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Talon Karrde war eine Geisel, ohne es zu wissen − zumindest glaubte Imsatad das. Er hielt sich für ziemlich clever und raffiniert, weil er Karrde dazu gebracht hatte, sich der Suchgruppe auf dem Mond anzuschließen, einer Gruppe, die aus zwanzig Angehörigen der Friedensbrigade sowie aus Karrde und nur dreien seiner Leute bestand.
Karrde gönnte Imsatad seine Illusion von Schläue.
»Hier haben wir bereits gesucht«, sagte Maber Yeff, Anführer des Brigadenteils der Gruppe. Seine Stimme klang schrill, und er deutete auf einige von Pflanzen halb überwucherte Ruinen.
»Das glaube ich Ihnen gern«, erwiderte Karrde. »Aber bestimmt haben Sie nicht mit Vornskrs gesucht.«
Yeffs blasses Gesicht wandte sich skeptisch den langbeinigen Tieren zu, die vor der Gruppe dahintrotteten. »Woher wollen Sie wissen, dass sie keine Wompratten oder so wittern?«, fragte er.
»Wenn sie das könnten, wären sie sehr wertvoll«, erwiderte Karrde. »Da es auf Yavin Vier keine Wompratten gibt, wären Hyperwellennasen erforderlich, um sie über die ganze Entfernung bis Tatooine hinweg zu riechen.«
»Sie wissen, was ich meine.«
»Vornskrs nehmen die Macht wahr, insbesondere Geschöpfe, die die Macht benutzen. Deshalb eignen sie sich gut für die Jagd auf Jedi.«
»Ach? Wo können wir uns welche besorgen? Sie wären sehr nützlich bei unserer Arbeit.«
»Leider sind meine die einzigen zahmen Exemplare. Und mit wilden wollen Sie nichts zu tun bekommen, glauben Sie mir.«
»Trotzdem. Es gibt noch viele Jedi, die wir jagen müssen, und mit ihrer Zauberei sind sie uns gegenüber im Vorteil. Wenn jene Tiere wirklich das können, was Sie behaupten…«
»Sehen Sie nur«, sagte Karrde. Die Vornskrs richteten ihre Ohren auf, hechelten und sausten durch einen halb eingestürzten Eingang.
»Dort drin haben wir bereits gesucht«, wiederholte Yeff.
»Wie viele versteckte Jedi erwarten Sie dort drin? Nach meinen Informationen sind es mindestens zwei Erwachsene und etwa dreißig Kinder. Glauben Sie, Sie könnten sie sehen, wenn sie nicht gesehen werden wollen? Und glauben Sie, Sie könnten sich daran erinnern, sie gesehen zu haben?«
»Sind sie wirklich dazu fähig?«
»Ja, das sind sie.«
»Darauf hat auch Captain Imsatad hingewiesen. Und er meinte, Sie hätten eine Lösung für das Problem.«
Karrde lächelte dünn. »Ja. Ein gewisses Geschöpf vom gleichen Planeten wie die Vornskrs. Es projiziert eine Blase, die die Macht abweist.«
»Und es befindet sich in dem zugedeckten Käfig, den die Klassefrau dort trägt.«
Aus dem Augenwinkel sah Karrde, wie Shadas Brauen gefährlich weit nach unten kamen, aber sie spielte auch weiterhin ihre Rolle. »Genau. Meine süße Sleena ist ebenso zart wie das Geschöpf. Sie weiß genau, was es braucht.«
»Ja.« Yeff richtete noch einen lüsternen Blick auf »Sleena«. »Kann ich es sehen?«
»Sonnenlicht schadet jenen Wesen, und sie werden leicht unruhig. Wenn Sie möchten, zeige ich Ihnen das Geschöpf nach der Jagd. Ich schlage vor, dass Ihre Männer die Waffen schussbereit halten. Von den Kindern ist kein großer Widerstand zu erwarten, aber die Erwachsenen sind hervorragende Kämpfer, selbst ohne ihre Jedi-Fähigkeiten.«
Sie folgten den Vornskrs in die Ruinen, durch verfallende Tunnel, in denen es nach zerrissenen Blaublättern und verfaulendem Holz roch. Zuerst war das Licht matt, aber noch ausreichend. Hier und dort fiel es durch Löcher in Wänden und Decke, gefiltert von Dunst, Blättern und Fadenmoos. Doch als sie den Vornskrs tiefer ins Innere der Ruinen folgten, wurde es dunkler, und schließlich erreichten sie ein Treppenhaus, das tief hinabführte ins Grundgesteinfundament.
