Epilog

 

»Wir dachten schon, wir würden Booster nie finden«, gestand Jaina mit vollem Mund. »Ich war bereit, die Jadeschatten zu entführen und mit ihr nach Yavin zu fliegen. Wenn Booster nicht gefunden werden will, kann er wirklich verschwinden.«

»Womit hat er sich die Zeit vertrieben?«

»Er lieferte dem Hutt-Untergrund Waffen«, erwiderte Jaina. »Ich habe mich gefragt, wohin Booster fliegen würde, wenn er dem Widerstand gegen die Yuuzhan Vong helfen und gleichzeitig Geld verdienen will, ohne deshalb Gewissensbisse zu haben.«

»Im Ernst?«

»Es schadete nicht, dass Corran bei ihm war«, sagte Jacen. »Wir bekamen Hinweise auf ihn in der Macht.«

»Trotzdem…«

»Jacen ist bescheiden«, meinte Jaina. »Er verbrachte viel Zeit in tiefer Meditation und versuchte, Corran zu finden. Es war kein Zufall.«

»Das ist ziemlich beeindruckend«, sagte Anakin.

»Danke«, erwiderte Jacen überrascht. Er runzelte so besorgt die Stirn, dass er für einige Sekunden wie ihr Vater aussah. »Ist alles in Ordnung mit dir, Anakin?«

Anakin nickte. »Ja. Ich meine, mein Bein tut noch weh, selbst mit dem Bacta-Pflaster, aber abgesehen davon ist wirklich alles in Ordnung mit mir. Ich glaube, es geht mir sogar besser als vorher.«

»Wie meinst du das?«, fragte Jacen ein wenig argwöhnisch.

Anakin kaute nachdenklich auf der Unterlippe, bevor er antwortete. »Bisher sind die Yuuzhan Vong nur Feinde für mich gewesen«, sagte er. »Ich konnte gar nicht anders an sie denken.«

»Sie sind Feinde«, bekräftigte Jaina.

»Ja«, erwiderte Anakin. »Auch das Imperium war ein Feind. Aber von Palpatine einmal abgesehen: Es muss für unsere Eltern und Onkel Luke möglich gewesen sein, sich die Personen, gegen die sie kämpften, als mögliche Freunde vorzustellen. Auf diese Weise hat Onkel Luke den Imperator besiegt, nicht wahr? Er konnte sich Darth Vader als seinen Vater vorstellen, als Freund. Die Yuuzhan Vong… Ehrlich gesagt, ich möchte sie mir nicht auf diese Weise vorstellen.«

»Sie machen es einem nicht leicht«, sagte Jaina. »Denk nur daran, was mit Elegos geschah, als er versuchte, die Yuuzhan Vong zu verstehen.«

»Du glaubst also, dort Erfolg gehabt zu haben, wo Elegos scheiterte?«, fragte Jacen.

»Verstehe ich die Yuuzhan Vong? Nein, nicht ganz. Aber ich verstehe sie jetzt besser als vorher. Ich sehe jetzt Personen in ihnen, und das ist etwas anderes.«

Jacen nickte. »Da hast du natürlich Recht. Bedeutet es, dass du beschlossen hast, nicht mehr gegen sie zu kämpfen? Hast du vor, für den Frieden zu arbeiten?«

Anakin blinzelte. »Soll das ein Witz sein? Wir müssen gegen sie kämpfen, Jacen. Ich muss gegen sie kämpfen. Ich weiß jetzt nur mehr über sie als vorher.«

Die Falten fraßen sich tiefer in Jacens Stirn. »Bist du sicher, dass dies die Lehre ist, die aus alldem gezogen werden sollte?«

»Nichts für ungut, Jacen, aber ich denke lieber nicht darüber nach, welche Lehren ich daraus gezogen haben könnte, wenn ich jemand anders gewesen wäre. Denn offen gestanden: Wenn ich jemand anders gewesen wäre, hätte ich nicht überlebt und daher auch gar nicht die Möglichkeit bekommen, irgendetwas zu lernen.«

»Sag Booster, wir müssen das Schiff evakuieren«, warf Jaina ein. »Anakins Kopf dehnt sich so sehr aus, dass er gleich die Außenhülle sprengt.«

»Glaubt es oder glaubt es nicht«, sagte Anakin. »Es geht mir dabei nicht um Stolz oder dergleichen. Ich habe einfach nur eine Tatsache genannt.«

»Stolz ist sehr hinterhältig«, warnte Jacen. »Er tarnt sich gut. Ich hoffe, dass du irgendwann ein langes Gespräch mit Onkel Luke führst. Es sei denn, du glaubst, selbst er könnte dich nichts lehren.«

»Leg mir keine Worte in den Mund, Jacen«, sagte Anakin.

