3
Maggie träumte von einer tröstenden Männerstimme.
Von liebevollen Armen. Von einem weichen Fell, das sinnlich ihre
Haut streifte und über sie hinwegglitt. Davon, auf allen vieren
durch den dunklen Wald zu laufen. Sich verführerisch auf den Boden
zu werfen und sich aufreizend zu räkeln, um einen Mann anzulocken.
Sie träumte von blitzenden Taschenlampen und Gewehrschüssen. Von
einem Mann, nach dessen Körpergeruch sie sich verzehrte.
Als sie am späten Nachmittag erwachte, lag sie
nackt auf dem zerwühlten Laken, die Erinnerung an die seltsamen,
zusammenhanglosen Träume noch deutlich im Gedächtnis. Als Erstes
meldete sich ihr Tastsinn, danach das Gehör. Sie registrierte das
lärmende Vogelgeschrei. Das Summen der Insekten. Das Kreischen der
Affen. Den Regen.
Es war schon wieder schwül, und die Ventilatoren
kreisten, was die drückende Luft zumindest etwas leichter
erträglich machte. Maggie schaute zum Fenster und stellte erstaunt
fest, dass ein Moskitonetz ihr Bett umgab. Noch nicht ganz wach hob
sie träge die Hand und schob es beiseite. Blinzelnd blickte sie in
die unwiderstehlichsten, faszinierendsten Augen, die sie je gesehen
hatte. Augen aus flüssigem Gold. Glühend. Hypnotisch.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, dann begann es,
vor Aufregung wie wild zu klopfen. Maggie biss sich auf die
Unterlippe. »Was machen Sie hier?«, brachte sie hervor. Der Mann,
der vor ihrem Bett stand, wirkte furchtbar einschüchternd, nie
hatte sie solch einen muskulösen Körper gesehen. Maggie lag da wie
gelähmt, unfähig, sich zu bewegen. Sie konnte ihn nur hilflos
anstarren, während sich ihr Schock mit einer seltsamen Erregung
mischte.
Brandt zog das Netz zur Seite und ließ seinen Blick
besitzergreifend über Maggies Körper gleiten. Sie war so in ihr
zerknülltes Laken gewickelt, dass es weit mehr zeigte als es
verbarg. Ihr seidenes Haar lag auf dem Kissen ausgebreitet wie
gesponnenes Gold, ebenso rötlich schimmernd wie das lockige
Dreieck, das er im Schatten ihrer Schenkel ausmachen konnte. Sein
Mund fühlte sich mit einem Mal ganz trocken an. »Ich wollte mich
vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Mir ist eingefallen, dass
es keine gute Idee war, Sie in einem fremden Haus mitten im
Regenwald allein zu lassen, deshalb wollte ich nach Ihnen sehen.
Ich bin Brandt Talbot.« Sosehr er sich auch bemühte, sich zu
beherrschen, er konnte seinen brennenden Blick kaum von den
aufreizenden Rundungen ihrer Brust lösen.
Das hitzige Verlangen, mit dem er ihren Körper
betrachtete, brannte wie Feuer auf Maggies Haut. Erschrocken setzte
sie sich auf und schlang das Laken um sich herum. »Großer Gott, ich
hab ja gar nichts an!«
Brandts perfekt geschwungener Mund verzog sich ganz
langsam zu einem kleinen Lächeln. »Das habe ich bemerkt.«
»Sollten Sie aber nicht.« Während Maggie sich das
Laken mit einer Hand bis zum Kinn hochzog, wies sie mit der anderen
gebieterisch zur Tür. Brandt war der attraktivste Mann, den sie je
gesehen hatte. Sein Haar war lang und dicht, pechschwarz und so
glänzend, dass sie am liebsten
mit den Fingern hindurchgefahren wäre. Nach dem zu urteilen, wie
es ihr in der letzten Nacht ergangen war, wusste sie nicht genau,
ob der Mann sich in ihrem Schlafzimmer sicher fühlen konnte.
