Hat das Universum einen Anfang?

Lange bevor die Astrophysiker ihre gegenwärtigen Theorien zum Ursprung des Universums formulierten, hatten sich die Philosophen und Theologen an schlüssigen Beiträgen zum Thema versucht. Die wohl bekanntesten Ansätze, eine Antwort auf die Frage zu finden, lieferten die Religionen, die, wie im Buch Genesis der Bibel festgehalten, einen Schöpfungsmythos in die Welt setzten. Wenn das Prinzip von Ursache und Wirkung gilt, dann ist der Schöpfergott die »Erste Ursache« – also der Anstoßgeber für alle folgenden Abläufe im Kosmos. Die griechischen Philosophen mieden im Allgemeinen den Gedanken an eine Schöpfung und begegneten einer Kosmologie, die ein göttliches Eingreifen erforderte, mit Skepsis. Für sie hatten das Universum und die Menschen von jeher existiert, und sie würden auch ewig weiterexistieren. Für Immanuel Kant sind Raum und Zeit von ihrem Ursprung her Begriffe oder Konstrukte des Geistes: Kenntnis von ihnen erhalten wir nicht auf dem rationalen Weg, sondern durch intuitive Erkenntnis, die durch Erfahrung bestätigt wird, weil wir, so Kants Formulierung, die beiden Anschauungsformen dazu nutzen, um »alles überhaupt äußerlich Wahrgenommene zu ordnen«. Und weiter argumentiert Kant, dass dagegen diejenigen, welche »die absolute Realität des Raumes und der Zeit behaupten, sie mögen sie nun als substituierend, oder nur inhärierend annehmen, mit den Prinzipien der Erfahrung selbst uneinig sein müssen«. Weil Zeit und Raum »in unserem Gemüt bereitliegende« Anschauungsformen seien, bildeten sie den Zusammenhang, in dem wir unser Wissen erwerben und organisieren. Wenn das Universum keinen Anfang in der Zeit hätte, wäre dies nicht möglich.

Aber wenn das Universum tatsächlich einen zeitlichen Beginn hat, bleibt die Frage, warum es in einem bestimmten Moment entstanden ist. Die biblische Erzählung der Genesis deutete Augustinus von Hippo nicht wörtlich, sondern bezeichnete die sechs Tage der Schöpfung als Bild für die Entwicklungsstadien in der Erkenntnis der Engel. In seinen Predigten zum Buch Jesus Sirach (18, 1) heißt es: »creavit omni simul«, Gott »schuf alle Dinge auf einmal«, und zu all diesen Dingen gehörte auch die Zeit.

Als der amerikanische Astronom Edwin Hubble (1889–1953) Galaxien fernab unserer Milchstraße entdeckte, legte er, basierend auf dem Dopplereffekt der Rotverschiebung, den Grundstein zu der Hypothese, dass sich das All immer weiter ausdehne – womit die bislang von Theologen und Philosophen geführte Diskussion in die Hände der Astrophysiker gelangte. Seither können wir die Zeit nicht mehr als eine selbstständig existierende Dimension denken. Aber selbst wenn wir dies könnten, kann das Universum seinen Anfang nicht auf einer linearen Zeitachse gehabt haben. Das heißt, wir können nicht sagen, dass es zu einem bestimmten Zeitpunkt zu existieren begann. Zeit existiert nicht unabhängig vom Universum. Die modernen Theorien der Astrophysik besagen, dass das, was wir uns als »Zeit« vorstellen, mit dem »Urknall« begann. Geprägt wurde dieser Begriff des Big Bang durch Fred Hoyle (1915–2001) zur Abgrenzung der Urknall- von seiner eigenen Steady-State-Theorie von einem gleichförmigen, unendlichen Universum, von der im nächsten Kapitel die Rede sein wird. Entgegen dem, was sein Name vermuten lässt, war der »Urknall« keine gigantische Explosion, sondern ein Prozess, wie wir ebenfalls weiter unten sehen werden.

