28. KAPITEL
Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, lief Kelly in die Küche zu dem Telefon, das dort an der Wand hing. Sie verstand zwar immer noch nicht, warum sie den Sheriff anrufen sollte, wenn doch gerade zwei Cops Doug mitgenommen hatten. Quinn anzurufen machte ihrer Meinung nach mehr Sinn.
Sie zögerte eine Sekunde, den Telefonhörer schon in der Hand. Doug war selbst Polizist gewesen. Hatte er ihr vielleicht sagen wollen, dass die beiden Männer gar keine Cops waren? Hatte jemand die ganze Sache eingefädelt? Hatte Lance eine alte Rechnung begleichen wollen? Aber Lance musste wissen, dass sein Auftritt am Nachmittag aufgezeichnet worden war. Und es war definitiv er gewesen, der den Streit vom Zaum gebrochen hatte.
Sie hielt den Hörer ans Ohr. Nichts. Das Telefon war tot. Sie hatte das Gefühl, als wenn Eiswasser durch ihre Adern flösse. Sie lief ins Wohnzimmer, wo Doug ihre beiden durchnässten und unbrauchbar gewordenen Handys abgelegt hatte. Sie probierte ihres aus und betete, dass es funktionierte. Nichts. Auch Dougs Handy war tot.
Kelly merkte, dass sie nicht mehr weit von einem hysterischen Anfall entfernt war. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, ihre Beine zitterten. Letzte Nacht in dem Auto hatte sie ebenfalls Angst gehabt, aber die Erkenntnis, dass sie in diesem Moment das Spielzeug eines Irren war, war viel schlimmer. Und Doug ... er hatte sich von den beiden falschen Polizisten mitnehmen lassen, um Zeit zu gewinnen - Zeit die sie jetzt nutzen musste!
Sie sprang auf, als sie ein Klopfen an der Terrassentür hörte und wie jemand ihren Namen rief. Das war Mels Stimme. Sie ging zu der Glastür und schob den Vorhang zur Seite. Sie wusste, dass sie die Tür nicht öffnen würde, Doug hatte es ihr verboten.
„Kelly, um Gotteswillen, mach auf."
Es war tatsächlich Mel. Er trug Shorts und ein T-Shirt, ein bemerkenswert lässiger Aufzug für ihren sonst stets so korrekt gekleideten Agenten. Er hob die Hand und schlug damit gegen die Scheibe. „Kelly!"
Sie schüttelte den Kopf und sah zu ihrem Entsetzen im gleichen Moment eine Gestalt aus der Dunkelheit hinter Mel nach vorn schnellen. Blut spritzte gegen die Glasscheibe. Mels Mund formte ein schmerzverzerrtes O. Dann folgte das Splittern von Glas wie bei einer Explosion. Die Scheibe zersprang in tausend Stücke. Mit einem Regen von Glasscherben fiel Mel halb ins Zimmer. Im selben Moment erlosch das Licht.
Die Pier war leer, als Doug endlich dort ankam. Er war erschöpft, seine Lungen schmerzten, seine Schultern fühlten sich schwer wie Blei an. Mühsam zog er sich auf den Holzsteg. Er wunderte sich, dass die Generatoren nicht längst wieder Strom lieferten. Anscheinend hatte jemand genau gewusst, wie er die Insel völlig lahm legen konnte, die Stromzufuhr, die Telefone, die Notstromaggregate.
Es war stockdunkel. Er stolperte vorwärts. Er musste das Nebengebäude erreichen. Und Kelly!
„Kelly. Kelly. Kelly." Sie hörte ihren Namen in einem grässlichen, heiseren, fast krächzenden Flüsterton. Ein Ton, der ihr durch Mark und Bein ging. Er stand genau vor ihr, inmitten des
Haufens von Glasscherben. Der Schock der Erkenntnis traf sie wie ein Keulenschlag. Er also war es.
Verzweifelt überlegte sie. Er hatte eine Waffe in der Hand, aber er hatte Mel nicht erschossen, sondern mit einem Knüppel oder einer Eisenstange auf ihn eingeschlagen. Dann hatte er mit einem Schuss die Glastür zerstört. Er wollte sie terrorisieren, sie quälen. Die Waffe würde er nur gegen sie richten, wenn er keinen anderen Weg sah.
