7
Unter dem schwarzen Himmel von Yuuzhan’tar bewegte sich Nen Yim so gut wie unsichtbar. Die Wachen auf ihren Posten zuckten mit keiner Wimper, als sie an ihnen vorbeikam, die singenden Ulubs gaben keinen Ton von sich, als sie leichtfüßig über das Gelände des Palasts des Höchsten Oberlords eilte. Damuteks leuchteten schwach, und Schiffe, die eintrafen oder abflogen, bildeten hellgrüne oder blutfarbene Lichtnebel am Himmel.
Es hatte in der Nacht nicht immer solche Dunkelheit auf Yuuzhan’tar geherrscht. Für Jahrtausende war es der hellste Planet in der Galaxis gewesen und hatte so etwas wie wahre Dunkelheit nicht gekannt. Lebloses Metall hatte vor unheiliger Energie pulsiert und Licht, Hitze und giftige Dämpfe abgesondert, um den Mutterleib der Nacht zu verbrennen.
Nun hatten die Yuuzhan Vong diesen unnatürlichen Dingen ein Ende gemacht, und die Helligkeit kam nur noch von den Sternen. In dieser speziellen Nacht störten nicht einmal sie die geschlossenen Lider der Götter, denn eine Plane von Wolken war über die Stadt gezogen worden und machte selbst die wilde Schönheit des Kerns unsichtbar. Solange von Maschinen beherrscht, fand nun auch das Klima von Yuuzhan’tar seinen natürlichen Status wieder.
Nen Yim kam es paradoxerweise unnatürlich vor. Sie war auf einem Weltschiff geboren und aufgewachsen, genährt von einem so gewaltigen Organismus, dass sie wie eine Mikrobe in seinem Bauch gelebt hatte, wo sie sich warm und sicher fühlte. Die Unwägbarkeiten des Wetters hatte sie erst vor Kurzem kennen gelernt, und obwohl ihre Vernunft durchaus erkannte, dass die Yuuzhan Vong vor langer Zeit einmal auf einem Planeten gelebt hatten, auf dem es Jahreszeiten gab und der Regen fiel, wann er wollte oder überhaupt nicht − dass dies tatsächlich dem natürlichen Lauf der Dinge entsprach −, rebellierten ihre Instinkte gegen so viel Wechselhaftigkeit. Sie war eine Gestalterin. Sie zog es vor, zu gestalten und nicht gestaltet zu werden.
Und sie hasste es zu frieren. Sie war in ein Geschöpf gehüllt, das sie selbst verändert hatte, eine Variante der Art von Ooglith-Masken, wie sie die Jäger trugen. Die unzähligen winzigen Wahrnehmungsknoten streiften die Nacht, hörten sie, ertasteten sie − und machten Nen Yim zu einem Teil von ihr. Zum ersten Mal in vielen, vielen Monaten war sie frei von ihren Wachen, von ihrem Damutek. Sie bildete sich allerdings nicht ein, dass es sich um wahre Freiheit handelte. Wenn sie in ein paar Stunden nicht aus ihrer Zuflucht kam, würden Fragen gestellt werden, und dann würde die Suche beginnen. Unsichtbar zu sein würde dann nicht mehr genügen. Aber die Illusion war berauschend.
Obwohl sie diese Maske schon vor langer Zeit für sich hergestellt hatte, hatte bisher kein Grund bestanden, sie zu benutzen.
Nun war das anders. Eine geheimnisvolle Botschaft, ein Treffpunkt, eine Möglichkeit …
Sie verließ Shimrras Palastgelände problemlos. Selbst einem Jäger wäre das nicht gelungen, aber die Maske der Nuun, die sie trug, war besser als die üblichen ihrer Art. Sie verbarg sogar ihre Gedanken, sie gab ihre Masse als reine Bewegung der Luft aus.
