31

 

Die Tür ging auf, und Nom Anor kam aus der Liftkabine, lächelnd, die Hände ausgestreckt, die Handflächen nach oben.

»Stehen bleiben«, befahl Tahiri. »Und wenn nicht, werden Sie mich töten?«, fragte Nom Anor. »Ich bin unbewaffnet.«

»Sie würden die Waffen auch nicht benutzen, wenn Sie welche hätten«, fauchte Tahiri. »Feigling. Sie wollten auch im Yag’Dhul-System nicht gegen Anakin kämpfen.«

Nom Anor zuckte die Achseln. »Das stimmt. Wie geht es dem Solo-Jungen? Nein, Moment mal … habe ich nicht gehört, er sei gestorben? Ja, das stimmt, er ist tot. Und Sie standen einander nahe, nicht wahr? Wie schade.«

»Still«, sagte Tahiri. Hass stieg in ihr auf und drängte sie, genau das zu tun, was er angesprochen hatte − ihn niederzuschlagen und ihm das mörderisch selbstzufriedene Grinsen aus dem Gesicht zu schneiden.

»Sie sind zornig«, stellte Nom Anor fest. »Ich dachte, Jedi dürften nicht zornig werden.«

»Für Sie mache ich eine Ausnahme«, sagte Tahiri.

»Wie schmeichelhaft«, schnurrte der Exekutor. »Sie würden sich nur für mich der Dunklen Seite zuwenden?«

»Sie haben ja keine Ahnung«, sagte Tahiri.

»Falsch«, erwiderte Nom Anor und machte einen Schritt aus der Kabine. »Ich habe Sie genau studiert, Jedi. Ich weiß, wenn Sie mich im Zorn niederschlagen, haben Sie die schlimmste Sünde begangen, die es für Leute wie Sie geben kann.«

»Das sollte Sie nicht mehr interessieren«, sagte Tahiri. »Sie wären dann schon tot.«

»Tatsächlich?« Er machte noch einen Schritt.

»Bleiben Sie stehen!«, befahl Tahiri. »Also gut. Ich werde tun, was Sie wollen.« Er blieb stehen, weniger als einen Meter von ihr entfernt, und starrte sie an. Sie spürte, dass ihre Hände zitterten − nicht vor Angst, sondern von der Anstrengung, ihre Gefühle zu beherrschen.

»Bringen Sie ihn um«, sagte Harrar.

»Er ist nicht bewaffnet«, erwiderte Tahiri. »Ich werde ihn nicht ermorden.«

»Nein!«, rief Harrar und sprang vor.

Das lenkte Tahiri für einen Sekundenbruchteil ab, aber sie bemerkte gerade eben noch, dass eine von Anors Pupillen wuchs …

Erinnerungen durchzuckten sie − etwas, was Leia über seine Augen gesagt hatte.

Sie sprang beiseite, als das Gift auf sie zuschoss, aber sie hatte nicht an das Geländer gedacht. Sie traf es mit der Hüfte, und schreckliche Schmerzen schossen in ihre Seite. Sie versuchte sich umzudrehen, und sie konnte gerade noch erkennen, wie Nom Anor dem Priester auswich und dann fest nach ihr trat. Der Tritt schleuderte sie zurück. Sie ließ das Lichtschwert fallen und tastete wild nach dem Geländer.

Sie verfehlte es, und dann fiel sie.

 

Ein Teil von Nom Anor war verblüfft, dass es so einfach gewesen war, mit Tahiri fertig zu werden. Er wandte sich Harrar zu und stellte fest, dass der Priester die Zähne fletschte und ihn erneut angriff.

Nom Anor traf ihn mit einem Q’urh-Tritt, dann drehte er sich um und schlug mit der Faust nach dem Hinterkopf des Priesters. Harrar bewegte sich jedoch mit dem Schlag, ging tiefer und fuhr herum. Er packte einen von Nom Anors Füßen und brachte ihn lange genug aus dem Gleichgewicht, um einen gewaltigen Schlag zu führen.

