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20.
Aleksandr hörte Abigails Stimme, die nach ihm rief. Unten schlug die Tür zu. Sie rief ein zweites Mal nach ihm. Er liebte den Klang ihrer Stimme, wenn sie seinen Namen rief. Der Eifer und die Freude, die in ihrem Tonfall mitschwangen, wärmte ihn innerlich.
Beim Erwachen gab es immer diesen Moment, in dem er glaubte, er sei in Russland oder irgendwo in einem trostlosen Hotel. Allein, ohne sie. In seinen Albträumen sah er immer noch, wie Abigail in Ignatevs Verhörraum geschlagen und misshandelt wurde, und wenn er schweißüberströmt erwachte, hallte ihr Name durch den Raum.
Er presste sich eine Hand aufs Herz und sah über das Balkongeländer auf ihr geliebtes Meer hinaus. Er war immer in der Stadt zu Hause gewesen, im dichten Gedränge und in der seltsamen Schönheit aus Lichtern und Gebäuden. Abigails Ozean beruhigte ihn und gab ihm Frieden. Er hatte den Verdacht, es läge vielleicht daran, dass er ihre Liebe zum Meer und ihre Sehnsucht danach, ein so wesentlicher Bestandteil ihrer Persönlichkeit, nicht von Abigail selbst trennen konnte.
»Wo bist du, Sasha?« Ihre Stimme klang atemlos.
Diese Atemlosigkeit ließ ihn lächeln, ein kleines Anzeichen dafür, dass sie ihm gegenüber nicht gleichgültig war. »Hier draußen auf der Terrasse.« Sie war bei ihm eingezogen, um ihn zu pflegen, sowie er aus dem Krankenhaus entlassen worden war, und obwohl er dieses kleine Strandhaus nur kurzfristig gemietet hatte, kam es ihm durch Abigail wie ein Zuhause vor.
Sie eilte durch die offene Schiebetür an seine Seite. »Du weißt doch, dass du noch nicht aufstehen darfst.« Sie bemühte sich, einen strengen Tonfall anzuschlagen, doch sie konnte ihre Erleichterung nicht verbergen, als sie ihn auf einem Stuhl sitzen sah.
»Ich wollte aufs Meer hinausschauen.« Er verflocht seine Finger mit ihren und führte ihre Hand an seinen Mund, um den Ring zu küssen, der an ihrem Finger steckte. »Ich glaube, das Meeresrauschen wirkt einschläfernd auf mich. Ich bin eingenickt wie ein Zweijähriger.«
»Du kommst schon wieder zu Kräften. Ich weiß, dass es dir schwerfällt, geduldig zu sein. Libby sagt, du machst von Tag zu Tag Fortschritte.«
»Was ist mit dir?« Er hob ihr Oberteil hoch, um sich die frischen Narben auf ihrem Bauch anzusehen. »Was sagt sie zu deiner Verfassung?«
Abigail beugte sich vor, um einen Kuss auf seine Lippen zu hauchen. »Mir fehlt nichts. Ich habe dir doch gesagt, dass mir nichts passiert ist. Die Stichwunden waren oberflächlich. Ich kann so viele Babys bekommen, wie du willst. Also alle beide.«
»Mindestens sieben. Elles kleine Töchter brauchen doch auch jemanden, mit dem sie spielen können.« Seine Hände legten sich auf ihre Taille, damit er sie an sich ziehen und kleine Küsse auf jedes der schimmernden violetten Male drücken konnte, die ihre Haut verunzierten. »Als ich gesehen habe, wie er sich auf dich gestürzt hat, ich schwöre es dir, Abbey, ich hätte niemals geglaubt, dass ich eine so große Wut und eine so große Angst empfinden könnte.« Eben diese Wut und Angst hatten ihm die nötige Kraft verliehen, seinen schwer verwundeten Körper fest genug gegen Ignatev zu schleudern, um den Mann zu töten. »Ich weiß immer noch nicht, wie du es geschafft hast, mich aus dem Meer herauszuholen.«
»Ich wollte dich nicht noch einmal verlieren.« Sie sagte es nüchtern und sachlich und wiegte seinen Kopf in ihren Armen, während er wieder einen Kuss auf ihren faszinierenden Bauchnabel drückte.
