31

 

Hui Rapuung hob seinen Amphistab in eine kampfbereite Position. »Jeedai, du hast dich als großer Krieger erwiesen. Es wird mir eine Ehre sein, dich zu töten.«

»Nein«, ertönte eine .krächzende Stimme hinter Anakin.

Es war eigentlich undenkbar, aber Vua Rapuung kam auf die Beine. Er nahm einen Amphistab von einem der toten Gardisten. »Nein. Solange ich lebe, wird niemand von euch gegen den Jeedai kämpfen.«

»Vua Rapuung«, sagte sein Bruder, »wir alle haben Mezhan Kwaad gehört. Du bist kein Beschämter mehr.«

»Ich war nie einer. Aber jetzt wisst ihr, dass euch ein Krieger gegenübersteht.«

»Vua Rapuung, nein«, sagte Anakin. »Für dich ist dies vorbei.«

Rapuung sah ihn an. »Ich sterbe bald«, erwiderte er. »Ich kann dir nur eine kleine Chance geben. Nimm sie wahr. Jetzt.« Er wandte sich wieder der Menge zu.

»Ein Salut für den Jeedai!«, rief er. »Ein Salut des Blutes!«

Mit diesen Worten sprang er der vordersten Reihe der Krieger entgegen und schwang den Stab. Der erste Schlag traf seinen Bruder und stieß ihn zu Boden, nur bewusstlos. Die anderen Gegner griff er mit tödlicherer Präzision an.

»Anakin?«, fragte Tahiri.

»Ins Schiff!«, rief er. Wenn er sie in Sicherheit wusste, konnte er vielleicht zu Rapuung zurückkehren.

Nein. Seine erste Pflicht galt Tahiri. Wenn er Vua Rapuung zu helfen versuchte, würden sie alle sterben.

»Kannst du es fliegen?«, fragte Tahiri.

»Darüber machen wir uns Gedanken, sobald wir herausgefunden haben, wie man die Rampe einfährt.«

Sie duckten sich durch die Luke und begannen mit der nervösen Suche nach einer Kontrollvorrichtung.

»Wonach gilt es Ausschau zu halten?«, fragte Tahiri.

»Nach einem Knauf, einer glatten Fläche, einem Nervenhaufen. Ich weiß es nicht.«

»Ich sehe nichts dergleichen!«, sagte Tahiri. »Es ist hoffnungslos!«

Anakin strich mit den Händen über das schwammige Innere des Schiffes. Tahiri hatte Recht. Wenn sie nicht einmal die Rampe einziehen konnten, wie standen dann die Aussichten, dieses dumme Ding zu fliegen?

Ziemlich mies, aber sie mussten es trotzdem versuchen. Anakin wollte nicht so weit gekommen sein, um ausgerechnet jetzt zu versagen.

Er sah Vua Rapuung sterben. Leichen umgaben den Krieger und schränkten seinen Bewegungsspielraum immer mehr ein − er war gezwungen, praktisch ohne Beinarbeit zu kämpfen. Ein Amphistab traf ihn am Hals und schnitt von dort aus tief durch den Rücken. Rapuung schmetterte seinen eigenen Amphistab auf den Kopf des Kriegers, der ihn verletzt hatte, bevor er zusammenbrach. Und dann waren die anderen Yuuzhan Vong heran, schlugen mit ihren Amphistäben auf ihn ein und stürmten die Rampe hoch.

»Sithbrut«, knurrte Anakin und trat in die Luke, das Lichtschwert bereit, dazu entschlossen, ebenso tapfer zu sein wie Rapuung.

»Oh!«, rief Tahiri. »Tsii dau poonsi.«

Der Tizowyrm übersetzte es mit Mund, Grund zum Schließen.

Die Rampe glitt unter den Füßen der Krieger hinweg ins Schiff, und die Luke schloss sich.

»Ich schätze, man muss einfach nur die richtigen Worte finden«, sagte Tahiri. Sie versuchte, es leichthin zu sagen, aber es war fast eine Parodie auf ihr altes Selbst. Und das wusste sie auch. Tränen glänzten in ihren Augen. »Sie haben mir Dinge in den Kopf gesetzt, Anakin. Ich weiß nicht mehr, was real ist.«

Er griff nach ihrer Schulter. »Ich bin real. Und ich hole dich hier raus, glaub mir.«

Tahiri lehnte sich an ihn, und seine Arme schlossen sich wie ganz von selbst um sie. Sie fühlte sich warm und klein und gut an.

Dann gab das verletzte Bein unter ihm nach.