Karrde zog seinen Blaster und nickte Shada auf der rechten Seite zu. Fast alle hatten ihre Waffen gezückt.
»Nach Ihnen«, sagte Karrde.
»Es sind Ihre Tiere«, erwiderte Yeff. »Sie gehen voraus.«
»Wie Sie wünschen.«
Der Schacht brachte sie durch uraltes Gestein nach unten, und gelegentlich zeigten sich Schriftzeichen an den Wänden. Schließlich endete er in einer großen Höhle. Die Vornskrs blieben stehen, knurrten und fauchten in der Dunkelheit.
»Setzt euch«, wies Karrde die Tiere an und spürte, wie sich ihm die Nackenhaare aufrichteten. Hatte er gerade eine Bewegung gesehen, den Teil eines Gesichts, oder ließ er sich von Nervosität täuschen? Sein Leben hing von der Antwort ab.
Er sah erneut zu den Vornskrs und stellte fest, wie sich ihre Augen bewegten. Sie schienen jemanden zu beobachten, der ganz in der Nähe ging.
»Wo sind sie? Ich sehe nichts.« Yeff schwang seine Lampe herum.
»Nein«, sagte Karrde. »Ich auch nicht.« Er hob seinen Blaster und betäubte den Mann.
Es gelang ihm, einen zweiten außer Gefecht zu setzen, bevor die anderen das Feuer erwiderten, und da war er bereits hinter einigen Felsen in Deckung gegangen. Halm und Ferson hatten auf ein Zeichen von ihm gewartet und sofort reagiert, indem sie sich ebenfalls hinter nahe Felsen duckten. Shada hingegen war ein wirbelnder Schemen inmitten ihrer Feinde. Schade, dass Yeff bereits betäubt am Boden lag. Andernfalls hätte er jetzt einen ganz neuen Grund bekommen, die »Klassefrau« zu bewundern.
Imsatad hatte Karrde nur drei Begleiter gestattet, ohne zu ahnen, wie gut Shada war. Aber wie hätte er das auch wissen sollen? Jetzt war es zu spät.
Energiestrahlen fauchten. Licht flackerte über die Höhlenwände.
Nach Karrdes Zählung stand es jetzt vier gegen fünfzehn.
Er hörte Halm schreien und korrigierte die Anzahl seiner Leute auf drei. Er nahm seinen zweiten Blaster, sprang auf, feuerte mit beiden Waffen und suchte nach besserer Deckung.
»Kommt schon, kommt schon!«, rief er. »Ich weiß, dass ihr hier seid! Mit den besten Grüßen von Lukes und Maras Hochzeit!«
Ein Energiestrahl streifte seinen Arm, und er taumelte auf dem unebenen Boden. Ich werde zu alt dafür, dachte er, als er fiel. Ohne Deckung blieben ihm nur einige Sekunden, vielleicht Zeit genug, zwei weitere Gegner ins Reich der Träume zu schicken. Shada gelang es möglicherweise, alle anderen zu erledigen, was aber nichts daran änderte, dass die Galaxis fortan auf Talon Karrde verzichten musste, und das wäre eine schreckliche Tragödie gewesen.
Grimmig hob er die beiden Blaster und feuerte über seine Füße hinweg.
Plötzlich erschien ein glühender Energiestab über ihm und malte komplexe Hieroglyphen in die Luft. Die Blasterblitze, die der ruhmreichen Karriere von Talon Karrde das Ende hätten bringen sollen, zischten durch die Höhle.
Karrde blinzelte und sah zu dem Mann neben ihm auf. »Freut mich, Sie wieder zu sehen, Solusar. Warum hat es so lange gedauert?«
Dann schoss er wieder auf die Angehörigen der Friedensbrigade und stand dabei auf. Solusar war jetzt seine Deckung und wehrte mit gespenstischer Jedi-Sicherheit die ihm geltenden Energiestrahlen ab.
Ein zweites Lichtschwert erschien auf der anderen Seite der Höhle. Das musste Tionne sein.
Karrde zählte jetzt fünf auf seiner Seite und schätzungsweise zehn auf der anderen.