Aus purem Zufall verfehlte der Schlag Nom Anor. Und dann brachte der ehemalige Exekutor die Faust mit solcher Kraft unter Harrars Kinn, dass der Priester in die Höhe gerissen wurde. Stücke zerbrochener Zähne fielen auf den Boden, als Harrar aufprallte, gegen die Wand fiel und reglos liegen blieb.

Nom Anor erfasste rasch seine Situation und erkannte, dass sein Tag sogar noch besser geworden war. Die Jedi hatte die Waffe fallen lassen. Schnell hob er sie auf. Er hatte schon zuvor mit Lichtschwertern experimentiert, und so fiel es ihm leicht, die Klinge zu aktivieren. Dann erinnerte er sich an Horn und durchtrennte die Energieleitungen der Lifte, beginnend mit dem, der sich bewegte. Er hörte, wie er nicht weit entfernt zum Stehen kann.

Er wusste, dass das vielleicht nicht ausreichte − er konnte sich durchaus vorstellen, dass Horn ein Loch in die Wand schnitt und nach oben flog , also verließ er rasch das Gebäude und machte sich durch den strömenden Regen auf zu der Hochebene, die er einige Zeit zuvor ausgesucht hatte, und steckte die nun abgeschaltete Waffe unter die Schärpe.

 

Tahiri schlug um sich und versuchte verzweifelt, sich festzuhalten, woran auch immer, aber es war nichts in Reichweite. Aus dem Augenwinkel konnte sie das Kabel sehen, an dem Corran hinuntergerutscht war, weniger als einen Meter entfernt − aber das war immer noch ein halber Meter zu weit.

Die Macht, du Idiotin, dachte sie. Sie griff mithilfe der Macht zu und veränderte ihren Kurs, sodass sie nun schräg zum Kabel fiel.

Sie packte mit bloßen Händen zu und keuchte, als ihre Hände brannten. Ihre Finger versuchten, sich im Reflex zu lösen, aber das konnte sie nicht zulassen, oder sie würde weiter stürzen. Nom Anor würde entkommen, Sekot würde sterben − und sie wollte Corran nicht enttäuschen.

Falls der Jedi überhaupt noch lebte.

Sie akzeptierte den Schmerz, ließ ihre Konzentration darüber hinauswandern und nutzte die Macht, um ihren Sturz noch weiter zu verlangsamen. Am Ende schrie jeder einzelne Muskel im Chor mit ihren Handflächen, aber sie kam zum Halten.

Sie blickte auf und stellte fest, dass sie beinahe hundert Meter tief gefallen war.

Der Zorn war wieder da, aber nun brauchte sie ihn − nicht um zu kämpfen, sondern um ihre Beine um das Kabel zu wickeln und sich hochzuziehen, obwohl jeder, gewonnene Zentimeter eine Welt des Schmerzes bedeutete. Sie spürte, wie die Blasen an ihren Händen aufrissen.

Das macht sie zumindest klebriger, dachte sie. Ihre Hände hielten sich nun am Kabel, als bestünden sie aus Tal-Gummi.

 

Nom Anor bewegte sich vorsichtig den schmalen Pfad entlang − in dem Stakkatolicht, das die Blitze schufen. Der Regen war ein stetiges Trommeln, und der Wind kam in Böen wie das Lachen eines wahnsinnigen Gottes. Sein Weg war ein zerklüfteter Grat mit klaffenden Gruben auf beiden Seiten. Er erreichte eine Stelle, wo er kaum mehr stehen konnte, und hielt einen Moment inne, da ihm klar wurde, dass er sich wirklich fürchtete. Es war, als versuchte der Planet selbst zu tun, was die Jedi nicht geschafft hatten.

Und vielleicht stimmte das ja. Wenn Nen Yim recht hatte und der Planet tatsächlich über ein Bewusstsein verfügte, war er vielleicht Zeuge seines Sabotageakts geworden. Vielleicht wollte er Rache.