»Und vergiss nicht, wer deinen Hintern zum Schluss aus dem Feuer geholt hat«, sagte Jaina.

Ein Lächeln erschien auf Anakins Gesicht. »Genau das meinte ich eben, als ich sagte, dass niemand außer mir überlebt haben könnte. Denn niemand sonst in der Galaxis hat euch beide als Bruder und Schwester.«

Er griff nach seinem Tablett und versuchte, nicht zu lachen, als er ihre verdutzten Mienen sah.

»Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet…«, fügte er hinzu. »Es gibt da noch jemanden, mit dem ich sprechen muss.«

 

Die Tür von Tahiris Kabine stand einen Spaltbreit offen. Anakin sah, dass sie auf dem Bett lag, die Füße nach oben gegen die Wand gestemmt. Ihr Blick galt dem Transparistahl-Fenster und dem fernen Leuchten des galaktischen Kerns. Anakin klopfte an den Türrahmen. »Hallo«, sagte er. »Hallo. Komm herein, wenn du möchtest.«

»In Ordnung.« Anakin setzte sich auf die Bettkante. »Du bist nicht zum Essen gekommen«, sagte er. »Ich habe dir was mitgebracht.« Er legte ein Nahrungspaket aufs Bett. »Von Corran zubereitet. In letzter Zeit scheint er viel zu kochen.«

»Danke«, sagte Tahiri. Sie drehte den Kopf, und zum ersten Mal begegneten sich ihre Blicke.

»Was ist damit passiert?«, fragte sie. »Mit dem Gestalter-Lager.«

»Möchtest du wirklich darüber sprechen? Wenn bisher jemand dieses Thema angeschnitten hat…«

»Ich war nicht bereit, darüber zu reden. Jetzt bin ich es.«

»Na schön. Booster hat das Ding vernichtet. Karrde und seine Leute brachten die Sklaven fort. Wir setzen sie bald irgendwo ab. Die Yuuzhan Vong könnten natürlich zurückkehren, denn das System bleibt praktisch ohne Verteidigung zurück, aber das lässt sich nicht ändern.«

»Nein«, sagte Tahiri. »Leider nicht. Ich schätze, das ist das Ende der Akademie.«

»Natürlich nicht. Die Akademie war nie ein Ort. Sie ist eine Idee. Wir nehmen sie einfach mit. Booster lässt die Akademie-Schüler an Bord der Errant Venture. Er hat vor, einige ziellose Sprünge durch die Galaxis zu machen, bis die Kinder an einem sicheren Ort zurückgelassen werden können.«

»An einem sicheren Ort?«, zischte Tahiri. »Wie kann es irgendwo einen sicheren Ort geben…?« Die Worte schienen einen Knoten in ihrem Hals zu bilden, und sie wandte sich wieder dem Fenster zu.

»Ich weiß, wie du dich fühlst, Tahiri«, sagte Anakin.

Sie schloss die Augen, und zwei kleine Tränen kamen zwischen den Lidern hervor. »Wenn das wirklich jemand weiß, dann du«, erwiderte sie nach einem Moment.

»Was man dir angetan hat, war schrecklich, und…«

»Was man mir angetan hat? Anakin, ich habe Mezhan Kwaad geköpft

»Dir blieb keine Wahl.«

»Ich wollte es. Es gefiel mir. Ich fand es großartig

»Sie hat dich gequält. Sie hat versucht, all das zu zerstören, was du bist. Einige Sekunden des Zorns kann man dir nicht verdenken.«

»Ich glaube, sie hat all das zerstört, was ich bin«, sagte Tahiri. »Als ich sie umbrachte… Es war mein Ende.«

»Nein«, widersprach Anakin. »Das stimmt nicht. Und ich sollte es wissen, oder? Das Beste von dir ist noch immer da, Tahiri.« Er streckte die Hand aus, und sie hing eine Zeit lang in der leeren Luft. Dann ergriff Tahiri sie, ohne hinzusehen.

»Es war alles meine Schuld«, sagte sie. »Meister Ikrit starb meinetwegen. Und das gilt auch für Karrdes Leute.«

»Nun, das ist eine Sache, bei der ich ziemlich gut bin«, sagte Anakin. »Sich selbst die Schuld zu geben. In dieser Hinsicht kann ich dir eine Menge beibringen. Wenn wir lange genug darüber nachdenken, finden wir bestimmt eine Möglichkeit, dich dafür verantwortlich zu machen, dass die Yuuzhan Vong unsere Galaxis fanden.« Er neigte den Kopf. »Nein, ich glaube, daran möchte ich schuld sein. Aber wir können dir die Schuld an Palpatine geben. Wie war’s damit?«

Tahiri runzelte die Stirn. »Wann hast du begonnen, so viel zu reden?«, fragte sie.