Sie musste die Dunkelheit für ihre Deckung nutzen. Als sie sich leise nach hinten bewegte, hörte sie Fußtritte auf den Glasscherben knirschen.
„Wie oft habe ich dich im Fernsehen angeschaut, Kelly, und gedacht, was für eine wunderbare Schauspielerin du doch bist. Nur eine Schauspielerin? Eines Tages habe ich erkannt, dass du wirklich sie bist - Maria Valentine. Es hat dir gefallen, Frauen zu erklären, wie sie ihre Männer behandeln sollen. Du hast es genossen, weil du grausam und abstoßend bist und nur daran denkst, wie du diese Narren möglichst viel zahlen lassen kannst. Jedes Wort, das Maria Valentine gesagt hat, war dein eigenes Wort."
Sie schob sich leise weiter nach hinten. Er schien sie nicht zu hören, denn er unternahm nichts. Er genoss seine eigenen Worte, genoss die Frucht, die er in ihr auslöste. Er war überzeugt, dass er Zeit hätte, alle Zeit der Welt.
Hatte er nicht Recht? Die anderen waren bestimmt alle beim Essen versammelt und warteten darauf, dass das Licht wieder anging. Jemand würde gesagt haben, sie sollten zusammen bleiben, bis es wieder hell wurde. Sie hatten Handys, die funktionierten. Aber selbst wenn jemand nach Hilfe telefonierte, würde es eine ganze Weile dauern, bis die Polizei zur Insel kam. Also wusste der Killer, dass er genügend Zeit hatte, um mit ihr zu spielen wie die Katze mit einer Maus.
„Oh Kelly, du und ich, wir wissen doch beide, dass die Frau, die vorgibt, nett und freundlich zu sein, in Wirklichkeit ganz anders ist. Dass sie Maria Valentine ist."
Kelly fühlte die Tür hinter sich. Sie fuhr blitzschnell herum, griff nach der Sicherheitskette und versuchte sie so leise wie möglich auszuhaken. Sie wagte kaum zu atmen. Schließlich schaffe sie es. Aber den Stahlriegel zurückzuschieben, das würde nicht ohne Geräusch gehen.
„Arme Kelly. Keine Möglichkeit, zu entkommen. Also, du hast mich gezwungen, offen vorzugehen. Aber niemand wird je erfahren, wer das getan hat. Ich bin vorsichtig, sehr vorsichtig. Ich plane alles ganz genau."
Mit einem Ruck zog sie den Riegel zurück und riss die Tür auf. Ein Schuss krachte, doch die Kugel pfiff an ihr vorbei und schlug in den Stamm einer Palme. Kelly rannte, aber nicht in Richtung Wasser, sondern hinüber zu den Bäumen und dichten Büschen.
Doug rannte um die hintere Ecke des Nebengebäudes. Er versuchte, in Deckung zu bleiben und so leise wie möglich zu sein. Er lief ein Stück über den Strand und versuchte, von hinten auf die Terrasse zu kommen. In diesem Moment dachte er wieder daran, was er auf den Telefonlisten gesehen hatte. Aber erst jetzt zog er den richtigen Schluss daraus. Er wusste nun, was bestimmte Anrufe zu bedeuten hatten.
Er hastete die Stufen zur Terrasse hoch und trat auf Glas. Als er einen Schritt zur Seite machte, hörte er ein Stöhnen. Er beugte sich vor und sah die Umrisse eines Körpers auf dem Boden. Eine Sekunde lang hatte er das Gefühl, sein Herz bliebe stehen. Er kauerte sich neben die Gestalt. Es war Mel. Er lag in einer Blutlache, aber er atmete noch.
Er konnte sich jetzt nicht um ihn kümmern. Er lauschte und war sich dann sicher, dass niemand sonst in dem Raum war. Da seine Augen sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte er sehen, dass die Eingangstür weit offen stand.