»Versuche es nur«, keuchte er zähnefletschend in den Wind. »Ich bin Nom Anor. Hör meinen Namen, denn ich habe dich getötet.«

Als er das aussprach, wusste er endlich mit absoluter Überzeugung, dass er das Richtige getan hatte. Zonama Sekot war wie eine Tonqu-Blüte − sie zog Insekten mit ihrem süßen Duft an und verlockte sie zu landen, und dann wurden sie von dem Geruch überwältigt und mussten zusehen, wie sich das lange Blütenblatt zusammenrollte. Teils lebendig, teils Maschine, und irgendwie teils Jedi, stellte dieser Planet eine noch größere Abscheulichkeit dar als Coruscant, war schlimmer als alles andere in einer Galaxis der Abscheulichkeiten.

Quoreal hatte recht gehabt. Sie hätten nie hierher kommen dürfen.

Aber Nom Anor war dabei, es wieder in Ordnung zu bringen.

Er überquerte den schmalen Bereich, trat im nächsten Lichtblitz über ein klaffendes Loch und sah, dass der Weg dahinter ein wenig breiter wurde.

Aber aus dem Augenwinkel …

Jemand krachte gegen ihn und schlug wild auf die Seite seines Halses ein. Die Wucht des Schlages warf ihn um, und sein Kinn schürfte über Stein. Mit einem Brüllen rollte er sich herum. Ein Fuß traf ihn unter dem aufgeschürften Kinn, aber es gelang ihm, diesen Fuß zu packen. Sein Angreifer fiel hin. Nom Anor versuchte, festen Boden unter die Füße zu bekommen, fand sich aber am Rand einer Klippe. Ein Blitz zerriss den Himmel, und er sah eine Silhouette, die sich im Licht abzeichnete. Noch ein Blitz, diesmal hinter ihm, und nun konnte er Harrars Gesicht erkennen, so erschreckend, als hätten die Götter der Rache ihn selbst mit dem Licht ihrer Kraft erfüllt.

»Nom Anor!«, schrie der Priester durch den Regen. »Jetzt werden Sie sterben, Betrüger!«

»Dieser Planet hat Sie in den Wahnsinn getrieben, Harrar«, erwiderte Nom Anor. »Sie ergreifen die Partei der Jedi und stellen sich gegen mich

»Ich stelle mich auf die Seite von Zonama Sekot«, sagte Harrar. »Und Sie − Sie wurden von Shimrra verflucht, ehrloser Qorih. Ich hätte Sie ohnehin umgebracht.«

»Zonama Sekot ist eine Lüge − ein Märchen, das ich meinen Anhängern erzählte, damit sie mir gehorchten.«

»Sie wissen nichts«, sagte Harrar. »Sie wissen weniger als nichts. Glauben Sie wirklich, dass Sie die Geheimnisse der Priesterschaft kennen? Glauben Sie, wir sprechen offen über alles, was wir wissen? Es ist Shimrra, der uns belogen hat. Zonama Sekot ist die Wahrheit. Wenn Sie Ihrem Volk dienen wollen, dann sagen Sie mir, was Sie getan haben.«

Nom Anor spürte das Lichtschwert in seiner Hand. Harrar kam näher, und ein einziger Tritt würde genügen, seinen Gegner in den Tod zu schicken. Der ehemalige Exekutor wagte nicht, das Plaeryin Bol zu benutzen − selbst wenn es noch Gift enthielt, würde der Regen es ablenken; vielleicht würde er sogar sich selbst treffen. Die Jedi-Waffe war seine einzige Chance.

»Es wird Ihnen nicht helfen, wenn ich es Ihnen verrate«, höhnte er. »Nichts kann den Schaden mehr rückgängig machen.«

»Ich glaube Ihnen«, sagte Harrar mit verzerrtem Gesicht, als er rasch auf Nom Anor zukam.

Nom Anor drückte den Knopf am Lichtschwert, und die schneidende Klinge erschien zischend und dampfend im Regen. Es fühlte sich seltsam an, eine Waffe ohne Gewicht, wenn man von dem des Griffs einmal absah. Er traf den Priester am Knie, aber nicht exakt genug. Harrar versuchte jedoch beim Anblick des Lichtschwerts seine Vorwärtsbewegung zu stoppen und riss sein Bein vom Angriff zurück; er rutschte auf den nassen Steinen, stolperte und fiel an Nom Anor vorbei über die Klippe.

