5
 
 
Maggie stand ganz still. Es war verrückt, irgendetwas von dem zu glauben, was Brandt Talbot ihr erzählte, dennoch wusste sie, dass es die Wahrheit war. Sie konnte sich an diese Nacht erinnern. Und Jayne Odessa hatte häufig von einer sehr lieben Freundin gesprochen, die eines tragischen, gewaltsamen Todes gestorben war. Einer Frau namens Lily Hanover. Die beiden Freundinnen hatten unermüdlich dafür gekämpft, den Regenwald und die bedrohten Tierarten, die dort lebten, zu retten. Der Umweltschutz war das Anliegen, dass Jayne und Lily zusammengebracht hatte. Doch Jayne hatte Maggie nie erzählt, dass Lily ihre Mutter gewesen war.
Brandt hob ihr Kinn. »Sei nicht traurig, Maggie. Deine Eltern haben dich sehr geliebt, und sie liebten einander. Es gibt nur wenige Menschen, denen das vergönnt ist.«
»Du hast sie gekannt?« Ihre grünen Augen warnten Brandt vor einer Lüge.
»Ich war noch klein, doch ich kann mich an sie erinnern. Wie sie sich immer zärtlich berührten und einander zulächelten. Sie waren wirklich wunderbare Menschen, die stets taten, was sie für richtig hielten, gleichgültig, wie groß die Gefahr war.«
Maggie schaute zu den Bäumen auf und entdeckte mehrere Frösche, die deutlich sichtbar auf den Blättern hockten. Die Augen dieser Amphibien waren riesig groß, damit sie auch nachts jagen konnten. Noch weiter oben hing ein kleines Koboldäffchen an einem Ast und schaute mit glänzenden runden Augen auf sie herunter. Das Äffchen sah wie ein flauschiger, niedlicher Alien aus. Ihre Mutter und ihr Vater hatten diese kleinen Wesen genauso gesehen wie sie jetzt, vielleicht hatten sie sogar unter demselben Baum gestanden.
»Danke, dass du mir von meinen Eltern erzählt hast, Brandt. Jetzt verstehe ich besser, warum Jayne so viel Angst davor hatte, dass ich hierher zurückkehre. Ich habe ständig davon geredet, dass ich den Regenwald sehen will, und sie wurde dann immer ganz aufgeregt, manchmal weinte sie sogar. Ich habe mich danach gesehnt, den Regenwald hier und in Südamerika und Afrika zu sehen. Ich bin Tierärztin geworden, weil ich ursprünglich vorhatte, in der Wildnis zu arbeiten und mich für den Schutz seltener Tierarten einzusetzen.«
»Jayne Odessa hat miterlebt, wie die Wilderer Lily ermordeten, aber sie wusste nichts von Lilys besonderer Art. Sie hatte keine Ahnung, dass Lily ihre Gestalt wechseln konnte.« Brandt holte tief Luft und atmete langsam aus, er versuchte, an Maggies Gesicht abzulesen, ob sie ihm die Geschichte glaubte. »Es muss schrecklich für Jayne gewesen sein, dass die Wilderer so weit gingen, Menschen zu ermorden, die den Tieren helfen wollten. Und dann wurdest du auch noch genau wie Lily und wolltest unbedingt Tierschützerin im Regenwald werden.«
Brandt strich Maggie über das Haar, ganz leicht nur, doch bei seiner Berührung erhitzte sich ihr ganzer Körper. Sie sehnte sich nach ihm, gab sich aber alle Mühe, dieses Verlangen zu ignorieren. Obwohl er sie in jeder Beziehung reizte, war die schiere Kraft, mit der sie einander anziehend fanden, Maggie nicht ganz geheuer. »Kann sein, dass ich diese Neigung von meiner biologischen Mutter geerbt habe, aber Jayne hat mich ebenfalls sehr beeinflusst. Sie hatte alles voller Bücher und Informationen über bedrohte Habitate und Tierarten, hat Geld gespendet und viel ehrenamtlich dafür gearbeitet. Ihr Engagement hat natürlich auch auf mich abgefärbt.«
»Glaubst du mir denn die anderen Sachen, die ich dir erzählt habe, Maggie?« Brandt nahm ihr Gesicht in beide Hände und beugte seinen dunklen Schopf zu ihr herab, als könne er es nicht ertragen, auch nur Zentimeter von ihr entfernt zu sein. »Glaubst du, dass es eine andere Spezies geben könnte? Eine, die ihre Gestalt wechseln kann? Glaubst du mir, dass du eine von uns bist?«
Er war verführerisch nah, und seine goldenen Augen glitzerten hypnotisch. »Ich weiß nicht«, antwortete Maggie zögernd. »Aber ich denke, das dürfte leicht herauszufinden sein.« Ihr Ton war provozierend.