Kelly bahnte sich einen Weg durch das Dickicht aus hohen Büschen und Palmen. Dann blieb sie stehen und lauschte. Im Haupthaus gab es Hilfe. Wenn sie es bis dorthin schaffte. Er würde ihr zweifellos folgen. Aber würde er auch auf sie schießen? Konnte er das wagen? Die anderen würden ihn sehen. Aber das zählte jetzt nicht für ihn. Sie hatte ihn gesehen. Sie wusste, wer er war. Er musste sie töten.
Sie lauschte angestrengt. Erst hörte sie nichts. Dann Schritte. Leichte, vorsichtige Schritte. Er kam näher.
Doug rannte durch das Haus, hastete die Treppe hinauf und öffnete seinen Koffer. Er nahm seinen Revolver heraus und steckte ihn in den Hosenbund. Dann lief er wieder nach unten und blieb reglos stehen. Da war doch jemand im Haus. Doug zögerte keine Sekunde. Mit einem Satz sprang er den Eindringling an und riss ihn zu Boden.
„Nicht. Bitte, nicht. Tun Sie mir nicht weh. Ich war es nicht. Ich könnte Kelly doch nie wehtun."
Es war Lance Morton.
Ein Knacken. Ein Rascheln. Wieder ein Knacken. Der Verursacher des Geräusches war ganz in der Nähe.
„Kelly, Kelly, was machst du? Komm, spiel mit mir. Dein Liebhaber war ziemlich clever, aber ein paar Dinge konnte er einfach nicht wissen." Dann ertönte Gelächter. „Kelly, ich kann dich sehen. Komm her. Komm zu mir. Dies ist dein großer Auftritt."
Der Revolver war auf sie gerichtet. Sie blieb unbeweglich stehen. Er kam grinsend näher. „Sieh mal, Kelly, eine Menge Leute wissen vieles nicht, weil sie es nicht wissen wollen. Geld bedeutet Macht. Mit Geld kann man alles kaufen. Mit Geld kann man Leute kaufen. Und Schweigen."
„Aber mit all dem Geld konnten Sie sich nicht die Zuneigung der Menschen kaufen, nicht wahr?" fragte Kelly. Sie wollte ihn dazu bringen, weiter zu reden. Aber wie lange würde er sich noch hinhalten lassen?
„Ach, Kelly, wir hätten uns so gut unterhalten können. Ich wollte nicht, dass es so endet. Wir hätten mehr Zeit haben müssen. Dann hättest du mich verstanden. Aber das ist doch wirklich ein dramatisches Ende, nicht wahr? Die Polizei wird bald eintreffen. Aber ich werde dann nicht mehr hier sein."
„Die echte Polizei wird Ihre falschen Cops schnappen und zum Reden bringen", sagte Kelly.
„Ich habe nicht die Absicht, sie so lange am Leben zu lassen", meinte er wegwerfend. „Oh Kelly. Sie sind wirklich so bezaubernd. Wie oft habe ich davon geträumt, mit meinen Fingern durch Ihr Haar zu fahren, früher, bevor Sie ... nun, Sie wissen schon. Aber ich fürchte, jetzt ..."
Sie wusste nicht, ob es gelingen würde oder nicht. Sie wusste nur, dass sie handeln musste, wenn sie nicht sterben wollte. Sie spannte die Muskeln ihrer Beine an und versuchte einen Kick, den sie beim Joga so oft geübt hatte.
Ihr Fuß traf schmetternd sein Handgelenk. Die Waffe flog im hohen Bogen ins Gebüsch.
„Hexe! Ich werde dich ganz langsam erwürgen", fluchte er.
Kelly rannte los.
„Stehen Sie auf, Sie Idiot. Ich weiß, dass Sie es nicht waren." Doug zog Lance Morton auf die Füße. „Hauen Sie ab von hier. Laufen Sie und machen Sie so viel Lärm wie möglich. Rufen Sie laut, schreien Sie Kellys Namen."
„Ich? Da draußen ist ein Verrückter mit einer Waffe und ..."
„Verdammt, machen Sie schon. Los!"
Lance starrte ihn unschlüssig an.
„Sie wissen, wer es ist", sagte Doug. „Er hat Ihnen gesagt, Sie sollen diese Schlägerei mit mir anfangen, damit er mich durch seine falschen Polizisten festnehmen lassen konnte. Wenn Sie nicht ihm gehorcht hätten, hätte er das Video nicht zu Ende gedreht. So war es doch, oder?"