Kenntnis haben wir nur deshalb von der Zeit, weil wir auch Kenntnis vom Raum haben. Wie Albert Einstein (1879–1955) demonstrierte, hängen beide wechselseitig zusammen und müssen als Raumzeit oder Raum-Zeit-Kontinuum vorgestellt werden. In dieser Dimension hatte das Universum einen besonderen Ursprung, das heißt einen Anfang, auch wenn die Debatte darüber, wie es begann und wie es weiterexistiert, so langlebig erscheint wie das Universum selbst.

Ist das Universum unendlich?

Nach einer grob vereinfachenden Sichtweise, die einst generell geglaubt wurde, soll das Universum statisch in dem Sinne sein, dass es sich nicht verändert und wie ein Modell einen festgelegten Aufbau hat. Demnach habe es schon immer existiert. Dies galt nicht unbedingt als ein Widerspruch zum Kreationismus, da man auch glauben konnte, der Kosmos sei in ziemlich genau der Form, wie man ihn heute sieht, zu einem bestimmten Zeitpunkt entstanden – unendlich in den Dimensionen von Zeit und Raum. Mit einem magischen Trick in der Vorvergangenheit schuf Gott gleichsam ein Universum, das schon immer existiert hatte.

Nach der Urknalltheorie entstand der Kosmos zu einem bestimmten Punkt in der Zeit durch einen Prozess, der so gewaltig war, dass aus ihm alles Seiende hervorging. Sympathisch war diese Theorie von jeher all jenen, die da getreu dem Wort des Johannes glaubten, dass »nichts, was geworden ist«, ohne Gott entstanden sei. Denn auch wenn die Urknalltheorie der biblischen Erzählung von den sechs Schöpfungstagen widerspricht, so geht sie davon aus, dass »etwas« den Anstoß zur Schöpfung gab. Dagegen geht die von Hoyle 1948 formulierte Steady-State- oder Gleichgewichtstheorie davon aus, dass das Universum schon immer und überall existiert hat. Daraus folgt, dass es nie endet und ewig weiterexistiert. Nach der Theorie zulässig ist die – sich mit der Urknalltheorie berührende – Vorstellung, dass die Galaxien auseinanderdriften und in den sich weitenden Räumen zwischen ihnen aus ständig neu »geschaffener« Materie weitere Galaxien entstünden. Da ohne Anfang, existiert das Universum aus sich selbst heraus und ist nicht das Werk eines Schöpfers. Diese Konzeption deckt sich mit Aussagen aus der Thermodynamik und dem Energieerhaltungssatz, wonach »Materie und Bewegung von Materie weder geschaffen noch vernichtet werden können«. Gleichwohl wiesen Stephen Hawking und Sir Roger Penrose (* 1931) nach, dass Hoyles Theorie falsch ist, worauf sich die Urknalltheorie als kosmologisches Standardmodell etablierte. Arno Penzias (* 1933) und Robert Wilson (* 1941) machten eine Entdeckung, die Hoyles Sicht des Kosmos widerlegte und ihnen 1978 den Nobelpreis bescherte, nämlich die der kosmischen Mikrowellen-Hintergrundstrahlung (CMBR): Wie Radioteleskope zeigten, sind die Räume zwischen den Sternen, wie bis dahin geglaubt, keineswegs stockdunkel, sondern vielmehr von einem gleichmäßigen »Glühen« erfüllt, das am stärksten im Frequenzbereich der Mikrowellen strahlt. Diese Hintergrundstrahlung des Kosmos hat keine gegenwärtige Quelle, sondern deutet auf eine Frühphase der Ausdehnung und Abkühlung des Universums hin, womit sie die Theorie vom Urknall und der anschließenden Ausdehnung des Weltalls bestätigt. In jüngerer Zeit legte Stephen Hawking seine M-Theorie vor, die der Hypothese einer unendlichen Anzahl von Universen die Bahn zu bereiten scheint: »Quantenfluktuationen«, so Hawking, »führen zur spontanen Schöpfung kleiner Universen aus dem Nichts. Die meisten zerfallen wieder zu nichts, aber einige erreichen eine kritische Größe, expandieren auf inflationäre Weise und bilden Galaxien und Sterne und vielleicht auch Wesen wie wir.«