»Würdest du schreiend vor mir weglaufen?«
»Schön möglich«, erwiderte sie mit einem kleinen, selbstironischen Grinsen. Als sie ihm ins Gesicht sah und seine plötzliche Anspannung bemerkte, schlug ihr Herz bis zum Hals.
In den Baumkronen über ihnen kreischte ein Affe; Flügelflattern verriet, dass die Vögel die Flucht ergriffen. Brandt blickte sich wachsam um, seine Augen waren blitzartig hart und kalt geworden. »James! Was machst du denn hier?«
Maggie schaute in die gleiche Richtung wie Brandt, als sich in diesem Moment der Wind drehte. Ein Geruch kam ihr entgegen, der ihr vage bekannt vorkam. Er war ihr nun schon einige Male aufgefallen: Als sie im Wald zu ihrem Elternhaus unterwegs war und dann vor dem Haus, in der Nähe der Veranda. Sie konnte den Mann im Schatten kaum erkennen.
»Ich war bloß neugierig, Brandt.« Die Stimme hörte sich fast an, als sollte das eine Herausforderung sein.
Instinktiv trat Maggie näher an Brandt heran, wieder überkam sie dieses seltsame, unangenehme Gefühl »gegen den Strich gebürstet« zu werden. Brandt schien ihr Unbehagen zu spüren, legte einen Arm um ihre Taille und zog sie schützend an sich. Doch ehe er ihr den fremden Mann vorstellen konnte, war der auch schon wieder im Busch verschwunden.
Maggie hielt den Atem an, als würde sie auf irgendetwas warten, aber worauf hatte sie keine Ahnung.
Brandt ließ sie stehen und folgte dem Mann in das Dickicht. Als er zurückkam, nahm er Maggies Hand und zog sie an sich. »Er ist fort. Mach nicht so ein ängstliches Gesicht.«
»Wer ist dieser Mann?«, fragte Maggie.
»Einer von uns«, erwiderte Brandt grimmig. »Einer, von dem du dich besser fernhältst. Er ist der Ansicht, dass Regeln nur für andere gelten.«
Sie konnte keine Erklärung dafür finden, weshalb sie so heftig zu zittern begann. Offenbar hatte ihr Körper eine instinktive Abneigung gegen den Mann, der sich in dem dichten Blattwerk verbarg. Brandt fing sofort an, ihr mit den Händen beruhigend über die Arme zu streichen.
»Warum berührst du mich, als ob du das Recht dazu hättest?« Und warum sehnte sie sich so nach genau dieser Berührung? »Du fasst mich an, als wäre das völlig normal.« Als ob sie zu ihm gehörte.
»Macht dir das denn so wahnsinnig viel aus?« Brandts Stimme sank um eine Oktave und wurde heiser, ganz die Stimme eines Verführers. Zärtlich strich er mit dem Daumen über ihre volle Unterlippe.
Maggies Magen schlug Purzelbäume. »Ich möchte das nicht, weil …« Ihre Stimme versagte unter seinem Blick. Es fühlte sich einfach richtig an. Perfekt. War genau das, was sie wollte. Sein Mund war nur wenige Zentimeter von ihrem entfernt. Sie konnte der Versuchung seiner wunderbar geschwungenen Lippen nicht widerstehen.
