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Maggie träumte von einer tröstenden Männerstimme. Von liebevollen Armen. Von einem weichen Fell, das sinnlich ihre Haut streifte und über sie hinwegglitt. Davon, auf allen vieren durch den dunklen Wald zu laufen. Sich verführerisch auf den Boden zu werfen und sich aufreizend zu räkeln, um einen Mann anzulocken. Sie träumte von blitzenden Taschenlampen und Gewehrschüssen. Von einem Mann, nach dessen Körpergeruch sie sich verzehrte.
Als sie am späten Nachmittag erwachte, lag sie nackt auf dem zerwühlten Laken, die Erinnerung an die seltsamen, zusammenhanglosen Träume noch deutlich im Gedächtnis. Als Erstes meldete sich ihr Tastsinn, danach das Gehör. Sie registrierte das lärmende Vogelgeschrei. Das Summen der Insekten. Das Kreischen der Affen. Den Regen.
Es war schon wieder schwül, und die Ventilatoren kreisten, was die drückende Luft zumindest etwas leichter erträglich machte. Maggie schaute zum Fenster und stellte erstaunt fest, dass ein Moskitonetz ihr Bett umgab. Noch nicht ganz wach hob sie träge die Hand und schob es beiseite. Blinzelnd blickte sie in die unwiderstehlichsten, faszinierendsten Augen, die sie je gesehen hatte. Augen aus flüssigem Gold. Glühend. Hypnotisch.
Ihr Herz setzte einen Schlag aus, dann begann es, vor Aufregung wie wild zu klopfen. Maggie biss sich auf die Unterlippe. »Was machen Sie hier?«, brachte sie hervor. Der Mann, der vor ihrem Bett stand, wirkte furchtbar einschüchternd, nie hatte sie solch einen muskulösen Körper gesehen. Maggie lag da wie gelähmt, unfähig, sich zu bewegen. Sie konnte ihn nur hilflos anstarren, während sich ihr Schock mit einer seltsamen Erregung mischte.
Brandt zog das Netz zur Seite und ließ seinen Blick besitzergreifend über Maggies Körper gleiten. Sie war so in ihr zerknülltes Laken gewickelt, dass es weit mehr zeigte als es verbarg. Ihr seidenes Haar lag auf dem Kissen ausgebreitet wie gesponnenes Gold, ebenso rötlich schimmernd wie das lockige Dreieck, das er im Schatten ihrer Schenkel ausmachen konnte. Sein Mund fühlte sich mit einem Mal ganz trocken an. »Ich wollte mich vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Mir ist eingefallen, dass es keine gute Idee war, Sie in einem fremden Haus mitten im Regenwald allein zu lassen, deshalb wollte ich nach Ihnen sehen. Ich bin Brandt Talbot.« Sosehr er sich auch bemühte, sich zu beherrschen, er konnte seinen brennenden Blick kaum von den aufreizenden Rundungen ihrer Brust lösen.
Das hitzige Verlangen, mit dem er ihren Körper betrachtete, brannte wie Feuer auf Maggies Haut. Erschrocken setzte sie sich auf und schlang das Laken um sich herum. »Großer Gott, ich hab ja gar nichts an!«
Brandts perfekt geschwungener Mund verzog sich ganz langsam zu einem kleinen Lächeln. »Das habe ich bemerkt.«
»Sollten Sie aber nicht.« Während Maggie sich das Laken mit einer Hand bis zum Kinn hochzog, wies sie mit der anderen gebieterisch zur Tür. Brandt war der attraktivste Mann, den sie je gesehen hatte. Sein Haar war lang und dicht, pechschwarz und so glänzend, dass sie am liebsten mit den Fingern hindurchgefahren wäre. Nach dem zu urteilen, wie es ihr in der letzten Nacht ergangen war, wusste sie nicht genau, ob der Mann sich in ihrem Schlafzimmer sicher fühlen konnte. Insbesondere wenn sie nackt war. »Ich ziehe mir etwas an, und wir treffen uns unten in der Küche.«
Sein Lächeln verbreiterte sich zu einem unwiderstehlichen Grinsen. »Ich habe Ihnen etwas zu essen nach oben gebracht.« Er nahm ein Silbertablett von der Kommode und stellte es aufs Bett. »Dass Sie … äh … nichts anhaben, macht mir nichts aus. So kommt wenigstens Leben ins Haus.«
Maggie stieg die Röte ins Gesicht. Auf dem Tablett waren Obst, ein Glas eisgekühlter Fruchtsaft, ein Becher mit heißem Tee und dazu eine farbenprächtige Orchidee arrangiert. Die Blume war frisch. Und exquisit. Was war das nur für ein Mann, der ihr beim ersten Erwachen im Regenwald etwas so Wunderschönes brachte? Maggie blickte vom Tablett hoch und bewunderte die Schönheit seines männlichen Körpers. Er hatte kräftige Arme und breite Schultern, überall schien er aus Muskeln zu bestehen. Seine faszinierenden Augen musterten sie mit so glühender Intensität, dass Maggie in dem Moment, in dem ihre Blicke sich trafen, verloren war. Nie zuvor hatte sie einen Mann mit derartigen Augen gesehen. Es waren die eines Dschungelwesens, eines Jägers, der auf seine Beute konzentriert ist. Und doch hatte er daran gedacht, ihr eine Blume auf das Silbertablett zu stellen.