»Das Universum ist folglich einzig, unendlich und unbeweglich. Es übersteigt das Verständnis, ist deswegen endlos und grenzenlos und insofern unendlich, unbestimmbar und folglich unbewegbar.«

Giordano Bruno (1548–1600)


Damit betreten wir das Reich der Wissenschaft, in dessen geistigem Spiegelkabinett sich der lesende Laie leicht verirrt. Wir haben das Gefühl, eher Abstraktionen als empirisch erfahrbaren Realitäten zu begegnen. Jedenfalls ist es schwierig, über die Grenzen dessen hinauszudenken, was unser geisteswissenschaftlich geschulter Verstand noch fassen kann. In unserer Unfähigkeit, uns von der Grenzenlosigkeit eine konkrete Vorstellung zu machen, versuchen wir sie anhand der uferlosen Weiten zu ermessen, die wir mit bloßem Auge oder, noch spannender, durch ein Fernglas oder ein Teleskop am Himmel über uns erblicken.

Aber auch wenn es fantastisch erscheinen mag, so neigt die moderne Astrophysik doch zu der Vorstellung, dass unser Universum endlich sei. Hier stoßen wir auf das Paradox, dass der Weltraum zwar nicht unendlich, aber unbegrenzt und gekrümmt ist, wie Einstein gezeigt hat. Hawking liefert uns eine verwirrende Zusammenfasssung: »Wenn man die allgemeine Relativitätstheorie und die Unschärferelation der Quantenmechanik kombiniert, können Raum und Zeit endlich sein, ohne Ränder oder Grenzen zu haben.«

Die meisten von uns müssen solche Enigmen oder Rätsel von einer bodenständigen Warte aus betrachten. Ob endlich oder unendlich, das Universum existiert im Raum, der nur als eine unbestimmte und unermessliche Einöde denkbar ist, die sich bis ans Ende der Vorstellungskraft ausdehnt – aber zumindest ganz in der Nähe beginnt: Wie uns Fred Hoyle tröstlich in Erinnerung ruft, ist das Weltall »überhaupt nicht weit entfernt. Es ist nur eine Autostunde entfernt, wenn man mit seinem Wagen direkt nach oben fährt«.

Hat die Zeit einen Anfang und ein Ende?

Vor dem Urknall muss alle Materie des Universums an einer Stelle zusammengepackt gewesen sein, in einer sogenannten Singularität, in der eine unendlich hohe Dichte und Temperatur herrschte. Anstatt zu einer Explosion, an die man beim Ausdruck »Urknall« denkt, kam es vielmehr zu einer Expansion dieser Singularität. Der Big Bang setzte diesen Ausdehnungsprozess in Gang, bei dem sich die unendliche Dichte und das infinitesimale Volumen zu dem Universum weitete, das wir heute beobachten. Und dabei entstanden auch Raum und Zeit. Bevor dies geschah, war keines der uns bekannten physikalischen Gesetze wie das der Gravitation oder der Thermodynamik in Kraft. Sie wurden erst mit Beginn des Prozesses aktiviert. Eine weitere Aussage der Thermodynamik betrifft das Verfallsprinzip. Weil sich Verfallsprozesse mit der Zeit beschleunigen, wird das Universum eines Tages kollabieren und so auch der Zeit ein Ende bereiten.