Sein wütendes, frustriertes Aufheulen fand schnell ein jähes Ende.

Ächzend stand Nom Anor auf, schaltete das Lichtschwert ab und machte sich wieder auf den Weg. Die Götter schienen erneut mit ihm zu sein. Sie waren eindeutig nicht mehr mit Harrar.

 

Als der Turbolift mit einem Ruck zum Stehen kam, aktivierte Corran sofort sein Lichtschwert und schnitt durch die Decke der Kabine, dann trat er beiseite, als die Metallscheibe zu Boden fiel. Nachdem er ein paar Sekunden gewartet hatte, bis das Metall abkühlte, sprang er nach oben, packte den Rand des Lochs und zog sich in den Schacht.

Im trüben Notlicht konnte er die Tür etwa zehn Meter über sich sehen. Der Lift funktionierte magnetisch, also waren die Wände glatt wie Glas und die Energiekabel darin untergebracht. Es gab keine Sprossen und nichts, was ihm Halt geben würde. Er konnte Löcher in die Wand schneiden und klettern, aber das würde zu lange dauern.

Also sprang er wieder in die Kabine zurück und betrachtete die Schaltfläche. Er kannte die Sprache nicht. Die Bilder für die Fahrtrichtung waren eindeutig, aber für die anderen würde er Zeit brauchen.

Nom Anor hatte offenbar die Energiezufuhr von oben durchtrennt, aber die Kabine war nicht gestürzt − wahrscheinlich gab es ein Batteriesystem für den Notfall, um das zu verhindern. Aber würde das Notfallsystem den Aufstieg vollenden können, oder tat es bereits sein Bestes, um seinen Absturz zu verhindern?

Er drückte einen roten Knopf mit zwei vertikalen Linien und einem Dreieck, ohne dass sich etwas tat. Er versuchte ein paar andere, ebenfalls erfolglos. Frustriert drückte er auf die Fläche mit dem Pfeil nach oben.

Die Kabine begann sich zu bewegen, wenn auch erheblich langsamer als zuvor. Er hätte am liebsten den Kopf gegen die Wand gerammt das Notfallsystem arbeitete getrennt vom normalen System, und er brauchte der Kabine nur mitzuteilen, in welche Richtung er wollte.

Wenig später stieg er aus dem Lift, bereit zu kämpfen − aber es gab niemanden, gegen den er kämpfen konnte. Der Raum war leer. Es gab kleine Flecken von schwarzem Blut auf dem Boden, aber ansonsten keinen Hinweis auf das, was passiert war.

Er wollte gerade nach draußen gehen, als er ein leises Geräusch hinter sich hörte, im Wartungsschacht. Er spähte hinein und sah, dass Tahiri sich am Superleitungskabel hochzog, etwa zwanzig Meter unter ihm.

»Bist du in Ordnung?«, rief er.

»Ja«, rief sie zurück. Ihr Stimme zitterte. Sie schien Probleme mit dem Klettern zu haben. »Nom Anor ist entkommen«, fügte sie hinzu. »Du musst ihn aufhalten!«

»Ich soll dich hier hängen lassen? Nein, das denke ich nicht. Halt dich fest.«

Er kehrte zu den Liften zurück. Jemand hatte tatsächlich die Energiekabel durchtrennt − offenbar mit einem Lichtschwert. Er griff vorsichtig nach innen, packte ein Stück Fiberglas von Seildicke und begann, es herauszuziehen. Als er glaubte, dass es lang genug war, schnitt er es mit der Waffe ab und knüpfte eine Schlinge am Ende.

Tahiri war in der Zwischenzeit nicht viel weiter gekommen. Er warf das Schlingenende zu ihr hinunter.

»Setz deinen Fuß hinein«, sagte er, »und halt dich mit den Händen fest. Ich ziehe dich hoch.«

Sie nickte müde und tat, was er ihr gesagt hatte. Corran führte sein Ende über das Sicherheitsgeländer und brachte sie nach oben.