Hastig wandte Maggie den Blick ab, bevor sie sich für immer in den geheimnisvollen Tiefen seiner Augen verlor. Auf ewig verloren in diesem faszinierenden Kontrast zwischen dem Räuber und dem Dichter in ihm.
»Ich glaube nicht, dass dieses Haus noch mehr Leben braucht«, erwiderte sie leise, während sie versuchte, Brandt nicht weiter anzustarren. Sie konnte schlecht splitterfasernackt im Bett Obst essen, während er mit diesen sündhaften Augen dabei zusah. Er raubte ihr die Sprache. Den Atem. Den Verstand. Ihr ganzer Körper erwachte zum Leben, jetzt, da er im Zimmer war. Die Situation war einfach zu gefährlich. »Ernsthaft, warten Sie bitte unten. Ich komme gleich.«
Seine Augen glitten über ihren Körper. Feurig. Besitzergreifend. Sie hielt den Atem an. Schon allein bei seinem Anblick schmolz sie dahin.
Ein raubtierhaftes Grinsen ließ Brandts weiße Zähne aufblitzen. »Ich werde warten, Maggie«, sagte er leise, ehe er das Zimmer verließ. Seine Stimme war tief und so verführerisch, dass sie anscheinend durch ihre Poren drang, um ihr Blut noch mehr in Wallung zu bringen. Alles an Brandt, seine Stimme, sein Körper, seine Augen und sein Mund, war sündhaft sinnlich. In ihrem augenblicklichen Zustand fürchtete sie, seiner unwiderstehlichen Anziehungskraft auf der Stelle zu erliegen. Glücklicherweise hatte er ein klein wenig zu aggressiv geklungen. Zu arrogant. In seinem Ton lag etwas Herrisches, das ihr nicht behagte. Fast so, als hätte er ihr Fell gegen den Strich gebürstet.
Über diese Vorstellung musste Maggie laut lachen. Kaum war sie einen Tag im Dschungel, war sie schon ganz eins mit der Wildnis. Sie warf das Laken zur Seite und lief ins Badezimmer. Brandt Talbot besaß die Schlüssel zu jeder Tür in ihrem Haus. Auch der Riegel an der Haustür hatte ihn nicht aufhalten können. Sie sollte eigentlich dankbar sein, dass dieser Mann so besorgt um sie war. Er hatte bei ihr im Haus geschlafen.
Ob er in der Nacht in ihr Zimmer gekommen war? Ob es seine Wahnsinnsstimme gewesen war, die sie in ihren Träumen gehört hatte? Sie versuchte, sich an die Traumfetzen zu erinnern, doch alles, woran sie denken konnte, war ihre Gier nach Sex, wie sehr sie sich danach gesehnt hatte, berührt und gestreichelt zu werden. Hatte er sie etwa so gesehen? Diese Vorstellung ließ sie am ganzen Körper erröten.
Sie schaute sich im Spiegel an und versuchte zu ergründen, ob ihr eine Veränderung anzusehen war. Zum ersten Mal in ihrem Leben fiel ihr auf, wie unglaublich groß ihre grünen Augen waren. Im Tageslicht hatten ihre Pupillen sich zu stecknadelkopfgroßen schwarzen Punkten verengt, um ihre Augen vor der gleißenden Helligkeit zu schützen, die auch bei bedecktem Himmel herrschte. Verwundert registrierte sie das Strahlen ihrer leuchtend grünen Augen, während sie Zahnpasta auf die Bürste drückte. Als ihre kleinen weißen Zähne zum Vorschein kamen, setzte ihr Herz einen Schlag aus. In ihrem zarten Gesicht blitzten scharfe Fangzähne auf.
