18

Bertha war gerade beim Öffnen der eingegangenen Post, als ich hereinspazierte.

»Na, was hast du ausgerichtet, Donald?« fragte sie gleich.

»Wir haben die zweitausend Dollar extra verdient.«

»Hat er denn gezahlt?«

»Wird er noch.«

»Wo ist er jetzt?«

»Als ich ihn zuletzt sah, fiel ihm gerade das Abendessen aus dem Kopf.«

»Donald, was redest du da für ein Blech?«

»Über unseren Klienten spreche ich.«

»Du bist also von ihm weggegangen?«

»Klar.«

»Nachdem du Mrs. Wells gefunden hattest?«

»Hm-hm.«

»Was hast du dir denn dabei gedacht?«

»Ich dachte, es sei besser, wenn wir unsere Schlußbesprechung hier alle zusammen abhielten.«

»Warum?«

»Weil ich es richtiger finde, daß er den endgültigen Abschluß mit dir macht, Bertha.«

»Weshalb denn?«

»Ich habe ja die Neigung, in Geldsachen ein bißchen lax zu sein.«

»Das kann man wohl behaupten! Du würdest dein Hemd vom Leibe verschenken und die Manschettenknöpfe obendrein, wenn dich jemand nur darum bittet.«

»Na ja, bleib du jetzt schön hier, Bertha. Corning wird wie ein Orkan hereingefegt kommen, in maßlosem Zorn. Wird uns beschuldigen, wir hätten ihn übers Ohr gehauen. Er wird so wütend sein, daß du seine Zähne knirschen hörst.«

»Und was soll ich dann machen?«

»Die zweitausend kassieren.«

»Hältst du das unter diesen Umständen etwa für eine leichte Aufgabe?«

»Willst du lieber den Vertrag zerreißen und ihm die Stücke zurückgeben?« fragte ich. »Möchtest du etwa..?«

»Was soll dieser Unsinn, Mann!« schrie Bertha. »Selbstverständlich will ich die zweitausend Piepen haben!«

»Ganz, wie ich’s mir dachte.«

»Na, und wie soll ich das anfangen?«

»Hör zu. Er kommt also feuerspeiend ’rein..«

In diesem Moment sprang die Tür auf wie unter dem Druck eines Tornados: Ins Zimmer marschiert kam Mr. Corning, gefolgt von einem kleinen Mann mit Kugelbäuchlein, kahlem Kopf, Glotzaugen und einer Aktenmappe.

»Ihr Schurken!« brüllte Corning. »Ihr...«

»Mal Ruhe«, sagte der kleine Dicke.

Corning unterbrach seine Verbalinjurien, aber er kochte vor Wut.

»Mrs. Cool, wenn ich nicht irre?« sagte der Dicke zu Bertha.

Sie nickte.

»Und Sie sind Mr. Lam?«

Ich nickte gleichfalls.

Der Begleiter Mr. Cornings öffnete seine Aktenmappe und entnahm einem Kartentäschchen zwei Geschäftskarten, von denen er die eine Bertha, die zweite mir überreichte. Ich las: »Gaston Lavierre DuBois, Rechtsanwalt.«

»Freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. DuBois«, sagte ich und begrüßte ihn mit Handschlag.

»Ich suche Sie auf im Interesse meines Klienten Mr. Corning«, sagte der Anwalt, »und zwar, um Sie davon in Kenntnis zu setzen, daß die zweitausend Dollar, die Sie verlangen, nicht gezahlt werden.«

»Weshalb nicht?« fragte ich.

»Mrs. Wells war tot. Meinem Klienten ging es um bestimmte Schürfrechte für Mineralien. Deshalb wünschte er Mrs. Wells zu finden. Und das wußten Sie.«

»Wieso wußte ich das?« gab ich zurück.

»Bestimmt haben Sie es gewußt«,, antwortete DuBois. »Mein Klient berichtete mir, daß er es bei seinem ersten Besuch hier zu Mrs. Cool gesagt hat. In einem Unternehmen mit zwei Partnern, wie Sie es haben, wird die Kenntnisnahme von geschäftlichen Dingen durch den einen auch für den zweiten vorausgesetzt.«

Ich wandte mich mit gespielter Überraschung an Bertha Cool »Hatte Mr. Corning nicht ausdrücklich abgestritten, Interesse an Schürfrechten auf dem fraglichen Grundstück zu haben, als er uns zur Suche nach Mrs. Wells engagierte?«

»Und ob er das getan hat!« sagte Bertha. Ich merkte ihr an, daß sie kurz vor dem Explodieren war.