Sie hätte bei aller Liebe zur Wahrheit nicht sagen können, wer von ihnen beiden sich zuerst bewegt hatte. Sie wusste nur, dass sie einen magischen Moment erlebte. Brandt küsste sie unerwartet sanft, zart wie ein Windhauch. Sie spürte zwar seine Leidenschaft, doch er berührte sie nur ganz vorsichtig, lockend statt fordernd. Maggie presste sich enger an ihn und schlang ihre Arme um seinen Hals, sie wollte seinen Körper dicht an ihrem spüren.
Sofort wurden seine Lippen drängender, und er vertiefte den Kuss. Brandts Hände glitten über sie hinweg, folgten ihren Kurven und zogen sie enger heran. Dann schob er ihre Bluse hoch, um ihre nackte Haut berühren zu können, und legte seine Hände auf den seidenen BH, auf das hauchzarte Material, das ihre prächtigen Schätze barg.
Feuer rann durch ihre Adern. Ihre eigene Reaktion erschütterte Maggie bis ins Mark. Ein Zittern durchlief sie, und sie versteifte sich unwillkürlich, denn irgendetwas tief in ihrem Innern wehrte sich noch.
Abrupt löste er seine Lippen von ihrem Mund, ließ die Hände aber noch auf ihren Brüsten ruhen, und seine Stirn an ihre gelehnt. Er hatte einen Schweißfilm auf der Haut, und sein Atem ging stoßweise, er war heftig erregt. »Wir können nicht hierbleiben, Maggie. Ich habe nicht halb so viel Kontrolle über mich, wie ich dachte.« Er küsste sie noch einmal. Sanft. Und entschuldigend. »Es sei denn, du willst mich ebenso sehr wie ich dich.«
Alles weibliche Empfinden in ihrem Innersten schrie ein lautes »Ja«. Sie wollte ihn. Wollte ihn sogar sehr. Doch wie sehnsüchtig sie auch nach ihm verlangte, wie heftig sie selbst die Vereinigung wünschte, irgendetwas tief in ihr verwehrte ihnen ungerechterweise die endgültige Erlösung.
»Ich kann nicht, Brandt. Es tut mir leid. Ich weiß nicht, warum. Aber ich kann nicht.« Maggie grub ihre Finger in sein T-Shirt und hielt sich trostsuchend an ihm fest.
Widerstrebend nahm Brandt die Hände von Maggies Brüsten, ließ sie abwärts wandern und streichelte ihren flachen Bauch. »Ich versteh schon, Kätzchen. Mach dir keine Sorgen.« Er atmete tief ein, um seine überbordende Lust in den Griff zu bekommen, und küsste Maggie auf die Stirn. »Wir sollten uns in Sicherheit bringen.«
»Gibt es das denn irgendwo?« Maggie sah mit glänzenden Augen zu ihm auf. Sein verständnisvolles Benehmen machte ihn nur noch attraktiver. Brandt Talbot war ein unglaublich sensibler Mann, und sie verfiel ihm mehr und mehr.
Er beugte sich herab und küsste sie keusch, seiner Ansicht nach hätte er dafür heiliggesprochen oder zumindest zum Ritter geschlagen werden sollen. Dann nahm er Maggie bei der Hand und führte sie rasch in eine andere Richtung. »Ich schätze, das Dorf ist sicher genug. Dort treffen wir vielleicht noch jemanden«, meinte er finster.
Maggie war klar, dass er dabei an jenen geheimnisvollen James dachte, und hoffte, ihm lieber nicht zu begegnen. »Oh ja, das würde mir gefallen. Das Dorf wollte ich schon die ganze Zeit sehen.« Maggie genoss den Weg mit ihm an ihrer Seite, er verriet ihr die Namen der verschiedenen Pflanzen und zeigte ihr Tiere und Reptilien, die sie ohne ihn nie entdeckt hätte. Ihr wurde bewusst, dass sie sich in seiner Gesellschaft völlig sicher fühlte. Der Wald war ein dunkler Ort, geheimnisvoll, ja sogar beklemmend, doch Brandt bewegte sich darin lautlos und geschmeidig, so selbstsicher, dass ihr klarwurde, wie heimisch er sich dort fühlte. »Du hast all die Fotos gemacht, die im Haus hängen, nicht wahr? Sie sind sehr gut.« Ihre Stimme verriet aufrichtige Bewunderung.