Als nur noch drei Leute von der Brigade übrig waren, ergriffen sie die Flucht.
»Wir dürfen sie nicht entkommen lassen«, sagte Karrde.
»Sie werden auch nicht entkommen«, erwiderte die schattenhafte Gestalt an seiner Seite und verschwand.
Irgendwo weiter hinten in der Höhle hörte Karrde die Stimmen der Kinder.
Kurze Zeit später kehrte Kam Solusar zurück. Im matten Licht einer Glühlampe sah Karrde sein ernstes Gesicht und den zurückweichenden Haaransatz. Solusar kam näher und musterte ihn kurz.
»Sie können von Glück sagen, dass ich Sie nicht getötet habe«, sagte er. »All jene Männer hierher zu bringen, wo die Kinder sind… Und Sie haben Ihre Vornskrs gegen uns eingesetzt. Was ist, wenn sie die Schüler angegriffen hätten?«
Karrde neigte den Kopf zur Seite. »Die Tiere sind abgerichtet. Sie greifen nur auf meinen Befehl an. Hören Sie, Solusar, ich musste Sie finden. Ohne die Einmischung jener Narren konnte ich das nicht, und als ich Sie gefunden hatte, musste ich die Burschen loswerden. Sie glaubten, ich hätte einen Ysalamiri dabei, der Ihre Jedi-Macht blockieren kann.«
»Aber Sie haben keinen mitgebracht.«
»Der Käfig ist leer.«
»Sie haben die Leute von der Friedensbrigade angegriffen, ohne zu wissen, ob wir wirklich hier sind.«
»Ich kenne meine Schäfchen. Ich war ganz sicher, dass Sie hier unten sind, und ich habe auf einen Ysalamiri verzichtet, um Ihnen keine Probleme zu bereiten.«
»Sie sind ein ziemliches Risiko eingegangen.«
»Ich habe Luke Skywalker versprochen, die Schüler von Yavin Vier fortzubringen. Ich bin bereit, Risiken einzugehen, um mein Wort zuhalten.«
Solusar nickte ungeduldig. »Verstehe. Aber woher soll ich wissen, dass Sie die Wahrheit sagen? Ich kenne Sie, ja, und Sie sind auf der richtigen Seite gewesen. Aber viele Leute schließen sich der Friedensbrigade an, und es wäre nicht das erste Mal, dass Sie sich einen anderen Mantel anziehen.«
»Das gilt auch für Sie. Sind Sie jemals in Versuchung geraten, wieder den alten überzustreifen?«
Solusar kniff die Augen zusammen und nickte knapp. »Ich trauen Ihnen. Was nun?«
»Ich schlage vor, wir verschwinden von hier, bevor Verstärkung eintrifft.«
Leider hatte Captain Imsatad Karrde nicht so sehr unterschätzt, wie diesem lieb gewesen wäre. Als sie die Oberfläche erreichten, wimmelte es im Wald von Angehörigen der Friedensbrigade.
»Perfekt«, brummte Kam Solusar und wich einem Blasterstrahl aus, der dicht neben ihm ein faustgroßes Loch ins Gestein brannte. »Vorher waren wir wenigstens im Verborgenen.«
Karrde rückte seine Jacke zurecht und sah wie beiläufig aufs Chronometer. »Ich bin gekränkt, Solusar. Haben Sie denn völlig den Glauben an mich verloren?«
»Der Glaube ist etwas Blindes. Was meinen Sie?«
»Ich meine, Sie sollten sich die Ohren zuhalten.« Karrde hob die Stimme. »Tionne, Kinder: Haltet euch die Ohren zu.«
»Was…« begann Solusar, und dann erklang ein kolossales Geräusch. Es hörte sich an, als klatschten zwei Hände in der Größe des Todessterns ineinander.
Karrde grinste mit grimmiger Zufriedenheit, als Turbolaser-Strahlen den Dschungel in Brand setzten. Es war gut, eine Crew zu haben, auf die man sich verlassen konnte. Er trat hinter der Deckung hervor, zielte sorgfältig und schoss auf die Leute von der Brigade, während er dorthin ging, wo die Wild Karrde landete. Als die Landerampe heruntergekommen war, führten Kam Solusar und Tionne die Kinder an Bord; Karrde und seine Crew gaben ihnen Feuerschutz. Einige Momente später befanden sie sich alle im Innern des Schiffes.