DuBois sah sich nach Corning um, der etwas hinter ihm stand, und fragte ihn: »Das haben Sie doch hier gewiß nicht zum Ausdruck gebracht, Corning?«

»Nein.«

Ich lächelte ihn schief an. »Ein Mann, der sein Wort hält«, sagte ich, »ein echter Gentleman aus Texas! Hatte nicht nötig, eine Vereinbarung zu unterschreiben. Sein Wort bürgte voll und ganz für jede Verpflichtung.«

Er wurde rot unter meinem verächtlichen Ton, blieb aber bei seinem Protest. »Nie im Leben habe ich bei diesen zwei Gaunern so etwas geäußert. Ich habe nur bei Mrs. Cool ganz allgemein erwähnt, ich wollte ein Geschäft, das sich um Schürfrechte dreht, vorbereiten.«

»Hast du die schriftliche Abmachung zur Hand?« fragte ich Bertha, ehe sie losplatzen konnte.

Sie reichte mir das Dokument.

»Mr. DuBois, Sie sind doch Rechtsanwalt«, sagte ich. »Ein schriftlicher Vertrag schließt die vollkommene Übereinstimmung der Kontrahenten über den Inhalt des Vertrages in sich. Man kann ihn nicht einfach abändern durch irgend etwas, was vor seinem Abschluß gesagt wurde. Habe ich recht?«

DuBois rieb sich bedächtig mit der Handfläche über den Kopf, ohne zu antworten.

»Na also«, fuhr ich fort, »nun hören Sie bitte gut zu.« Ich las ihm die Vereinbarung vor.

Als ich fertig war, fragte er Corning: »Das haben Sie unterschrieben, ja?«

»Gewiß, das habe ich«, antwortete Corning, »aber zu einer Zeit, als ich glaubte, sie sei am Leben und..«

»Haben die Partner Ihnen gesagt, daß sie am Leben sei?« fragte ihn DuBois.

»Das brauchten die nicht, denn sie wußten ja genau, daß ich glaubte, sie sei am Leben. Dieser Lam ist doch gleich gestern morgen zur Wohnung von Wells gesaust und hat die Frau, die ich für Mrs. Wells hielt, veranlaßt, mit ihm wegzufahren.

Ich hatte der nebenan wohnenden Mrs. Raleigh Geld gegeben, damit sie genau beobachtete, was auf dem Wellschen Grundstück vor sich ging! Und dann...«

»Moment mal«, unterbrach ihn DuBois. »Sie sagen, Mrs. Wells sei mit Mr. Lam fortgefahren?«

»Ganz recht.«

»Aber sie war doch tot. Sie...«

»Mit der Frau, die ich für Mrs. Wells hielt«, wiederholte Corning.

»Wieso konnten Sie sie für Mrs. Wells halten?«

»Nun, ich... Mrs. Raleigh sagte mir, sie sei es.«

»Betätigte sich Mrs. Raleigh für diese Agentur?« fragte DuBois.

»Aber nein doch, für mich!« erwiderte Corning.

Ich lächelte den Rechtsanwalt an, der freilich mein Lächeln nicht erwiderte.

»Mr. Corning, hat Ihnen entweder Mrs. Cool oder Mr. Lam gesagt - bevor Sie dies unterschrieben -, daß Mrs. Wells am Leben sei?« fragte DuBois weiter.

»Das haben sie, glaube ich, nicht gesagt«, antwortete Corning, »aber sie wußten ja, was ich dachte.«

»Wieso wußten sie das?«

»Na... Ach, zum Donnerwetter, das mußten sie doch an meinem ganzen Verhalten erkennen!«

»Wir sind keine Gedankenleser«, sagte ich zu dem Anwalt. »Er wollte Mrs. Wells erreichen, und wir erklärten uns bereit, sie zu suchen. So steht es in der Vereinbarung, die wir beiderseits schriftlich bestätigten.«

DuBois überlegte kurz, dann wandte er sich mit einem aus der Tiefe seines Bäuchleins kommenden Seufzer an Corning. »Schreiben Sie einen Scheck über zweitausend Dollar aus.«

Corning begann zu stottern wie die Maschine eines Motorrads in kalter Morgenstunde, doch der Blick des Anwalts genügte: Er griff nach seinem Scheckheft.

»Zu einer Besprechung über das Uran auf dem Land da draußen stehe ich Ihnen jederzeit zur Verfügung«, sagte ich. »Da müßten Sie sich schon an mich wenden.«

Corning ließ seinen Füllhalter auf den Schreibtisch fallen. »Wieso an Sie?« Ich nickte nur.

»Was soll das heißen?«

»Yvonne Clymer«, erwiderte ich, »starb ungefähr einen Tag früher als Aaron Bedford. Den Rechtsanspruch auf das uranhaltige Stück Land hat laut Testament Miss Lucille Patton in Sacramento. Ich bin durch Miss Patton schriftlich bevollmächtigt, jedes beliebige Rechtsgeschäft im Zusammenhang mit dem in Frage stehenden Grund und Boden durchzuführen.«

Corning blickte mich an wie ein Hypnotisierter.