Insbesondere wenn sie nackt war. »Ich ziehe mir etwas an, und wir
treffen uns unten in der Küche.«
Sein Lächeln verbreiterte sich zu einem
unwiderstehlichen Grinsen. »Ich habe Ihnen etwas zu essen nach oben
gebracht.« Er nahm ein Silbertablett von der Kommode und stellte es
aufs Bett. »Dass Sie … äh … nichts anhaben, macht mir nichts aus.
So kommt wenigstens Leben ins Haus.«
Maggie stieg die Röte ins Gesicht. Auf dem Tablett
waren Obst, ein Glas eisgekühlter Fruchtsaft, ein Becher mit heißem
Tee und dazu eine farbenprächtige Orchidee arrangiert. Die Blume
war frisch. Und exquisit. Was war das nur für ein Mann, der ihr
beim ersten Erwachen im Regenwald etwas so Wunderschönes brachte?
Maggie blickte vom Tablett hoch und bewunderte die Schönheit seines
männlichen Körpers. Er hatte kräftige Arme und breite Schultern,
überall schien er aus Muskeln zu bestehen. Seine faszinierenden
Augen musterten sie mit so glühender Intensität, dass Maggie in dem
Moment, in dem ihre Blicke sich trafen, verloren war. Nie zuvor
hatte sie einen Mann mit derartigen Augen gesehen. Es waren die
eines Dschungelwesens, eines Jägers, der auf seine Beute
konzentriert ist. Und doch hatte er daran gedacht, ihr eine Blume
auf das Silbertablett zu stellen.
Hastig wandte Maggie den Blick ab, bevor sie sich
für immer in den geheimnisvollen Tiefen seiner Augen verlor. Auf
ewig verloren in diesem faszinierenden Kontrast zwischen dem Räuber
und dem Dichter in ihm.
»Ich glaube nicht, dass dieses Haus noch mehr Leben
braucht«, erwiderte sie leise, während sie versuchte, Brandt nicht
weiter anzustarren. Sie konnte schlecht splitterfasernackt im Bett
Obst essen, während er mit diesen sündhaften Augen dabei zusah. Er
raubte ihr die Sprache. Den Atem. Den Verstand. Ihr ganzer Körper
erwachte zum Leben, jetzt, da er im Zimmer war. Die Situation war
einfach zu gefährlich. »Ernsthaft, warten Sie bitte unten. Ich
komme gleich.«
Seine Augen glitten über ihren Körper. Feurig.
Besitzergreifend. Sie hielt den Atem an. Schon allein bei seinem
Anblick schmolz sie dahin.
Ein raubtierhaftes Grinsen ließ Brandts weiße Zähne
aufblitzen. »Ich werde warten, Maggie«, sagte er leise, ehe er das
Zimmer verließ. Seine Stimme war tief und so verführerisch, dass
sie anscheinend durch ihre Poren drang, um ihr Blut noch mehr in
Wallung zu bringen. Alles an Brandt, seine Stimme, sein Körper,
seine Augen und sein Mund, war sündhaft sinnlich. In ihrem
augenblicklichen Zustand fürchtete sie, seiner unwiderstehlichen
Anziehungskraft auf der Stelle zu erliegen. Glücklicherweise hatte
er ein klein wenig zu aggressiv geklungen. Zu arrogant. In seinem
Ton lag etwas Herrisches, das ihr nicht behagte. Fast so, als hätte
er ihr Fell gegen den Strich gebürstet.
Über diese Vorstellung musste Maggie laut lachen.
Kaum war sie einen Tag im Dschungel, war sie schon ganz eins mit
der Wildnis. Sie warf das Laken zur Seite und lief ins Badezimmer.
Brandt Talbot besaß die Schlüssel zu jeder Tür in ihrem Haus. Auch
der Riegel an der Haustür hatte ihn nicht aufhalten können. Sie
sollte eigentlich dankbar sein, dass dieser Mann so besorgt um sie
war. Er hatte bei ihr im Haus
geschlafen.