Erschrocken über das seltsame Spiegelbild schlug Maggie die Hand vor den Mund. Das musste eine Täuschung sein. Ganz langsam zog sie die Hand wieder fort und musterte ihre entblößten Zähne. Sie waren makellos und gerade. Völlig normal. Offenbar verlor sie den Verstand. Vielleicht hatte Jayne Recht gehabt, und sie gehörte nicht in eine derart primitive Umgebung. So lange hatte sie sich gewünscht, einmal ihr Elternhaus zu sehen, dass sie wohl überreizt war. Andererseits war dies ihre einzige Chance, jemals mehr über ihre Eltern zu erfahren. Sie war nie schüchtern oder nervös gewesen. Hatte keine Angst, allein zu reisen. Auch mit Kampfsport kannte sie sich recht gut aus und wusste sich in gefährlichen Situationen durchaus zu behaupten, doch hier im Dschungel fühlte sie sich ganz anders als die normale Maggie Odessa. Aber Weglaufen kam nicht infrage.
Maggie wählte ihre Kleidung mit Bedacht, so leicht und locker wie möglich. Es war drückend schwül. Sie flocht ihr Haar zu einem festen französischen Zopf, den sie auf dem Kopf feststeckte wie eine Krone. Der Nacken blieb frei. Dann suchte sie nach ihrem seidenen Büstenhalter und dem passenden Höschen, hauchzarten Sachen, die in der feuchten, stickigen Luft hoffentlich nicht auf der Haut scheuerten. Den Fehler, ohne BH von einem tropischen Regensturm überrascht zu werden, wollte sie nicht noch einmal machen.
Ihr blieb nur wenig Zeit, mehr über die Geschichte ihrer Eltern zu erfahren. Und sie war fest entschlossen, jede Sekunde zu nutzen. Während sie die Treppe hinunterlief, machte sie sich im Geiste eine Liste der Fragen, die sie Brandt Talbot stellen wollte.
Brandt erhob sich, als sie in die Küche trat, und schon waren alle guten Vorsätze dahin. Sie flogen einfach davon, so dass sie einfach nur im Türrahmen stand und ihn anstarrte. Er machte sie schwach. Im wahrsten Sinne des Wortes. Schon bei seinem Anblick wurden ihr die Knie weich. Maggie hatte Angst zu stottern, sobald sie den Mund aufmachte. Er war einfach überwältigend.
Brandt lächelte und tausend Schmetterlinge tanzten in ihrem Bauch. Er kam auf sie zu, ohne den Hauch eines Geräuschs, nicht einmal seine Kleidung wagte zu rascheln, und ihr stockte der Atem. Nie hatte sie derart auf einen Mann reagiert, und es war ihr höchst peinlich.
Maggie zwang sich zurückzulächeln. »Danke, dass Sie heute bei mir im Haus geschlafen haben. Ich wäre natürlich nicht so dumm gewesen, draußen einen Spaziergang zu unternehmen, aber es ist nett, dass jemand sich um mich sorgt.« Verlegen ließ sie sich auf dem hohen Stuhl nieder, den er ihr zurechtrückte. »Ich nehme an, Sie haben die Schlüssel zum Haus?«
»Ja, natürlich. Ich habe lange hier gewohnt. Für gewöhnlich erobert der Wald das, was ihm gehört, sehr schnell wieder zurück. Die Kletterpflanzen winden sich bis zur Traufe hoch, wenn ich nicht aufpasse.« Brandt nahm auf der anderen Seite des Tisches Platz.