Seine Hände schlossen sich fester um ihre Taille, und er zog sie enger an sich, bis sie eingekeilt zwischen seinen Schenkeln stand. »Hat Prakenskij mir wirklich das Leben gerettet?«
»Das hast du mich jetzt schon dreimal gefragt. Ohne seine Hilfe wärest du an diesem Strand gestorben. Er hat den zweiten Mann erschossen, um ihn mir vom Hals zu schaffen, und dann hat er sich mit dir befasst. Er besitzt alle Gaben, daran besteht kein Zweifel, ebenso wie Elle. Er trägt den genetischen Code in sich, der notwendig ist, um jede dieser Gaben an eine spätere Generation weiterzugeben. Ich wünschte, wir wüssten mehr über seine Herkunft.« Sie trat näher zu ihm und schmiegte sich an ihn, da seine Zunge einen kleinen Tanz um ihren Nabel herum aufführte und sich tiefer nach unten begab.
Aleksandr zog ihren Reißverschluss herunter und ließ ihre Hose über ihre geschwungenen Hüften gleiten, an ihren Oberschenkeln hinab und bis auf ihre Waden. Sie war so entgegenkommend, aus ihren Schuhen zu steigen und ihre Hose zur Seite zu treten. »Zieh dein Top aus.«
Abigail zögerte nicht, sondern zog sich das hautenge Material über den Kopf und ließ es auf die Terrasse fallen.
»Löse dein Haar.«
»Du kommst eindeutig zu Kräften, wenn du schon wieder so herrisch mit mir umspringst.« Sie zog die Spange aus ihrem Haar und ließ die prachtvolle rote Mähne ungehindert bis auf ihre Taille fallen.
»Ich habe schließlich nicht viel anderes zu tun, als an dich zu denken, wenn ich ganz allein hier rumsitze.«
Abigail warf einen Blick auf das Tablett neben dem Stuhl. »Tante Carol war hier.«
»Mit ihrem Reginald. Sie sind zwei Stunden geblieben. Er ist ein interessanter Mann.«
Sie sah den Obstkorb neben seinem Stuhl an. »Hannah hat auch nach dir gesehen, stimmt’s? Und die Zeitschriften sind von Joley. Kate muss dir all diese Bücher gebracht haben. Dass Libby nach dir gesehen hat, weiß ich schon.«
Er lächelte, während seine Hände über ihre nackte Haut glitten und den Schwung ihrer Hüften nachfuhren. »Sarah und Damon waren auch da. Und Jonas.« Sein Lächeln wurde spitzbübisch. »Inez und die Damen vom Club der Roten Hüte haben mich besucht und Abendessen in den Kühlschrank gestellt. Sie sagen, es bräuchte nur aufgewärmt zu werden.«
»Wann hast du da Zeit gehabt, an mich zu denken?« Sie warf ihr Haar zurück, weil sie wusste, wie gut ihm das gefiel.
»Jeden einzelnen Moment, verdammt noch mal. Und es war teuflisch schwierig, meine Erektion vor allen zu verbergen. Ich musste mir eine Decke über den Schoß legen. Ich habe von dir geträumt und dich in meinem Traum genauso gesehen, wie du jetzt vor mir stehst, während dein Haar wie ein Heiligenschein in der Sonne funkelt. Du bist so verflucht schön.«
»Ich glaube, du fantasierst. Vielleicht hast du zu viel Sonne abgekriegt.« Aber sie konnte nicht verhindern, dass Erregung und Lust ihren Körper durchzuckten.
