15

 

Der Schrei des Schiffs war etwas sehr Entferntes irgendwo in Corrans Hinterkopf. Der donnernde Ruck des plötzlichen Hyperantriebsausfalls war erheblich spürbarer.

»Was zum …« Er sprang auf und taumelte auf die Steuerung zu.

»Werden wir angegriffen?«, fragte Harrar.

Zu diesem Zeitpunkt konnte Corran schon die Sterne durch die transparente Kuppel sehen. »Ich weiß es nicht«, sagte er. »Aber wenn ich mein Glück bisher auf dieser Reise bedenke, würde ich es nicht bezweifeln.«

»Es gibt keine Karten von dieser Region«, sagte Tahiri. »Vielleicht sind wir auf eine Schwerkraftanomalie gestoßen.«

Corran verkniff sich einen Tadel dafür, dass sie so viel verriet, kam aber zu dem Schluss, sich an seine eigenen Ratschläge zu halten und die junge Frau nicht in Anwesenheit der Yuuzhan Vong auszuschimpfen. »Selbstverständlich sind wir in einem Bereich des Raums, für den es Karten gibt«, sagte er stattdessen. Was stimmte, aber nur gerade so eben.

»Was könnte es sonst sein?«

»Vielleicht eine Dovin-Basal-Abfangmine. Die Yuuzhan Vong haben sie an allen größeren Routen ausgelegt, um Schiffe aus dem Hyperraum zu reißen.«

»Stimmt. Der Millennium Falke wurde auf der Corellianischen Handelsroute abgefangen.«

»Ja. Hoffen wir, dass es uns besser gehen − oh, Sith-Brut.« Er hatte das Schiff gekippt, um die Ursache der plötzlichen Störung erkennen zu können. Jetzt sah er sie.

Es war nicht, was er erwartet hatte.

Er starrte das spitze Ende eines weißen Keils an, der größer war als die meisten Städte auf Planeten, und er fühlte sich plötzlich viel jünger, aber nicht auf angenehme Weise.

»Das ist tatsächlich ein Abfangkreuzer«, sagte er. »Ein imperialer Abfangkreuzer.«

»Ich nehme an, das zeigt wieder einmal, dass man keine übereilten Schlüsse ziehen sollte«, warf Harrar ein wenig sarkastisch ein.

»Ich werde mich nicht entschuldigen«, sagte Corran. »Ich hätte eher auf meinen Schluss gesetzt. Das hier andererseits …«

»Aber sind sie jetzt nicht unsere Freunde?«, fragte Tahiri. Corran schnaubte. »Freunde? Nein. Verbündete, ja.« Er beschleunigte ihr Tempo und führte eine Reihe von improvisierten Manövern aus, als Salven von grünem Licht um sie herum aufblitzten.

»Wie auch immer, sollten sie auf uns schießen?«

»Nein, und das würden sie vielleicht auch nicht, wenn wir uns nicht in etwas befänden, das einem Yuuzhan-Vong-Schiff so ähnlich sieht. Oder wenn wir mit ihnen sprechen und ihnen sagen könnten, wer wir sind, aber ich sehe kein Kom in diesem Ding, es sei denn, unsere Gestalter-Freundin hat es verborgen wie den Rest der Kontrollen. Aber unter den augenblicklichen Umständen sollten wir lieber eine gewisse Entfernung zwischen uns und dieses Ding bringen.«

»Was macht es hier draußen?«

»Ich bin nicht einmal sicher, wo ›hier‹ ist«, grollte Corran, »aber ich habe eine gute Vorstellung, wieso sie hier sind.«

»Wieso?«

»Darf ich nicht sagen. Streng geheim.«

Kenth hätte mir ein wenig mehr über die Kriegspläne sagen sollen. Ich hätte mir selbst denken können, dass der Hauptangriff in diesem Sektor stattfindet. Vielleicht Bilbringi? Dieser Abfangkreuzer muss ein Teil der Imperialen Flotte sein. Aber warum ist er allein? Behält er die Hintertür im Auge?

Das war egal. Sie konnten nicht mit dem Schiff sprechen, und sie konnten es ganz bestimmt nicht bekämpfen, also bestand ihre einzige Chance in schneller Flucht.

»Was ist denn?« Nen Yim erschien vom Heck.

»Wir wurden gerade von den Imperialen aus dem Raum gerissen.« Es ist so vertraut, so etwas zu sagen, dachte er. Beinahe etwas, woran man sich gewöhnt hat.