Brandt lief doch tatsächlich rot an. »Die sind dir aufgefallen? Ich hoffe, du hast nicht auch noch diesen Unsinn gelesen. Ich hätte die Bilder abnehmen sollen, aber ich habe nicht daran gedacht.«
»Mir gefallen die Gedichte.«
Brandt stöhnte auf. »Das sind keine Gedichte. Ich war bloß auf der Suche nach einem Titel für die Bilder und nichts hat dazu gepasst.« Diese Entschuldigung klang selbst in seinen Ohren lahm.
Impulsiv hob Maggie die Hand, berührte sein Haar und raufte ihre Finger kurz in der seidigen Pracht, sie konnte einfach nicht widerstehen. »Bist du denn professioneller Fotograf?« Brandts Verlegenheit war so rührend, dass sie ihn gern noch etwas zappeln gelassen hätte, doch sie war zu neugierig.
»Ich arbeite freiberuflich für National Geographic«, gab Brandt widerstrebend zu. »Ich schreibe Artikel und berate verschiedene Regierungen. Neben meiner Arbeit hier versuche ich, weltweit auf die Bedeutung des Regenwaldes aufmerksam zu machen.«
Völlig verblüfft starrte Maggie ihn an. Wie hatte sie das nur übersehen können? »Du bist der Brandt Talbot, der berühmteste Experte auf dem Gebiet? Doktor Brandt Talbot. Ich kann gar nicht glauben, dass ich mich gerade mit dir unterhalte. Ich habe wirklich alles von dir gelesen!« Maggie verfiel seinem Zauber immer mehr. Er liebte das, was sie liebte. Sie hörte es an seiner Stimme und wusste es aus seinen Artikeln. Diese Art von Leidenschaft konnte man nicht vortäuschen. »Erzähl mir mehr von dieser Spezies, zu der meine Eltern angeblich gehörten«, forderte sie ihn auf, obwohl sie nicht ganz sicher war, ob sie ihm glauben konnte. Doch ihr Körper schien der lebende Beweis für seine Geschichte zu sein. Irgendetwas ging in ihr vor, etwas, über das sie anscheinend keine Kontrolle hatte. Dennoch klang seine Erklärung dafür völlig absurd. Maggie versuchte, unvoreingenommen zu bleiben. »Gibt es noch viele von ihnen?«
»Von uns, Maggie - du gehörst dazu -, und nein, es sind nicht mehr viele übrig. Unsere Art stirbt aus. Wir sind so gnadenlos gejagt worden, dass wir fast ausgerottet sind. Zum Teil ist es aber auch unsere Schuld. Auf unsere Geschichte können wir nicht gerade stolz sein.« In seiner Stimme lag ein Hauch von Bedauern.
»Was ist denn passiert?«
»Am Anfang verehrten uns manche Stämme wie Gottheiten. Das schürte bei einigen ihren Machthunger. Wie bei jeder Art gibt es auch bei uns solche, die ein gutes, verdienstvolles Leben führen, und solche, die herrschen und bestimmen wollen. Dazu kommen spezielle Krankheiten und Probleme. Wir sind leidenschaftlich, eine Mischung aus Mensch und Tier, mit den guten und schlechten Instinkten beider Seiten.« Brandt blieb stehen. »Gleich da vorn liegt das Dorf. Selbst heute noch, Maggie, sind einige unserer männlichen Artgenossen besessen von Macht«, warnte er sie vorsichtshalber.
