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Jeder Zoll seiner Erscheinung verriet, daß der Besucher aus Texas kam. Er war groß und breitschultrig, hatte derbe hohe Backenknochen, energische Züge um den Mund und stahlgraue Augen unter buschigen Brauen. Er trug neue Cowboystiefel und einen breiten Gürtel mit einer riesigen silbernen Zierschnalle. Auf dem Stuhl neben ihm lag der typische Fünfgallonenhut, Wagenradgröße.

Bertha strahlte wie eine Fürstinmutter, die einem Millionär ihre heiratsfähige Tochter präsentiert.

»Mr. Corning«, begann sie, »ich möchte sie mit Donald Lam bekannt machen. Donald ist zwar etwas klein geraten, aber Köpfchen hat der Knabe! Wenn er einen Fall übernimmt, dann geht er der Sache rücksichtslos bis ins letzte nach. Ab und zu bezieht er dabei auch ’ne anständige Tracht Prügel, aber von seinem Ziel bringt ihn keiner ab. Stimmt’s, Donald?«

Ich ignorierte die Frage und streckte Corning die Hand entgegen. »Freut mich, Sie kennenzulernen«, sagte ich.

»Ganz meinerseits«, erwiderte Corning, wobei er meine Hand mit seiner Pranke ergriff und sie wie in einem Schraubstock zusammenpreßte.

»Mr. Corning kommt aus Texas«, meinte Bertha erläutern zu müssen und sah mich lächelnd an.

Ich musterte den Besucher, sagte »Ach, tatsächlich?« und setzte mich, um meine halbzerdrückten Finger zu massieren.

»Nun erklären Sie mal Mr. Lam genau, was wir für Sie tun sollen«, ging Bertha unvermittelt zum Geschäft über.

»Das ist leicht erklärt«, sagte Corning. »Ich möchte, daß Sie Mrs. Wells finden - Yvonne Wells.«

»Und dann?« fragte Bertha erwartungsvoll.

»Weiter nichts«, erwiderte Corning.

Berthas kleine Augen zwinkerten unter seinem Blick, wobei ihre Lider in unheimlich schnellem Tempo hoch und nieder gingen.

»Das haben Sie mir aber vor einer Stunde nicht gesagt«,

wandte sie ein.

»Also, dann sage ich’s Ihnen jetzt!« entgegnete Corning.

»Sie hatten von einem Geschäft mit Erdöl gesprochen«, bohrte Bertha Cool weiter.

»Dann müssen Sie mich mißverstanden haben.«

»Ausgeschlossen!« sagte Bertha betont scharf.

»Ich habe vielleicht erwähnt, daß gewisse Geschäfte nicht eingeleitet werden könnten, bevor nicht Mrs. Wells gefunden und ihre Unterschrift gesichert ist«, gab Corning zurück.

»Gesprochen haben Sie aber von Schürfrechten«, behauptete sie unbeirrt.

»Dann weiß ich wohl selbst nicht mehr, was ich gesagt habe.«

»Und von Bohrungen haben Sie auch etwas erzählt.«

»Nein, dann muß ich diese Sache mit einer zweiten, die mich zur Zeit beschäftigt, durcheinandergebracht haben.«

»Vielleicht können wir Ihnen auch dabei dienlich sein?«

»Nein. Ein Auftrag für eine Detektei ist genug.«

»Zwei Fälle gleichzeitig könnten wir aber viel billiger behandeln, so daß Sie gewiß Geld dabei sparen.«

»Am Geldsparen liegt mir nichts. Ich will einen anständigen Preis' für entsprechende, zuverlässige Dienste zahlen. Möglich ist ja, Mrs. Cool, daß ich bei unserem ersten Gespräch die beiden Angelegenheiten verwechselt habe. Ich möchte aber betonen, daß bei dieser Sache kein Erdöl mitspielt und ich Ihnen nichts von Erdöl, von Schürfrechten oder Bohrungen gesagt habe. Ich möchte Sie und Mr. Lam ausschließlich für die Suche nach Mrs. Wells engagieren. Das ist Ihre einzige Aufgabe: die Frau zu finden und mir zu berichten, wo sie sich aufhält. Eine ganz einfache Sache.«

»Sie halten es also für einfach?« fragte ich.

