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Talon Karrde hob die Hand zum Spitzbart, und aus hellblauen Augen beobachtete er die Darstellung des Hauptschirms auf dem Kommandodeck der Wild Karrde.
»Nun, Shada«, sagte er zu der schönen Frau an seiner Seite, »mir scheint, unser Babysitter-Auftrag ist… interessanter als erwartet.«
»Das würde ich auch sagen«, erwiderte Shada D’ukal. »Der Sensorschleier zeigt mindestens sieben Schiffe im Orbit von Yavin Vier und sechs weitere auf der Oberfläche.«
»Ich nehme an, keins von ihnen gehört den Yuuzhan Vong.«
»Nein. Eine bunte Mischung. Ich wette, es ist die Friedensbrigade.«
»Wetten kann einen in Schwierigkeiten bringen«, sagte Karrde. »Ich möchte es genau wissen. Und ich möchte erfahren, was die Friedensbrigade dort anstellt.« Er klopfte mit den Fingern auf die Armlehne. »Schade, dass wir uns nicht eher auf den Weg machen konnten. Skywalker hatte Recht.« Er seufzte, beugte sich vor und blickte auf die Anzeigen der Langstreckensensoren.
»Hm, auf der Oberfläche scheint ein Kampf stattzufinden. H’sis-hi?«
»Sieht ganz danach aus«, miaute die Togorianerin.
»Solusar?«, fragte sich Karrde. »Vielleicht. Wann können wir dort sein?«
»Sie sind weit in der Überzahl«, gab Shada zu bedenken. »Wir sollten die anderen Schiffe rufen, bevor wir irgendetwas unternehmen.«
»Ja, wir sollten sie rufen, aber wir können nicht warten, bis sie hier eintreffen. Auf Yavin Vier kämpft jemand um sein Leben, vermutlich die Leute, die ich zu schützen versprochen habe. Außerdem: Der Umstand, dass sich Schiffe auf der Oberfläche befinden, deutet darauf hin, dass die Friedensbrigade ihre hiesige Mission noch nicht beendet hat. Mit anderen Worten: Die Jedi-Kinder befinden sich noch nicht in ihrer Gewalt. Wenn wir warten, bis sie an Bord der Schiffe und im All sind, ist es weitaus schwerer, sie zu retten.«
»Verstehe«, sagte Shada. »Aber die Befreiung der Kinder ist auch schwerer, wenn die Brigade uns vom Himmel holt.«
Karrde lachte. »Shada, wann lernst du, meinen Instinkten zu vertrauen? Habe ich dich jemals in Lebensgefahr gebracht?«
»Ich schätze, dieser Hinweis hat durchaus etwas für sich.«
Karrde deutete auf Yavin Vier. Der Mond zeichnete sich als dunkle Scheibe vor dem orangefarbenen Gasriesen ab. »Ich möchte dorthin, so schnell wie möglich. Dankin, volle Tarnung beibehalten. Geben Sie mir Bescheid, wenn man uns bemerkt.«
»Natürlich, Sir.«
Der Hinweis kam eine Stunde später, als sie dem nächsten Schiff im Orbit fast nahe genug waren, um es zu berühren.
»Man versucht, einen Kom-Kontakt mit uns herzustellen, Sir«, sagte Dankin. »Und die Waffensysteme werden aktiviert.«
»Verbindung herstellen.«
Wenige Sekunden später erschien das Gesicht eines grobschlächtigen Mannes mit dünner werdendem grauem Haar auf dem Holoschirm des Kommunikators.
»Transporter, identifizieren Sie sich«, sagte er abgehackt.
»Mein Name ist Talon Karrde, Sir. Vielleicht haben Sie von mir gehört.«
Der Mann kniff argwöhnisch die Augen zusammen. »Ja, ich habe von Ihnen gehört, Captain Karrde. Es ist unhöflich, sich so an jemanden heranzuschleichen. Und gefährlich.«
»Es ist auch unhöflich, einen Namen genannt zu bekommen und selbst keinen zu nennen«, erwiderte Karrde.
Ärger huschte über das Gesicht des Mannes. »Fordern Sie mich nicht heraus, Captain Karrde. Sie können mich Captain Imsatad nennen. Was wollen Sie?«
Karrde schenkte dem Mann ein mattes Lächeln. »Ich hatte vor, Ihnen die gleiche Frage zu stellen.«
»Ich verstehe nicht ganz«, sagte Imsatad.