Sie befand sich nun auf rauerem Gelände, ging erst einen Hang hinab, dann wieder aufwärts zu der Plattform, wo ein Schrein von Yun-Harla, der Göttin der List, über einer großen Grube aufragte, wo einmal bis in den Himmel reichende Gebäude gestanden hatten. Dunkles Wasser füllte diese Grube nun, und die surrenden Rufe der P’hiili erhoben sich in einem schrillen Kontrapunkt zum Bassgurren des Großbart-Ngom. Wie der Lim-Baum in ihrem Gartenraum waren auch dies nach alten Plänen neu geschaffene Geschöpfe aus der Heimatwelt.
Eine einzelne Gestalt erwartete sie am Schrein, unter einer Statue von Yun-Yuuzhan, die aus den Schädeln und langen Knochen der Eroberten hergestellt worden war. Auch diese Statue übermittelte eine Botschaft aus der Geschichte der Yuuzhan Vong − wie die Geschöpfe im Teich erklärte sie: Dieser Planet gehört jetzt uns.
Der Wartende war schlank und hatte das Haar in einen gemusterten Schal gewickelt. Bis auf drei Finger an jeder Hand waren alle amputiert. Nen Yim blieb stehen und beobachtete ihn längere Zeit. In seinen Augen stand eine beherrschte, leidenschaftliche Intelligenz.
Ein Priester, dachte sie. Was könntest du von mir wollen?
Sie stand auf dem Rückgrat eines Vua’sa. Der Tod schien sehr nahe zu sein. Sie war nicht sicher, was sie erwartet hatte, aber ganz bestimmt keinen Priester, der allein im Dunkeln stand.
Sie bewegte sich aus seinem Blickfeld und legte die Maske ab, dann kehrte sie zum Schrein zurück.
Diesmal fand sein Blick sie sofort. Sein Körper blieb reglos.
»Sie kommen zu einer seltsamen Zeit, um zu beten«, sagte der Priester.
»Ich komme, wenn man mich ruft«, antwortete Nen Yim.
»Wie wir alle«, erwiderte der Priester. »Ich bin Harrar.«
Nen Yims Rücken kribbelte. Sie kannte diesen Namen. Es ist also nicht nur irgendein Priester, sondern ein sehr wichtiger.
»Mich nennt man Nen Yim, Geehrter«, erwiderte sie.
»Sie sind eine Meisterin. Unsere Ränge sind einander gleich, also können wir uns die Ehrenbezeugungen sparen.
Ich habe nur wenig Zeit, und ich nehme an, Sie haben noch weniger.«
Nen Yim nickte.
»Es gibt Gerüchte über Sie, Gestalterin«, sagte er. »Schon Ihr Labor löst sie aus, das unter schwerer Bewachung auf dem Palastgelände liegt. Es heißt, dass Sie hoch in der Gunst der Götter stehen, und dennoch wissen nur wenige, dass Sie überhaupt existieren. Selbst ein Flüstern ist zu laut, um von Ihnen zu sprechen. Es heißt, dass einige gestorben sind, die sich dieses Flüstern nicht verkneifen konnten.«
»Und dennoch wissen Sie von mir.«
»Ich weiß, wann und mit wem ich flüstern muss.« Er lächelte dünn. »Sie offensichtlich nicht.«
»Ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Ich meine, dass Ihre Versuche, sich mit dem quorealistischen Untergrund in Verbindung zu setzen, sehr ungeschickt waren.«
»Ich weiß nicht einmal, wer oder was diese Surrealisten sind«, erklärte Nen Yim.
