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Kapitel 18

Das Handy weckte ihn am Donnerstagmorgen. Das überraschte nicht. Er hatte den Wecker stellen wollen, aber das vergaß er ständig. In den letzten drei Nächten hatte er Jessie Ann in seinem Bett gehabt, und das Letzte, worum er sich Gedanken gemacht hatte, war die Zeit. Nachdem sie am Montagabend die Karaokebar verlassen hatten, hatten sie im Aufzug zu seinem Apartment zu fummeln angefangen, weil sie die Hände einfach nicht voneinander lassen konnten. Im Flur hätten sie fast gevögelt, doch sie war davongerannt, und er liebte die Jagd. Den Rest der Nacht hatten sie im Bett verbracht und einander wie verrückt zum Höhepunkt gebracht. Es war nett gewesen.

Zum Henker. Wem wollte er etwas vormachen? Es war unglaublich gewesen.

Am nächsten Abend war sie vor seiner Tür aufgetaucht, extrem beschwipst vom Champagner nach dem Dinner mit einem Kunden. Sie hatte sich von Phil bei ihm absetzen lassen. Nachdem er sie aus ihrem knappen Kleid geschält hatte, waren sie unter die Decke getaucht und hatten stundenlang »Was kraule ich jetzt?« gespielt.

Gestern Abend hatte er einen Job gehabt, der einfach nicht enden wollte, und er hatte schon geglaubt, dass er sie gar nicht sehen werde. Um zwei war er fertig gewesen und trotzdem zu ihrem Büro hinübergefahren. Es hatte ihn nicht wirklich schockiert, dass in ihrem Büro noch Licht brannte. Jetzt, wo er und Mace sich um die ganze Sicherheit für Jess’ Firma kümmerten, hatte er sich selbst eingelassen, war ins oberste Stockwerk gegangen, hatte sie sich über die Schulter geworfen und sie mit nach Hause genommen. Sie waren beide erschöpft gewesen und hatten am Ende nichts weiter getan, als sich zu küssen und zu streicheln, bevor sie eng umschlungen einschliefen.

Er hatte noch nie in seinem Leben so gut geschlafen.

Und er hatte nicht vorgehabt, früh aufzustehen, bis sein verdammtes Telefon losging.

Gähnend klappte er es auf, merkte aber schnell, dass gar nicht seines geklingelt hatte.

Als er sich umdrehte, hatte Jessie schon ihr Handy am Ohr, krabbelte übers Bett und über ihn hinweg und steuerte aufs Badezimmer zu.

Bevor die Tür zuging, hörte er nur noch von ihr: »Nein. Ich kümmere mich selbst darum.«

Sie klang nicht glücklich, aber er dachte sich, dass er schon erfahren würde, was los war, wenn sie aus dem Bad kam. Er hoffte wirklich, dass es nichts mit diesem Idiot Wilson zu tun hatte. Er ließ ihn von Mitch aufspüren. Der Löwe konnte jeden finden, wenn er es sich in den Kopf gesetzt hatte. Doch bis sie Wilson gefunden und Smitty die Gelegenheit gehabt hatte, mir ihm zu sprechen, hatte er nicht das Gefühl, dass Jessies Meute sicher war. Zumindest nicht sicher genug.

Er hörte die Dusche angehen, während der Kaffee kochte, als sein eigenes Telefon klingelte.

»Ja?«

»Hey, Mann. Hier ist Phil.«

»Ja?«

»Okay. Ein Morgenmuffel. Gut zu wissen. Egal, die Meute würde dich gern um einen Gefallen bitten.«

»Was?«

»Bleib bei Jess.«

Smittys Oberlippe zog sich zurück, während er spürte, wie seine Schneidezähne länger wurden. Hatte ihm eben wirklich ein Hund gesagt, er solle bei Jess bleiben? Meinte er damit für immer? Zwei Dinge störten ihn daran. Erstens wollte er nicht, dass die kleinen Kümmerlinge ihm irgendetwas befahlen, verdammt. Und zweitens … dieses »Für immer« klang nicht so schlimm, wie es eigentlich sollte.