»Ich weiß nicht. Wann hast du angefangen, so viel Unsinn zu reden?«

In Tahiris Mundwinkeln zuckte der Schatten eines Lächelns. »Sei endlich still, in Ordnung? Früher hast du mir besser gefallen.«

»Du mir auch.«

Schweigend beobachteten sie die Sterne.

»Wohin gehst du jetzt?«, fragte Tahiri, als die Stille zu lange dauerte. »Setzt du den Kampf gegen die Yuuzhan Vong fort?«

»Später, ja.«

»Ich möchte dich begleiten.«

»Deshalb habe ich später gesagt. Für eine Weile bleibe ich hier. Bist du dich ganz erholt hast. Bis ich mich erholt habe. Und wenn du mich dann noch immer begleiten willst, ziehen wir los. Zusammen.«

Tahiri sagte nichts, aber zum ersten Mal seit dem Verlassen von Yavin fühlte Anakin so etwas wie Hoffnung in ihr.

 

»Adept Nen Yim. Treten Sie vor.«

Nen Yim beugte die Knie und trat vor den Kriegsmeister Tsavong Lah.

»Zuerst möchte ich Ihren Bericht über den Fall des Gestalter-Lagers. Danach habe ich weitere Fragen.«

»Ja, Kriegsmeister. Zu Befehl.«

»Der Befehl ist erteilt. Sprechen Sie.«

»Vom Kampf im All weiß ich nichts, Kriegsmeister. Viele unserer Schiffe starben auf dem Boden oder beim Flug durch die Atmosphäre. Dann wurden die Damuteks aus der Luft angegriffen und so sehr verletzt, dass sie nicht heilen konnten.«

»Das ist offensichtlich. Fahren Sie fort.«

»Dann hörte das Bombardement auf, und die Ungläubigen landeten. Zuerst verstanden wir nicht den Grund dafür. Ein gründlicheres Bombardement hätte uns alle getötet, ohne ein Risiko für die Ungläubigen. Einige von ihnen fielen unseren überlebenden Kriegern zum Opfer.«

»Sie kennen die Ungläubigen nicht besonders gut, Gestalterin. Sie fühlen sich ihren Artgenossen so sehr verpflichtet, dass sie manchmal sinnlose Manöver unternehmen.«

»Ja, Kriegsmeister. Im Rückblick ist mir klar, dass sie die Sklaven befreien wollten.«

»Und wo befanden Sie sich zu diesem Zeitpunkt?«

»Ich habe mich bei den Beschämten versteckt, Kriegsmeister. Ich dachte, die Ungläubigen würden wahre Yuuzhan Vong gefangen nehmen.«

»Das ist ein feiges Verhalten, Gestalterin.«

»Ich bitte um Nachsicht, Kriegsmeister, aber meine Gründe waren keineswegs egoistischer Natur.«

»Erklären Sie das. Und fassen Sie sich kurz.«

»Mein Meister Mezhan Kwaad wurde von der Jeedai getötet, die wir gestalteten.«

»Ich glaube, Sie haben die Jeedai nicht gut gestaltet.«

»Ganz im Gegenteil, Kriegsmeister. Nach einigen weiteren Zyklen wäre sie eine von uns gewesen. Der andere Jeedai verhinderte das durch sein Eingreifen.«

»Ja«, knurrte der Kriegsmeister. »Der andere. Solo. Anakin Solo.« Er ging mit langen, zornigen Schritten fort, kehrte dann zurück. »Meister Yal Phaath teilt Ihre Meinung nicht, Adept. Er behauptet, Mezhan Kwaad hätte sich der Häresie schuldig gemacht, und alle von Ihnen erzielten Ergebnisse trügen den Makel der Gottlosigkeit.«

»Meister Yal Phaath ist ein angesehener Gestalter, und das gleiche Ansehen genoss auch Mezhan Kwaad. Sie bekam keine Gelegenheit, auf jene Anklagen zu antworten, und mir steht es nicht zu, für sie zu sprechen. Aber ich sage dies, Kriegsmeister: Wir erfuhren sehr wichtige Dinge von der Jeedai. Dinge, die für die Yuuzhan Vong wichtig sind. Die Aufzeichnungen im Damutek wurden zerstört, und mein Meister ist tot. Nur meine Erinnerungen sind geblieben. Deshalb habe ich mich bei den Beschämten versteckt, um die Informationen zu schützen.«