»Quoreal war vor Shimrra Höchster Oberlord. Viele glauben, die Götter hätten Shimrra nicht auserwählt, um seinen Platz einzunehmen, sondern Shimrra hätte ihn ehrlos ermordet. Qoreals alte Anhänger sind eine verständlicherweise schweigsame Gruppe, aber es gibt sie immer noch.«
»Das ist mir alles neu, wenn es denn überhaupt der Wahrheit entspricht.«
Der Priester zuckte eine Schulter. »Es ist gleich, mit wem Sie glaubten sprechen zu wollen. Tatsache ist, wenn Sie so weitermachen, wird Shimrra es herausfinden, und ich bezweifle, dass irgendwer hoch genug in der Gunst der Götter stehen kann, um das zu überleben. Aber eins interessiert mich wirklich: Wieso versucht Lord Shimrras liebste Gestalterin, sich mit den jämmerlichen Überresten seiner politischen Gegner in Verbindung zu setzen?«
»Ich weiß nichts von Politik«, erwiderte Nen Yim. »Shimrra ist der Höchste Oberlord. Ich halte keinem anderen die Treue und möchte mich mit keinem anderen verbünden.«
Harrar legte den Kopf schief. »Kommen Sie schon. Warum sonst sollten Sie mit uns Kontakt aufnehmen?«
»Uns?«
Harrars wildes Grinsen wurde noch ausgeprägter. »Selbstverständlich. Sie mögen ungeschickt gewesen sein, aber Sie hatten Erfolg. Shimrra hat Feinde. Sie haben Sie gefunden. Was wollen Sie von uns?«
»Ich habe Ihnen gerade gesagt, ich suche nicht nach Feinden meines Höchsten Oberlords.«
»Aber Sie bewegen sich insgeheim und ohne sein Wissen. Was wollen Sie?«
Wieder zögerte Nen Yim. »Es gibt etwas, das ich sehen muss«, sagte sie. »Etwas, wovon ich glaube, dass es für die Yuuzhan Vong von lebenswichtigem Interesse ist.«
»Wie faszinierend. Und Shimrra will es Sie nicht sehen lassen?«
»Ich kann ihn nicht fragen.«
»Noch faszinierender. Was ist das für ein Ding?«
»Es befindet sich weit entfernt von hier«, sagte Nen Yim. »Ich brauche Hilfe, um dorthin zu gelangen. Ich brauche Hilfe, um es zu finden.«
»Sie drücken sich sehr unklar aus.«
»Ich bin vorsichtig. Sie sagen, Sie seien der Feind meines Herrn Shimrra. In diesem Fall sind Sie letztlich mein Feind, und ich werde Ihnen keine wichtigen Informationen geben.« Sie hielt inne.
»Und wenn ich nur gelogen habe, um Ihre Treue zu prüfen?«
»Dann kann ich mich auf nichts mehr verlassen, was Sie sagen«, erwiderte sie.
»In diesem Fall scheint unsere Besprechung zu Ende zu sein …« Wieder schwieg er einen Moment. »Aber ich warne Sie; Sie werden wahrscheinlich keine andere Chance erhalten. Sie sagen, dieses Ding ist für unsere Zukunft lebenswichtig. Wie wichtig?«
»Es könnte unser Untergang sein.«
»Und dennoch fürchten Sie, dass sich Shimrra nicht darum kümmern wird?«
»Ja.«
»Sie glauben, dass Sie besser wissen, was gut für die Yuuzhan Vong ist, als unser Höchster Oberlord?«
Nen Yim zog die Schultern ein wenig zurück. »In diesem Fall tue ich das.«
»Also gut. Ich habe mich nur illoyal gestellt, um Ihnen ein Geständnis zu entlocken. Ich glaube nun, dass Sie der Ordnung der Dinge gegenüber loyal sind. Ich schwöre bei den Göttern selbst, dass ich ebenfalls ein treuer Anhänger von Lord Shimrra bin. Mögen sie mich verschlingen, wenn ich lüge.« Er hielt inne und senkte dann die Stimme: »Aber wie Sie, so glaube auch ich, dass sein Urteilsvermögen nicht unfehlbar ist. Erzählen Sie mir von diesem Ding, das Sie sehen müssen. Sie sind offenbar bereit, dafür Ungnade und Tod zu riskieren. Jetzt ist nicht der Zeitpunkt zurückzuweichen.«
Nen Yim klickte die Nägel ihrer Meisterhand gegeneinander. Wie ihre eigene Meisterin, Mezhan Kwaad, trug auch sie dort tödliche Waffen verborgen. Wenn sie zu dem Schluss kam, dass dem Priester nicht zu trauen war, würden die P’hiili heute Nacht gut speisen.
