Fragen

 

Zuhörer: Ich habe noch eine Frage. Ich sehe da noch einen Widerspruch in der Fixierung auf das gegengeschlechtliche Elternteil und diese biologische Hemmung, von der du vorhin gesprochen hast. Ist das ein Widerspruch oder ist das keiner? Wofür ist denn diese Fixierung überhaupt gut? Sie ist ja voll überflüssig.

 

Jedenfalls ist es nicht gut, so zu tun, als gäbe es dieses Phänomen nicht. Es ist eine biologische, vor allem aber auch eine spirituelle Tatsache. Es hat auch was mit Dankbarkeit für das Geschenk des eigenen Lebens zu tun.

 

Zuhörer: Aber was wäre denn, wenn dieses Inzest-Tabu nicht in der Gesellschaft da wäre?

 

Dann könnte man diese Anziehung thematisieren. Dann würde man in dem Moment, wo es zwischen Mutter und Sohn knistert, nicht wegschauen, sondern sagen: „So, das ist der Moment, bei dem es darum geht, diese angeborene Lebenskraft zu einer gemeinschaftsfördernden Kraft zu transformieren.“ Ohne diese Umwandlung bleiben wir in dem falschen Bild von Liebe stecken, das mit der Behauptung einhergeht, Lieben wäre das Gleichgewicht von Geben und Nehmen. In Wahrheit ist das die Schutzbehauptung von Menschen, die in der Haltung leben: Erst einmal muss ich bekommen, bevor ich selbst geben will, bzw.: Alles was ich jetzt gebe, gebe ich in Wahrheit nur, um etwas zu bekommen.

 

Zuhörer: Aber selbst, wenn dieses Ritual vollzogen werden würde, ist ja trotzdem diese Assoziation noch da. Also diese Assoziation würde nicht gelöst werden.

 

Der entscheidende Punkt ist: Bin ich angenommen von meiner Mutter oder einer meine Mutter repräsentierenden Kraft? Von da an kann ich mich der übrigen Welt öffnen. Solange ich dieses Angenommensein nicht habe, bin ich nicht bereit, irgendjemand anderem in der Welt meine Kraft zu geben, selbst meiner Ehefrau nicht, selbst dann nicht, wenn sie schon fünf Kinder von mir hat.

 

Zuhörer: Also besteht die erste Aufgabe der Frau darin, einen Mann zu finden, der sie an ihren Vater erinnert sozusagen.

 

Unbewusst geschieht es ohnehin so, dass wir in den ersten längeren Beziehungen erst die eigenen Elternstrukturen wiederholen. Der männliche Partner hat die Verhaltensweisen des Vaters, die Frau die der Mutter, deswegen findet er sie auch irgendwann absolut fürchterlich. Ich habe denselben Stress mit ihr wie mein Vater früher.

Ich sollte hier vielleicht noch einmal an den Unterschied zwischen Körperbewusstsein und Denken erinnern. Wir Menschen besitzen zwei Arten von Bewusstsein und können uns nur in einer von beiden befinden. Sie schließen sich beide aus. Das, was wir Verstand, Vernunft nennen, diesen Zustand, wo wir ständig am Denken, Grübeln sind und glauben, wir können in diesem Zustand irgendetwas verstehen, ist genau genommen ein Wahnzustand. Eine direkt wahrhafte Wahrnehmung ist nur möglich als direkte Erfahrung unserer Sinne. Und auf dieser Ebene besitzen wir unendlich viel mehr Fähigkeiten, als unser Verstand sich je vorstellen könnte. Dieser andere, körperliche Zustand ist eine Art energetisches Kontinuum, in dem auch alle unsere Handlungen spontan und angemessen sind. Dieser Zustand ist nicht nur Schamanen, Mystikern und Erleuchteten zugänglich, sondern wir benutzen ihn alle immer wieder auch im Alltag, z.B. wenn man feststellt: Ich habe da gerade intuitiv gehandelt.