»Leoparden bleiben nicht ihr Leben lang zusammen, Brandt. Die Weibchen ziehen die Jungen allein groß. Machen sich diese Männer nach der Paarung auch aus dem Staub?« Maggie zwang sich, ihn bei der Frage nicht anzusehen.
Brandt zog sie in eine stählerne Umarmung. »Nein, Maggie. Wir sind keine Leoparden, wir sind weder Mensch noch Tier. Unsere Spezies ist ein Leben lang treu. Und darüber hinaus. Neun Leben lang. Unsere gesamte Lebensspanne. Immer wieder von neuem. Du gehörst zu mir, ich weiß es, du hast von Anfang an zu mir gehört.«
Maggie war so froh und erleichtert, dass sie nichts erwidern konnte. Die Vorstellung, dass Brandt sich nicht nur mit ihr vereinigen, sondern auch ein Leben lang bei ihr bleiben wollte, machte sie glücklich, auch wenn sie nicht ganz sicher war, ob die Geschichte stimmte. Stumm ließ sie sich von ihm halten, während sie sich umschaute und versuchte, durch den Regen und die dichte Vegetation irgendetwas zu erkennen. Tatsächlich, versteckt zwischen den Bäumen gab es zwei kleine Gebäude, die von einer wahren Fülle von Pflanzen überwuchert wurden. Kopfschüttelnd fragte Maggie: »Das ist das Dorf? Hier wohnt ihr alle? In den beiden Häusern?« Sie versuchte, ein Kichern zu unterdrücken. Sie hatte sich etwas völlig anderes vorgestellt. Zumindest etwas Leben, so wie in einem Eingeborenendorf.
»Wir wohnen nicht hier. Wir kommen nur her, um uns zu treffen und Vorräte zu holen. Die Wohnhäuser liegen im Wald verstreut. Wir bemühen uns, keine Spuren zu hinterlassen, und sind stets auf der Hut, ob es Zeichen gibt, dass jemand in der Nähe ist. In der Nacht, in der deine Eltern gestorben sind, haben die Wilderer unser Dorf zerstört. Seither haben wir es recht klein gehalten, um uns zu schützen.«
»Das ist zwar vernünftig, aber ein trauriges Leben.«
»Wir sind eine ungewöhnliche Gemeinschaft und auch nicht alle von uns wohnen im Regenwald. Manche leben lieber in den Randgebieten. Abgesehen vom Han Vol Don können wir nach Belieben die Gestalt wechseln. Beim ersten Mal ist die Verwandlung unangenehm und unkontrolliert. Daher ist es am besten, wenn jemand anderes dir dabei zur Seite steht.«
»Aber Kinder verwandeln sich nicht. Nur Erwachsene, oder?«
Brandt nickte. »Und wir wissen nicht, was die Verwandlung jeweils auslöst. Bei manchen kommt das Han Vol Don früher als bei anderen.« Brandt legte Maggie die Arme um die Schultern, er musste sie einfach berühren, sie ganz nah bei sich haben. Da die anderen Männchen nicht weit waren, wurde er zunehmend nervös und kampflustig. Das sind alles Freunde, bläute er sich ein. Männer, denen er traute, die sein Leben schon Dutzende Male gerettet hatten, so wie er das ihre. Sie wussten, dass Maggie seine Gefährtin war. Doch bis Maggie ganz sein war, würden sie sich in ihrer Gegenwart ebenso unwohl fühlen wie er sich mit ihnen in diesem Augenblick.
Und dann war da noch James. Brandt und die anderen hatten ihn bei Maggies Ankunft im Wald gewittert. Zweimal hatte Brandt seine Fährte sogar neben dem Haus aufgenommen. Er traute James nicht und wollte ihn nicht in Maggies Nähe wissen. Ihre Spezies hatte zu viel Animalisches, so viel, dass man mitunter gegen seine Natur ankämpfen musste. Bis die Bande zwischen den Paaren fest geknüpft waren, führten die Männer sich wie Rivalen um ihr Terrain auf. Und das brachte sie alle immer wieder in Gefahr.