„Dummes Zeug! Sie sind über mich hergefallen wie ein Stier..."
„Los jetzt! Wir haben jetzt keine Zeit für so was. Laufen Sie, oder ich erschieße Sie", drohte Doug.
Doch Lance rührte sich nicht vom Fleck.
„Wenn er Kelly etwas antut, dann ...", warnte Doug und tat einen Schritt auf Lance zu.
„Ja, ja, ich gehe ja schon." Lance stolperte aus der Tür und fing an zu schreien. „Kelly. Kelly ... wo sind Sie?"
Er musste wirklich schreckliche Angst haben, dass jemand auf ihn schoss, denn er rannte, als ob seine Hosen Feuer gefangen hätten. Mit den Armen fuchtelte er wild in der Luft herum. Hinter ihm stürmte Doug aus dem Zimmer und rannte zu den Büschen hinüber. Und trotz des Geschreis, das Lance jetzt wohl mehr aus Angst veranstaltete, und nicht, weil Doug es ihm befohlen hatte, hörte Doug, dass jemand sich einen Weg durch das Gebüsch bahnte.
Kelly rannte, blieb aber plötzlich stehen, als sie hörte, wie jemand laut ihren Namen rief. Lance Morton! Dieser Dummkopf. Solch einen Lärm zu machen. Aber ... ihr Verfolger war ebenfalls stehen geblieben.
War das ein Ablenkungsmanöver? Sie war sicher, dass das Lance nicht selbst eingefallen sein konnte. Ihr Herz tat einen freudigen Sprung. Doug! Irgendwie musste er es geschafft haben, zu entkommen.
Sie schätzte kurz ihre Lage ab. Sie war gezwungen gewesen, zum Strand zu laufen. Zum Haus zurück konnte sie nur, wenn sie das gesamte Nebengebäude umrundete. Oder ein Stück durch das flache Wasser lief.
Sie schüttelte sich. Das Meer in einer so dunklen Nacht - unheimlich. Sie konnte kaum sehen, wo das Wasser begann. Sie atmete tief durch und lief los.
Sie hatte das Ufer fast erreicht, als sie hinter sich Schritte vernahm. Sie drehte sich um ... und da war er, bereit, sich auf sie zu stürzen. Sie schrie, so laut sie konnte. Sein Gesicht war vor Wut verzerrt. Er hatte gedacht, er würde viel schneller und einfacher mit ihr fertig. Speichel trat ihm aus dem Mund. Mit seinem ganzen Gewicht warf er sie in den Sand und drückte ihren Kopf nach unten.
„Ich habe deinen verdammten Hund vergiftet, Kelly. Wie findest du das? Den kleinen Kläffer von Dana habe ich mit einem einzigen Fußtritt ins Jenseits befördert. Du bist noch jung, Kelly. Dana war alt. Eine alte, widerliche Hexe. Sie hatte schon viel zu lange gelebt. Sie hat unser Kind einfach zu fremden Leuten gegeben und es mir jahrelang verschwiegen. Sie rückte erst mit der Wahrheit heraus, als sie mehr Geld von mir erpressen wollte. Verstehst du jetzt, Kelly? Sie drohte, mich ins Gefängnis zu bringen. Sie drängte sich wieder in mein Leben. Und das Komische war - ich wollte sie noch, obwohl sie älter geworden war. Obwohl sie diesen Trottel geheiratet hatte, der sie dann betrogen hat. Sie hatte eine Seele aus Stahl. Sie konnte andere Menschen auf erstaunliche Weise manipulieren. Sie hat mich manipuliert. Trotzdem fand ich sie ungeheuer sexy. Aber dann kam die Sache mit unseren Kind heraus. Damit durfte sie nicht durchkommen. Ich musste sie zum Schweigen bringen, mit meinen bloßen Händen. Es hat sich verdammt gut angefühlt. Jedes Mal, wenn ich jemand so reden hörte wie sie ... Aber du, Kelly, du hast mich schon interessiert, lange, bevor du zu Maria Valentine wurdest, lange bevor ich begriff, dass du tatsächlich Maria Valentine bist. Matt hat mir erzählt, wie du wirklich bist."