»Sie scheinen Probleme zu haben. Ich biete Ihnen meine Hilfe an.«
»Ich versichere Ihnen, dass wir keine Hilfe brauchen. Und um ganz ehrlich zu sein, Captain Karrde: Ich glaube Ihnen nicht. Sie sind mir als Schmuggler, Pirat und Verräter am Imperium in Erinnerung.«
»Vielleicht erinnern Sie sich auch daran, was mit den Leuten geschah, die mir gegenüber respektlos waren«, sagte Karrde eisig. »Aber wenn wir offen sind − und das sollten wir vielleicht sein, da es Ihnen offenbar an der notwendigen Bildung für ein zivilisierteres Gespräch mangelt −, so können wir feststellen, dass ich aus dem gleichen Grund hier bin wie Sie. Es geht mir um das Kopfgeld für die jungen Jedi dort unten.«
»Ich weiß gar nicht, wovon Sie reden.«
Karrde beugte sich zum Holoschirm vor, und in seinen Augen glitzerte es gefährlich. »Sie sind ein Lügner, Captain, und ein schlechter noch dazu. Lassen Sie uns mit solchen Spielchen keine Zeit verlieren.«
»Ihnen dürfte kaum entgangen sein, dass wir in der Überzahl sind.«
»Ihnen dürfte kaum entgangen sein, dass wir, nun, unangekündigt gekommen sind. Glauben Sie wirklich, dass ich nur ein Schiff mitgebracht habe?«
Imsatad durchbohrte ihn mit einem Blick und unterbrach die visuelle Übertragung. Karrde wartete geduldig, und einige Sekunden später kehrte das Bild zurück.
»Dies geht Sie nichts an«, sagte der Mann.
»Profit geht mich immer etwas an.«
»Hier gibt es keinen Profit, und selbst wenn es welchen gäbe: Sie kommen zu spät.«
»Oh, das glaube ich nicht. Warum sind Ihre Schiffe noch auf der Oberfläche? Warum zeigen mir meine Sensoren Aktivitäten, die auf eine nach wie vor andauernde Suche hindeuten? Sie haben sich Ihre Beute durch die Lappen gehen lassen, Captain.« Karrde lächelte und lehnte sich im Sessel zurück. »Denken Sie über mein Hilfsangebot nach. Ich erwarte nur eine kleine Gegenleistung und könnte zu einem Ärgernis werden, wenn Sie meine Freundlichkeit zurückweisen.«
»Das klingt wie eine Drohung.«
Karrde breitete die Hände aus. »Verstehen Sie es, wie Sie wollen. Sollen wir diese Angelegenheit weiter besprechen oder nicht?«
»Sie haben eine geringe Gegenleistung erwähnt. Was genau meinen Sie damit?«
»Einige freundliche Worte über uns zu den Yuuzhan Vong. Eine Empfehlung. Wissen Sie, Captain, ich habe mich vor einigen Jahren aus meinem Beruf zurückgezogen. Aber dies sind sehr interessante Zeiten, genau die Zeiten, in denen jemand wie ich Erfolg haben kann, wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich möchte aus dem Ruhestand zurückkehren.«
»Fahren Sie fort.«
Karrde strich sich nachdenklich den Bart. »Die Yuuzhan Vong haben Frieden versprochen, wenn man ihnen die Jedi übergibt. Ich wünsche mir freien Flug durch den Raum der Yuuzhan Vong, sobald die Grenzen festgelegt sind.«
»Warum sollten sie einem Schmuggler freien Flug durch ihren Raum gestatten?«
»Vielleicht gibt es Dinge, die sie brauchen. Ich kann sie ihnen beschaffen. Und wenn nicht… Die Flüge schaden ihnen nicht. Meine Aktivitäten beziehen sich allein auf die Reste der Neuen Republik. Aber jene Reste sind verstreut, durch Sonnensysteme der Yuuzhan Vong voneinander getrennt. Es wäre sehr teuer, jedes Mal einen weiten Umweg nehmen zu müssen.«
Imsatad nickte, und für eine Sekunde zeigte sein Gesicht Abscheu. »Ich verstehe. Ihnen ist sicher klar, dass ich nichts versprechen kann.«
»Ich bitte nur darum, dass Sie meine Hilfe bei dieser Angelegenheit erwähnen. Das können Sie mir versprechen.«
»Ich könnte es«, bestätigte Imsatad. »Was bieten Sie mir an?«
»Zunächst einmal bessere Sensoren, als Ihnen derzeit zur Verfügung stehen. Detailliertes Wissen über Yavin Vier, und ich glaube, auch daran mangelt es Ihnen. Eine Crew, die sehr gut ist, wenn es darum geht, Dinge zu finden. Besonderen Schutz vor Jedi − und die Möglichkeit, sie zu lokalisieren.«
Imsatad versteifte sich. »Ich war mit Thrawn bei Wayland«, sagte er leise.
»Ah, dann wissen Sie ja, was ich meine.«
»Ich weiß, dass Sie ihn verraten haben.«
Karrde rollte mit den Augen. »Wie langweilig. Nun, Captain, wenn Sie meine Dienste nicht wünschen… Andere greifen gern darauf zurück.«
»Warten Sie!« Imsatad kaute kurz auf der Lippe. »Ich muss mich mit meinen Offizieren beraten.«
»Wie Sie wünschen«, sagte Karrde und hob den Finger. »Aber lassen Sie sich nicht zu viel Zeit.« Damit unterbrach er die Verbindung.