KAPITEL 16

Diesel parkte den Wagen, und wir trotteten alle in mein Haus und gingen in die Küche. Katze Nr. 7143 und Carl setzten sich auf die Arbeitsplatte, und ich wartete neben ihnen, während Diesel die Skulptur aus seinem Rucksack zog und sie auf meine Kücheninsel stellte.

»Ich musste das Ding teilweise zerlegen, um es in meinen Rucksack stecken zu können«, erklärte Diesel. »Aber es war ganz einfach. Monroe hat den Apparat so entworfen, dass man ihn zerlegen und wieder zusammenbauen kann.«

Es war eine einfache Vorrichtung aus vier langen Holzstiften, die in einem rechteckigen Sockel aus Mahagoni steckten. Die beiden Stifte an dem einen Ende waren oben mit einem Querstück miteinander verbunden, das Gleiche galt für die Stifte am anderen Ende. Zwischen diesen beiden Verbindungsstücken war der Länge nach ein weiteres Holzstück angebracht, an dem ein Stahldraht mit einer silbernen Kugel und vier silberne Glocken hingen. Wenn man die Kugel in Bewegung setzte, schlug sie gegen die erste Glocke, diese berührte die zweite, die zweite Glocke läutete die dritte, und die dritte stieß gegen die letzte.

»Okay«, verkündete Diesel, nachdem er den letzten Holzstift befestigt hatte. »Probieren wir das Ding aus.«

Er setzte die silberne Kugel in Bewegung. Sie schlug mit einem hübschen Ding gegen die erste Glocke, dann prallte die erste Glocke mit einem tieferen Dong gegen die zweite, die zweite traf mit einem dumpfen Klonk die dritte, und die dritte Glocke entlockte der vierten bei ihrer Berührung einen weiteren hübschen Ton.

»Die dritte Glocke hört sich komisch an«, stellte ich fest.

Diesel holte sich eine Cola aus dem Kühlschrank. »Versuch du es.«

Ich schubste die Kugel an, und das Ergebnis war das gleiche. Die dritte Glocke gab keinen richtigen Ton von sich. Ich berührte alle Glocken. Nur bei der dritten fühlte ich eine gewisse Wärme und eine leichte Vibration.

»Die dritte Glocke hat auf jeden Fall eine andere Energie in sich«, stellte ich fest. »Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, wie wir diese Energie freisetzen können.«

»Vielleicht brauchen wir Glo dazu«, meinte Diesel.

Ich rief Glo an und bat sie, zu uns zu kommen. Während wir auf sie warteten, machte ich gegrillte Käsesandwiches. Wir standen in der Küche, aßen unsere Sandwiches und setzten abwechselnd die Maschine immer wieder in Gang.

»Das ist ein tolles Gerät«, meinte ich.

»Es wäre noch toller, wenn es uns den nächsten Hinweis liefern würde.«

»Jemand, wahrscheinlich Lovey, muss ein Genie gewesen sein.«

Diesel aß sein Sandwich auf und stellte seinen Teller in den Geschirrspüler. »Ich kenne ehrlich gesagt niemanden, der so etwas draufhat. Diese Gegenstände sind so beschaffen, dass sie auf eine bestimmte Charaktereigenschaft reagieren – den Glauben an die wahre Liebe nämlich. Das ist etwas komplett anderes als Löffelverbiegen oder Schlösseröffnen.«

»Es ist Magie.«

»Magie ist etwas, was man nicht versteht und nicht erklären kann. Insofern handelt es sich wirklich um Magie«, gab Diesel zu.

Katerchen verschlang ein halbes Käsesandwich, war nach einer Weile von der Maschine gelangweilt und trottete davon, um sich ein Schlafplätzchen zu suchen. Carl war immer noch fasziniert. Er hielt den Blick fest auf die Maschine gerichtet, als Glo die Küche betrat.

»Ich kenne diesen Apparat«, sagte sie. »Im Science Museum gibt es eine Maschine, die genauso aussieht.« Ihre Augen weiteten sich. »Meine Güte, das ist das Ding, richtig? Ihr habt es geklaut.«

»Es ist versehentlich in Diesels Rucksack gelandet«, log ich. »Ich glaube, dass sich an der dritten Glocke ein Hinweis befindet, aber wir können ihn nicht erkennen. Wir dachten, dass du ihn vielleicht sehen kannst.«

Glo schob die silberne Kugel an, und drei der Glocken ertönten hell, nur die dritte gab einen dumpfen Ton von sich. Wir starrten auf die Glocken, aber nichts passierte.

»Und in der Geschichte von Tichy sich meisterlich offenbart, was reine Unschuld kann vollbringen«, zitierte Diesel.

Glo kicherte. »Bei dieser Prüfung bin ich wohl durchgerasselt. Es ist schwer, unschuldig zu bleiben, wenn man auf der Suche nach wahrer Liebe ist.«

»Ich glaube nicht, dass Unschuld in diesem Fall mit Keuschheit gleichzusetzen ist«, meinte Diesel.

Ich machte ein gegrilltes Käsesandwich für Glo, und sie startete die Monroe-Maschine einige Male, aber ohne Erfolg.

»Ich muss gehen«, verkündete sie dann. »Ich treffe mich nicht erst morgen, sondern schon heute Abend mit dem Glöckner auf eine Tasse Kaffee.«

»Danke, dass du vorbeigekommen bist. Es tut mir leid, dass wir dich umsonst hierherbemüht haben.«

»Kein Problem.« Glo winkte ab. »Ich wollte sowieso nach Boston, und auf diese Weise habe ich sogar noch ein Käsesandwich bekommen.«

Ich begleitete sie zur Tür, winkte ihr nach und ging zurück ins Wohnzimmer, um mit Diesel fernzusehen. Ich machte es mir neben ihm auf dem Sofa gemütlich, als ich die Glocken in der Küche läuten hörte.

