mitarbeiterin werden. Ich bin die zukünftige Judith Adlhoch!
„Jajaja, genau das habe ich ja gesagt“, antwortet Frau Lauschke ungeduldig. Ich will schon den Mund aufmachen, um sie zu verbessern, aber entscheide mich, es lieber sein zu lassen. Schließlich bin ich kosmopolitisch, flexibel und gut erzogen im Umgang mit Menschen. „Ich kann Ihnen einen Termin morgen um 15.00 Uhr anbieten. Würde das gehen?“
Meine Güte, das ging aber schnell. Ich schlucke. Ein leichtes Panikgefühl steigt in mir hoch. Schließlich gibt es bis zu dem Termin noch eine Menge zu erledigen. Ich muss mir etwas Vernünftiges zum Anziehen besorgen. Schließlich kann ich unmöglich in meinem zerknitterten Rock erscheinen und meine Haare hätten einen Besuch beim Friseur dringend nötig.
„Moment, ich muss mal nachsehen, ob morgen schon etwas anliegt“, antworte ich und raschle mit den Buchseiten, so dass es sich anhört, als würde ich oberwichtig in meinem Terminplaner suchen. „15.00 Uhr passt prima“, sage ich nach einer kurzen Pause.
„Gut“, antwortet Frau Lauschke am anderen Ende der Leitung zufrieden. „Bitte denken Sie daran, Ihre Unterlagen mitzubringen.“
„Unterlagen?“ Jetzt bin ich verwirrt. Meine letzte Bewerbung war auch gleichzeitig meine erste und da saß mir mein zukünftiger Ex-Schwiegervater gegenüber und bot mir einen Eierlikör an, während er sich darüber erkundigte, wie ich sein Prachtexemplar von einem Sohn kennengelernt habe. Nachdem ich ihm mehrfach versichert hatte, dass ich mit einem Ehevertrag einverstanden sein würde, stand meiner Einstellung als Redakteurin nichts mehr im Wege.
„Lebenslauf, Zeugnisse, eventuelle Bescheinigungen, veröffentlichte Arbeiten und so. Sie wissen schon“, leiert Frau Lauschke herunter. Anscheinend bin ich nicht die Erste, die diese Frage stellt.
„Selbstverständlich. Ich weiß allerdings nicht, ob ich alle Unterlagen bis morgen bei mir habe. Wissen Sie, ich habe meinen Wohnort sehr kurzfristig gewechselt und deshalb nur das Nötigste mitgenommen.“ Gut gemacht! Klingt absolut weltmännisch und flexibel.
„Aha, Liebeskummer. Ich verstehe.“ Hä, woher will die Frau das wissen? Schließlich habe ich Johann mit keinem Wort erwähnt. „Das geht schon in Ordnung. Sie können die Unterlagen ja nachreichen.“
„Danke“, sage ich noch immer etwas sprachlos, was selten genug vorkommt.
„Gut, dann bis morgen 15.00 Uhr Frau Löhmer. Bitte melden Sie sich unten am Empfang und geben Sie an, dass Sie einen Termin für ein Bewerbungsgespräch haben.“
Ich notiere mir in Gedanken alles. „In Ordnung. Einen schönen Tag noch.“
„Auf Wiedersehen Frau Löhmer“, beendet Frau Lauschke das Gespräch.
Na, das lief doch besser als gedacht! Ich schließe die Augen. Ich habe ein Vorstellungsgespräch! Ein neuer Anfang. Licht am Ende des Tunnels.
Zufrieden schlüpfe ich aus meinem viel zu großen Schlafshirt, das mir Katja netterweise geliehen hat und das, der Größe nach zu urteilen, nicht aus ihrem Kleiderschrank stammt. Ich gehe ins Badezimmer, wo eine herrliche Dusche auf mich wartet. Mal ehrlich, so eine Regenwasserdusche ist doch wirklich das Allergrößte. Ich finde es müsste gesetzlich vorgeschrieben sein, dass eine Wohnung nur vermietet werden darf, wenn sie eine Regenwasserdusche besitzt. Nehmen wir zum Beispiel den Herd. Der ist in jeder Mietwohnung vorgeschrieben und in meinen Augen völlig überbewertet. Wer will schon kochen, wenn man abends von der Arbeit kommt? Entweder man geht essen und gönnt sich beim Italiener um die Ecke noch schnell eine Nudel oder man benutzt die Mikrowelle. Ich ziehe Lebensmittel vor, die sich einfach zubereiten lassen und für die ich keinen Herd brauche. Mir würde in den meisten Fällen ein Wasserkocher genügen. Diese chinesischen Fertignudelgerichte sind meine absoluten Favoriten. YumYum Noodles. Heiß, scharf und in zwei Minuten fertig.
Ich schließe die Augen und genieße das Gefühl der prasselnden Wassertropfen auf meiner Haut. Den heutigen Tag kann ich auf jeden Fall als Erfolgstag verbuchen. Ich kann es gar nicht abwarten, Katja von meinem Vorstellungsgespräch zu erzählen.