»Wie soll ich das vorher wissen!« gab Corning zurück. »Wenn’s zu kompliziert werden sollte, geben wir’s auf, und ich kümmere mich dann wieder nur um meine sonstigen Geschäfte.«

Bertha räusperte sich und setzte ein starres, frostiges Lächeln auf.

»Wo soll ich den Anfang machen?« fragte ich Corning.

»Bei Drury Wells«, antwortete er. »Der wohnt ziemlich weit draußen, Frostmore Road, Nummer 1638. Es ist eines der Grundstücke, die der Makler unter dem Schlagwort >Landbesitz macht dich frei< verkauft. Wells hat da ein kleines Haus, ein paar Obstbäume und einen Gemüsegarten.«

»Wohnt seine Frau bei ihm?« fragte ich weiter.

»Ja und nein.«

»Wie meinen Sie das?«

»Sie sind ja noch verheiratet, also müßten sie eigentlich zusammen wohnen, aber die Frau ist nicht da.«

»Und wo könnte sie sein?«

»Dafür nehme ich ja Ihre Dienste in Anspruch.«

»Haben Sie selbst schon mit Drury Wells gesprochen?«

Er blickte mich an wie ein Pokerspieler seinen Kontrahenten, der gerade kaltlächelnd einen Stapel Hundertdollarchips als Einsatz hinschiebt.

»Ja«, sagte er nach einer Weile.

»Und was meint Wells?«

»Wells glaubt, daß seine Frau mit einem andern durchgebrannt ist, und das beunruhigt ihn immerhin.«

»Haben Sie vielleicht auch«, fuhr ich fort, »schon mit Nachbarn von Wells gesprochen?«

»Mit einer Frau.«

»Und wie heißt sie?«

»Mrs. Frances Raleigh.«

»Wo wohnt die?«

»Nebenan.«

»Was meint die Frau?«

Corning blickte mich fest an. »Sie glaubt, Mrs. Wells sei irgendwo in den Dünen unten am Strand verscharrt.«

»Haben Sie sich mit der Polizei in Verbindung gesetzt?«

»Ich will keine polizeiliche Einmischung.«

»Na, dann kann es für uns ja eine recht schwierige Aufgabe

werden«, sagte ich.

»Menschenskind«, entgegnete Corning, »wenn ich der Meinung wäre, daß man bloß ein bißchen herumzustöbern brauchte,

würde ich’s doch selbst machen.«

»Wie war das noch mit dem Stück Land, auf das Sie, wie Sie mir sagten, so scharf sind - im Bezirk San Bernardino?« fragte Bertha Cool dazwischen.

Corning antwortete mit eisiger Würde: »Ich habe nicht behauptet, irgendwo auf Land scharf zu sein. Hatte wohl erwähnt, daß sie sich eventuell dafür interessierte und wir ihr dadurch vielleicht eher auf die Spur kämen.«

»Ich hatte den Eindruck, Sie wären selbst der Interessent.«

»Mir liegt einzig und allein daran, daß Mrs. Wells gefunden wird.«

Bertha machte ein Gesicht, als hätte sie mit Genuß eine Portion Stahlspäne zum Frühstück verzehren können.

»Wie benahm sich denn Wells, als Sie mit ihm sprachen?« wandte ich mich wieder an Corning. »Abweisend oder hilfsbereit?«

»Durchaus hilfsbereit. Er erklärte mir, ihm läge ebensoviel daran, seine Frau zu finden, wie mir.«

»Stellen Sie einen Scheck über tausend Dollar aus«, sagte ich, »dann will ich mich mal umsehen. Vielleicht finde ich sie, vielleicht auch nicht. Wenn ich dann Ihre tausend Dollar a conto Honorar und Unkosten verbraucht habe, werden wir uns wieder unterhalten.«

Corning zog ein Scheckheft aus der Tasche.

Bertha Cool ballte und lockerte abwechselnd die Hände, daß die Lichtreflexe von ihren Brillantringen hin und her zuckten.