 

Sie verwendeten einen abgeschnittenen Teil von Tahiris Kleidung als Aderpresse. Der lebende Stoff funktionierte sogar noch besser als erwartet, denn durch den Schock der Abtrennung kontrahierte er und starb vielleicht. Anakin wünschte sich eine von Rapuungs lebendigen heilenden Auflagen; vielleicht konnten sie an Bord des Schiffes welche finden.

Sie entdeckten die Kontrollen in dem Moment, als es draußen donnerte und das Schiff erbebte.

»Meine Güte, das hat nicht lange gedauert«, sagte Anakin. »Ich frage mich, wieso sie nicht einfach die Luke öffnen.«

»Ich habe sie versiegelt«, sagte Tahiri. »Sie wird auf niemanden draußen hören.«

»Woher weißt du das?«

»Ich weiß es einfach. Ich meine, bestimmt gibt es jemanden, der die Luke öffnen kann, aber wir starten, bevor er hierher kommt.«

»Vorausgesetzt, wir können starten«, sagte Anakin, betrachtete die Kontrollen und rang dabei mit einem Gefühl der Hilflosigkeit. Er erkannte einen Villip und eine Beschleunigungsliege, aber das war auch schon alles. Zahlreiche nicht ganz geometrische Dinge ragten aus der »Konsole«, und hinzu kamen Flächen mit unterschiedlichen Farben und Gewebestrukturen. Ihre Bedeutung blieb ihm verborgen. Nirgends gab es vertraute Anzeigen oder Displays, und die Wände waren undurchsichtig. Anakin konnte nicht einmal sehen, was die Yuuzhan Vong draußen anstellten, obwohl klar war, dass sie schwere Waffen oder Sprengstoff gegen das Schiff einsetzten.

Erneut kam es zu heftigen Erschütterungen, und von einigen Flächen ging eine matte Phosphoreszenz aus. Wahrscheinlich deutete dies auf Schäden hin.

»Na schön«, sagte Anakin. »Vielleicht kann ich nicht alles fliegen.«

Tahiri hob eine Art leeren Beutel von der Beschleunigungsliege. Eine dünne Ranke verband ihn mit der Konsole.

»Setz dies auf den Kopf«, schlug sie vor.

»Ja, genau!« Anakin erinnerte sich plötzlich. »Onkel Luke hat so ein Ding ausprobiert. Es ist ein direktes Gehirn-Interface.« Er richtete einen skeptischen Blick auf das Objekt und setzte es dann auf. Sofort hörte er eine ferne Stimme, die etwas murmelte, das er nicht verstand.

»Der Tizowyrm übersetzt nicht«, sagte er. »Ich schätze, die Stimme geht an ihm vorbei.«

Er versuchte es mit einigen mentalen Anweisungen, ohne Erfolg.

»So kommen wir nicht weiter«, sagte er. »Vielleicht ist es wie bei den Schimmerern. Ohne eine Abstimmung kann keine Verbindung zwischen unseren Gehirnen und der Vong-Technologie entstehen.«

»Yuuzhan Vong«, korrigierte Tahiri geistesabwesend.

»Ja. Oder es ist nur die Sprachbarriere. Vielleicht… Versuch du es einmal, Tahiri.«

»Ich? Ich bin kein Pilot.«

»Ich weiß. Versuch es trotzdem.«

Tahiri zuckte mit den Schultern und setzte das beutelartige Etwas auf.

Es wand sich hin und her, passte sich ihrer Kopfform an.

»Oh!«, sagte Tahiri. »Warte.«

Die Wände wurden transparent, als sich das Schiff erneut schüttelte. Anakin sah nun den Grund für die Erschütterungen: Ein anderes Schiff, ebenfalls auf dem Boden, feuerte mit seinen Plasmawaffen. Die Yuuzhan Vong hatten dafür freie Schussbahn geschaffen. Vermutlich hofften sie, die Hülle − Haut? − zu durchdringen, ohne zu großen Schaden anzurichten.

»In Ordnung«, murmelte Tahiri, und ihre Finger strichen über die verschiedenen Nervenknoten. »Mal sehen, ob… Huch!«

Das Schiff sprang so vom Boden wie ein Fleekaal aus einer heißen Pfanne. Anakin schnappte nach Luft, juchzte dann und klopfte Tahiri auf den Rücken.

»Wir schaffen es doch noch!«, rief er. »Lass uns von hier verschwinden.«

»Wohin jetzt?«

»Irgendwohin! Nur weg von hier!«

»Du bist der Captain«, sagte Tahiri. Der Damutek blieb weit unter ihnen zurück.