»Es beginnt mit einem Kommandanten namens Ekh’m Val«, sagte sie leise.
Seine Augen wurden größer, als er den Namen hörte. »Ah«, sagte er.
»Sie haben von ihm gehört?«
»In der Tat. Und ich fange an, Ihre Vorsicht zu verstehen. Bitte fahren Sie fort.«
Sie berichtete kurz, was sie wusste, ließ aber auch vieles aus. Sie erwähnte ihre Ketzerei nicht, sondern sprach in orthodoxeren Begriffen über ihre Studien des Schiffs. Während ihrer Worte ließ sich Harrar im Schneidersitz nieder und lauschte, wie ein Kind es tut, wenn es in der Krippe einem Wahr-Sprecher zuhört. Als sie fertig war, herrschte einige Zeit Stille.
»Erstaunlich«, sagte der Priester schließlich.
»Dann verstehen Sie, wie bedeutend es ist?«
»Ein wenig davon. Anderes wird mir noch klarer werden. Und vielleicht verstehe ich auch einiges, was Sie nicht verstehen.«
»Das bezweifle ich nicht. Die Priesterschaft verfügt über eigenes Wissen, davon bin ich überzeugt.«
Harrar zog die Lippen von den Zähnen zurück. »Wie freundlich von Ihnen, das zu denken«, sagte er.
»Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
»Natürlich nicht.« Er machte eine Geste. »Setzen Sie sich zu mir.«
Sie tat es und ließ sich auf einem kleinen Polypen nieder.
»Schwören Sie mir, dass alles, was Sie mir erzählt haben, der Wahrheit entspricht?«
»Ich schwöre es bei den Göttern«, erwiderte Nen Yim.
Er nickte, dann sah er sie ernst an. »Ihre Meisterin Mezhan Kwaad soll angeblich behauptet haben, es gäbe keine Götter.«
»Sie war bei all ihren guten Eigenschaften vielleicht doch wahnsinnig«, erklärte Nen Yim.
»Ja, das genau ist meine Sorge.«
»Sie fürchten um meine geistige Gesundheit?«
»Das würde ich vielleicht tun, aber eins spricht dagegen. Sind Sie über die Ketzerei informiert?«
Ihr Blut wurde kalt und schwer. »Ketzerei?«
»Unter den Beschämten. Der obszöne Glaube, dass die Jeedai irgendwie die Erlöser der Beschämten sind.«
»Ja«, erwiderte Nen Yim und hoffte, nach außen hin weiterhin einen gefassten Eindruck zu machen. »Ich befand mich schließlich auf Yavin Vier, als diese Ketzerei ihren Anfang nahm.«
»Das waren Sie, nicht wahr? Sie sind sogar ein Teil der Geschichte, zumindest in einigen Versionen. In einigen sind Sie ruhmreich gestorben. In anderen verschwanden Sie.«
»Mir ist die Überlieferung der Beschämten nicht derart geläufig«, erklärte Nen Yim steif.
»Nein, das kann ich mir vorstellen. Die Ketzerei hat nun einen Anführer − einen Propheten. Man weiß wenig von ihm, aber seine Macht wächst. Vor nicht allzu langer Zeit machte er eine Prophezeiung − er sprach von einem neuen Planeten, einem Heim für die Beschämten, einem Versprechen der Erlösung. Er sprach von einer lebendigen Welt.« Er legte die Hände auf die Knie und beugte sich vor. »Klingt das nicht wie Ihr Zonama Sekot?«
»Ich weiß nichts von diesem Propheten und seinem Geschwätz«, sagte Nen Yim.