Maggie sah zu, wie er mit kräftigen Fingern nach einer Mango griff, sie zum Mund führte und fest hineinbiss. Ihr ganzer Körper spannte sich an, als sie das sah. Sie zwang sich, den Blick abzuwenden. »Können Sie mir irgendetwas über meine Eltern erzählen? Ich wurde mit drei Jahren adoptiert und kann mich an nichts erinnern.«
Brandt betrachtete ihr ausdrucksvolles Gesicht, die widerstreitenden Emotionen, die sich darin spiegelten. Maggie widersetzte sich der starken Anziehungskraft zwischen ihnen, fest entschlossen, nicht nachzugeben. So nah bei ihm fiel ihr das noch schwerer. Selbst die Luft zwischen ihnen war aufgeladen und knisterte vor Spannung. »Alle hier im Wald kennen Ihre Eltern, Maggie«, sagte Brandt leise, während er sie aufmerksam beobachtete. Die Mango schmeckte süß, ihr Saft rann ihm wie feinster Wein über den Gaumen, doch war das nichts gegen Maggie. Sie würde süßer sein, noch berauschender.
»Dann erzählen Sie mir von ihnen.« Maggie nippte vorsichtig an ihrem Saft und war auf der Stelle begeistert. Sie hatte keine Ahnung, von welcher Frucht er stammte, doch schon nach dem ersten Schluck verlangte ihre Kehle wie ausgedörrt nach mehr. Eine Glut, die tief in ihrem Innern schlummerte, loderte auf und rann wie Feuer durch ihre Adern. Die Hand, in der sie das Glas hielt, begann zu zittern.
Brandt beugte sich zu ihr herüber und strich ihr mit den Fingerspitzen eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich aus der hochgesteckten Frisur gelöst hatte. Seine Berührung hinterließ an der Stelle eine Flammenspur, heiß wie der Feuersturm in ihrem Innern. »Der Geschmack ist einzigartig, nicht wahr?« Brandts schlanke, starke Finger schlossen sich um ihre und drückten das Glas an ihre Lippen. »Trink, Maggie, trink aus.« Seine Stimme war heiser, verführerisch, die Einladung zu einem sinnlichen Fest.
Maggie wollte widerstehen. Trotz seiner Anziehungskraft hatte Brandt etwas an sich, das ihr Angst einflößte. Diese besitzergreifende Art, mit der er sie anfasste! Maggie merkte genau, wie sie sich seinem Zauber ergab, doch der Duft des Nektars umnebelte und berauschte sie einfach zu sehr. Eine kräftige Hand legte sich in ihren Nacken, Finger schlossen sich um ihren Hals und machten ihr unmissverständlich klar, wie stark er war. Er kippte das Glas, und die goldene Flüssigkeit rann ihr durch die Kehle. Das Feuer in ihrem Innern flackerte auf und brannte lichterloh.
Ängstlich warf Maggie den Kopf zurück, und ihr grüner Blick begegnete dem seinen. Brandt war viel näher, als sie gedacht hatte, so nah, dass sie die Wärme seines Körpers spürte. Es war ihr unmöglich, den Blick abzuwenden, hypnotisiert beobachtete sie, wie Brandt ihr Glas an seinen Mund führte. Seine Lippen schlossen sich aufreizend langsam um genau die Stelle, an der sie das Glas berührt hatte. Ohne sie aus den Augen zu lassen, trank er den Saft aus.
Maggie rang nach Luft. Sie sah, wie sein Adamsapfel sich bewegte, sah, wie er einen Tropfen der bernsteinfarbenen Flüssigkeit mit einer Fingerspitze aufnahm und an ihren Mund hielt. Ehe sie sich zurückhalten konnte, kreiste ihre Zunge bereits um seinen Finger und kostete seinen Geschmack zusammen mit dem des Nektars. Einen Herzschlag lang saugte und leckte sie an seinem Fleisch. Vor lauter Gier brach Maggie plötzlich der Schweiß aus. Ihre Hüften kreisten rastlos, sie lechzte nach Erlösung.
Brandt nahm einen kräftigen Atemzug und berauschte sich an ihrem lockenden Duft. Sie trieb ihn zum Wahnsinn. Halb verrückt nach ihr war er ja bereits. Als ihr Mund sich heiß und feucht um seinen Finger legte, bekam er eine steinharte Erektion. Sein Körper konnte sich nur zu gut vorstellen, wie er reagieren würde, wenn Maggie seinem erigierten Glied die gleiche Aufmerksamkeit geschenkt hätte. Brandts Hand schloss sich in einer herrischen Geste um Maggies Hals und beugte sich zu ihr herab.