Ich schritt an ihm vorbei aus dem Zimmer, begab mich in mein Privatbüro und rief Sacramento an.

Bald hatte ich Lucille Patton am Apparat.

»Wenn Sie einen Haufen Kies einharken wollen, nehmen Sie am besten die Maschine, die mittags ohne Zwischenlandung hierher fliegt«, sagte ich. »Ich werde Sie um zwei Uhr fünfundzwanzig auf dem Flugplatz abholen.«

»Was meinen Sie mit einem >Haufen Kies<?«

»Ich will einen günstigen Vertrag über Ihren uranhaltigen Landbesitz vorbereiten.«

»Mein Land und — Uran?«

»Sehr richtig«, bestätigte ich. »Ich werde sehen, daß ich eine Pauschalsumme als Anzahlung und zur Sicherung der sonstigen Ansprüche bekomme und nachher auf garantiert monatliche Tantiemen sowie einen Prozentsatz vom Reingewinn abschließen kann.«

»Wollen Sie mich verkohlen?«

»Ich kläre Sie nur über die tatsächliche Situation auf«, gab ich zurück.

»Donald, ich komme mit dem Mittagsflugzeug!«

»Nicht vergessen, daß Sie zum Dinner verabredet sind«, erinnerte ich sie.

»Nein, nein. Und wie gern, Donald!«

Gerade als ich auf legte, flog meine Zimmertür auf. Bertha Cool stand in voller Empörung auf der Schwelle.

»Sag mal, was erlaubst du dir eigentlich, auf einen Menschen

einzureden, wenn er gerade einen Scheck für uns unterschreiben will?« tobte sie.

»Was ist denn los? Hat er etwa nicht unterschrieben?« fragte ich mit harmloser Miene.

»O ja, das hat er. Aber mir geht es hier um ganz Prinzipielles, verstehst du! Überhaupt nicht mucksen soll man und keine Silbe reden, wenn ein Klient Schecks unterschreibt, das weißt du genausogut wie ich! Aber du mußtest ausgerechnet in so einem Moment den Corning verbiestern, und dann marschierst du einfach ab! Corning war doch so entgeistert, daß er seinen Füllhalter fallen ließ, bevor er unterschrieben hatte. Ich hätte dich umbringen können!«

»Aber unterschrieben hat er doch, nicht wahr?«

»Ja, hat er, und dann wurde er sanft wie Butterkrem«, berichtete mir nun Bertha. »Mehrere Minuten lang hielt er mir einen Vortrag, was für ein Erzfilou du wärst und welches Vergnügen es ihm gewesen sei, mit uns zu arbeiten. Er möchte dich so gern zum Essen einladen und wartet noch bei mir drüben auf deine Zusage.«

»Bestelle ihm, daß ich bereits verabredet bin. Ich will zum Flughafen, um eine Bekannte aus Sacramento abzuholen.«

»Dann bist du wohl da am Freitag gewesen?« fragte sie. »Donald, hast du etwa auch dem Frauenzimmer in Sacramento verliebte Schafsaugen gemacht?«

»An dem Tage habe ich Miss Patton zum ersten Male persönlich gesehen«, antwortete ich kühl und steif.

Bertha blickte streng auf mich herab, denn ich saß ja, und sie stand. »Corning ist ein Klient, Donald, mit dem wir ein Geschäft machen werden. Er kommt uns mit dem Ölzweig entgegen. Deine Miss kann sich ruhig ein Taxi nehmen. Also los, Corning wartet.«

»Corning«, sagte ich, »hat mir erklärt, als Privatdetektiv sei ich für ihn geradezu lachhaft, und ich habe ihm schon einmal gesagt, von mir aus könnte er lachend sterben. Das darfst du ihm als meine Antwort wiederholen.«

Berthas Gesicht wurde bleigrau.

Ich erhob mich, zog ein Schreibtischfach auf und überreichte

ihr ein mit hübschen Bändern umschnürtes Päckchen. »Und dies ist ein Geschenk für dich«, sagte ich.

Auf ihrem Gesicht spiegelten sich widerstreitende Empfindungen. Sie zerrte Bänder und Papier los und entnahm der Verpackung ein Juwelierkästchen, das sie schnell öffnete.

Im ersten Moment begriff sie noch nichts. Aber kaum hatte ich mich fluchtartig in den Korridor verdrückt, hörte ich ihren schrillen Wutschrei. Und das Bumsen auf dem Fußboden rührte bestimmt von Berthas Beinen her, als sie die Erdnuß zerstampfte, die in dem für Schmuck bestimmten Kästchen gelegen hatte..

ENDE