Corning schrieb einen Scheck aus und schob ihn mir über den Schreibtisch zu.

Ich nahm ihn in Empfang. Er war auf eine Bank in San Antonio in Texas ausgestellt, zahlbar an Cool & Lam. Betrag: hundertfünfzig Dollar.

Ich warf Bertha das Papier über die Tischplatte hin. »Dieser Scheck lautet auf einhundertfünfzig Dollar, und ich hatte tausend gesagt.«

»Was Sie gesagt haben, weiß ich selbstverständlich«, bestätigte Corning, »aber mehr zu zahlen als hundertfünfzig bin ich zur Zeit nicht gewillt. Ich vertrete zwar einen großen Konzern mit weitverzweigten Unternehmungen, aber hier handelt es sich nur um eine verhältnismäßig kleine Sache, da will ich auch die Unkosten niedrig halten.«

»Ich glaube kaum, daß ein Honorar in dieser Höhe uns ermöglichen wird, Ihnen die gewünschte Information zu beschaffen«, sagte ich.

»Wie’s Ihnen beliebt«, erwiderte Corning, nahm seinen Hut vom Stuhl und wollte mit seiner braunen Riesenpranke nach dem Scheck auf dem Schreibtisch greifen.

Ein kurzes Aufblitzen von Brillanten war alles, was mit dem Auge feststellbar war, und schon hatte Bertha ihm den Scheck unter den Fingern weggeschnappt. »Wir werden den Fall in Angriff nehmen«, sagte sie so zackig, als bisse sie jedes Wort dieses Satzes einzeln ab. »Wenn wir diesen Scheck verbraucht haben, werden wir uns bei Ihnen melden. Dann können Sie Ihren Auftrag verlängern oder es bleibenlassen.«

»Vielleicht haben Sie’s bis dahin schon festgestellt«, sagte Corning ungerührt.

»Möglich«, gab Bertha kühl zurück. »Wo können wir Sie erreichen?«

»Hotel Dartmouth. Da werde ich zehn Tage bleiben.«

»Geben Sie mir Bescheid, falls Sie Ihre Adresse wechseln«, sagte ich.

»Wird nicht gewechselt«, erwiderte er, schüttelte Bertha und mir die Hand und ging hinaus.

Bertha packte, als sich die Tür hinter ihm schloß, eine mit Büroklammern gefüllte Plastikschale, schmetterte sie zu Boden, hob ihren Rocksaum höher und trampelte mit ihren hochhackigen Schuhen auf den Klammern herum. Dann beförderte sie die Schale mit einem Tritt durchs ganze Zimmer.

Ich setzte mich in meinen Stammsessel und zündete mir eine Zigarette an.

»Donald Lam, du verdammter Kerl!« krächzte sie. »Wärst du vor einer Stunde hier gewesen, dann wären wir jetzt an einer Ölquelle beteiligt. Dieser Himmelhund besitzt Bohrrechte und braucht dazu die Unterschrift von Mrs. Wells. Er hätte uns ein ganzes Paket Zaster hingepackt, um die zu finden.«

»Wir sind ja noch nicht fertig mit ihm«, bemerkte ich.

»So siehst du aus! Abgeblitzt sind wir!« tobte Bertha. »Corning hat sich mit einem Anwalt beraten, und der hat ihm gesagt, es sei überflüssig, Privatdetektive am Erdölgeschäft zu beteiligen, wenn sie bloß eine vermißte Person aufgabeln sollen. Also, wird ihm der Anwalt gesagt haben, gehen Sie wieder hin und zwingen Sie die Leute, den Fall als gewöhnliche Vermißtensuche zu behandeln.«

»Na ja, so machen wir’s doch auch, nicht wahr?«

»Zum Donnerwetter, ja!« schrie sie.

Ich versuchte, einen Rauchring zu blasen.

Sie drückte auf den Summer für ihre Sekretärin und sagte, als diese hereinkam: »Jane, sammeln Sie die Büroklammern auf und tun Sie sie wieder in die Schale da. Das verflixte Ding ist vom Schreibtisch gefallen.«

Ich blinzelte Jane zu und ging hinaus.