In ›Eine Kurze Geschichte der Zeit‹ unterscheidet Stephen Hawking drei »Zeitpfeile«, wie er es nennt. Deren Darstellung trägt zu unserem Verständnis von der Zeit und ihrer Funktion bei. Sie führt uns auch von einer Konzeption der Zeit als einem Konstrukt unseres Geistes weg und hin zu einer, die physikalische Gesetze, Psychologie und Kosmologie verbindet. Die Richtung des ersten Pfeils wird durch die Thermodynamik bestimmt, durch die Geschwindigkeit, in der die Unordnung oder Entropie zunimmt. Der zweite ist der psychologische Zeitpfeil, also die Art, wie wir das Vergehen der Zeit empfinden oder wahrnehmen, unser Bewusstsein für Gegenwärtiges und unsere Erinnerung an Vergangenes. Drittens gibt es einen kosmologischen Zeitpfeil, der durch die Richtung bestimmt wird, in der sich das Universum ausdehnt. Nur wenn alle drei Pfeile in dieselbe Richtung deuten, herrschen Bedingungen für die Entwicklung einer Lebensform, die intelligent genug ist, um Fragen zu stellen. Allerdings sagt uns Professor Hawking, dass mit der Quantentheorie »eine neue Idee, die einer imaginären Zeit, eingeführt« werde, die zwar nach Science-Fiction klinge, aber »ein echtes wissenschaftliches Konzept« sei. Wenn wir uns Zeit in ihrer Laufrichtung wie die hier abgedruckten Zeilen vorstellen, dann liegt die Vergangenheit auf der linken und die Zukunft auf der rechten Seite. Die imaginäre Zeit verläuft dagegen in senkrechter Richtung. Sie ist imaginär, »weil sie nicht die Art Zeit ist, die wir normalerweise erfahren. Aber in einem Sinn ist sie ebenso real, wie das, was wir reale Zeit nennen«. So wird die Zeit durch die Richtungen der drei Pfeile und die Richtung der imaginären Zeit definiert. Und alle vier sind im physischen Universum enthalten, weshalb beides einen Anfang und ein Ende hat.

Während in der abendländischen Philosophie die Vorstellung einer linear verlaufenden Zeit vorherrscht, nahmen andere Völker, so die Maya, bei der Zeit einen zirkulären Verlauf an. Die Vorstellung basiert auf den Zeiträumen, in denen die Himmelskörper ihre Zyklen vollenden, sei es auf dem Mondmonat oder dem weitaus längeren Durchlauf von 26 000 Jahren, nach dem die Erde und die Sterne in eine bestimmte Konstellation zurückkehren. Die zyklischen Muster der Wiederkehr in der Natur scheinen diese Vorstellung zu bestätigen. Ob jahreszeitliche Zyklen auch eine Wiederkehr von Geschichte beinhalten, bleibt dabei freilich offen. Der Schriftsteller Percy Bysshe Shelley (1792–1822) glaubte zumindest daran: »Die Geschichte ist ein zyklisches Gedicht, das die Zeit in die Gedächtnisse des Menschen schrieb.« Die Zeit hat, wie Hawking uns versichert, einen Anfang, und sie wird auch ein Ende haben. »Als Schlussfolgerung ergibt sich aus dieser Lesart, dass das Universum nicht schon immer existierte. Vielmehr hatte es zusammen mit der Zeit seinen Ursprung im Urknall vor ungefähr 15 Milliarden Jahren.« Und er fügt hinzu: »Auch wenn das Universum an ein Ende gelangt, so geschieht dies frühestens in 20 Milliarden Jahren.« Hawking hat errechnet, dass das Universum vor 13,3 bis 13,9 Milliarden Jahren entstanden sein muss.

Hat unser Planet eine Zukunft?