»Du siehst dich eben nicht so, wie ich dich sehe.« Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und weidete sich an ihrem Anblick. Mit der Sonne hinter sich sah sie noch schöner aus als je zuvor. »Ich liebe dich so sehr, dass es mir nie gelingen wird, es in Worte zu fassen, Abbey. Woher kommt es, dass ich immer das Gefühl habe, du schlüpfst mir durch die Finger und ich kann dich nicht wirklich fassen?«
»Ich habe keine Ahnung.« Sie hockte in ihrem schwarzen Stringtanga und dem schwarzen BH am Rand des heißen Beckens und ihre bleiche Haut wirkte so zart wie die Blütenblätter einer Rose. »Du könntest die Decke von deinem Schoß ziehen, damit ich weiß, worauf ich mich hier überhaupt einlasse. « Ihre wohl geformten Beine baumelten im Wasser. »Ich habe dich aus dem Meer gezerrt und einen Pakt mit dem Teufel geschlossen, um dein Leben zu retten. Was muss ich denn sonst noch tun, um dir zu zeigen, dass du mich so schnell nicht loswirst? «
»Ich bin nicht sicher, ob man Prakenskij tatsächlich als einen Teufel bezeichnen kann.« Aleksandr schlug die Decke zur Seite und stellte seine Nacktheit ohne eine Spur von Scham zur Schau. »Jonas hatte den ausgeprägten Verdacht, ihr hättet Ilja bei der Flucht geholfen. Er hat mir erzählt, die Fußspuren hätten ins Meer geführt, aber es hätte eher inszeniert gewirkt als realistisch. Jonas hat mich ein weiteres Mal danach gefragt. Zum Glück war ich bewusstlos, als Prakenskij aufgetaucht ist. Daher brauchte ich nicht zu lügen.«
»Ich habe Jonas nicht belogen«, sagte Abigail, und ihr Blick wurde glühender, als er von seinem bandagierten Rumpf auf seine pralle Leistengegend glitt. »Ich hoffe nur, du hast diese Decke nicht zurückgeschlagen, als all deine Besucher diesen ganzen Wirbel um dich veranstaltet haben.«
»Du hast ihm erzählt, Prakenskij sei längst fort und er hätte erst dir und dann mir das Leben gerettet.«
»Und das entspricht rundum der Wahrheit.« Sie ließ sich vor ihm auf die Knie sinken. »Es begeistert mich immer wieder, wie sehr du mich vermisst, Sasha.« Sie legte ihre Hand unter seinen schmerzenden Hodensack und streichelte mit ihren Fingern den Ansatz seines Schafts. »Du gibst mir immer das Gefühl, schön zu sein.«
»Du bist schön.«
»Und dass du dich rasend nach mir sehnst.«
»Ich sehne mich rasend nach dir.« Die schiere Lust, die ihre Berührung in seinem Körper entfachte, ließ ihn die Augen schließen. Sie besaß magische Finger. Einen magischen Mund und einen magischen Körper. Und wenn sie ihn so wie jetzt berührte, gab sie ihm das Gefühl, ihn mehr zu lieben als alles andere auf Erden.
»Ich will dich richtig lieben«, sagte er und sah auf ihren Kopf hinunter. Ihr Haar schimmerte in diesem leuchtenden Rot, das in ihm immer den Wunsch auslöste, die seidigen Strähnen zu berühren. Er schlang seine Finger in ihre Haarpracht. »Ich will in dir sein, Abigail.«
»Du bist so ungeduldig.« Ihre Zunge schnellte hervor und ihr warmer Atem hüllte ihn ein.
Aleksandr ließ seine Finger über ihre Brust gleiten. Er lächelte, als sie daraufhin erschauerte. »Wann wirst du mich heiraten? «
»Ich dachte, wir hätten uns darauf geeinigt, nicht über die Hochzeit zu reden, wenn wir Liebe machen.« Sie neckte ihn mit einem zarten Biss, gefolgt von einem weiteren trägen Schlecken. »Wir haben uns darauf geeinigt, dass es unfair ist, derart zu mogeln.«
»Nein, eben nicht. Ich will dich auf der Stelle heiraten.« Er sprang fast vom Stuhl auf, als ihr heißer Mund sich über ihm schloss und sie an ihm saugte und ihre Zunge über ihn schnellen ließ. »Augenblicklich.«
Abigail lachte, und das Geräusch vibrierte direkt durch seine stramme Erektion und sandte Wogen der Lust durch seinen Bauch. »Ich kann dich unmöglich heiraten, bevor meine Eltern nach Hause kommen. Das würden sie mir niemals verzeihen.«
»Du genießt den Umstand, dass ich alles über mich ergehen lassen muss und es dir nicht heimzahlen kann, stimmt’s?«, fragte er.