»Abermals bezweifle ich Ihre Worte nicht.« Er kniff die Augen zusammen. »Wissen Sie, wo sich dieser angebliche Planet befindet?«
»Nein.«
»Sie wollen also, dass ich Sie vor Shimrras Nase hinausschmuggele, Ihnen ein Schiff gebe …«
»Ich kann mein eigenes Schiff liefern«, unterbrach Nen Yim.
Sein Blick wurde abschätzend, aber dann sprach er weiter. »Also gut. Ich muss Sie also hinausschmuggeln, ausrüsten und Ihnen helfen, diesen Planeten zu finden − von dem Shimrra behauptet, dass er zerstört wurde.«
»Das wünsche ich, ja.«
»Das kann ich nicht tun«, sagte er. »Meine Stellung ist zu hoch. Es würde auffallen.«
»Dann bin ich vergeblich hergekommen«, sagte Nen Yim und bereitete die Waffe in ihrem Finger vor.
»Vielleicht auch nicht«, sagte der Priester. »Vielleicht könnte der Prophet, von dem ich gesprochen habe, Ihnen helfen?«
Nen Yim entspannte sich geringfügig. »Sie raten mir, mich mit einem Ketzer zusammenzutun?«
»Wenn Sie Recht haben, was die Gefahr angeht, die dieser Planet bedeutet, dann wäre ein kurzfristiges Bündnis mit einem Ketzer sicher verzeihlich. Sie hatten übrigens Recht, Shimrra nicht um Hilfe zu bitten. Weder Ekh’m Val noch irgendwer von seiner Besatzung ist am Leben geblieben. Der Höchste Oberlord fürchtet dieses Geheimnis. Das allein schon sagt mir, dass es wirklich wichtig sein muss.«
»Zumindest darüber sind wir uns einig«, gab Nen Yim zu. »Dennoch − was sollte es bringen, mich mit diesem ›Propheten‹ in Verbindung zu setzen? Selbst wenn er wollte, wie könnte er mir helfen?«
»Wie viele Beschämte arbeiten im Palast des Höchsten Oberlords und auf dem Gelände?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wie viele von ihnen können Sie beim Namen nennen?«
Sie schnaubte. »Einen.«
Wieder zeigte Harrar die Zähne bei dieser kaum verschleierten Andeutung.
»Diese Ketzerei ist weit verbreitet und gut organisiert. Sie stellt ebenso wie Ihr Zonama Sekot eine Gefahr für das Wohlergehen unseres Volkes dar. Ich bin sicher, wenn Sie diesen ›Propheten‹ überzeugen können, auf seiner Seite zu stehen, wird er eine Möglichkeit finden, Ihnen zu helfen. Besonders, wenn Sie, wie Sie sagen, bereits ein Schiff haben.«
»Ja«, sagte sie. »Das Problem besteht darin, das Schiff von der Oberfläche von Yuuzhan’tar und aus diesem System herauszuschaffen.« Dann befiel sie ein neuer Verdacht. »Sie wollen mich als Köder benutzen.«
»Das will ich tatsächlich. Aber ich werde mich nicht gleich auf den Propheten stürzen, wenn er kommt, um Sie zu befreien. Ich werde warten, bis Sie glauben, dass Ihre Mission beendet ist. Wenn man es richtig anstellt, könnte es sogar möglich sein, Lord Shimrra zu überzeugen, dass Sie eine Geisel der Beschämten waren und nicht die Initiatorin der Expedition.«
»Sie schlagen einen Austausch unter Betrügern vor.«
»Denken Sie darüber nach. Zwei große Gefahren für die Yuuzhan Vong − Ihr geheimnisvoller Planet, mein Prophet. Wir können beide loswerden. Wenn alles gut geht, werden wir beide weiterhin unserem Volk dienen. Wenn nicht, werden wir zu den Göttern gehen, die wissen, dass unsere Motivation rein war. Sehen Sie einen besseren Weg?«
»Nein«, erwiderte Nen Yim. »Das tue ich nicht. Aber ich weiß wenig über diesen Propheten. Ich weiß nicht, wie ich mich mit ihm in Verbindung setzen soll.«
»Ich kann das natürlich auch nicht direkt tun«, sagte Harrar. »Aber es gibt Wege, um dafür zu sorgen, dass etwas an seine Ohren gelangt. Sind Sie einverstanden?«
»Ja«, sagte Nen Yim.