Als sie sich über das Geländer zog, sah er ihre Hände.

»Lass mich sehen«, forderte er.

»Sie sind in Ordnung«, protestierte sie.

»Lass mich sehen.«

Sie hatte schlimme Verbrennungen, aber zum Glück keinen Schaden an den Sehnen genommen. Die Narbe ihrer alten Amphistab-Wunde war ein wenig aufgerissen und blutete, aber nicht viel.

»Was ist hier passiert?«

»Ich war nicht wachsam genug«, sagte sie. »Nom Anor hat etwas in seinem Auge, das Gift spritzt.«

»Hat er dich damit getroffen?«

»Nein. Aber als ich auswich, stieß ich gegen das Geländer, und er hat mich darübergestoßen.«

»Und Harrar?«

»Das weiß ich nicht. Ich glaube, er hat Nom Anor angegriffen. Vielleicht jagt er hinter ihm her. Was wir ebenfalls tun sollten.«

Corran spähte nach draußen in die Dunkelheit und den Regen. »Ganz deiner Meinung. Aber wie sollen wir ihn verfolgen, ohne dass er in der Macht zu erkennen ist?«

»Ich habe meinen Vong-Sinn«, sagte Tahiri. »Wenn er nicht weit gekommen ist, kann ich ihn vielleicht spüren.«

Corran holte einen kleinen Glühstab heraus, und in seinem Licht fanden sie schlammige, mit Wasser gefüllte Fußspuren, die den Hang hinaufführten. Sie folgten ihnen, bis sie zu einem schmalen Steinkamm gelangten.

»Zumindest gibt es von hier aus nur einen einzigen Weg«, sagte Corran.

Als sie aufstiegen, erreichten die Blitze ein Crescendo und trafen alle paar Sekunden das Tal, in dem sie gewesen waren. Es war so laut, dass sie sich nicht unterhalten konnten. Dann ging es abrupt zu Ende. Der Regen wurde weniger, dann war er ganz verschwunden, und der Wind ließ nach.

Der Kamm führte weiter, bis er auf einen größeren traf, der sich ebenfalls nach oben zog.

»Er ist auf dem Weg nach oben«, sagte Corran. »Kannst du dein Lichtschwert spüren?«

»Nein«, sagte sie. »Etwas stört − noch mehr als sonst.«

»Ja, ich fühle es ebenfalls«, sagte Corran. »Es ist Zonama Sekot. Etwas stimmt nicht.«

»Wir haben versagt«, erklärte Tahiri. »Was immer Nom Anor tun wollte, er hat es bereits getan, da bin ich sicher.«

»Wir haben vielleicht immer noch Zeit, ihn aufzuhalten«, erwiderte Corran. »Konzentriere dich. Benutze deinen Vong-Sinn.«

Sie schloss die Augen, und er spürte, wie sie sich entspannte und sich an etwas wandte, was er nicht erreichen konnte.

»Ich kann ihn spüren«, sagte sie. »Oben vor uns.«

Bis der Osten sich in der ersten Morgendämmerung grau verfärbte, hatten sie eine weite Hochebene erreicht, die Anzeichen nicht lange zurückliegender Verwerfungen zeigte. Der Stein unter dem Boden war aufgerissen und hatte sich so weit hochgedrückt, dass mehrere Schichten zu sehen waren. Die Erde selbst war schwarz und verbrannt, und der Pflanzenwuchs niedrig, wenn es überhaupt welchen gab, obwohl man auch noch die verkohlten Stämme größerer Boras sehen konnte, die wie die Säulen eines zerstörten Tempels aufragten.

»Ich habe ihn verloren«, sagte Tahiri mit einer Spur Verzweiflung in ihrer Stimme. »Er könnte überall sein.«

Corran konnte ihr nur zustimmen. Wo es Erde gab, war sie mit dichtem dunkelgrünem Gras bedeckt, in dem nichts Spuren hinterließ.

