Vorwort

 

Mit diesem Vortrag folge ich der Einladung einer Schülerin von mir: Sie bat mich, meine Behauptung, Sexualität sei kein natürliches menschliches Bedürfnis, einmal in einem größeren Kreis auszuführen. Sie ist Grafikerin und hat auch die Plakate für meine Vorträge gestaltet und gedruckt. Leider ist sie selbst nun nicht da, konnte mir aber vorhin noch berichten, dass fast alle Plakate, die mit diesem Titel gedruckt wurden, in kurzer Zeit zerrissen wurden. Man kann allein daran sehen, wie schwierig und schmerzhaft dieses Thema offensichtlich ist.

Dieses Thema berührt unsere Intimsphäre, unser Verletzlichstes. Der Bereich der Sexualität ist so empfindlich, dass bereits verbale Verletzungen dauerhafte, mitunter lebenslange Folgen nach sich ziehen können. Wenn man sonst den Begriff Trauma meist mit körperlichen Erfahrungen in Zusammenhang bringt, so sind im Bereich der Sexualität dauerhafte Traumatisierungen bereits durch sprachliche Verletzungen möglich.

 

Etwas genauer formuliert lautet die Kernaussage meines Vortrags: „Nicht Sexualität ist ein grundlegendes menschliches Bedürfnis, sondern die Erfahrung von Geborgenheit durch schützenden, beruhigenden Hautkontakt.“ Nicht in Frage gestellt werden soll damit die Tatsache, dass wir von Geburt an sexuelle Wesen sind und eine erfüllte Sexualität grundlegender Bestandteil einer zufriedenstellenden Lebensführung ist.

Als Heilpraktiker für Psychotherapie arbeite ich vor allem in den Bereichen „Trauma-, Sucht- und Sexualtherapie“. Wenn ich mit einem der drei Problembereiche zu tun habe, habe ich immer auch mit einem der beiden anderen zu tun. Und die Depression, verdeckt oder offen, ist selbstverständlich auch immer mit im Boot.

 

Wenn wir nicht für unsere eigentlichen Bedürfnisse sorgen können und grundlegenden Mangel durch Ersatzhandlungen betäuben, ohne ihn beheben zu können, haben wir das Grundmuster einer Sucht. Auf der Suche nach dem eigentlichen, ursprünglichen Mangel sind uns meist traumatische Erfahrungen im Wege.