»Oh ja«, sagte sie und hob den Kopf; ihre Augen funkelten fröhlich, und sie strahlte über das ganze Gesicht. »Ich finde das ganz toll.«
»Ich habe Neuigkeiten für dich, bauschki-bau. Ich fühle mich schon wieder recht kräftig.«
Sie lachte wieder und ließ ihre Zunge über ihn schnellen; jede dieser feuchten kleinen Berührungen sandte glühend heiße Schauer durch seine Adern. »Das glaube ich nicht.«
»Ich schon. Komm her.« Er umfasste ihre Taille mit starken Händen und zog sie zu sich.
Abigail schnitt eine Grimasse. »Du verdirbst mir den ganzen Spaß.«
»Nicht den ganzen.« Seine Hand legte sich auf den schwarzen Satin über ihren leuchtend roten Löckchen. Seine Finger tauchten in weiche, feuchte Falten ein. »Ich glaube nicht, dass wir den brauchen.« Er zog ihr den Stringtanga vom Leib und warf ihn achtlos hinter sich. »Setz dich auf mich, Abbey. Ich will jetzt sofort in dir sein. Ich kann nicht noch einen weiteren Tag warten. Keine weitere Minute.«
Abigail schlang ihm die Arme um den Hals und achtete darauf, sich nicht an seine Verbände zu lehnen, als sie ihre Beine weit spreizte, um sich auf seine Schenkel zu setzen; in Zeitlupe ließ sie sich auf ihn sinken.
Aleksandr warf den Kopf zurück, als ihn die Lust mitriss. Sie sank ganz langsam auf ihn, und ihre Scheide war wie eine heiße Faust, die ihn umklammerte, und ihre Falten zart wie Samt, als er sich tiefer und immer tiefer in ihr Inneres hineinstieß. Der Atem entwich seiner Lunge in einem lustvollen Keuchen. Die Vereinigung mit Abigail ließ sich mit nichts anderem vergleichen. Er war süchtig nach ihrem Körper, auf dessen süßen, heißen Ansturm und auf ihre Bewegungen, die sich seinem Rhythmus vollendet anpassten, ganz gleich, wie fest, wie schnell oder wie langsam er zustieß.
»Ich liebe es, wie sehr du mich immer begehrst, Abbey. Machst du dir überhaupt eine Vorstellung davon, was für ein Geschenk das für einen Mann ist?«
Ihre Finger strichen über die Haare in seinem Nacken. »Machst du dir eine Vorstellung davon, was für ein Geschenk es ist, von einem Mann so angesehen zu werden, wie du mich ansiehst? « Sie senkte sich sanft auf ihn hinab und nahm ihn quälend langsam Zentimeter für Zentimeter in sich auf, was seine Lust noch mehr steigerte, und dabei achtete sie sorgsam darauf, nicht an seine Wunden zu kommen. Wenn sie sich von ihm zurückzog, packte sie ihn mit ihren Muskeln und erzeugte eine Reibung, die ihm den Atem verschlug.
»Ich weiß, was ich jedes Mal, wenn du mich berührst, empfinde, rebyonak, jedes Mal, wenn du zur Tür hereinkommst und deine Augen aufleuchten, sowie du mich siehst.« Seine Hände packten mit unerwarteter Kraft ihre Hüften, Finger gruben sich in sie und hielten sie still, während er sich tief und fest und schnell in sie hineinstieß.
Abigail schrie auf und konnte sich nicht zurückhalten, denn die Lust ließ sie jeden einzelnen Muskel in ihrem Körper anspannen. Es war immer wieder dasselbe mit Aleksandr. Zu Beginn hatte sie die Kontrolle über das Geschehen, doch die nahm er ihr aus der Hand, wenn er ihren Körper ausfüllte und sie in Ekstase versetzte. Er hielt sie still, während er jetzt mit festen, sicheren Stößen in ihr versank und ihr Körper um ihn herum pulsierte, in dieser immensen Glut schmolz und rasendes Verlangen sie zu zerreißen drohte, bis sie immer wieder seinen Namen murmelte.
Sie wollte Erlösung. Sie brauchte Erlösung. Sie war genau da, direkt am Rande, so dicht davor, dass sie spüren konnte, wie sich jeder einzelne Muskel voller Erwartung verkrampfte. Voller Verlangen. Doch es kam nie ganz dorthin. Sie wusste, dass er nicht so viel Energie aufbieten sollte, doch sie ertappte sich trotzdem dabei, dass sie ihn anflehte. Es brachte sie um, dass er sie zwang, noch zu warten. Er ließ sie direkt am Rande des Abgrunds verharren.