Ob er in der Nacht in ihr Zimmer gekommen war? Ob
es seine Wahnsinnsstimme gewesen war, die sie in ihren Träumen
gehört hatte? Sie versuchte, sich an die Traumfetzen zu erinnern,
doch alles, woran sie denken konnte, war ihre Gier nach Sex, wie
sehr sie sich danach gesehnt hatte, berührt und gestreichelt zu
werden. Hatte er sie etwa so gesehen? Diese Vorstellung ließ sie am
ganzen Körper erröten.
Sie schaute sich im Spiegel an und versuchte zu
ergründen, ob ihr eine Veränderung anzusehen war. Zum ersten Mal in
ihrem Leben fiel ihr auf, wie unglaublich groß ihre grünen Augen
waren. Im Tageslicht hatten ihre Pupillen sich zu
stecknadelkopfgroßen schwarzen Punkten verengt, um ihre Augen vor
der gleißenden Helligkeit zu schützen, die auch bei bedecktem
Himmel herrschte. Verwundert registrierte sie das Strahlen ihrer
leuchtend grünen Augen, während sie Zahnpasta auf die Bürste
drückte. Als ihre kleinen weißen Zähne zum Vorschein kamen, setzte
ihr Herz einen Schlag aus. In ihrem zarten Gesicht blitzten scharfe
Fangzähne auf.
Erschrocken über das seltsame Spiegelbild schlug
Maggie die Hand vor den Mund. Das musste eine Täuschung sein. Ganz
langsam zog sie die Hand wieder fort und musterte ihre entblößten
Zähne. Sie waren makellos und gerade. Völlig normal. Offenbar
verlor sie den Verstand. Vielleicht hatte Jayne Recht gehabt, und
sie gehörte nicht in eine derart primitive Umgebung. So lange hatte
sie sich gewünscht, einmal ihr Elternhaus zu sehen, dass sie wohl
überreizt war. Andererseits war dies ihre einzige Chance, jemals
mehr über ihre Eltern zu erfahren. Sie war nie schüchtern oder
nervös gewesen. Hatte keine Angst, allein zu reisen. Auch mit
Kampfsport kannte sie sich recht gut
aus und wusste sich in gefährlichen Situationen durchaus zu
behaupten, doch hier im Dschungel fühlte sie sich ganz anders als
die normale Maggie Odessa. Aber Weglaufen kam nicht infrage.
Maggie wählte ihre Kleidung mit Bedacht, so leicht
und locker wie möglich. Es war drückend schwül. Sie flocht ihr Haar
zu einem festen französischen Zopf, den sie auf dem Kopf
feststeckte wie eine Krone. Der Nacken blieb frei. Dann suchte sie
nach ihrem seidenen Büstenhalter und dem passenden Höschen,
hauchzarten Sachen, die in der feuchten, stickigen Luft hoffentlich
nicht auf der Haut scheuerten. Den Fehler, ohne BH von einem
tropischen Regensturm überrascht zu werden, wollte sie nicht noch
einmal machen.
Ihr blieb nur wenig Zeit, mehr über die Geschichte
ihrer Eltern zu erfahren. Und sie war fest entschlossen, jede
Sekunde zu nutzen. Während sie die Treppe hinunterlief, machte sie
sich im Geiste eine Liste der Fragen, die sie Brandt Talbot stellen
wollte.
Brandt erhob sich, als sie in die Küche trat, und
schon waren alle guten Vorsätze dahin. Sie flogen einfach davon, so
dass sie einfach nur im Türrahmen stand und ihn anstarrte. Er
machte sie schwach. Im wahrsten Sinne des Wortes. Schon bei seinem
Anblick wurden ihr die Knie weich. Maggie hatte Angst zu stottern,
sobald sie den Mund aufmachte. Er war einfach überwältigend.