Wie wir gesehen haben, existiert das Universum wahrscheinlich noch mindestens 20 Milliarden Jahre, ein unvorstellbar langer Zeitraum. Es wird, so sein Ende tatsächlich naht, in sich zusammenstürzen, wobei wir allerdings kaum eine klare Vorstellung haben, wie dieser Kollaps geschieht. Das sagt nichts über das Leben in unserem Sonnensystem aus, in dem alles von unserer Sonne abhängt. Möglicherweise kollabiert dieses System schon vor dem Untergang des Universums in einem Ereignis, das symptomatisch für eine größere Katastrophe sein könnte.

Die Sonne entstand erst vor 4,57 Milliarden Jahren, während sich das Universum durch den Urknall schon vor 13,3 bis 13,9 Milliarden Jahren gebildet hat. In ihrer Entwicklungsgeschichte befindet sich die Sonne augenblicklich in der Mitte der sogenannten Hauptreihe und hat Schätzungen zufolge noch eine restliche Lebenserwartung von 10 Milliarden Jahren. Aber schon in 5 Milliarden Jahren tritt sie in die Phase des Roten Riesen ein, in der sie die Erde zu vernichten droht. Schon in einer Milliarde Jahren erhitzt sie die Oberfläche der Erde so sehr, dass alles Wasser verdampft. Und damit endet das Leben.


»Wenn wir nicht untergehen wollen, müssen wir unsere alten Vorurteile abschütteln und die Erde aufbauen. Je wissenschaftlicher ich die Welt betrachte, desto weniger sehe ich für sie eine mögliche biologische Zukunft, sofern kein aktives Bewusstsein für ihre Einheit herrscht.«

Pierre Teilhard de Chardin (1881–1955)


Wenn wir die Frage nach der Zukunft unseres Planeten nicht mit Blick auf den Bestand des Universums, sondern auf den der menschlichen Lebensspanne betrachten, rücken Themen wie die Ökologie und das prognostizierte Bevölkerungswachstum in den Fokus. Zweifellos wird sich das Leben auf der Erde mit der Zeit radikal verändern. Immer mehr Tier- und Pflanzenarten sterben aus, Extremwetterlagen nehmen zu und die Versorgung der Erdbevölkerung mit Nahrung und Unterkunft wird immer schwieriger.

Prophezeiungen der Maya, die gegenwärtig Furore machen, wie auch chinesische astrologische Vorhersagen deuten auf einen Untergang der Erde schon 2012 hin. Dies hat sich, wie wir inzwischen wissen, nicht bewahrheitet. Aber auch unabhängig von den Prophezeiungen eines Kalenders sehen manche unseren Planeten unmittelbar bedroht: durch Sonnenstürme, den Einschlag eines Asteroiden, einen Unfall im europäischen Teilchenbeschleuniger CERN, den Ausbruch eines Supervulkans oder durch Veränderungen im Erdmagnetfeld.

Mit solchen möglichen Gefahren befassen sich gegenwärtig Organisationen wie die NASA, das Forschungsinstitut Armagh Observatory in Irland oder das Centre of Astrobiology an der Cardiff University in Wales. Niemand weiß, wann sich eine solche Katastrophe ereignen könnte. Der britische Schriftsteller Douglas Adams (1952–2001) entwarf mit mehr Verantwortungsbewusstsein ein realistischeres Szenario: »Wir müssen die Welt nicht retten. Die Welt ist groß genug, um allein zurechtzukommen. Sorgen müssen wir uns darum, ob die Welt, in der wir leben, uns noch versorgen kann.«

Wem gehört das Universum?