»Hallo? Verdammt. Ich glaube, die Verbindung ist abgebrochen.«

»Nein. Ich bin noch da.«

»Oh. Also, kannst du das tun?«

Mit einem tiefen Luftholen: »Findest du nicht, dass das Jessie Anns und meine Sache ist?«

»Na ja, sie wird einfach nein sagen.«

Jetzt war sein Nackenfell dran.

»Was meinst du damit, sie wird nein sagen?«

»Sie wird sagen, sie brauche dich nicht.« Der kleine Kümmerling sagte das auch noch so beiläufig. Warum sollte sie ihn nicht brauchen? Sie kamen wirklich gut miteinander aus. Nervten einander nicht zu sehr – seiner Meinung nach. Und hatten unglaublichen Sex.

Verdammt. Was sollte er jetzt tun?

»Bist du noch da?«

Smitty ignorierte den verzweifelten Ton des Köters. »Wenn sie mich nicht braucht, warum versuchst du dann, es zu erzwingen?«

»Weil wir nicht wollen, dass sie allein nach Connecticut fährt. Da sie unsere Alpha ist, müssen wir ihre Wünsche befolgen. Aber du nicht. Und soweit ich das beurteilen kann, tust du das auch nicht.«

»Connecticut?«

»Ja. Wovon haben wir denn sonst eben geredet?«

Verärgert, frustriert und einfach vollkommen angepisst durch seinen Mangel an Kaffee, knallte Smitty sein Telefon zu und stürmte ins Bad.

Er riss den Duschvorhang auf und wurde mit einer schreienden Jessie belohnt.

»Was?«, wollte sie wissen, während sie vergeblich versuchte, sich mit einem Waschlappen zu bedecken – wenn er auch nicht wusste, wieso. Er hatte viele Stunden damit verbracht, sie von Kopf bis Fuß zu lecken, welchen Teil von ihr genau hatte er nicht gesehen? Und geschmeckt? Und genossen?

»Warum gehst du nach Connecticut?«

»Hast du meinem Anruf gelauscht?«

»Nein.«

Sie stieß ein bezauberndes kleines Knurren aus. »Verdammt, Phil.«

»Beantworte meine Frage.«

»Nein.«

Sie riss den Vorhang zu. Doch Smitty riss ihn einfach wieder auf.

»Warum gehst du nach Connecticut?«

»Ich muss dort etwas überprüfen. Etwas, das nichts mit dir zu tun hat.«

Sie riss den Vorhang wieder zu. Smitty riss ihn wieder auf.

Und an diesem Punkt wurde ihm irgendwie klar, dass er sich ein klein wenig lächerlich benahm, aber das hielt ihn nicht davon ab, etwas anderes zu finden, worüber er sich aufregen konnte. »Was ist das auf deinem Kopf?«

Jessie starrte ihn zornig an. »Das ist eine Duschhaube.«

»Ich wusste nicht einmal, dass ich eine besitze.«

»Sie gehört wahrscheinlich deiner Schwester. Haust du jetzt endlich ab?«

»Ich komme mit dir.«

»Einen Teufel wirst du tun.«

»Das steht nicht zur Debatte.« Er zwang sich zu einem Lächeln. »Sieh mich einfach als deinen Schutz, wenn du nicht aufpasst. Was, soweit ich das beurteilen kann, ständig der Fall ist.«

»Ich sorge dafür, dass du das bereust. Ich werde reden. Viel. Nur um dich zu ärgern.«

Smitty nickte langsam. »Also hast du die ganzen anderen Male, als du viel geredet hast, nicht versucht, mich zu ärgern?«

»Du Scheiß…, jetzt hast du es herausgefordert. Ich werde dich so was von nerven!«

Er grinste, und diesmal musste er sich nicht dazu zwingen. »Lass die Duschhaube auf. Das reicht schon.«

»Oh!« Sie schloss den Duschvorhang. »Ich hasse dich!«

»Na, na, Jessie Ann …«

»Halt die Klappe!«

»Komm schon. Ich mache nur Spaß.«

»Ach ja?« Sie zog den Vorhang wieder zurück und stand da in ihrer nackten Schönheit, bis auf die Haube und ihren Waschlappen. »Dann vögle mich, während ich die Haube trage.«

»Muss ich?«, jammerte er und war bereit zur Flucht, falls seine Überlebensinstinkte es für nötig hielten.