»Die Imperialen?«, fragte Nen Yim. »Ich bin keine Taktikerin, aber sind Sie nicht − ah. Sie, glauben, das hier sei ein Schiff der Yuuzhan Vong.«

»Die Dame gewinnt den Pott«, sagte Corran. Ein Laserstrahl versengte die Seite des Schiffs, und Corran rang um Beherrschung.

»Springen Sie in den Hyperraum«, sagte Nen Yim. »Ich kann in der Nähe keine Planeten sehen.«

»Das kann ich nicht. Es ist ein Abfangjäger − er wird uns sofort wieder zurückziehen und dabei wahrscheinlich die Triebwerke grillen.«

»Nicht unbedingt«, sagte Nen Yim.

»Nein, Abfangschiffe funktionieren sehr gut bei einem Yuuzhan-Vong-Hyperantrieb. Es ist schlichte Physik.«

»Ja, aber …« Sie hielt plötzlich inne.

»Was?«, rief Corran über seine Schulter. »Ich kann mich erinnern, dass Sie vom Boden einer Schwerkraftquelle aus springen wollten. Aber wenn Sie etwas haben, müssen Sie es mir sagen.«

»Sie müssen mir Geheimhaltung versprechen«, sagte die Gestalterin, und ihr gespenstisches Haar tat ein paar besonders gespenstische Dinge.

»Das kann ich nicht.« Corran seufzte. »Nicht, wenn Sie etwas haben, das gegen uns verwendet werden kann.«

»Ich darf keine Kriegsgeheimnisse verraten, ohne dass Sie Geheimhaltung schwören«, widersprach Nen Yim.

»Warum nicht? Versuchen wir nicht, diesem Krieg ein Ende zu machen? Ist das nicht genau, worum es bei dieser Mission geht?«

Das Schiff schauderte und bockte, als Laserfeuer auf den Rumpf eindrosch.

»Der Krieg ist noch nicht vorüber«, erinnerte die Gestalterin ihn. »Meisterin Yim«, warf Harrar ein. »Wenn wir sterben und unsere Mission misslingt …«

»Welche Mission?«, fauchte Nen Yim. »Er will uns nicht nach Zonama Sekot bringen. Er bringt uns nach Mon Calamari, wahrscheinlich, damit man uns dort gefangen nimmt. Ich würde lieber hier sterben, vor allem, wenn das verhindert, ihnen noch eine weitere Waffe gegen uns in die Hände zu geben.«

»Wir sind auf dem Weg nach Zonama Sekot«, rief Corran. »Wir befinden uns auf dem Weg dorthin. Aber es wird ein sehr kurzer Weg werden, wenn sich nicht bald etwas ändert.«

Nen Yim zog drohend die Brauen zusammen. »Ist das wahr?«

Harrar packte den Arm der Gestalterin. »Ich fürchte den Tod nicht mehr als Sie, Nen Yim. Aber wenn Sie diesen Planeten sehen wollen …«

»Es ist unerprobt«, sagte sie. »Eine Gestaltungsvariante, die eine meiner Schülerinnen entwickelt hat. Ich habe sie eingebaut, um sie gegen Yuuzhan-Vong-Schiffe zu nutzen, falls sie uns folgen würden, aber jetzt wird mir klar, dass wir es auch gegen eines Ihrer Abfangschiffe verwenden könnten.«

»Nun, dann finden wir es heraus!«, sagte Corran. »Denn in etwa zehn Sekunden …«

Nen Yim nickte und setzte ihre Kontrollhaube auf.

Einen Augenblick später spürte Corran, wie etwas durch das Schiff ging, und dann − waren sie frei.

»Was haben wir gerade getan?«

Nen Yim lächelte tatsächlich. »Wenn es funktioniert, sollte die künstliche Schwerkraftanomalie verschwunden sein. Ich würde vorschlagen, wenn dieser Moment gekommen ist, springen wir in den Hyperraum.«

»Tahiri, gib einen Mikrosprung ein«, sagte Corran.

Die junge Frau nickte und tat, was man ihr gesagt hatte.

Laser zerrissen die Kabine hinter ihnen, ein direkter Treffer, der beide Seiten des Rumpfs durchdrang. Luft entwich kreischend ins Vakuum, und Corran fühlte sich, als hätte er einen heißen Draht in seinen Eingeweiden. Er konnte sich gut vorstellen, wie es einem Piloten ergehen würde, der wirklich auf das Schiff abgestimmt war.

Dann heilte die Wunde, und die Luft wurde nicht mehr dünner. Aber er fragte sich, wo die Grenzen der Selbstheilungskräfte des Schiffs lagen.