Maggie spürte das leise Beben, das Brandts Körper durchlief. »Was ist los?« Sie schlang einen Arm um seine Taille, etwas, das sie normalerweise vermieden hätte, doch er schien sie zu brauchen. Dass ein starker Mann so auf sie angewiesen, so auf sie fokussiert war, gab ihr ein seltsames Gefühl von Macht. »Du bist nicht gern hier. Ich spüre es, Brandt.«
Er zog sie zurück in den Schutz der Bäume, drehte sie zu sich um und drückte sie so fest an sich, dass sie jeden seiner Muskeln spüren konnte. Sein Körperduft hüllte sie ein. Brandt senkte den Kopf und schob Maggies Haar beiseite, damit er sie auf die Schulter küssen konnte. Seine Zähne kratzten sanft über ihre nackte Haut. »Ich will dich«, flüsterte er ihr leise ins Ohr und kitzelte sie mit seinem warmen Atem. »Ich will dich so sehr, dass ich manchmal nicht mehr richtig denken kann.«
Ihr ganzer Körper reagierte auf dieses geflüsterte Geständnis. Er schmiegte sich an sie, bebte vor Hitze, Hunger und Vorfreude.
Sein Mund glitt ihren Hals hinauf, knabberte sanft an ihrem Kinn und streifte über die Wange zu ihrem Mundwinkel. Seine Zunge streichelte sie. Verhalten. Umfuhr ihre Lippen, bis sie sich öffneten. Und dann gab es kein Zurück mehr. Sein erfahrener Mund war für sie ein faszinierendes, reizvolles Rätsel, eines von männlicher Anziehungskraft und süßen Versprechen. Als seine Zunge sich den Weg zwischen ihren Lippen hindurchbahnte, verlor Maggie die Beherrschung. Alle Hemmungen. Den klaren Verstand.
Sie schlang die Arme fest um seinen Hals und rieb ihren Körper langsam an seinem. Reizte ihn. Genoss es, wie er sich versteifte. Und die ganze Zeit blieben ihre Lippen miteinander verschmolzen. Seine Hände wanderten über ihre Brüste und die Hüften zum Po, den sie ausgiebig kneteten, massierten und streichelten.
Brandts Mund wurde heißer und weicher, seine Zunge forderte sie zu einem spielerischen Duell. Er hauchte ihr feurige Küsse auf Kinn und Hals, legte endlich seinen Mund auf ihre Brust und saugte durch die dünne Baumwolle der Bluse an ihrem Nippel.
Maggie schrie auf, zog seinen Kopf zu sich heran und drängte sich ihm entgegen, beinahe trunken vor Leidenschaft. Nichts hatte sie auf sein derart heißes Begehren vorbereitet.
»Lass uns von hier fortgehen«, flüsterte Brandt, »jetzt gleich, Maggie. Komm mit mir. Ich muss dich sofort haben.«
Maggie nickte, sie brauchte ihn ebenfalls, er musste ihre furchtbare Qual beenden und die Leere in ihr füllen. »Ich hab das noch nie gemacht, Brandt«, gestand Maggie. Sie wollte, dass er sich Zeit nahm, damit sie von seiner offensichtlichen Erfahrung lernen konnte.
Brandt hielt inne und richtete sich auf. Seine goldenen Augen musterten Maggie mit einer Mischung aus Verblüffung und Verlangen. »Bist du etwa unberührt, Maggie?«, fragte Brandt überrascht.
Maggie verkrampfte sich und machte sich von ihm los. »Jetzt nicht mehr.« Trotzig reckte sie das Kinn vor. »Das hast du ja nun geändert.«
Er hatte sie gekränkt, obwohl das nicht seine Absicht gewesen war. Er packte sie am Handgelenk und zog ihren widerstrebenden Körper wieder an sich. »Es tut mir leid, Maggie. So habe ich es nicht gemeint.«
»Ich weiß genau, wie du es gemeint hast. Dir wäre es lieber, wenn ich Erfahrung hätte. Es tut mir schrecklich leid, aber damit kann ich nicht dienen. Ich habe nie einen Mann getroffen, den ich so sehr geliebt oder gemocht habe, dass ich mich auf eine körperliche Beziehung eingelassen hätte.« Sie war stinkwütend. Außer sich. Auf gar keinen Fall würde sie sich vor Brandt Talbot für ihren moralischen Lebenswandel entschuldigen. Sie drehte ihm und seinem kläglichen, kleinen Dorf abrupt den Rücken zu.