»Vögle mich mit der Haube, oder ich gehe allein.«

»Wenn das so ist …« Er stieg in die Dusche. »Dann muss ich wohl.«

»Es war ein Unfall.«

Jess knallte die Tür des Lieferwagens zu; sie weigerte sich, diesen Blödsinn zu glauben. »Ich rede nicht mit dir.«

Smitty schnallte sich an. »Ich weiß nicht, wie es passiert ist! Die Duschhaube ist einfach weggeflogen!«

Sie verschränkte die Arme vor der Brust. »Halt. Die. Klappe.« Dann sah sie ihn wütend an. »Und warum hast du keinen Föhn?«

»Ich brauche keinen.«

Jess strich sich die krause Lockenmähne aus dem Gesicht. »Eindeutig doch.«

»Eigentlich nicht. Ich steige einfach aus der Dusche, und meine Haare trocknen so.«

Es war sein triumphierendes Lächeln, das sie am meisten beleidigte.

Jess streckte die Hand aus. »Mütze her.«

Smitty streckte sich zum Rücksitz aus und zog eine Baseballkappe mit dem Logo des Footballteams Tennessee Titans hervor. Sie setzte sie auf, zog sie tief ins Gesicht und schob die Haare hinter die Ohren.

»Und, siehst du so vielleicht nicht teuflisch süß aus?«

Sie hatte ungebändigtes Haar, trug eine Baseballmütze eines Teams, das sie nicht einmal kannte, Smittys viel zu große Bomberjacke, weil der Mann ihren geliebten Parka so hasste, und die Klamotten vom letzten Abend, bis auf den Schlüpfer, den wieder anzuziehen sie sich geweigert hatte, da sie das schlicht ekelhaft fand. Also fand sie dieses Kompliment alles in allem verdammt unhöflich.

»Wir reden nicht weiter darüber. Du sagst mir nicht, wie süß ich aussehe. Und du besorgst dir einen verdammten Föhn. Und jetzt fahr.«

Smitty räusperte sich und startete den Wagen. »Ja, Ma’am.«

»Und ich brauche mehr Kaffee.«

»Schätzchen, ich glaube, das ist unbestreitbar.«

Die Fahrt hätte sich verdammt viel länger anfühlen müssen, denn Jessie Ann hörte die ganze Zeit eigentlich nie auf zu reden. Sie war ziemlich launisch gewesen, bis er ihr Kaffee besorgt hatte. Dann war ihre Laune gestiegen und sie hatte angefangen zu reden … und redete … und redete.

Zum Glück fand Smitty sie recht amüsant. Manchmal sogar direkt lustig. Die Frau konnte wirklich gut Geschichten erzählen. Und sie hatte eine Menge davon auf Lager.

Um die Mittagszeit, als es, wie in den Radionachrichten vorhergesagt, regnete, kamen sie endlich vor einem kleinen, ordentlichen weißen Häuschen an, das sogar einen weißen Lattenzaun besaß.

»Was ist hier?«, fragte er.

Jessie zuckte die Achseln. »Wir haben den Hacker gefunden.«

Smitty zuckte zusammen. »Was meinst du damit, ihr habt den Hacker gefunden? Welchen Hacker?«

»Wir hatten ein Hackerproblem. Und nicht zum ersten Mal. Ich kümmere mich darum.«

»Sollen wir die Cops rufen?«

»Noch nicht. Nicht, wenn es nicht sein muss.«

»Du hättest es mir sagen sollen. Ich bin darauf nicht vorbereitet.«

»Musst du auch nicht.«

Smitty sah ihr in die Augen. »Du kennst diesen Kerl?«

»Yup.«

»Jessie, das ist riskant!«

»Es ist nicht riskant.« Sie grinste. Dieses breite, unschuldige, verdammt alberne Grinsen. »Komm.«

Bevor er sie aufhalten konnte, war sie schon ausgestiegen und ging den Gartenweg entlang. Lautlos vor sich hinfluchend, folgte ihr Smitty.

Während er hinter ihr herging, öffnete sich die Vordertür. Eine Frau, nicht viel älter als er, lächelte ihnen entgegen, doch als sie Jessie erkannte, schwand ihr Lächeln.