Brandt lächelte und tausend Schmetterlinge tanzten
in ihrem Bauch. Er kam auf sie zu, ohne den Hauch eines Geräuschs,
nicht einmal seine Kleidung wagte zu rascheln, und ihr stockte der
Atem. Nie hatte sie derart auf einen Mann reagiert, und es war ihr
höchst peinlich.
Maggie zwang sich zurückzulächeln. »Danke, dass Sie
heute bei mir im Haus geschlafen haben. Ich wäre natürlich nicht
so dumm gewesen, draußen einen Spaziergang zu unternehmen, aber es
ist nett, dass jemand sich um mich sorgt.« Verlegen ließ sie sich
auf dem hohen Stuhl nieder, den er ihr zurechtrückte. »Ich nehme
an, Sie haben die Schlüssel zum Haus?«
»Ja, natürlich. Ich habe lange hier gewohnt. Für
gewöhnlich erobert der Wald das, was ihm gehört, sehr schnell
wieder zurück. Die Kletterpflanzen winden sich bis zur Traufe hoch,
wenn ich nicht aufpasse.« Brandt nahm auf der anderen Seite des
Tisches Platz.
Maggie sah zu, wie er mit kräftigen Fingern nach
einer Mango griff, sie zum Mund führte und fest hineinbiss. Ihr
ganzer Körper spannte sich an, als sie das sah. Sie zwang sich, den
Blick abzuwenden. »Können Sie mir irgendetwas über meine Eltern
erzählen? Ich wurde mit drei Jahren adoptiert und kann mich an
nichts erinnern.«
Brandt betrachtete ihr ausdrucksvolles Gesicht, die
widerstreitenden Emotionen, die sich darin spiegelten. Maggie
widersetzte sich der starken Anziehungskraft zwischen ihnen, fest
entschlossen, nicht nachzugeben. So nah bei ihm fiel ihr das noch
schwerer. Selbst die Luft zwischen ihnen war aufgeladen und
knisterte vor Spannung. »Alle hier im Wald kennen Ihre Eltern,
Maggie«, sagte Brandt leise, während er sie aufmerksam beobachtete.
Die Mango schmeckte süß, ihr Saft rann ihm wie feinster Wein über
den Gaumen, doch war das nichts gegen Maggie. Sie würde süßer sein,
noch berauschender.
»Dann erzählen Sie mir von ihnen.« Maggie nippte
vorsichtig an ihrem Saft und war auf der Stelle begeistert. Sie
hatte keine Ahnung, von welcher Frucht er stammte, doch schon nach
dem ersten Schluck verlangte ihre Kehle
wie ausgedörrt nach mehr. Eine Glut, die tief in ihrem Innern
schlummerte, loderte auf und rann wie Feuer durch ihre Adern. Die
Hand, in der sie das Glas hielt, begann zu zittern.
Brandt beugte sich zu ihr herüber und strich ihr
mit den Fingerspitzen eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich
aus der hochgesteckten Frisur gelöst hatte. Seine Berührung
hinterließ an der Stelle eine Flammenspur, heiß wie der Feuersturm
in ihrem Innern. »Der Geschmack ist einzigartig, nicht wahr?«
Brandts schlanke, starke Finger schlossen sich um ihre und drückten
das Glas an ihre Lippen. »Trink, Maggie, trink aus.« Seine Stimme
war heiser, verführerisch, die Einladung zu einem sinnlichen
Fest.
Maggie wollte widerstehen. Trotz seiner
Anziehungskraft hatte Brandt etwas an sich, das ihr Angst
einflößte. Diese besitzergreifende Art, mit der er sie anfasste!
Maggie merkte genau, wie sie sich seinem Zauber ergab, doch der
Duft des Nektars umnebelte und berauschte sie einfach zu sehr. Eine
kräftige Hand legte sich in ihren Nacken, Finger schlossen sich um
ihren Hals und machten ihr unmissverständlich klar, wie stark er
war. Er kippte das Glas, und die goldene Flüssigkeit rann ihr durch
die Kehle. Das Feuer in ihrem Innern flackerte auf und brannte
lichterloh.