Brandt wusste, dass Maggie böse auf ihn sein wollte. Doch er wusste auch, dass sie sich ihre Wut nur einredete, denn ihre Augen glänzten, und falls sie zu weinen begann, musste er ihr jede Träne einzeln wegküssen. Deshalb zog er ihre Hand an seine Brust und hielt sie trotz ihrer halbherzigen Gegenwehr dort fest. »Wie kannst du bloß glauben, dass es mir lieber wäre, wenn ein anderer Mann dich berührt hätte?« Er nahm sie in den Arm, hielt sie fest und strich ihr mit dem Kinn übers Haar. »Dass du einen anderen Mann, und sei es nur für einen Augenblick, so attraktiv findest, dass du Liebe mit ihm machen möchtest, ist wirklich das Letzte, was ich mir wünsche.« Brandt küsste Maggie auf die Schläfe. »Ich hab mir nur Sorgen gemacht. Du hättest es mir gleich sagen sollen. Meine Gefühle sind genauso stark wie deine. Ich hätte die Beherrschung verlieren können. Ich muss sehr behutsam mit dir umgehen.« Brandt drückte Maggie an sich und wartete, bis ihre Anspannung nachließ. Langsam wurde sie ihm vertraut. Sie war aufbrausend, beruhigte sich aber schnell wieder.
Maggie legte den Kopf in den Nacken und sah ihn an. Und im gleichen Augenblick wurde ihr klar, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Unter seinem dunkel glühenden Blick schmolz sie einfach dahin. Sie schüttelte den Kopf, doch sie wusste, dass es zu spät war. Ihre Wut und ihr Ärger verrauchten in der Glut, die er in ihr entfachte. Sie atmete tief ein und aus und zwang sich, ihren hungrigen Blick von seinen hypnotischen Augen abzuwenden.
»Bring mich ins Dorf. Ich möchte wissen, wie es aussieht.« Sie brauchte Abstand von Brandt, Platz zum Atmen. So etwas wie Normalität und eine Pause von der sexuellen Überreizung, die sie die ganze Zeit empfand.
Nachdenklich rieb Brandt über den Rücken seiner Nase. »In Ordnung, lass uns gehen, du solltest einfach nur in Erinnerung behalten, dass ich ähnlich erregt bin wie ein männlicher Leopard, wenn ein Weibchen …«
Maggie riss den Kopf herum und starrte ihn an. Sie konnte es nicht länger ertragen. »Wag bloß nicht zu sagen, ich sei rollig. Ich bin nicht rollig!« Sie wurde hochrot und trat ein paar Schritte zurück von der Versuchung, die Brandts männlicher Körper für sie darstellte. »Was für ein Gedanke!« Obwohl er ihr selbst schon gekommen war. Sie zeigte alle Anzeichen einer brünstigen Katze, doch das laut auszusprechen, fand sie beschämend. Plötzlich riss sie die Augen auf und legte die Hand an den Hals. »Warte mal. Willst du damit andeuten, dass ich meine fruchtbaren Tage habe? Ist es das? Mein Eisprung steht bevor, deshalb will ich Sex, um mich fortzupflanzen?«
Hastig, als ob er eine ansteckende Krankheit hätte, wich sie vor Brandt zurück. Als er ihr nachkam, zeigte sie mit dem Finger auf ihn. »Du bleibst da stehen, komm mir nicht zu nahe. Komm mir bloß nicht zu nahe.«
Brandt grinste sie nur an, und Maggie beobachtete sich selbst dabei, wie sie schon wieder fasziniert seinen Mund anstarrte. Völlig hingerissen erwiderte sie sein Lächeln, obwohl sie eigentlich ernst bleiben wollte. »Das ist nicht lustig. Bleib, wo du bist, ich will mich sicher fühlen, während du mir alles erklärst. Haben …« Wie um Himmels willen nannten sie sich gleich? »Haben Leopardenmenschen nur Verkehr, wenn das Weibchen seine fruchtbaren Tage hat?«