Mehrere Augenblicke später trat sie zurück und brüllte: »Carol Marie Haier! Schwing deinen Hintern hier runter, und zwar sofort!«

Jess saß auf einem Sessel einer schmollenden Dreizehnjährigen gegenüber. Ihrer Mutter war beinahe der Kragen geplatzt, als ihr klargeworden war, dass ihre Tochter wieder zu ihren alten Gewohnheiten zurückgekehrt war. Gewohnheiten, die ihre Mutter schon einmal teuer bezahlt hatte.

Marie Haier stellte ein Glas Wasser vor Jess hin. »Sind Sie sicher, dass Sie keinen Kaffee oder sonst etwas wollen?«

»Nein danke. Nur ein paar Minuten mit Ihrer Tochter.«

Marie warf Smitty einen leicht nervösen Blick zu.

Er schenkte ihr ein träges, nettes Lächeln. »Wenn es Ihnen keine Umstände macht, Ma’am – ich hätte nichts gegen eine Tasse Kaffee einzuwenden.«

»Klar. Natürlich.« Sie wirkte erleichtert, etwas zu tun zu haben, und verließ das Zimmer.

Jess schaute Carol an. »Also, da wären wir wieder.«

»Ich weiß nicht, was Sie meinen.«

»Carol. Lassen wir die Spielchen. Wir wissen beide, wie es enden wird. Ein Anruf, und es ist erledigt.«

Sie zuckte mit den Schultern. »Tun Sie, was Sie nicht lassen können.«

»Wie wird das deiner Mom gefallen? Wenn sie wieder Anwälte anheuern und deine Geldstrafe zahlen muss? Du solltest dich einem Computer nicht einmal nähern.«

Den Blick auf den Boden geheftet, fragte Carol: »Also, was wollen Sie?«

»Die Wahrheit. Was ist passiert?«

»Es gibt da so eine Firma. In Spanien oder so. Sie haben jedem, der sich in Ihr System hacken kann, mehr als fünftausend Dollar geboten.«

Tja, das erklärte den Anstieg von Angriffen auf ihr System in letzter Zeit. Mit ihrem Team und weniger gesetzestreuen Freunden konnte Jess sich über Wasser halten. Sozusagen. Doch Carol war schon immer richtig gut gewesen. Sie konnte sich in so ungefähr alles hacken und war schon vor vier Jahren in ihr System eingebrochen. Eine Lektion, die sie nur einmal hatten lernen müssen. Vor allem, da es eine Neunjährige gewesen war, hatte die Konkurrenz jeden Moment ihrer Lage genossen. Das Gelächter war jedoch verstummt, als dieselben Firmen gemerkt hatten, dass Carol bei ihnen selbst schon vorher im System gewesen war und alles mitgenommen hatte, was sie wollte.

»Wo hattest du Zugang zu einem Computer?«

»Im Internetcafé.«

Jess nickte. »Also, während du einen von diesen fettfreien Lattes trinkst, versuchst du, in mein System einzudringen?«

»Ich wollte Ihnen nichts wegnehmen. Aber wir brauchen das Geld.«

Jess atmete hörbar aus. »Ich verstehe, Carol. Aber das ist nicht der richtige Weg.«

Carols Blick ging zwischen ihr und Smitty hin und her. »Also, was jetzt? Stecken Sie mich in den Knast?«

»Du bist dreizehn. Mehr als ein bisschen Zeit im Jugendknast kann ich mir nicht für dich erhoffen. Und vielleicht, dass dir öffentlich der Hintern versohlt wird.«

Verwirrt fragte sie: »Sie werden mich nicht anzeigen?«

»Nein. Ich glaube nicht, dass deine Mutter das verdient hat. Du etwa?«

Smitty trank dünnen Kaffee und würgte einen trockenen Muffin hinunter, denn so war er erzogen worden. Nachdem Marie Haier zwanzig Minuten nervös um sie herumgeflattert war, sagte Jess, dass sie gehen würden. Sie verabschiedete sich von dem Mädchen, und Marie begleitete sie zu ihrem Wagen.