Ich nenne es hier schlicht „Körperbewusstsein“. In diesem jederzeit verfügbaren Zustand kann ich als Frau wahrnehmen, dass die Gegenwart eines bestimmten Mannes meinen Körper entspannt. Wenn ihr es genau wissen wollt: Es geht über die Wahrnehmung der Muskelspannung der eigenen Gebärmutter. Eine Frau kann über ihren Körper wahrnehmen, welche Qualitäten ein Mann mitbringt. Das kann sie nur über den Körper wahrnehmen. Allerdings gibt es nicht wenige Frauen, die bereits aufgrund von Missachtung dieser Wahrnehmung Traumatisierungen erlitten haben, die dann genau diese Wahrnehmungsfähigkeit benutzen, um wieder Männer zu erwählen, die sich auf dieselbe verletzende Art ihr gegenüber verhalten werden, weil es in unserem Geist die Tendenz gibt, schmerzhafte Erfahrungen so häufig zu wiederholen, bis sie erlöst werden. Das wäre Thema eines eigenen Vortrages. Also eine Frau, die frei von traumatischen Erfahrungen ist, kann sehr klar und präzise andere Männer beurteilen, und instinktiv entscheidet ihr Körper. Die Entwicklung, bzw. das Erkennen und Üben dieser Wahrnehmungsfähigkeiten ist Teil der Männer- und Frauen-Jahresgruppen, die ich anleite.

 

http://www.wegmitherz.de/html/jahresgruppen.html

 

Zuhörer: Dann könnte es nach dem, was du gesagt hast, für die Frau auch problematisch sein, bei der Geburt zum Beispiel, wenn der Vater nicht in der Lage ist, ein Gefühl von Schutz und Geborgenheit zu geben oder einfach ängstlich ist? Wenn der leibliche Vater zum Beispiel bei der Geburt dabei wäre und die Frau sich bei der Geburt komplett hingeben müsste und der Mann nicht in der Lage ist… Erschwert das für die Frau die Geburt?

 

Tatsächlich kann die Geburt für die Frau leichter sein, wenn der Mann nicht dabei ist. Unter guten Bedingungen. Im Krankenhaus ist es eh schon so schlimm. Aber vor allem ist es für eine Geburt hilfreich, wenn eine andere Frau dabei ist, die selber schon mal geboren hat, die ihr das Gefühl geben kann: Das kann man überleben. Das ist ganz etwas anderes, als wenn die Leute im Krankenhaus hinter dir stehen und dich bearbeiten: „Nehmen sie doch endlich die Schmerzmittel, sie schaffen es doch sowieso nicht alleine!“ Die Frau braucht auf jeden Fall ihre ganze Energie für die Geburt. Wenn sie sich dann noch Sorgen macht, wie es dem Mann geht, weil er doch so ängstlich ist und Schmerz und Ohnmacht schlecht ertragen kann... Ich würde einer Frau vor allem wünschen, dass sie ihr Kind im Kreis von Frauen gebären kann.

 

Beim letzten Vortrag habe ich an ein afrikanisches Begrüßungsritual für Neugeborene erinnert, das darin besteht, dass die Kleinkinder des Dorfes zur Geburt dazu geholt werden. Wenn dann der Säugling das erste Mal ein Geräusch von sich gibt, haben die anderen Kinder die Aufgabe, ganz wild und laut zu schreien, um ihren neuen Gefährten zu begrüßen. Seit dem letzten Mal verfolgt mich das, dass ich denke, dieses Spiel sollte man öfter mal machen. Wenn ich ganz ehrlich bin, finde ich mich ja immer wieder in Situationen, wo ich mich so hilflos fühle wie ein Neugeborener und wo mir die Aufmunterung der anderen Leute guttut.

Wer fühlt sich jetzt noch in der Verfassung? Wer mag mal ein klägliches Geräusch von sich geben?

 

---Klagelaute, Begrüßungsschreie---