»Wir gehen weiter in die gleiche Richtung«, sagte Corran, »es sei denn …«

Weit über sich hörten sie ein leises Geräusch wie von einem sehr weit entfernten und sehr kurzen Blitz.

»Ein Überschallknall«, murmelte er und starrte suchend in den Himmel. Die Wolken waren weitgehend verschwunden, es gab nur noch ein paar Schleier ganz weit oben.

»Dort«, sagte Tahiri. Sie zeigte zu einem Fleck, der sich rasch bewegte, hoch über ihnen.

»Gute Augen«, sagte Corran. »Du darfst einmal raten, wohin es fliegt.«

»Zu Nom Anor, wo er auch sein mag.«

Der Fleck senkte sich rasch auf das Plateau. Corran spähte den Weg entlang, den das Schiff wahrscheinlich nehmen würde, und entdeckte eine Spur von Bewegung nahe einem Gehölz niedriger Bäume.

»Komm«, sagte er. »Wenn wir laufen, erwischen wir ihn vielleicht noch.«

»Wir erwischen ihn«, schwor Tahiri.

 

Nom Anor sah, wie das Schiff sich näherte, als der Boden unter ihm plötzlich bebte. Es dauerte nur einen Augenblick, aber er wusste, das war erst der Anfang. Er schaute zu den auch von hier noch sichtbaren Feldleitern hin und sah eine weiße Rauchwolke, die zum Himmel quoll. Unwillig verzog er den Mund − wenn er die Zeit falsch berechnet hatte, wenn er in der von ihm selbst bewirkten Explosion umkam, würden die Götter laut lachen.

Das Gras links von ihm raschelte, und aus dem Augenwinkel bemerkte Nom Anor eine unnatürliche Farbe. Er drehte sich um wie in einem Traum und sah Corran Horn vor sich, der auf die Lichtung gerannt kam, Mordlust im Blick.

Dann blickte er auf zu dem sich nähernden Schiff. Es war nur Momente entfernt, aber das war länger, als der Jedi brauchen würde, um ihn zu töten. Er legte die Hand an das gestohlene Lichtschwert …

Und rannte in das dichte Gehölz hinter sich. Er musste nur genug Zeit gewinnen, bis Chokas Schiff gelandet war und Krieger ausgespuckt hatte.

Corran Horn rannte ihm brüllend hinterher.

Nom Anor wich hierhin und dahin aus, sprang über einen Riss am Boden, dann eilte er nach links, in der Hoffnung, wieder zur Lichtung zurückzugelangen. Der Boden bebte erneut, nicht genug, um ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen, aber beinahe. Er schaute über die Schulter zurück, sah, dass Horn ihn einholen würde, und verdoppelte sein Tempo.

Gerade rechtzeitig, um noch die Kante eines Fußes zu sehen, der sich auf gleicher Ebene wie seine Augen befand. Hinter dem Fuß schien Tahiri hoch in der Luft zu schweben.

Der Tritt traf ihn über der Nase, riss seinen Kopf nach hinten und warf ihn um. Er stürzte gegen einen Baumstamm, und die Luft wurde ihm aus der Lunge gedrückt. Er krallte nach der Jedi-Waffe, die er in die Schärpe gesteckt hatte, aber sie war weg.

Sie befand sich bereits in Tahiris Händen, die Energieklinge war eingeschaltet.

»Es gehört mir«, sagte sie.

Der ältere Jedi hatte sie eingeholt. »Bring ihn nicht um«, sagte er.

»Das werde ich nicht«, erwiderte Tahiri, aber Nom Anor hörte ihren Tonfall. Es war kein menschlicher Ton − obwohl sie Basic sprach, war jede Nuance ihrer Worte Yuuzhan Vong. Diese Worte kannten keine Gnade, aber viele Versprechungen.

»Ich werde ihm allerdings die Füße abschneiden«, fuhr sie fort und kam näher. »Und dann seine Hände. Es sei denn, er sagt uns, wie wir aufhalten können, was er Sekot angetan hat.«

»Tut, was ihr wollt«, sagte Nom Anor und zwang so viel Verachtung in seine Stimme, wie er konnte. »Es hat bereits begonnen. Ihr könnt es nicht mehr aufhalten.«

»Wo ist Harrar?«, fragte Corran.