»Das alles tut mir so leid.«

»Das muss es nicht. Man kann nicht viel tun, wenn man ein Genie als Tochter hat.« Jess öffnete die Beifahrertür. »Und wie läuft’s bei der Arbeit?«

Marie zuckte die Achseln und sah dabei genauso aus wie ihre Tochter. »Nicht schlecht.«

»Arbeiten Sie immer noch im Supermarkt?«

»Ja.«

»Haben Sie mal über Büroarbeit nachgedacht?«

»Äh … klar.«

»Meine Assistentin wird Sie anrufen. Wir bauen gerade ein System für Lathan Industries auf. Sie haben ihren Firmensitz nicht weit von hier. Sie expandieren, und ich denke, da gäbe es offene Stellen, wenn Sie interessiert sind. Sie würden Sie firmenintern ausbilden.«

Smitty konnte sehen, dass Marie sich größte Mühe gab, nicht zu aufgeregt zu sein. Sie war schon früher enttäuscht worden. Oft, konnte er sich vorstellen. »Ja, ich bin interessiert.«

»Gut. Meine Assistentin ruft Sie heute noch wegen der restlichen Informationen an.«

»Danke.«

»Kein Problem.«

Jessie stieg ein und schloss die Tür.

»Danke für den Kaffee und den Muffin, Mrs. Haier.«

Sie lächelte Smitty an. »Gern geschehen.«

Smitty stieg ein, startete den Motor und fuhr los. Sobald sie um die Ecke waren, rief Jessie im Büro an. Als Erstes sprach sie mit Phil. Das war wahrscheinlich das seltsamste Gespräch, das er seit Langem gehört hatte.

»Die Spanier haben ihre Armada geschickt, um uns zu vernichten. Ja. Es ist Zeit, die Flotte zu rufen. Ich will, dass sie verdammt noch mal bis Ende nächster Woche aus dem Wasser gebombt sind. Gut. Danke, Admiral.«

Als er an einer Ampel einen Blick zu ihr hinüberwarf, schenkte sie ihm wieder ihr breites Hundegrinsen, bevor sie dann ihre Assistentin anrief. Das war zum Glück ein viel normaleres Gespräch. Jessie ging Neuigkeiten mit ihr durch, gab Anweisungen, wen sie zurückrufen und wen sie ignorieren sollte. Als sie fertig waren, instruierte Jessie ihre Assistentin, den Geschäftsführer von Lathan Industries zu kontaktieren und ihn daran zu erinnern, wie er einmal gesagt hatte: »Ich schulde Ihnen etwas.« Jetzt war es Zeit für ihn zu zahlen.

Sie klappte das Telefon zu, und Smitty hielt an der nächsten Ampel. »Ich kapier’s nicht.«

»Was denn?«

»Warum hilfst du den Haiers?«

»Diese arme Frau ist zum Glück genauso Durchschnitt wie wir alle. Und sie hat eine Tochter mit einem IQ von hundertfünfundneunzig.«

Smitty stieß den Atem aus. »Wow!«

»Sie hat keine Ahnung, was sie mit ihr machen soll. Und die Kleine ist verbittert, weil ihr alter Herr abgehauen ist. Blablabla. Ich kann dir sagen, nichts ist schlimmer als ein gelangweiltes, verbittertes Genie.« Jess steckte ihr Handy zurück in die Jackentasche. »Ich stelle mir das so vor, dass wir erst die Mutter auf die Reihe bekommen. Dann können wir das Kind in ein Programm stecken, das ihr Hirn beschäftigt hält. Und wenn sie achtzehn ist – dann gehört dieses Gehirn mir.«

Er sah sie überrascht an. »Was?«

»Die Kleine wird meiner Firma ein Vermögen einbringen. Ich muss sie nur lange genug aus dem Gefängnis heraushalten.« Sie schnaubte. »Was? Dachtest du, ich tue das alles aus Herzensgüte?«

»Na ja … schon. Dachte ich.«

»Sie ist kein herrenloses Hündchen, Smitty.«

»Hündchen. Kinder. Für dich ist das ein und dasselbe, wenn sie etwas brauchen.«

Sie grinste. »Sei still.«

Er streckte einen Arm nach ihr aus. »Komm her, Schätzchen. Lass dir von dem alten Smitty zeigen, wie sehr du geschätzt wirst.«

»Halt die Klappe«, sagte sie wieder und schlug nach seinem Arm.

Lachend bog Smitty auf den Highway ein. Und als sie aus der Stadt fuhren, brach die Wolkendecke auf.