Da riss Maggie sich so abrupt los, dass sie fast vom Stuhl gefallen wäre, und entfernte sich hastig aus seiner Reichweite. »Es tut mir leid, Entschuldigung.« Ihre Stimme klang erstickt, und ihr standen Tränen in den Augen. »Ich weiß nicht, was mit mir los ist. Bitte gehen Sie.« Nie im Leben, niemals hatte sie sich so aufgeführt. Schon gar nicht vor einem völlig Unbekannten wie Brandt Talbot. Egal, wie anziehend sie seinen Geruch und sein Aussehen fand, egal, wie richtig sich alles anfühlte, er war ein Fremder.
»Maggie, du verstehst das nicht.« Brandt stand ebenfalls auf und pirschte sich durch die Küche an sie heran. Sein kompakter Körper, die dicken Muskelstränge, seine Kraft und Geschmeidigkeit erinnerten sie irgendwie an eine große Raubkatze.
Maggie wich zurück, bis sie an den Tresen der Küche stieß. »Ich will es auch gar nicht verstehen. Ich möchte, dass Sie gehen. Mit mir stimmt etwas nicht.« Sie fühlte sich fiebrig, ihr Verstand arbeitete nicht mehr richtig. In ihrem Kopf jagten Bilder von der Vorstellung, wie sie sich mit Talbot auf dem Boden wälzte. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen. Ihr Körper ließ sie im Stich, ihre Brüste waren angeschwollen und empfindlich. In ihrem tiefsten fraulichen Innern sehnte sie sich nach ihm. »Gehen Sie einfach. Bitte, gehen Sie.« Sie wusste wirklich nicht, wer von ihnen in größerer Gefahr schwebte.
Brandt fasste Maggie an beiden Seiten, so dass sie zwischen seinem harten Körper und dem Tresen gefangen war. »Ich weiß, was mit dir los ist, Maggie. Lass mich dir helfen.«
Maggies Hand verkrümmte sich, als fahre sie tatsächlich die Krallen aus. Und während ihr Verstand noch protestierte, zielte sie schon auf Brandts Augen. Er reagierte blitzschnell, riss den Kopf herum und packte sie am Handgelenk. Mit ängstlich zugekniffenen Augen erwartete sie seine Bestrafung. Doch obwohl sein Griff fest wie ein Schraubstock war, tat er ihr nicht weh.
»Maggie, was mit dir geschieht, ist ganz natürlich. Dies ist dein Zuhause, hier gehörst du hin. Spürst du das nicht?«
Maggie schüttelte heftig den Kopf und holte tief Luft, um wenigstens ein wenig Herr ihrer Sinne zu werden. Sie wollte nach Hause, raus aus dem Dschungel, weg von der Hitze. »Ich weiß nicht, was hier vor sich geht, aber wenn ich derart reagiere, will ich nicht länger an diesem Ort bleiben.«
Brandt japste nach Luft, sonst verlor er noch den Verstand, alles um ihn herum drehte sich. Er kämpfte gegen seine leidenschaftliche Natur, drängende Triebe und Urinstinkte. Maggie war verängstigt, sie wusste nichts von ihrem Erbe. Das durfte er nie vergessen. Sie konnte ihm ohnehin nicht mehr entkommen, es war zu spät für sie. Er musste sie umwerben, mit sanfter Überzeugung dazu bringen, ihr unvermeidliches Schicksal zu akzeptieren. Seine körperlichen Bedürfnisse durften die zarten Bande zwischen ihnen nicht zerstören.
»Maggie.« Schamlos setzte er den verführerischen Klang seiner Stimme ein. »Der Wald ruft dich, das ist es. Mehr nicht. Du hast nichts Falsches getan. Ich bin dir nicht böse. Ich möchte nicht, dass du Angst vor mir hast. Fürchtest du dich vor mir? Habe ich dich irgendwie verschreckt?«
Doch Maggie hatte mehr Angst vor sich selbst als vor Brandt. Da sie nicht sprechen wollte, schüttelte sie bloß den Kopf. Sein Duft nach Männlichkeit war beinah unwiderstehlich.