Und er erhielt ein Art von Antwort vom Schiff selbst. Ein weiterer solcher Treffer würde zu viel sein.

»Wir sitzen nicht mehr fest«, sagte Tahiri. »Das Leben ist gut«, erwiderte Corran und brachte sie dorthin, wo die Sterne nicht leuchteten.

 

»Ich nehme an, Sie werden mir nicht sagen, was dieses Ding war?«, fragte Corran.

»Nein, ich glaube nicht«, erwiderte Nen Yim. »Aber der Feldtest scheint gut verlaufen zu sein.«

»Ja, meinen Glückwunsch«, sagte Corran. Wie lange, bis sie es gegen uns einsetzen? Nun, zumindest wusste er, dass es existierte, was immer es sein mochte, und solange sie nicht log, handelte es sich um einen Prototyp, der derzeit noch nicht gegen die Galaktische Allianz eingesetzt wurde.

»Mir wird schwindlig von diesem ganzen Hin und Her«, murmelte er.

»Was ist?«, wollte Nen Yim wissen.

»Nichts.«

»Ich will ja nicht unterbrechen«, sagte Harrar. »Aber ich frage mich, ob es stimmt, was Sie über unser Ziel sagten.«

Corran drehte sich um und bemerkte, dass auch der Prophet zu ihnen gestoßen war.

»Ja«, sagte er. »Es war von Anfang an unser Ziel.«

»Sie haben uns betrogen«, klagte Nen Yim ihn an. »Warum?«

Der Prophet richtete sich zu seiner vollen Höhe auf und verschränkte die Arme. »Um zu sehen, wie wir reagieren würden«, sagte er. »Wenn wir versucht hätten, ihm den Standort des Planeten gewaltsam zu entreißen, hätte er gewusst, dass man uns nicht trauen kann, und wir hätten diesen Flug niemals beendet.« Er nickte Corran zu. »Stimmt das nicht, Jeedai Horn?«

»Das fasst es ziemlich gut zusammen«, erwiderte Corran. »Eine ziemlich schlaue Analyse für einen heiligen Mann.«

»Verstehen ist die Essenz der Erleuchtung.«

Und auch die Basis der Spionage, fügte Corran bei sich hinzu. Ich frage mich, was du früher gemacht hast, bevor du Prophet wurdest.

Vielleicht konnte Tahiri das … irgendwie herausfinden. Er nahm sich vor, sie später danach zu fragen.

»Wie weit sind wir also von unserem Ziel entfernt?«, fragte Harrar.

»Ich bin nicht sicher, denn wir sind einige Zeit in kleinen Sprüngen weitergeflogen. Wahrscheinlich noch ein paar Tage.«

 

Der nächste Sprung brachte sie an den Rand eines namenlosen Sternsystems. Die Sonne erschien als winzige blaue Kugel, aber sie war von einem gewaltigen Ring umgeben, der leuchtete, als wäre er mit ein paar Hundert Billionen glitzernder Edelsteine besetzt. Tahiri betrachtete ihn fasziniert. Manchmal schien er wie eine Wolke zu sein, manchmal beinahe flüssig.

»Sie müssen viele solche Wunder gesehen haben«, stellte Nen Yim fest.

Tahiri hatte gehört, dass die Gestalterin näher gekommen war, hatte sich aber nicht umgedreht. »Das ist egal«, sagte sie. »Jedes Sternsystem ist einzigartig. Und jedes hat seine eigene Schönheit.«

»Dieses hier ganz bestimmt. Ist das Eis?«

»Das nehme ich an«, sagte Tahiri. »Ich habe nicht versucht, es herauszufinden − ich habe mich einfach an dem Anblick erfreut.«

»Vielleicht fehlt es dem System an schweren Elementen. Der ursprüngliche Torus der Materie hat sich zu Eiskugeln verdichtet, die dann von Gezeitenkräften zerrissen wurden.«

»Vielleicht hat ein umherwandernder Riese es als Hochzeitsgeschenk für einen Nebel hergestellt«, sagte Tahiri. »Warum erfinden Sie eine so lächerliche Erklärung?« Die Gestalterin schien ehrlich verwirrt zu sein.

»Warum müssen Sie alles zerlegen?«, erwiderte Tahiri. »Außerdem, wenn Sie akzeptieren, dass Yun-Yuuzhan das Universum aus seinen abgetrennten Körperteilen hergestellt hat, sollten Sie imstande sein, alles zu glauben.«

Nen Yim schwieg einen Moment, und Tahiri vermutete schon, dass das Gespräch ein Ende gefunden hatte.