Im April 2007 strahlte BBC 2 die Sendung ›Horizon‹ aus, die sich mit dem Unternehmer Dennis Hope aus Nevada befasste. Hope hatte in dem 1967 in Kraft getretenen Weltraumvertrag der Vereinten Nationen angeblich ein Schlupfloch entdeckt und erhob Eigentumsansprüche auf den Erdmond sowie auf sieben Planeten und deren Monde. Er berief sich darauf, dass es sich um »wahrhaft herrenloses Land handelt. Wir tun genau das, was unsere Vorfahren taten, als sie vom europäischen Kontinent aus in die Neue Welt gelangten«. Unternehmen, Hollywood-Stars, Hotelketten und drei ehemalige US-Präsidenten erwarben von ihm bereits Landparzellen auf dem Mond. 2007 hatte er mit diesen Verkäufen bereits neun Millionen Dollar verdient. China und Russland sollen erwogen haben, ebenfalls Ansprüche auf Boden im Weltall anzumelden. Bei diesen Vorstößen sind natürlich kommerzielle Interessen im Spiel: Im Tagebau ließe sich – mit einem gewaltigen Profitpotenzial – auf der Mondoberfläche das seltene Gas Helium-3 gewinnen, das als Quelle für saubere, emissionsfreie Energie nutzbar ist.

Im Internet bieten bereits zahlreiche Agenturen Sterne zum Verkauf an. Auch kann man einem Stern gegen Entgelt nach sich benennen lassen und ihn so angeblich »in Besitz nehmen« – glatter Betrug. Die Leitlinien der International Planetarium Society zur Benennung von Sternen sind deutlich: »Wissenschaftler erkennen die Namen von Sternen an und gebrauchen sie, wenn sie von Astronomen seriöser wissenschaftlicher Einrichtungen veröffentlicht wurden. Die Internationale Astronomische Union, der weltweite Verband astronomischer Gesellschaften, akzeptiert und gebraucht nur solche Namen. Diese werden niemals verkauft.«

Was Besitzverhältnisse und womöglich eine Inbesitznahme angeht, kann man nur auf ein internationales Abkommen hoffen, ähnlich wie es für die Arktis und die Antarktis besteht, und das nur eine Nutzung für wissenschaftliche Zwecke zulässt. Aber unabhängig von Ansprüchen auf Boden im Weltall bleibt die Frage: Wem gehört das Universum?

Den Großteil der Geschichte hindurch galt das Universum als das Reich der Götter, von denen manche mit bestimmten Planeten in Verbindung standen, so der Kriegsgott Mars und die Liebesgöttin Venus. Die Götter, so schien es, bevölkerten den Himmel wie Filmstars und -sternchen Hollywood. Erst den Juden verdanken wir einen Schöpfungsmythos, der dem einzigen Gott die Gesamtverantwortung für das Universum übertrug, was denn auch für Christen und Muslime maßgebend wurde. Gott als Schöpfer des Universums war auch dessen Besitzer. Für Hindus und Buddhisten stellt sich diese Frage kaum: Denn erstens sind für sie alle Phänomene Konstrukte des Geistes und zweitens geht das sichtbare Universum nach schier endlos langer Zeit durch einen Verfall seinem Untergang entgegen, um anschließend neu zu erstehen. Hier ist anzumerken, dass die Art Fragen, wie wir sie hier erörtern, zu den 14 unbeantwortbaren gehören, über die sich Buddha ausschwieg. Spekulationen über sie, so lehrte er, verursachten »Fieber, Unwohlsein, Bestürzung und Leiden«. Hier mögen manche dem Buddha zustimmen, der auch die Frage nach dem Besitz des Weltalls auf seine Liste setzen könnte.

Der Politiker und Philosoph Michel de Montaigne (1533–1592) wies auf etwas Wesentliches hin: »Das Beste in der Welt ist das Wissen, wie man sich selbst gehört.« Erst dann können wir uns das Universum zu eigen machen.

Können wir uns im Universum »zu Hause« fühlen?