Ängstlich warf Maggie den Kopf zurück, und ihr
grüner Blick begegnete dem seinen. Brandt war viel näher, als sie
gedacht hatte, so nah, dass sie die Wärme seines Körpers spürte. Es
war ihr unmöglich, den Blick abzuwenden, hypnotisiert beobachtete
sie, wie Brandt ihr Glas an seinen Mund führte. Seine Lippen
schlossen sich aufreizend langsam um genau die Stelle, an der sie
das Glas berührt hatte. Ohne sie aus den Augen zu lassen, trank er
den Saft aus.
Maggie rang nach Luft. Sie sah, wie sein Adamsapfel
sich bewegte, sah, wie er einen Tropfen der bernsteinfarbenen
Flüssigkeit mit einer Fingerspitze aufnahm und an ihren Mund hielt.
Ehe sie sich zurückhalten konnte, kreiste ihre Zunge bereits um
seinen Finger und kostete seinen Geschmack zusammen mit dem des
Nektars. Einen Herzschlag lang saugte und leckte sie an seinem
Fleisch. Vor lauter Gier brach Maggie plötzlich der Schweiß aus.
Ihre Hüften kreisten rastlos, sie lechzte nach Erlösung.
Brandt nahm einen kräftigen Atemzug und berauschte
sich an ihrem lockenden Duft. Sie trieb ihn zum Wahnsinn. Halb
verrückt nach ihr war er ja bereits. Als ihr Mund sich heiß und
feucht um seinen Finger legte, bekam er eine steinharte Erektion.
Sein Körper konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er reagieren
würde, wenn Maggie seinem erigierten Glied die gleiche
Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Brandts Hand schloss sich in einer
herrischen Geste um Maggies Hals und beugte sich zu ihr
herab.
Da riss Maggie sich so abrupt los, dass sie fast
vom Stuhl gefallen wäre, und entfernte sich hastig aus seiner
Reichweite. »Es tut mir leid, Entschuldigung.« Ihre Stimme klang
erstickt, und ihr standen Tränen in den Augen. »Ich weiß nicht, was
mit mir los ist. Bitte gehen Sie.« Nie im Leben, niemals hatte sie sich so aufgeführt. Schon gar
nicht vor einem völlig Unbekannten wie Brandt Talbot. Egal, wie
anziehend sie seinen Geruch und sein Aussehen fand, egal, wie
richtig sich alles anfühlte, er war ein
Fremder.
»Maggie, du verstehst das nicht.« Brandt stand
ebenfalls auf und pirschte sich durch die Küche an sie heran. Sein
kompakter Körper, die dicken Muskelstränge, seine Kraft und
Geschmeidigkeit erinnerten sie irgendwie an eine große
Raubkatze.
Maggie wich zurück, bis sie an den Tresen der Küche
stieß. »Ich will es auch gar nicht verstehen. Ich möchte, dass Sie
gehen. Mit mir stimmt etwas nicht.« Sie fühlte sich fiebrig, ihr
Verstand arbeitete nicht mehr richtig. In ihrem Kopf jagten Bilder
von der Vorstellung, wie sie sich mit Talbot auf dem Boden wälzte.
Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr Körper ließ sie
im Stich, ihre Brüste waren angeschwollen und empfindlich. In ihrem
tiefsten fraulichen Innern sehnte sie sich nach ihm. »Gehen Sie
einfach. Bitte, gehen Sie.« Sie wusste wirklich nicht, wer von
ihnen in größerer Gefahr schwebte.