»Versprich es mir.«
»Was soll ich dir versprechen?« Ihr Körper war so angespannt und schrie so laut nach Erlösung, dass sie kaum noch einen Gedanken fassen konnte. »Sasha! Was willst du?« Sie bewegte drängend ihre Hüften und versuchte, ihn zu zwingen, ihr Erleichterung zu verschaffen.
»Versprich mir, dass du mich heiraten wirst, sowie deine Eltern zurückkommen.«
Sie schluchzte fast vor Lust. »Du bringst mich um. Ich halte es nicht länger aus. Ich dachte, du stündest an der Pforte des Todes.«
»Da hast du falsch gedacht.« Er bewegte sich, ein langsames Gleiten, mit dem er sich tiefer in sie stieß, zog sich wieder zurück und hielt ihre Hüften so fest, dass sie ihm nicht nach unten folgen konnte. »Wenn deine Eltern zurückkommen, wirst du mich heiraten. Sag es.«
»Von mir aus. Was du willst. Ich verspreche dir alles. Du bist ein solcher Diktator.« Sie hatte nicht die Absicht, ihm zu sagen, dass ihre Eltern vor der Doppelhochzeit ihrer Schwestern nicht zurückkommen würden und dass bis dahin noch Monate vergehen würden. Ihr Körper verlangte bebend nach Erlösung, und sie spannte absichtlich ihre Muskeln um ihn herum an, als er wieder in sie eintauchte, damit er sie befreien musste.
Er stieß sich wieder in sie hinein, rammte sich diesmal fast brutal in ihren Körper. Die Luft blieb ihr weg, und sie wurde von glühenden Empfindungen verschlungen. »Mehr!«, befahl sie und spürte, wie sich seine kräftigen Schenkel unter ihr anspannten. Sie konnte regelrecht fühlen, wie er sie ausfüllte, während sie fest zupackte und ihn eng an sich hielt, ihn in sich hielt.
Abigail sah ihm in die Augen und die Intensität der Gefühle, die in den dunklen Tiefen wirbelten, nahm sie gefangen. Sie konnte die Liebe sehen, die er für sie empfand, das Begehren und das Verlangen, das ihn ebenso kraftvoll und leidenschaftlich durchströmte wie sie. Sie hatte solche Angst davor gehabt, von neuem diese Empfindungen zu haben, die sengende, alles verzehrende Liebe, die sie erfüllte und sich weigerte, sie loszulassen. Dort stand sie, in seinen Augen.
Er stieß fest zu und wollte so tief wie möglich in ihr sein. Sie spürte wie sein Körper zuckte, als ihre Muskeln sich wie ein Schraubstock anspannten und nicht bereit waren, ihn freizulassen. Als sie zum Höhepunkt kam, der ihr den Atem verschlug und ihren Verstand betäubte, glitzerten Tränen in ihren Augen. Seine glühende Erlösung ergoss sich tief in sie, und sie schmiegte ihre Stirn an seine unverletzte Schulter und kostete die kleinen Nachbeben aus, die ihren Körper immer noch vor Lust erschauern ließen.
»Ich liebe dich, Sasha. Mehr als alles andere. Es macht mir Angst, wie sehr ich dich liebe.«
»Du bist nicht allein, Abbey. Ich könnte nicht ohne dich leben. Du hast es ohne mich geschafft. Dir ist es gelungen, mich vollständig aus deinem Leben auszusperren. Das jagt mir entsetzliche Angst ein.«
»Es war die einzige Möglichkeit, um mich selbst zu schützen und zu überleben.«
»Sieh mich an, Abigail.« Er löste ihre Finger von seinem Nacken und bog ihren Kopf zurück. Das sandte einen weiteren Schauer durch ihren Körper.
Sie sah ihm fest in die Augen und fühlte, dass ihr Herz wilde Sätze machte. Diese Wirkung schien er immer auf sie zu haben.