Für manche ist der Kosmos entweder ein unermesslicher und bedrohlicher Raum oder etwas, das »einfach da ist« und das man bei einem gelegentlichen Blick in den Himmel wahrnimmt, das aber ansonsten bedeutungslos ist. Da unser Geist endlich ist und unsere Lebensspanne kaum ein Blinzeln des kosmischen Auges währt, überrascht es nicht, dass uns die Vorstellung von einem endlosen und schon immer da gewesenen Universum eher befremdet. Wir können gut nachvollziehen, was der Mathematiker und Philosoph Blaise Pascal (1623–1662) sagte: »Die ewige Stille des endlosen Raumes erfüllt mich mit Schrecken.« Auch wenn wir die Erkenntnisse der modernen Astrophysik in unser Verständnis des Universums einbeziehen, geht es vielen wie dem amerikanischen Physiker Stephen Weinberg (* 1933): »Je fassbarer das Universum wird, desto sinnloser erscheint es.« Wenn wir für das Universum keinen Sinn erkennen können, wie dann für uns selbst?

Traditionell fühlten sich die Menschen nur mithilfe der Religion im Universum zu Hause, in einem Reich, das irgendwie mit dem Himmel, unserer Bestimmung für die Ewigkeit, in Verbindung steht. Der Glaube, dass ein gütiger Gott den Kosmos erschaffen habe und dass der Mensch Teil dieser Schöpfung sei, gab beiden einen Sinn. Der Anthroposoph Rudolf Steiner (1861–1925) lehrte, dass wir mit dem gesamten Kosmos verwoben seien, auch durch die physische Struktur unseres Körpers. Demnach können wir uns nur dann im Universum zu Hause fühlen, wenn wir unsere einzigartige Bedeutung erkennen. In der Einführung zu einer englischsprachigen Ausgabe Steiners mit dem Titel ›At home in the Universe‹ (›Zu Hause im Universum‹) schreibt Paul Margulies: »Die Erde ist nicht unser Zuhause. Unser wahres Zuhause ist das Reich der Sterne … Ohne ein Gefühl dafür, dass wir spirituelle Wesen sind, fühlen wir uns weder in der Sternenwelt noch hier auf der Erde wohl.«


»Die Seele kennt im modernen Kosmos kein Zuhause.«

Richard Tarnas (* 1950)


Brauchen wir also einen religiösen Glauben, um uns im Universum zu Hause fühlen zu können? Der amerikanische Physiker David Bohm (1917–1992) vertrat den Standpunkt, dass »der Mensch in gewisser Weise ein Mikrokosmos des Universums ist. Was den Menschen ausmacht, weist so auf das Universum hin. Wir sind vom Universum umfangen.« Diese Erfahrung des »Umfangenseins« setzt keine Religiosität voraus. Viele erfahren den Kosmos ästhetisch anhand dessen, was am Himmel beobachtbar ist. Je mehr die Wissenschaft von seinem Ursprung und seiner Natur offenlegt, desto mehr Ehrfurcht und Staunen löst er in den meisten von uns aus. Wie der Dichter William Wordsworth (1770–1850) erreichen wir so vielleicht:

Ein Gefühl fürs Erhabene,

Von etwas, das weitaus tiefer verwoben ist,

dessen Behausung das Licht untergehender Sonnen ist,

Und der runde Ozean und die Atemluft,

Und der blaue Himmel, und der Geist des Menschen.

Wir sind, so scheint es, darauf zurückgeworfen, ein Bewusstsein für das Ganze zu entwickeln, insbesondere auf das unserer selbst und auf Selbsterkenntnis: Je mehr wir über uns wissen, von uns verstehen und mit uns im Einklang sind, desto mehr empfinden wir uns als natürlicher Teil des Ganzen.

Spielt es eine Rolle, ob wir im Universum allein sind?