»Tot«, erwiderte Nom Anor. »Ich habe ihn umgebracht.« Er sah zu, wie die Spitze von Tahiris Klinge sich zu seinem Fuß senkte, und dann zuckte er zusammen, als sie ihm am Knöchel eine leichte Verbrennung zufügte.

»Nicht, Tahiri!«, befahl Corran.

Sie kniff die Augen noch weiter zusammen, dann zog sie die Klinge zurück.

»Ja, Meister«, sagte sie.

»Stehen Sie auf, Anor.«

Nom Anor begann, langsam auf die Beine zu kommen.

»Das Schiff landet, Corran«, sagte Tahiri.

»Aber er wird nicht an Bord gehen«, erwiderte Corran. »Sie haben einen Villip, nicht wahr, Nom Anor? Schicken Sie sie weg, oder ich werde Ihnen selbst den Kopf abschneiden. Und das, mein Freund, ist absolut kein Bluff.«

»Sie werden mir nicht gehorchen«, sagte Nom Anor.

»Das mag sein«, sagte Corran, »aber Sie werden es trotzdem versuchen.«

Nom Anor starrte dem Mann in die Augen und wusste, dass er nicht log.

Er griff nach dem Villip unter seinem Arm und dachte dabei hektisch nach.

Dann versuchte Zonama Sekot, sie alle in den Raum zu werfen.

 

Der Boden zwischen ihnen bäumte sich auf, und ein gequälter Schrei explodierte in der Macht und füllte Tahiris Kopf mit solch schrecklichen Schmerzen, dass es ihr kaum auffiel, als sie zu Boden geschleudert wurde. Verzweifelt versuchte sie, den Schmerz des Planeten auszublenden und wieder auf die Beine zu kommen, aber der Wille hinter dem Schmerz war zu stark. Sie fühlte sich, als bohrten sich unzählige Nadeln durch Herz, Lunge und Knochen. Sie hielt ihren Kopf mit beiden Händen und schrie mit Zonama Sekots Stimme. Sie konnte nur verschwommen wahrnehmen, aber sie bemerkte dennoch, dass Nom Anor durch die seltsam schiefen Bäume davonrannte Nein! Sekot, er ist es, der dir das antut!

Sie war nicht sicher, ob Sekot sie irgendwie gehört hatte oder ob ihr der Schrei nur genug Kraft gab, um diesen Übelkeit erregenden Schmerz wegzuschieben, aber sie kam endlich hoch.

Corran war gegen einen Baum gesackt.

»Corran …«

»Nur eine Sekunde«, sagte er. »Ich − also gut. Ich denke, ich habe es jetzt unter Kontrolle.«

Die beiden Jedi stolperten durch die aufgerissene Landschaft. Das Schiff war gelandet, und Nom Anor rannte darauf zu. Tahiri lief, wie sie nie zuvor gelaufen war, und benutzte dabei die aufgewühlten Machtkräfte ringsumher. Corran war direkt vor ihr. Wenn sie den Exekutor erreichen konnten, bevor die Krieger aus dem Schiff ausstiegen, konnten sie Sekot vielleicht retten. Sie klammerte sich an diese Hoffnung, während der Atem an ihrer Lunge riss und ihr Herz ungleichmäßig stotterte.

Plötzlich riss Corran sie um, und sie fiel zu Boden. Noch bevor sie Zeit hatte, sich verraten zu fühlen, sah sie, dass er ebenfalls zu Boden ging. Weniger als einen Herzschlag später schwirrte ein Schwarm von Knallkäfern dort vorbei, wo sie gerade eben noch gestanden hatte.

Sie verstand plötzlich, dass sie und Corran länger mit Sekots Schmerzen beschäftigt gewesen waren, als sie gedacht hatte. Die Krieger hatten das Schiff bereits verlassen und sich rings um die Lichtung versteckt. Corran und sie waren vollkommen umzingelt.