»Es war nicht nötig, dass Sie sich versteckten. Die Ungläubigen nahmen niemanden gefangen.«

»Das stimmt, Kriegsmeister. Aber zu jenem Zeitpunkt konnte ich das nicht wissen.«

»Ja. Die Ungläubigen sind seltsam. Sie haben keine Sklaven und bringen keine Opfer. Sie scheinen nicht an Gefangenen interessiert zu sein. Sie halten sie für eine Bürde oder eine Möglichkeit, sie gegen ihre eigenen wertlosen Artgenossen auszutauschen. Ein widerwärtiges und gottloses Speziesgemisch.«

»Wenn ich nach Ihrer Meinung fragen darf, Kriegsmeister… Warum haben uns die Ungläubigen nicht getötet, als sie hatten, was sie wollten? Leichen sind keine Bürde.«

»Sie sind schwach. Sie verstehen Leben und Tod nicht.« Mit einem Wink schob der Kriegsmeister die ganze Angelegenheit beiseite und richtete den Blick wieder auf Nen Yim.

»Diese Sache wurde von den Gestaltern ebenso verpfuscht wie von den Kriegern«, sagte er. »Wenn Tsaak Vootuh nicht tot wäre, würde ich ihn selbst töten. Und ich sollte Sie opfern.«

»Wenn der Tod mein Los ist, Kriegsmeister, wenn die Götter ihn wollen, so umarme ich ihn. Aber ich wiederhole: Was wir von der Jeedai erfahren haben, sollte nicht mit mir sterben. Geben Sie mir wenigstens die Möglichkeit, mein Wissen in einem Weltenschiff-Qahsa aufzuzeichnen.«

Der durchdringende Blick des Kriegsmeisters verlor nichts von seiner Schärfe. »Sie werden eine solche Möglichkeit bekommen. Vergeuden Sie sie nicht, so wie Ihr Meister.«

»Und wenn weitere Jeedai gefangen genommen werden? Wird unsere Gestaltungsarbeit an ihnen dann fortgesetzt?«

»Ihre Domäne hat versagt. Sie wird keine zweite Chance bei den Jeedai bekommen. Die Domäne Phaath setzt die Arbeit am Jeedai-Problem fort.«

Dann wird man es nie lösen, dachte Nen Yim, aber sie wagte es natürlich nicht, diese Worte laut auszusprechen. »Und die Domäne Kwaad?«, fragte sie stattdessen.

»Die Weltenschiffe sind krank und müssen geheilt werden.«

Nen Yim nickte würdevoll, doch tief in ihrem Innern fühlte sie Elend. Zurück zu den Weltenschiffen, zu geschlossenen Himmeln und verfaulenden Maw Luur, zu Meistern, die so sehr in den alten Traditionen feststeckten, dass sie die Yuuzhan Vong eher sterben lassen würden, anstatt über Veränderungen nachzudenken.

Nen Yim musste sich fügen, aber in ihrem Herzen hielt sie Mezhan Kwaad noch immer für ihre Meisterin. Irgendwie wollte sie das fortführen, was sie gemeinsam begonnen hatten. Es war zu wichtig. Und wenn Nen Yim dafür sterben musste, so wollte sie ihr Leben opfern. Die glorreiche Häresie würde weiterleben.

»Ich unterwerfe mich Ihrem Willen, Kriegsmeister«, log Nen Yim.

»Noch eine Sache, bevor Sie gehen«, sagte Tsavong Lah. »Sie haben einige Zeit bei den Beschämten verbracht, bevor die Truppen kamen, die den Mond erneut besetzten. Haben Sie von einer neuen Häresie unter ihnen gehört, einer, die die Jeedai betrifft?«

»Ja, Kriegsmeister.«

»Erklären Sie sie mir.«

»Es gibt eine gewisse Bewunderung für sie, Kriegsmeister. Viele glauben, der Jeedai Solo hätte Vua Rapuung vom Beschämtenstatus erlöst. Viele glauben, dass ihre eigene Erlösung nicht im Gebet zu Yun-Shuno zu suchen sei, sondern bei den Jeedai

»Können Sie die Namen der Anhänger dieser Häresie nennen?«

»Einige, Kriegsmeister.«

»Nennen Sie sie. Diese Häresie wird auf jenem Mond sterben. Und wenn es nötig ist, alle Beschämten in einem glorreichen Opfer dem Tod preiszugeben − sie wird dort enden.«

Nen Yim nickte bestätigend, doch in ihren Knochen kannte sie die Wahrheit.

Unterdrückung war der beste Nährboden für Häresie.