Im 16. Jahrhundert schrieb der italienische Mönch, Philosoph, Mathematiker und Astronom Giordano Bruno (1548–1600): »Im Weltraum kreisen zahllose Erden um andere Sonnen. Vielleicht leben auf ihnen Wesen, die denen auf der Erde des Menschen ähnlich oder ihnen vielleicht sogar überlegen sind.« Nicht überraschend wurde Bruno – im Jahr 1600 – auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Im Jahr 1900 setzte die Pariser Akademie der Wissenschaften das Guzman-Preisgeld von 100 000 Francs auf »eine Person jedweder Nation aus, die in den nächsten zehn Jahren eine Möglichkeit entdeckt, mit einem Stern in Kontakt zu treten und von dort Antwort zu bekommen«. Der Mars wurde ausgeschlossen, weil er nach damaliger Überzeugung besiedelt und eine Kontaktaufnahme so zu einfach war. Die Fragen, wie das Leben entstanden sei und ob es anderswo Leben gebe, haben bis heute nichts von ihrer Faszination verloren. Und erst in jüngerer Zeit zog dieses Thema aus dem Reich der Science-Fiction auch in die Wissenschaft ein. In einer Veröffentlichung der NASA mit dem Titel ›Leben im Kosmos‹ heißt es: »Die Suche nach Leben außerhalb unseres Heimatplaneten ist eine der spannendsten Forschungen in der Wissenschaft. Sind wir im Universum allein? Oder ist das Universum, wie unser Planet, mit einer Vielfalt an Leben bevölkert, die das Verständnis der Menschheit von sich selbst infrage stellt?« Hinweise auf Ozeane aus flüssigem Wasser wurden unter der gefrorenen Oberfläche des großen Jupitermondes Europa entdeckt. Dennoch verspricht die Suche nach Spuren von außerirdischem Leben auf dem Mars noch immer am meisten Erfolg: Hinweise auf Wasser deuten auf eine Geologie und Verhältnisse hin, wie sie ähnlich einst auf der Erde geherrscht haben. 1996 vermeldete die NASA, ein Meteorit, der vor 13 000 Jahren in der Antarktis eingeschlagen und 1984 entdeckt worden war, enthalte Mikrofossilien von Marsmikroben. Auch wenn keine Aussicht darauf besteht, Leben in unserem Sonnensystem zu finden, so existieren neben unserem Millionen weitere Sonnensysteme. Dies spricht für die faszinierende Wahrscheinlichkeit, dass auf einem Planeten, der eine ferne Sonne umkreist, Formen von Leben existieren.


»Im Weltraum kreisen zahllose Erden um andere Sonnen. Vielleicht leben auf ihnen Wesen, die denen auf der Erde des Menschen ähnlich oder ihnen vielleicht sogar überlegen sind.«

Giordano Bruno (1548–1600)


In der westlichen Welt haben uns die Philosophie und die Glaubenslehren auf die Überzeugung getrimmt, dass das irdische Leben in seiner Vielfalt einzigartig sei und dass im Kosmos allein die menschliche Spezies mit Fantasie, einem moralischen Verantwortungsgefühl, einem Geist und einer Seele mit der Fähigkeit ausgestattet sei, Aufgeklärtheit und Erleuchtung zu erlangen. Das Empfinden, im Kosmos allein zu sein, prägte unser Bild von uns selbst und bestätigte die Schöpfungsmythen, nach denen wir allen anderen Formen des Lebens überlegen seien. Die Möglichkeit, dass außerirdisches Leben, vor allem intelligentes, existiert, eröffnet unserem globalen Dorf unvorstellbar weite Horizonte. Dass wir aus dem All noch kein Signal empfangen haben, das auf Lebensformen auf einem fremden Planeten hinweist, heißt nicht, dass es keine gibt. Aber wenn dies geschähe oder wir einen anderen Beweis für außerirdisches Leben erhielten, würde diese Sensation weitere Fragen zum Sinn des irdischen Lebens und darüber aufwerfen, ob es auch außermenschliche Seelen gibt. Der »Königliche Astronom« Sir Martin Rees (* 1942) meint: »Unser Kosmos würde deutlich interessanter erscheinen. Wir würden mit einem aufgefrischten Interesse auf einen fremden Stern blicken, wenn wir wüssten, dass er als Sonne eine so hochentwickelte und komplexe Welt wie unsere bescheint.«