Brandt fasste Maggie an beiden Seiten, so dass sie
zwischen seinem harten Körper und dem Tresen gefangen war. »Ich
weiß, was mit dir los ist, Maggie. Lass mich dir helfen.«
Maggies Hand verkrümmte sich, als fahre sie
tatsächlich die Krallen aus. Und während ihr Verstand noch
protestierte, zielte sie schon auf Brandts Augen. Er reagierte
blitzschnell, riss den Kopf herum und packte sie am Handgelenk. Mit
ängstlich zugekniffenen Augen erwartete sie seine Bestrafung. Doch
obwohl sein Griff fest wie ein Schraubstock war, tat er ihr nicht
weh.
»Maggie, was mit dir geschieht, ist ganz natürlich.
Dies ist dein Zuhause, hier gehörst du hin. Spürst du das
nicht?«
Maggie schüttelte heftig den Kopf und holte tief
Luft, um wenigstens ein wenig Herr ihrer Sinne zu werden. Sie
wollte nach Hause, raus aus dem Dschungel, weg von der Hitze. »Ich
weiß nicht, was hier vor sich geht, aber wenn ich derart reagiere,
will ich nicht länger an diesem Ort bleiben.«
Brandt japste nach Luft, sonst verlor er noch den
Verstand, alles um ihn herum drehte sich. Er kämpfte gegen
seine leidenschaftliche Natur, drängende Triebe und Urinstinkte.
Maggie war verängstigt, sie wusste nichts von ihrem Erbe. Das
durfte er nie vergessen. Sie konnte ihm ohnehin nicht mehr
entkommen, es war zu spät für sie. Er musste sie umwerben, mit
sanfter Überzeugung dazu bringen, ihr unvermeidliches Schicksal zu
akzeptieren. Seine körperlichen Bedürfnisse durften die zarten
Bande zwischen ihnen nicht zerstören.
»Maggie.« Schamlos setzte er den verführerischen
Klang seiner Stimme ein. »Der Wald ruft dich, das ist es. Mehr
nicht. Du hast nichts Falsches getan. Ich bin dir nicht böse. Ich
möchte nicht, dass du Angst vor mir hast. Fürchtest du dich vor
mir? Habe ich dich irgendwie verschreckt?«
Doch Maggie hatte mehr Angst vor sich selbst als
vor Brandt. Da sie nicht sprechen wollte, schüttelte sie bloß den
Kopf. Sein Duft nach Männlichkeit war beinah unwiderstehlich.
»Du möchtest doch mehr über deine Eltern wissen,
nicht wahr, und über ihre Arbeit, wie sie sich für gefährdete Arten
engagiert haben? Sie waren eine Klasse für sich in dem, was sie
erreicht haben.« Brandt spürte, wie Maggies Anspannung langsam
nachließ. »Lass mich dir von deinen Eltern erzählen, denn glaub
mir, die beiden waren außergewöhnliche Menschen. Wusstest du, dass
sie als Tierschützer hier waren? Dass es den Wilddieben gelungen
wäre, die Malaienbären auszurotten, wenn sie nicht gewesen wären?
Und das ist nur einer ihrer Verdienste. Sie haben ihr Leben der
Rettung bedrohter Tierarten gewidmet. Deine Mutter war dir sehr
ähnlich, sie hatte ein Lächeln, das einen ganzen Raum erstrahlen
lassen konnte. Und dein Vater war ein starker Mann, eine geborene
Führungspersönlichkeit.
Er lebte hier, in diesem Haus, und er hatte die Aufgabe, den
Regenwald zu schützen, von seinem Vater übernommen. Mit jedem Jahr
wurde das schwieriger. Die Wilderer hier fürchten weder Tod noch
Teufel und sind schwer bewaffnet.«
Als Brandt spürte, dass Maggie sich entspannte,
ließ er sie vorsichtig los und entzog sich so der Gefahr, die der
enge Kontakt mit ihrem Körper für ihn darstellte. Ihr Busen hob
sich mit jedem Atemzug und lenkte seine Blicke auf die prallen,
verführerischen Rundungen, die er so gern berührt hätte. Er hatte
sie schon nackt gesehen und wusste, dass ihn nicht nur üppige
Kurven, sondern auch eine seidenglatte Haut erwarteten. Ihr Feuer
sprang auf ihn über, und ihr Körperduft weckte ein quälendes
Verlangen, so dass seine Jeans sich spannten und sein Körper gegen
das Diktat des Verstandes rebellierte.