Karrde ging als Letzter an Bord und hatte gerade das Deck betreten, als sich der modifizierte corellianische Transporter drehte und gen Himmel sprang. Durch die sich schließende Luke sah Karrde, wie mehrere feindliche Schiffe die Verfolgung aufnahmen.
Er hatte gewusst, dass es knapp werden würde. Eigentlich konnte er kaum glauben, dass sie es geschafft hatten.
Natürlich hätte er das nie zugegeben.
Er summte vor sich hin und ging mit langen, aber würdevollen Schritten zur Brücke.
Als er dort eintraf, hatte der Himmel bereits ein dunkles Blutergussblau gewonnen und wurde schnell schwarz.
»Nun, ihr Lieben«, sagte Karrde, als er in seinem Sessel Platz nahm, »wie ist die Lage?«
H’sishi sah von der Sensorstation auf und warf ihm einen besorgten Blick zu. »Wir haben den Wachhunden im Orbit einigen Schaden zugefügt, aber sie sind noch alle manövrierfähig. Und jetzt müssen wir auch noch mit den Schiffen von der Oberfläche fertig werden.«
»Gut. Werden Sie mit ihnen fertig.«
»Ja, Sir.«
Die Wild Karrde erbebte, und ihre Trägheitskompensatoren jaulten. »Opur!«, rief Karrde einem seiner Sicherheitsleute zu. »Sorgen Sie dafür, dass den Kindern keine Gefahr droht. Ich möchte nicht, dass auch nur ein Haar auf den kleinen Jedi-Köpfen gekrümmt wird.«
»Ja, Sir.« Opur eilte fort.
»Und nun…« Karrde sah auf die Displays. »Sie haben uns eingeschlossen, nicht wahr?«
»Es sei denn, wir können auf Lichtgeschwindigkeit springen.«
»So nahe beim Gasriesen?«, überlegte Karrde. »Nein, heute nicht. Ich glaube, wir reißen stattdessen ein Loch in den Zaun.« Er klopfte auf die Konsole. »Hier.«
»Das ist ihr am schwersten bewaffnetes Schiff«, stellte Shada fest.
»Wenn ein Rudel Vornskrs angreift, so schlage man dem größten und gemeinsten von ihnen aufs Maul. Das weckt ihre Aufmerksamkeit.«
»Ich glaube, wir haben bereits ihre Aufmerksamkeit.«
»Man kann nie genug guten Wein, schöne Frauen und Aufmerksamkeit haben«, sagte Karrde. »Geh und gib ordentlich Gas.«
»Wir können die Schilde des Schiffes nicht durchdringen, bevor wir es erreichen«, gab Shada zu bedenken.
»Mag sein. Aber wir werden sehen, wer zuerst blinzelt.« Karrde überlegte kurz. »Überlass mir die Kontrollen.«
»Ich dachte, du hältst Wetten für dumm«, sagte Shada, als die Fregatte auf den Schirmen größer wurde.
»Ja, das stimmt«, erwiderte Karrde. »Aber ich wette auch gar nicht. Auf mein Zeichen hin, Protonentorpedos ausschleusen. Ich möchte nicht, dass sie abgefeuert werden. Schleusen Sie sie nur aus.«
»Wie Sie wünschen, Sir«, bestätigte der Kanonier verwirrt.
»Der Gegner versucht, einen Traktorstrahl auf uns zu richten«, meldete Shada.
»Ja. Soll er ruhig.«
»Was?«
»Schilde senken.«
Diesmal schafften es die Trägheitskompensatoren nicht, die gesamte kinetische Energie zu absorbieren. Das Deck schien sich zu heben und zu senken, als der Traktorstrahl das Schiff erfasste und sein Bewegungsmoment neutralisierte.
»Torpedos raus«, sagte Karrde.
»Torpedos sind draußen.« Shada sah auf. »Der Traktorstrahl hat sie.«
»Gut. Torpedos scharf machen und unsere Schilde reaktivieren.«
»Sir, die Fregatte eröffnet das Feuer auf die Torpedos.«
»Hat sie den Traktorstrahl deaktiviert?«
»Nein, Sir.«
»Dann bringen Sie die Torpedos zur Explosion.«
Karrde gab Schub, als die Bildschirme weiß wurden.