»Du möchtest doch mehr über deine Eltern wissen, nicht wahr, und über ihre Arbeit, wie sie sich für gefährdete Arten engagiert haben? Sie waren eine Klasse für sich in dem, was sie erreicht haben.« Brandt spürte, wie Maggies Anspannung langsam nachließ. »Lass mich dir von deinen Eltern erzählen, denn glaub mir, die beiden waren außergewöhnliche Menschen. Wusstest du, dass sie als Tierschützer hier waren? Dass es den Wilddieben gelungen wäre, die Malaienbären auszurotten, wenn sie nicht gewesen wären? Und das ist nur einer ihrer Verdienste. Sie haben ihr Leben der Rettung bedrohter Tierarten gewidmet. Deine Mutter war dir sehr ähnlich, sie hatte ein Lächeln, das einen ganzen Raum erstrahlen lassen konnte. Und dein Vater war ein starker Mann, eine geborene Führungspersönlichkeit. Er lebte hier, in diesem Haus, und er hatte die Aufgabe, den Regenwald zu schützen, von seinem Vater übernommen. Mit jedem Jahr wurde das schwieriger. Die Wilderer hier fürchten weder Tod noch Teufel und sind schwer bewaffnet.«
Als Brandt spürte, dass Maggie sich entspannte, ließ er sie vorsichtig los und entzog sich so der Gefahr, die der enge Kontakt mit ihrem Körper für ihn darstellte. Ihr Busen hob sich mit jedem Atemzug und lenkte seine Blicke auf die prallen, verführerischen Rundungen, die er so gern berührt hätte. Er hatte sie schon nackt gesehen und wusste, dass ihn nicht nur üppige Kurven, sondern auch eine seidenglatte Haut erwarteten. Ihr Feuer sprang auf ihn über, und ihr Körperduft weckte ein quälendes Verlangen, so dass seine Jeans sich spannten und sein Körper gegen das Diktat des Verstandes rebellierte.
Maggies Hand zitterte, als sie sich am Tresen abstützte, damit ihre Knie nicht nachgaben. Sie wollte kein einziges Wort über ihre Eltern versäumen. »Was soll das heißen, ohne meine Eltern wäre es den Wilderern gelungen, die Malaienbären auszurotten?« Dabei gab sie sich große Mühe, möglichst normal zu klingen. Brandt musste sie ja für verrückt halten, wenn sie im einen Augenblick noch versuchte, ihn zu verführen, und im nächsten mit den Nägeln auf ihn losging.
»Durch Abholzung, Plantagen und die täglichen Übergriffe der Wilderer hat die Zahl der Malaienbären, wie auch die vieler anderer Tierarten, dramatisch abgenommen, und zwar seit Jahren. Deine Eltern haben erkannt, dass sofort etwas geschehen musste.«
»Warum sind die Wilderer hinter dem Malaienbär her?«, fragte Maggie ehrlich interessiert. Sie hatte sich ausgiebig über bedrohte Tierarten informiert, denn schon seit sie ihre erste Wildkatze gesehen hatte, lag ihr das Thema sehr am Herzen.
»Aus mehreren Gründen. Als kleinster Bär der Welt wird er als Haustier vermarktet. Da er höchstens hundertvierzig Pfund schwer wird, ist er ja auch sehr zierlich für einen Bären, und mit seinem halbmondförmigen gelben oder weißen Fleck auf der Brust zudem sehr niedlich. Genau genommen ist er der einzige echte Bär, der in unserem Regenwald lebt, und wir wollen ihn nicht verlieren.«
»Meine Eltern waren Wildhüter? Sind Sie etwa auch Aufseher?« Die Vorstellung, dass Brandt Wildpfleger war, machte ihn irgendwie noch attraktiver. Maggie hielt ihn zwar immer noch für einen Jäger, doch anscheinend beschützte er die Kreaturen des Waldes, und im Herzen war er ein Poet.
Brandt nickte. »Alle im Dorf haben ihr Leben der Erhaltung des Waldes verschrieben, und der Rettung der Bäume, Pflanzen und Tiere, die darin leben. Deine Eltern haben für das Überleben zweier bestimmter Tierarten gekämpft, und das hat sie schließlich umgebracht.«
Maggies Herz setzte einen Schlag aus. »Was hat sie umgebracht?«
»Wilderer natürlich. Deine Eltern hatten zu viel Erfolg mit dem, was sie taten. Manche Teile des Malaienbären sind ein Vermögen wert.« Brandt setzte sich wieder an den Tisch und griff nach seinem Becher Tee. Er wollte, dass Maggie sich beruhigte.