„Matt?" Kelly zitterte vor Furcht, sein Gewicht presste sie in den nassen Sand. „Was hat Matt mit all dem zu tun?"
„Matt ist mein Sohn."
„Ihr Sohn?"
„Dana hatte mich schon seit langem erpresst. Sie war sicher gewesen, dass es mir nie gelingen würde, seine Spur zu finden. Aber dann habe ich ihn doch gefunden. Heimlich habe ich Matt beobachtet. Damals hatte ich dich schon oft im Fernsehen gesehen. Und ich wusste, dass du eine von ihnen warst, die Schlimmste von allen. Ich wusste, du warst in Wirklichkeit Maria Valentine, nicht Kelly Trent. Und ich wusste, dass ich dich würde töten müssen." Sein Gesicht wurde ausdruckslos. „Jetzt ist es so weit."
Seine Finger schlössen sich um ihren Hals und drückten zu. Sie versuchte zu schreien, aber es wurde nur ein schwaches Krächzen. Dann plötzlich ließ der Griff nach. Sie spürte, dass jemand Logan an den Haaren gepackt hatte und ihn hochriss. Sie bemerkte zwei Füße neben sich, dicht an ihrem Kopf. Und sie hörte eine Stimme. „Lass sie sofort los, du Dreckskerl!"
Dann fiel ein zusätzliches Gewicht auf Kelly und nahm ihr fast den Atem. Sie spürte nichts mehr. Zwei Männer rollten neben ihr über den Sand ins Wasser, ineinander verkrallt. Sie kamen taumelnd auf die Füße. Marc Logan starrte Doug ungläubig an. Er hatte angenommen, Doug sei tot.
„Bist du okay, Kelly?" rief Doug. Er hielt seinen Revolver auf Logan gerichtet.
„Ja", meinte Kelly. Ihre Stimme klang heiser. „Ja, ich bin okay."
Logan bewegte sich langsam auf Kelly zu. Seine Haltung wirkte nach wie vor bedrohlich.
„Bleib stehen, Logan. Keinen Schritt weiter. Ich meine es ernst. Ich könnte dich jetzt erschießen. Keiner würde mir etwas vorwerfen. Ich würde dich sogar gern erschießen, aber ich war nun mal ein Cop. Und ein Cop überlässt Leute wie dich dem Gesetz. Aber fordere mich nicht heraus. Bleib weg von ihr, oder du bereust es."
Logan starrte ihn finster an. „Du wirst nicht schießen, O'Casey."
„Nein?"
Logan grinste hämisch. „Ist dir nicht klar, du dummer Tanzlehrer, dass ich in Kellys Suite war? Wie hätte ich sonst das Gift in das Hundefutter mischen können? Schau dir doch mal deine Waffe an. Sie ist nicht geladen. Ich habe die Patronen herausgenommen."
„Weißt du was, Logan? Du bist am Ende. Du klopfst dir selbst auf die Schulter und bewunderst deine eigene Cleverness. Aber so clever, wie du meinst, bist du nicht. Und dieses Mal kommst du nicht davon, das schwöre ich dir."
„Oh, doch. Mit Geld kann man alles kaufen."
„Du irrst dich", meinte Doug.
„Jeder ist zu kaufen. Ich wette, auch du hast deinen Preis."
„Du irrst dich schon wieder, Logan. Geld ist nicht alles, was zählt."
Logan lachte. „Du redest einen Haufen Mist für jemand mit einem ungeladenen Revolver. Wie willst du mich aufhalten?"
„Du hast auch keine Waffe. Und mit den Fäusten hast du keine Chance gegen mich."
Logan lachte. „Die Sache ist nämlich die, mein Junge, ich habe sehr wohl eine Waffe." Er fasste in seine Hosentasche und zog ein Klappmesser heraus. „Man muss immer auf alle Möglichkeiten vorbereitet sein."
Er machte einen Schritt auf Doug zu.
„Doug, pass auf", schrie Kelly. Doug hatte einen Schritt zurück gemacht, aber Logan kam hinter ihm her.