»Nicht schlecht«, meinte Anakin. »Wenn du jetzt herausfinden kannst, wie die Waffen funktionieren…«

Tahiri kreischte plötzlich und riss sich das Interface-Geschöpf vom Kopf.

»Was ist los?«, fragte Anakin.

»Da war etwas in meinem Kopf und sagte mir, dass ich zurückkehren soll! Fast hätte es meine Gedanken kontrolliert!«

»Dies gefällt mir nicht«, sagte Anakin und beobachtete, wie der Boden schnell näher kam. In letzter Zeit hatte er zu viel davon gesehen. Die Gravitation wurde weit überschätzt.

 

Als sie die Luke fanden und hinauskrochen, hörte Anakin das Brummen eines sich nähernden Yuuzhan-Vong-Schiffes.

»Lauf, Tahiri«, sagte er. »Mit meinem verletzten Bein halte ich dich nur auf.«

»Nein«, erwiderte Tahiri schlicht.

»Bitte. Ich habe solche Mühen auf mich genommen, um dich zu retten. Das alles darf nicht umsonst gewesen sein.«

Tahiris Finger strichen ihm über die Wange. »Es war nicht umsonst«, sagte sie.

»Du weißt, was ich meine.«

»Ich weiß, dass wir früher immer zusammen waren. Ich weiß, dass ich keinen anderen neben mir haben möchte, wenn dies das Ende ist. Ich weiß, dass es ihnen Leid tun wird, uns beide angegriffen zu haben.« Tahiri nahm Anakins Hand.

Er drückte zu. »Na schön«, sagte er. »Zusammen.«

Es dauerte nicht lange, bis das Schiff sie fand − sie hatten den Fluss nicht mehr als einen Kilometer hinter sich zurückgelassen. Diesmal handelte es sich nicht um ein gleiterähnliches Schiff, sondern mehr um etwas in der Größe einer Korvette.

Tahiri berührte Anakin zögernd in der Macht, und zum ersten Mal fühlte er wirklich, was man ihr angetan hatte: Schmerz und Verwirrung, den grässlichen Albtraum des Irrealen. Er übermittelte ihr Anteilnahme und Kraft, und das Band zwischen ihnen wurde fester. Als sich Tahiris Finger um seine Hand schlossen, als sie schließlich die letzten Barrieren zwischen ihnen überwanden, wehte die Macht wie ein Orkan durch ihn.

Tahiri lachte. Es war nicht das Lachen eines Kindes.

Zusammen seid ihr stärker als die Summe eurer Teile, hatte Ikrit gesagt.

Zusammen.

Sie zerrten einen tausend Jahre alten Massassi-Baum aus dem Boden und schleuderten ihn in die Höhe. Als er das Schiff der Yuuzhan Vong traf, war er so schnell wie ein Renngleiter. Er prallte gegen den Dovin-Basal, splitterte und riss das Schiff halb herum. Ein weiterer Baum kam von unten, und noch einer. Das Schiff legte sich auf die Seite, feuerte Plasmaklumpen auf die Bäume und verstand nicht, was geschah. Ein Baum traf die Plasmakanone, und Flammen leckten übers Schiff.

Rein theoretisch konnte ein Jedi die Macht mühelos nutzen, ohne zu ermüden. In der Praxis war das nur selten möglich.

Anakin und Tahiri waren weit über ihre Grenzen hinausgegangen, und jetzt verebbte ihre Kraft.

Das Schiff trudelte, und flüssiges Feuer tropfte aus seiner zertrümmerten Waffe, aber es existierte nach wie vor, und es gab noch viele andere dort, woher es gekommen war.

Anakin hielt Tahiris Hand fest. »Zusammen«, sagte er.

In der Luft über ihnen heulte und gleißte es plötzlich, und scharfe Linien aus rotem Licht fraßen sich durch das Schiff der Yuuzhan Vong, das nun wie eine große Wurzelknolle aussah. Ein greller Feuerball folgte und traf das Schiff in der bereits blutenden Wunde, und dann war es ein Kadaver, der zu Boden fiel. Anakin starrte mit offenem Mund nach oben.

Ein anderes Schiff senkte sich vom Himmel herab, eines aus Metall und Keramik, nicht aus lebenden Korallen.

Es war Remis Vehns arg mitgenommener Transporter, und nie zuvor hatte Anakin etwas Schöneres gesehen.

Mit dem Repulsorlift sank es herab, und die Luke schwang auf.

Qorl sah nach draußen. »Worauf wartet ihr?«, rief der Alte. »Kommt an Bord.«