»Ich liebe dich. Ich werde dich nicht verlassen. Niemals. Lies meine Briefe. Dann wirst du wissen, wie dringend ich dich in meinem Leben brauche, und du wirst dich nie wieder fürchten müssen.«
Abigail küsste ihn. Sie hatte die Briefe bereits gelesen. Sie hatte sie in all diesen langen Stunden und Tagen, in denen er um sein Leben gekämpft hatte, wieder und wieder gelesen. Jeder einzelne von ihnen war für sie ein kostbarer Schatz. Und darüber, wie er ihr sein Herz ausgeschüttet hatte, hatte sie geweint wie nie zuvor. »Ich liebe dich, Sasha. Und wie.«
Der Wind wehte vom Meer her auf die Terrasse und trug salzige Gischt und die gedämpften Klänge weiblicher Stimmen mit sich. Fern. Melodisch. Lachend.
Abigail zuckte steif zusammen, wich alarmiert von Aleksandr zurück und hatte ihre Augen enorm weit aufgerissen. »Oh nein.« Sie sah sich panisch um. »Wo sind meine Sachen? Ich muss mich augenblicklich anziehen.«
Aleksandr schnappte ihr Top und sah zu, wie sie es über ihren Kopf zog. Sie sprang von seinem Schoß und warf die Decke über ihn. »Mach schnell, du musst schleunigst ins Haus verschwinden und dich anziehen. Jetzt mach schon, beeil dich!«
Der Wind ließ nach und frischte gleich darauf wieder auf und ließ Laub und kleine Zweige in etlichen winzigen Tornados herumwirbeln. In mehreren Ecken des Hauses versetzte der Wind die Klangspiele in Bewegung und entlockte ihnen eine seltsame Melodie.
»Was ist los, Abbey?« Er zog eine Waffe unter dem Geschirrtuch auf dem Tablett neben sich heraus. Sein Blick wandte sich in alle Richtungen, suchte nach Gefahren und machte sich ein Bild von ihren Möglichkeiten.
Sie hob ihre Hose auf und schlüpfte hinein. »Das ist meine Mutter. Und mein Vater! Ich kann es einfach nicht fassen. Sie sind nach Hause gekommen. Das ist ja furchtbar. Wo sind deine Sachen? Du brauchst etwas zum Anziehen. Sie können jeden Moment hier sein. Und sag bloß nichts Unerhörtes.«
Er lächelte sie an, griff nach ihrer Hand und entspannte sich sichtlich. »Das ist ja wunderbar. Ich wünsche mir schon lange, deine Eltern kennen zu lernen. Du errötest ja.«
Sie strich mit der Hand über ihr Gesicht, als könnte sie die Farbe fortwischen. »Stimmt doch gar nicht. Ich kann einfach nicht glauben, dass meine gemeinen Schwestern mich nicht augenblicklich gewarnt haben. Natürlich kommen sie zurück. Tante Carol muss ihnen berichtet haben, dass Ignatev mich verletzt hat.« Sie streckte ihm ihre Arme entgegen, um ihm auf die Füße zu helfen. »Sie hat angedroht, ihnen Bescheid zu geben, aber ich habe ihr gesagt, sie soll ihnen gegenüber kein Wort verlauten lassen. Wahrscheinlich hat sie es der ganzen Familie erzählt. Wir können von Glück sagen, wenn nicht auch noch all meine Tanten und Onkel und Cousins und Cousinen auftauchen. «
Aleksandr wankte, und sie gab ihm Halt. Sie holte tief Atem. »Schon gut. Es wird schon alles gut werden.« Dann blieb sie abrupt stehen und sah ihn finster an. »Du hast es gewusst. Du mieser, hinterhältiger Mistkerl hast die ganze Zeit über gewusst, dass meine Eltern kommen, stimmt’s? Tante Carol hat es dir gesagt.«
Er zog eine Augenbraue hoch und ließ sich von ihren Anklagen nicht aus der Ruhe bringen. »Sie könnte es erwähnt haben, als sie heute zu Besuch kam.«
»Der einzige Grund, weshalb ich dir ins Haus helfe, statt dich von der Terrasse zu stoßen, ist der, dass deine Verletzungen noch nicht verheilt sind. Alle Versprechen sind hiermit ungültig.«
»Das kommt überhaupt nicht infrage, Abbey. Ich werde dich auf dein Versprechen festnageln.« Er setzte sich aufs Bett und wischte sich kleine Schweißtropfen von der Stirn.