Und obwohl sie das Gefühl hatte, ihr Schicksal besiegelt zu haben, schlich sie mit leichterem Schritt durch die Dunkelheit zurück, und die Luft fühlte sich beinahe warm an.
Harrar sah der Gestalterin hinterher, die aus seinem Blickfeld verschwand, und fragte sich noch einmal, wie es ihr gelungen war, ohne eine Eskorte von Wachen hier zu erscheinen. Hatte sie eine Maske, die sie verbarg, wie die Maske des Nuun, die die Jäger trugen?
Wahrscheinlich. Immerhin war sie eine Meistergestalterin. Aber das war gleich.
Es zählte nur, dass er sich auf sie eingelassen und herausgefunden hatte, dass ihre Geschichte tatsächlich keine Falle war, die Shimrra oder ein anderer in der Hierarchie des Höchsten Oberlords, der ihn nicht leiden konnte, für ihn gestellt hatte. Alle natürlichen Instinkte rieten ihm, sich fernzuhalten, aber etwas sehr Tiefes − vielleicht etwas, das die Götter selbst bewirkten − sagte ihm, dass er dieser seltsamen Gestalterin trauen konnte. Gerüchte über den Planeten Zonama Sekot hatten sich sehr leise unter den Quorealisten und ein paar Priestersekten ausgebreitet, und das schon seit längerer Zeit. Er wusste mit Sicherheit, dass Ekh’m Val nicht der erste Yuuzhan Vong war, der dem Planeten begegnete. Und auch, dass Ekh’m Val von Shimrra ausgeschickt worden war, obwohl der Kommandant selbst das nicht gewusst hatte.
Wenn Zonama Sekot tatsächlich existierte − und besonders, wenn die Gestalterin recht hatte, was eine verborgene Verbindung zwischen dem Planeten und den Yuuzhan Vong anging −, dann konnte er sehr wichtig sein. Wie auch immer, man hatte die Priesterschaft über etwas im Dunkeln gelassen, das sie eindeutig wissen sollte.
Er hatte in der letzten Zeit begonnen, ein gewisses Misstrauen gegenüber Shimrra zu entwickeln. Nichts, was er laut ausgesprochen hätte, aber er fand Verdachtsmomente. Und diese Nacht, die ihm schon so viele interessante neue Gedanken beschert hatte, brachte einen weiteren.
Nen Yim ahnte wahrscheinlich nicht, wie viel Harrar über Gestalter und ihre Protokolle wusste. Er war der Erste, der zugegeben hätte, dass sein Wissen nicht umfassend war. Aber eins war ihm jetzt klar: Nen Yim operierte außerhalb der Bereiche normalen Gestaltens, und die Ketzerei der Beschämten war nicht die einzige Ketzerei. Mezhan Kwaad, Nen Yims verstorbene Meisterin, war eine Ketzerin gewesen, und sie hatte dafür den Tod gefunden.
Diese Nen Yim stand hoch in der Gunst des Höchsten Oberlords und war vielleicht insgeheim ebenfalls eine Ketzerin.
Wenn das stimmte, konnte es nur eins bedeuten: Shimrra selbst war ebenfalls ein Ketzer. Und das hatte − wie alles in dieser Situation − das Potenzial zu gewaltigen Veränderungen.
Wenn alles funktionierte, wie er es geplant hafte, könnte er vielleicht drei Ziele mit einem einzigen Knallkäfer treffen.
Er stand auf, atmete tief die Nachtluft ein und spürte das Schicksal in seinen Adern.