Maggies Hand zitterte, als sie sich am Tresen
abstützte, damit ihre Knie nicht nachgaben. Sie wollte kein
einziges Wort über ihre Eltern versäumen. »Was soll das heißen,
ohne meine Eltern wäre es den Wilderern gelungen, die Malaienbären
auszurotten?« Dabei gab sie sich große Mühe, möglichst normal zu
klingen. Brandt musste sie ja für verrückt halten, wenn sie im
einen Augenblick noch versuchte, ihn zu verführen, und im nächsten
mit den Nägeln auf ihn losging.
»Durch Abholzung, Plantagen und die täglichen
Übergriffe der Wilderer hat die Zahl der Malaienbären, wie auch die
vieler anderer Tierarten, dramatisch abgenommen, und zwar seit
Jahren. Deine Eltern haben erkannt, dass sofort etwas geschehen
musste.«
»Warum sind die Wilderer hinter dem Malaienbär
her?«, fragte Maggie ehrlich interessiert. Sie hatte sich ausgiebig
über bedrohte Tierarten informiert, denn schon seit sie ihre erste
Wildkatze gesehen hatte, lag ihr das Thema sehr am Herzen.
»Aus mehreren Gründen. Als kleinster Bär der Welt
wird er als Haustier vermarktet. Da er höchstens hundertvierzig
Pfund schwer wird, ist er ja auch sehr zierlich für einen Bären,
und mit seinem halbmondförmigen gelben oder weißen Fleck auf der
Brust zudem sehr niedlich. Genau genommen ist er der einzige echte
Bär, der in unserem Regenwald lebt, und wir wollen ihn nicht
verlieren.«
»Meine Eltern waren Wildhüter? Sind Sie etwa auch
Aufseher?« Die Vorstellung, dass Brandt Wildpfleger war, machte ihn
irgendwie noch attraktiver. Maggie hielt ihn zwar immer noch für
einen Jäger, doch anscheinend beschützte er die Kreaturen des
Waldes, und im Herzen war er ein Poet.
Brandt nickte. »Alle im Dorf haben ihr Leben der
Erhaltung des Waldes verschrieben, und der Rettung der Bäume,
Pflanzen und Tiere, die darin leben. Deine Eltern haben für das
Überleben zweier bestimmter Tierarten gekämpft, und das hat sie
schließlich umgebracht.«
Maggies Herz setzte einen Schlag aus. »Was hat sie
umgebracht?«
»Wilderer natürlich. Deine Eltern hatten zu viel
Erfolg mit dem, was sie taten. Manche Teile des Malaienbären sind
ein Vermögen wert.« Brandt setzte sich wieder an den Tisch und
griff nach seinem Becher Tee. Er wollte, dass Maggie sich
beruhigte.
»Teile?« Erstaunt zog Maggie ihre Augenbrauen hoch,
runzelte die Stirn und strich sich über die Arme. Ihre Haut juckte
schon wieder. Dieses seltsame, unangenehme Gefühl, dass sich
darunter irgendetwas bewegte, war zurückgekehrt.
»Die Wilderer verkaufen Teile des Bären? Wollen Sie das damit
sagen?«
»Ja, leider. Seine Gallenblase ist besonders
beliebt, für die Herstellung von Medizin. Und in einigen Gegenden,
wo Waldgebiete in Ölpalmplantagen umfunktioniert worden sind, ist
ein noch höherer Preis auf seinen Kopf ausgesetzt. Da die Bären
ihre normale Nahrung nicht mehr finden, fressen sie das Herz der
Ölpalmen und zerstören so die Bäume. Also zahlen die
Plantagenbesitzer dafür, dass die Bären gejagt und getötet werden.«
Brandt beobachtete, wie Maggie mit den Handflächen über ihre Arme
strich.