»Teile?« Erstaunt zog Maggie ihre Augenbrauen hoch, runzelte die Stirn und strich sich über die Arme. Ihre Haut juckte schon wieder. Dieses seltsame, unangenehme Gefühl, dass sich darunter irgendetwas bewegte, war zurückgekehrt. »Die Wilderer verkaufen Teile des Bären? Wollen Sie das damit sagen?«
»Ja, leider. Seine Gallenblase ist besonders beliebt, für die Herstellung von Medizin. Und in einigen Gegenden, wo Waldgebiete in Ölpalmplantagen umfunktioniert worden sind, ist ein noch höherer Preis auf seinen Kopf ausgesetzt. Da die Bären ihre normale Nahrung nicht mehr finden, fressen sie das Herz der Ölpalmen und zerstören so die Bäume. Also zahlen die Plantagenbesitzer dafür, dass die Bären gejagt und getötet werden.« Brandt beobachtete, wie Maggie mit den Handflächen über ihre Arme strich.
»Das ist ja schrecklich.«
»Die Leoparden stehen ebenfalls kurz vor der Ausrottung«, fuhr Brandt wütend fort. »Wir können es nicht zulassen, dass sie aussterben. Der Bestand verringert sich bereits mit alarmierender Geschwindigkeit. Wenn diese Spezies erst einmal verschwunden ist, können wir sie nie wieder zum Leben erwecken. Wir sind es ihnen, uns selbst und unseren Kindern schuldig, diese Art zu schützen.«
Maggie nickte. »Mit Biotopen kenne ich mich aus und weiß, dass ihre Erhaltung wichtig ist, Brandt, aber wenn dieses Anliegen meine Eltern schon vor Jahren das Leben gekostet hat, nehme ich an, dass das Ganze heute noch viel gefährlicher ist.«
»Gefahr spielt keine Rolle. Sie ist Teil unseres Lebens. Wir sind die Hüter des Waldes. Das ist nun einmal unsere Pflicht, und die haben wir auch stets gern erfüllt. Deine Eltern dachten genauso, und ihre Eltern ebenso.« Brandts goldene Augen glitten über Maggie hinweg. Sie blickten finster drein. »Es gibt nicht mehr viele von uns, die das weiterführen, wofür deine Eltern so hart gearbeitet haben, Maggie. Das ist dein Erbe.« Da er ihre zunehmende Nervosität bemerkte, stand er ganz langsam auf, um sie nicht zu erschrecken. »Was ist los?«
»Mich juckt’s.« Maggie biss sich auf die Unterlippe. »Glauben Sie, ich habe mir einen Parasiten eingefangen? Es fühlt sich so komisch an, als ob sich unter meiner Haut etwas bewegte.« Sie schaute ihm direkt ins Gesicht und bemerkte das blitzartige Aufleuchten seiner Augen. Also hatte er eine Erklärung. Seine Miene wirkte unschuldig, doch er wusste mehr als er zugab. Herausfordernd streckte Maggie das Kinn vor. »Sie könnten es mir sagen, nicht wahr, Brandt? Sie wissen, was mit mir los ist.« Maggie ging um den Tresen herum, um ihn zwischen sich und Brandt zu bringen, nur so fühlte sie sich sicher.
»Hast du Angst vor mir, Maggie?«, fragte Brandt leise.
Sein Tonfall traf sie bis ins Mark. Es war das zweite Mal, dass er ihr diese Frage stellte. Die Stille des Hauses breitete sich zwischen ihnen aus. Von draußen hörte man den Wald, wie er vor Leben vibrierte. »Sollte ich?«
»Nein«, erwiderte Brandt rasch. Der Blick seiner goldenen Augen war wieder so intensiv, dass er sich in ihre Haut zu brennen schien. Sie brandmarkte. »Hab keine Angst vor mir. Ich habe geschworen, in erster Linie dich zu beschützen - vor allem anderen, noch vor dem Wald und den Tieren des Waldes. Hab niemals Angst vor mir, Maggie.«
»Warum? Warum haben Sie geschworen, mich zu beschützen, Brandt?« Die Leidenschaft, mit der er sprach, beunruhigte sie. Sosehr er auch versuchte, zivilisiert zu wirken, sie sah stets den Jäger in ihm. Sie sah das Raubtier. Für kurze Zeit mochte es ihm gelingen, seine wilde Natur zu zügeln, doch nicht in ihrer Gegenwart, nicht wenn sie beide allein waren. Sie war nervös und irritiert. Woher kannte sie ihn bloß? Warum durchschaute sie ihn? Ihr war, als ob sie den Halt unter den Füßen verlor.