Kelly rollte sich über den Sand vor Logans Füße. Er versuchte, sie weg zu treten, aber da war Doug bereits da. Er drehte sich um seine eigene Achse und rammte Logan seinen linken Fuß gegen den Hals. Logan stolperte. Ein weiterer Tritt schleuderte ihm das Messer aus der Hand. Logan sprang zur Seite, um es aufzuheben, aber Doug war schneller und stellte seinen Fuß darauf. Verdutzt sah Logan ihn an, dann rannte er weg.
„Verdammt", rief Doug und sprintete ihm nach.
Dreißig Meter weiter erreichte er Logan und riss ihn herum. Er traf sein Kinn mit einem harten Faustschlag. Logan fiel um wie ein gefällter Baum und blieb bewusstlos liegen. Keuchend lief Doug zu Kelly zurück. Er zog sie hoch, in seine Arme. Sie zitterte.
„Hat er dich verletzt?"
Sie schüttelte den Kopf. Er sah zu der zersplitterten Terrassentür hinüber. „Ich fürchte, wir müssen umziehen", meinte er.
„Ich ... Mel! Er ist verletzt."
„Ich weiß. Komm, wir gehen zu ihm. Da kommt auch schon Hilfe."
Jetzt hörte auch Kelly das Geräusch von sich nähernden Motorbooten.
Er legte seinen Arm um ihre Schulter. „Kelly, ich hätte es wissen müssen. Die Telefongespräche zwischen Logan und Matt Avery. Das musste etwas bedeuten. Logan hat jahrelang an Matts Adoptiveltern Geld bezahlt. Und dann noch die Anrufe in Danas Haus und Büro, von einer Telefonzelle, die ganz in der Nähe von Logans Tonstudio in L.A. steht. Ich hätte es merken müssen. Weil ich es nicht gesehen habe, hätte ich dich beinahe verloren."
Sie begriff nicht so richtig, was er ihr zu erklären versuchte.
Aber das interessierte sie jetzt auch nicht. Sie zitterte am ganzen Körper wie bei einem Schüttelfrost. Sie wollte nur, dass er sie im Arm hielt und ihr sagte, dass wirklich alles vorbei sei. Dass sie in Zukunft keine Angst mehr zu haben brauchte. In einer Zukunft mit ihm. Aber dann fiel ihr Mel wieder ein.
Sie sah Doug an. „Mel", sagte sie voller Angst.
„Komm."
Sie eilten zu dem Mann, der halb bewusstlos war und blutete. Er lag auf einem Haufen Glasscherben, mit dem Oberkörper im Zimmer und mit den Beinen auf der Terrasse. Kelly kniete neben ihm nieder. Doug beugte sich auf der anderen Seite zu Mel hinunter. „Sieht so aus, als ob das Blut von dem Schlag auf den Kopf stammt. Ich sehe keine Schusswunde. Logan muss ihn mit dem Kolben des Revolvers niedergeschlagen haben. Sein Puls ist schwach, aber regelmäßig."
„Oh Mel", murmelte Kelly.
Zu ihrer Überraschung blinzelte Mel mit den Augen. „Kel..."
„Ich bin in Ordnung. Es war Logan. Doug hat ihn außer Gefecht gesetzt."
Mel versuchte zu lächeln. „Ich verdiene es, Kelly."
„Was meinst du damit, Mel?"
„Mein Job als Agent für dich. Meine fünfzehn Prozent Honorar sind hart verdient." Er schloss die Augen und ließ den Kopf zurücksinken.
Leute kamen über den Strand gelaufen, Polizisten und Sanitäter. „Hierher!" rief Doug.
Einen Augenblick später standen Doug und Kelly eng aneinander gelehnt und sahen zu, wie der Notarzt Mel auf eine
Trage legte und ihn zu dem Ambulanzboot bringen ließ, um ihn ins Krankenhaus zu schaffen.
Und erst in diesem Moment wurde Kelly von ihrer Schwäche und dem nachwirkenden Schock überwältigt. Ihre Knie gaben nach. Doug fing sie gerade noch auf und nahm sie in die Arme.