Brandt lachte schallend. »Du siehst enttäuscht aus, Maggie. Das freut mich. Nein, wir sind eine sexuell sehr aktive Rasse und paaren uns häufig. Aber ja, wenn bei unserer Gefährtin der Zeitpunkt des Eisprungs näherrückt, wird der Trieb stärker. Der Sex kann härter sein. Deshalb war ich besorgt, dass du Jungfrau bist, nicht, weil mir das nicht gefiele.« Sein hungriger Blick glitt besitzergreifend über Maggies Körper. »Wir kriegen das schon hin.«
»Das wird nicht nötig sein! Du kommst mir nicht mehr zu nahe! Ich werde nicht schwanger werden. Ganz bestimmt nicht. Also kannst du gleich damit aufhören, mich so anzuschauen. Wenn du nicht eine große Kiste voller Verhütungsmittel hast, kannst du das vergessen.« Maggie war wütend, erregt und unbefriedigt. Ihre Hormone spielten verrückt. Sie empfand Mitleid mit allen Katzen, die ihr je begegnet waren. »Hattest du überhaupt vor, mir das zu sagen?«
»Irgendwann schon. Aber ich wollte es dir schonend beibringen, du solltest dich erst an den Gedanken gewöhnen, dass du zu uns gehörst. Das bringt eine gewisse Verantwortung mit sich.« Brandt zuckte die breiten Schultern, und sie hätte fast laut aufgestöhnt, als sie sah, wie verlockend sich die Muskeln unter seiner Haut bewegten.
»Was du nicht sagst.« Maggie funkelte ihn wütend an, obwohl sie sich am liebsten an seine Brust geworfen und ihn angefleht hätte, ihr die Kleider vom Leib zu reißen. Das Dorf war der einzig sichere Ort. Sie brauchten Menschen um sich herum, keine traute Zweisamkeit und keinen exotischen Regenwald mit Blumen und Bäumen und seiner schwülen Attacke auf die Sinne. »Halte bitte Abstand, Brandt. Im Augenblick fühle ich mich nämlich ganz besonders katzenhaft. Am liebsten würde ich dir mit den Krallen durchs Gesicht fahren.« Noch lieber aber hätte sie sich an ihn geklammert und eine lange Kratzspur seinen Rücken hinunter hinterlassen. Das Bild, das ihre Worte heraufbeschworen, ließ sie vor Verlangen erschaudern.
Brandt sah es an ihrem Gesichtsausdruck und sog ihren verlockenden Geruch ein. Männliche Befriedigung strahlte aus seinen Augen.
Maggie strich sich mit den Händen über die Schenkel. »Um Himmels willen, bekommen wir etwa ganze Würfe? Mehrere Junge? Nur mal so gefragt.« Sie konnte nicht stillstehen, nicht mehr klar denken. Ihr wurde schon wieder ganz heiß vor Verlangen.
Brandts Augen konzentrierten sich ganz auf sie. Dann nahm er sie einfach bei der Hand. »Wir sind beide nicht in der richtigen Verfassung für eine Besichtigungstour, Maggie. Du musst mir vertrauen. Ich weiß, was zu tun ist.«
Die Nacht brach ganz plötzlich herein, wie so oft im Regenwald. Maggie fühlte sich müde und verschwitzt und ihre Kleider klebten unangenehm auf der Haut. Sie spürte, dass sie unruhig wurde und mit dem Gedanken spielte, sich einfach auf Brandt zu stürzen. Am besten sollte sie etwas allein sein, irgendwo, wo es eine stille und beruhigende Atmosphäre gab.