»Das ist ja schrecklich.«
»Die Leoparden stehen ebenfalls kurz vor der
Ausrottung«, fuhr Brandt wütend fort. »Wir können es nicht
zulassen, dass sie aussterben. Der Bestand verringert sich bereits
mit alarmierender Geschwindigkeit. Wenn diese Spezies erst einmal
verschwunden ist, können wir sie nie wieder zum Leben erwecken. Wir
sind es ihnen, uns selbst und unseren Kindern schuldig, diese Art
zu schützen.«
Maggie nickte. »Mit Biotopen kenne ich mich aus und
weiß, dass ihre Erhaltung wichtig ist, Brandt, aber wenn dieses
Anliegen meine Eltern schon vor Jahren das Leben gekostet hat,
nehme ich an, dass das Ganze heute noch viel gefährlicher
ist.«
»Gefahr spielt keine Rolle. Sie ist Teil unseres
Lebens. Wir sind die Hüter des Waldes. Das ist nun einmal unsere
Pflicht, und die haben wir auch stets gern erfüllt. Deine Eltern
dachten genauso, und ihre Eltern ebenso.« Brandts goldene Augen
glitten über Maggie hinweg. Sie blickten finster drein. »Es gibt
nicht mehr viele von uns, die das weiterführen, wofür deine Eltern
so hart gearbeitet haben,
Maggie. Das ist dein Erbe.« Da er ihre zunehmende Nervosität
bemerkte, stand er ganz langsam auf, um sie nicht zu erschrecken.
»Was ist los?«
»Mich juckt’s.« Maggie biss sich auf die
Unterlippe. »Glauben Sie, ich habe mir einen Parasiten eingefangen?
Es fühlt sich so komisch an, als ob sich unter meiner Haut etwas
bewegte.« Sie schaute ihm direkt ins Gesicht und bemerkte das
blitzartige Aufleuchten seiner Augen. Also hatte er eine Erklärung.
Seine Miene wirkte unschuldig, doch er wusste mehr als er zugab.
Herausfordernd streckte Maggie das Kinn vor. »Sie könnten es mir
sagen, nicht wahr, Brandt? Sie wissen, was mit mir los ist.« Maggie
ging um den Tresen herum, um ihn zwischen sich und Brandt zu
bringen, nur so fühlte sie sich sicher.
»Hast du Angst vor mir, Maggie?«, fragte Brandt
leise.
Sein Tonfall traf sie bis ins Mark. Es war das
zweite Mal, dass er ihr diese Frage stellte. Die Stille des Hauses
breitete sich zwischen ihnen aus. Von draußen hörte man den Wald,
wie er vor Leben vibrierte. »Sollte ich?«
»Nein«, erwiderte Brandt rasch. Der Blick seiner
goldenen Augen war wieder so intensiv, dass er sich in ihre Haut zu
brennen schien. Sie brandmarkte. »Hab keine Angst vor mir. Ich habe
geschworen, in erster Linie dich zu beschützen - vor allem anderen,
noch vor dem Wald und den Tieren des Waldes. Hab niemals Angst vor
mir, Maggie.«
»Warum? Warum haben Sie geschworen, mich zu
beschützen, Brandt?« Die Leidenschaft, mit der er sprach,
beunruhigte sie. Sosehr er auch versuchte, zivilisiert zu wirken,
sie sah stets den Jäger in ihm. Sie sah das Raubtier. Für kurze
Zeit mochte es ihm gelingen, seine wilde Natur zu zügeln, doch
nicht in ihrer Gegenwart, nicht wenn sie
beide allein waren. Sie war nervös und irritiert. Woher kannte sie
ihn bloß? Warum durchschaute sie ihn? Ihr war, als ob sie den Halt
unter den Füßen verlor.