»Ich habe dir dieses Versprechen nur unter Druck gegeben, und du hast mich ausgetrickst.« Sie brachte ihm einen Waschlappen. »Hier, das wird helfen. Du strengst dich viel zu sehr an, Aleksandr. Von Wunden wie deinen kann man sich nicht so schnell erholen. Du musst aufhören, dir so viel abzuverlangen. Du wärest fast gestorben. Ohne Prakenskijs Magie wärest du jetzt tot. Ich hätte nicht zulassen dürfen, dass du mit mir schläfst. Wir lassen uns viel zu leicht hinreißen.«
Er zog sie an sich. »Ich liebe dich, Abbey. Wir haben uns nicht hinreißen lassen. Wir brauchen einander, so einfach ist das. Und das ist ein großer Unterschied.«
Abigail küsste ihn. »Ich liebe dich genauso sehr, Aleksandr Volstov, aber ich habe keine Ahnung, warum. Du bist herrisch, und du bestehst darauf, dich für unbesiegbar zu halten.« Sie wusch ihn schnell und half ihm in Sweatpants und ein leichtes Hemd. »Du siehst blass aus. Brauchst du etwas gegen die Schmerzen? Libby wird mich umbringen, wenn sie das erfährt.«
»Hör auf, Abbey«, sagte er mit zärtlicher Stimme. »Libby wird nichts davon erfahren. Wir haben keinen Schaden angerichtet. Wenn überhaupt, dann fühle ich mich jetzt viel besser.« Er schlang seine Arme um sie und legte seine Lippen auf ihr Haar.
Sie blickte zu ihm auf. »Habe ich herrisch bei meiner Aufzählung vergessen?«
»Ich glaube, das hast du mir schon mehr als einmal vorgeworfen. Lass uns ins Wohnzimmer gehen. Dort würde ich deinen Eltern lieber zum ersten Mal begegnen als im Schlafzimmer. « Er holte tief Atem und spürte sofort den starken Schmerz, der immer dann einsetzte, wenn er aus Versehen zu tief einatmete. Er lächelte sie trotzdem an. Er hatte die Nase voll davon, sich auszuruhen und darauf zu warten, dass seine Wunden verheilten. Wenn sie gewusst hätte, wie schwach er in Wirklichkeit war, hätte sie ihn im Handumdrehen wieder ins Bett gesteckt und ihm ihren neckenden Mund und ihren glühenden Körper vorenthalten, um ihm nicht seine letzte Kraft zu rauben. Sie hätte ihm höchstens Hühnerbrühe eingeflößt.
Abigail sah ihn argwöhnisch an, war aber so nett, ihm beim Aufstehen zu helfen. »Ich vermute, es bringt gewisse Nachteile mit sich, die zukünftigen Schwiegereltern beim ersten Besuch im Schlafzimmer zu empfangen. Aber sie kämen nie auf den Gedanken, dich für schwach zu halten, Sasha. So sind sie nämlich nicht. Sie sind sehr liebevoll und nett.«
Er lachte leise. »Ich will vor allem deswegen nicht im Schlafzimmer bleiben, weil ich mir dich dann nämlich in meinem Bett vorstelle und mir ständig überlege, was ich gern mit dir täte, wenn wir wieder allein sind.«
Sie knurrte. Sie knurrte ihn tatsächlich an und sah mit einem grimmigen Blick, in dem sich eine unmissverständliche Warnung ausdrückte, finster zu ihm auf. Aleksandr lachte laut los, was bewirkte, dass er sich vor Schmerzen fast gekrümmt hätte, doch das spielte keine Rolle. »Du machst dir keine Vorstellung davon, wie sehr ich dich liebe.«
In dem Moment, als Abigail Aleksandr auf den bequemsten Sessel im Wohnzimmer half, klingelte es an der Tür. »Sie sind da«, kündigte sie überflüssigerweise an. Sie wünschte sich, dass ihre Eltern ihn liebten. Ihn mit ihren Augen sahen. Den wahren Aleksandr sahen und nicht den harten, skrupellosen Mann, den er gegenüber dem Rest der Welt hervorkehrte.
Als sie zur Tür ging, wurde ihr klar, dass sie keinen Grund zur Sorge hatte. Ihre Eltern vertrauten ihr, sie liebten sie und sie würden Aleksandr mit offenen Armen in die Familie aufnehmen.
Ihr Herz schlug vor Freude schneller, als sie die Tür aufriss.