»Glaube ist eine seltsame Sache«, erklärte die Gestalterin schließlich. »Er verfügt über gewaltige Trägheit. Meine Meisterin glaubte nicht an die Götter.«

»Und Sie?«

Die Tentakel des Gestalter-Kopfputzes verknoteten sich nachdenklich. »Ich denke, Religion ist eine Metapher, eine Art, das Universum zu deuten, die keine Vernunft verlangt. Sie unterscheidet sich nicht sonderlich von Ihrer Freude an diesem Sternsystem wegen seiner reinen Schönheit. Meine Freude kommt von Verstehen. Sie haben Recht − wenn ich das Universum auseinandernehmen und wieder zusammensetzen könnte, würde ich das tun.«

»Und sich dabei der Hälfte des Staunens berauben«, sagte Tahiri. Nen Yim schnaubte verächtlich. »Staunen lässt Sie Geschichten über Riesen und Hochzeitsgeschenke erfinden«, sagte sie. »Staunen führt dazu, dass mein Volk die Schaffung des Universums zu einem Akt der Zerstückelung macht. Es meidet das wahre Geheimnis mithilfe der Fantasie. Und wenn das Universum sich weigert, Ihren Fantasien zu entsprechen, ist es deshalb weniger wunderbar? Das wäre wirklich Betrug der höchsten Ordnung.«

»Ihre eigene Erklärung ist nicht mehr als eine Spekulation.«

»Das stimmt. Aber meine Spekulation kann man untersuchen und prüfen. Es ist eine Spekulation, die ich gerne wieder aufgebe, wenn sie sich als falsch erweist. Es ist eine Spekulation, die als Werkzeug dient, mir beim Finden der Wahrheit zu helfen. Für mich ist das ein erheblich größeres Wunder, als etwas einfach zu glauben.«

»Also glauben Sie nicht an die Götter?«, fragte Tahiri. »Ich glaube, dass es etwas hinter ihnen geben muss, das wirklich ist. Im orthodoxen Sinn halte ich sie nicht für wirklich.«

»Das ist interessant. Was glauben Sie denn, dass sie sind?«

»Ich habe keine Ahnung. In diesem Fall habe ich nicht einmal eine Spekulation, mit der ich beginnen könnte.«

»Wie wäre es damit?«, fragte Tahiri nachdenklich. »Ich habe eine Spekulation für Sie. Ihre Götter sind nichts als ein falsches Verständnis der Macht.«

»Dieses Energiefeld, von dem ihr Jeedai behauptet, dass es eure Kräfte bewirkt?« Sie klang zweifelnd.

»Glauben Sie nicht an die Macht?«

»Es ist klar, dass Sie eine Art von Energie verwenden, um Ihre Tricks zu veranstalten, ebenso wie Ihre Maschinen sich einer Energiequelle bedienen. Aber das bedeutet nicht, dass es eine alles durchdringende mystische Energie mit einem eigenen Willen gibt, wie Sie offenbar glauben. Und selbst wenn das so ist, wie erklären Sie sich dann, dass die Yuuzhan Vong nicht in der Macht existieren?«

»Ja, das ist ein Rätsel«, sagte Tahiri. »Aber die Macht ist nicht wie eine Batterie. Sie ist erheblich mehr als das.«

»Das glauben Sie. Wenn das tatsächlich so ist, ist Ihre Macht vielleicht ebenso wie unsere Götter ein Missverständnis von etwas, das uns alle umgibt.«

Tahiri überlief ein Schauder. Genau das hatte Anakin geglaubt − oder doch beinahe.

»Glauben Sie das?«, fragte sie.

»Ganz bestimmt nicht«, erwiderte die Gestalterin. »Dennoch … ich danke Ihnen.«

»Wofür?«

»Zumindest habe ich jetzt eine Spekulation, von der ich ausgehen kann.« Sie sah sich um. »Wo ist Corran Horn?«

»Er ruht sich vor dem nächsten Hyperraumsprung aus. Weshalb wollen Sie denn mit ihm sprechen?«

»Ich will niemanden übereilt beunruhigen, aber ich glaube, etwas stimmt nicht mit dem Schiff.«

»Etwas stimmt nicht?«

»Ja. Die Fähigkeit der Dovin Basale, den Raum zu falten, schien schon beim letzten Sprung unregelmäßig zu sein. Ich habe sie überprüft, und es könnte ein Problem geben.«

»Welche Art von Problem?«

»Ich glaube, sie sterben.«