»Carl!«, rief Diesel. »Lass die Finger von der Maschine. Sie ist Eigentum des Museums.«

»Ich habe gerade vier verschiedene Glockentöne gehört«, sagte ich zu Diesel.

Er stellte den Ton des Fernsehers ab.

Ding, dong, dong, ding.

»Er hört nie auf mich«, beschwerte sich Diesel. »Reine Zeitverschwendung.«

Ich sprang auf. »Vier Glocken.«

Wir gingen in die Küche und beobachteten Carl. Er war offensichtlich begeistert von dem Spiel und setzte fasziniert die silberne Kugel wieder in Bewegung, um die Glocken läuten zu hören.

»Das ist also das Unschuldslamm?«, fragte Diesel ungläubig. »Ein Affe? Soll das ein Witz sein? Und es handelt sich nicht einmal um irgendeinen Affen, sondern um meinen bösartigen Affen.«

Carl zeigte Diesel den Stinkefinger, ohne seinen Blick von der Maschine abzuwenden.

»Er ist nicht wirklich bösartig«, widersprach ich.

Diesel warf einen Blick auf Carl. »Er ist schon in Ordnung.«

Ding, dong, dong, ding.

»Auf der dritten Glocke steht innen drin etwas geschrieben«, sagte ich zu Diesel. »Man muss ganz genau hinschauen. Die Schrift ist schon leicht verschwommen.«

Diesel legte seine Hände flach auf die Arbeitsplatte und betrachtete die dritte Glocke. »Wer selbstlose Gedanken hegt, dessen Wort und Werk ist der FREUDE gewiss. Sie folgt ihm wie ein Schatten, der ihn niemals verlässt.«

Die Schrift verschwand. Carl ließ die Silberkugel wieder gegen die erste Glocke prallen, die Glocken ertönten, und die Schrift tauchte wieder auf. Diesel las sie ein zweites Mal vor, und ich schrieb die Botschaft rasch auf.

»FREUDE ist großgeschrieben. Freude wie Joy«, stellte Diesel fest.

»Es könnte ein Ort sein. Vielleicht gibt es eine Joy Street?«

»Ja, und ich nehme an, sie liegt irgendwo in Boston. Alle Hinweise haben uns bisher zu weiteren Anhaltspunkten in Boston oder Cambridge geführt.«

Er ging zu meinem Computer und tippte Joy und Boston ein.

»Ich kann dir eine Anwaltskanzlei bieten, ein Angebot für einen Campingurlaub, Handtaschen und ein Haus in der Joy Street, das zum Verkauf steht«, berichtete Diesel.

Joy Street hörte sich in meinen Ohren vielversprechend an. Sie führte von der Beacon Street in gerader Linie nach oben auf den Hügel Mount Vernon. Das Massachusetts State House lag auf der rechten Straßenseite. Und die Joy Street war nicht weit entfernt vom Louisburg Square, wo wir den ersten Hinweis gefunden hatten.

»Joy Street hört sich gut an«, meinte ich. »Ich finde, wir sollten uns dort umschauen.«

»Jetzt?«

»Ja.«

»Nachts? Im Dunkeln?«

»Ja.«

Diesel grinste. »Du willst jetzt nur los, um nicht so schnell ins Bett zu müssen. Du hast Angst davor, dich nackt auszuziehen.«

»Ich habe keine Angst. Das ist doch lächerlich.«

»Wenn du es rasch hinter dich bringen willst, könnten wir uns sofort nackt ausziehen«, schlug Diesel vor. »Damit wäre dieses peinliche Voreinander-Ausziehen erledigt.«

»Und was würden wir dann tun?«

»Fernsehen.«

»Nackt?«

»Ja. Das wird bestimmt lustig.«

»Niemand sitzt nackt auf meiner Couch.«

»Carl schon«, entgegnete Diesel.

Der Gedanke war beunruhigend.

»Ich werde Kekse backen, mehr nicht«, erklärte ich. »Das mit dem Nackt-Herumsitzen kannst du vergessen.«

»Kekse. Hört sich auch gut an. Ausziehen tue ich mich später sowieso.«

»Wie überheblich«, sagte ich. Und wie wahr, fügte ich in Gedanken hinzu.

Die Bäckerei ist am Sonntagvormittag geöffnet. Die Kunden kommen auf dem Heimweg von der Kirche, nach einem Spaziergang mit dem Hund, nach dem Jogging am Morgen, nach einer Fahrradtour oder einem Powerwalk bei uns vorbei. Gegen ein Uhr haben sich alle mit genügend Zucker und Gluten eingedeckt, und die Bäckerei wird geschlossen.

Ich schlüpfte um 4.15 Uhr aus dem Bett und tappte im Dunkeln auf Zehenspitzen ins Bad. Katerchen beobachtete mich von seinem Platz am Fußende des Betts. Diesel schlief noch. Ich duschte rasch, trocknete mein Haar mit dem Fön und zog mir wie immer eine Jeans, ein T-Shirt und Sneakers an. Unten war alles ruhig. Carl schlief auf der Couch. Ich schaltete das Licht in der Küche an und machte mir Kaffee. Katerchen strich um meine Beine, und ich bückte mich, um ihn zu streicheln. Ich gab ihm frisches Wasser und ein wenig Trockenfutter.

Monroes Konstruktion stand immer noch auf meiner Arbeitsplatte. Ich fand, ich sollte sie lieber verstecken. Sie war gestohlen, und außerdem gab es noch ein paar andere Leute, die hinter ihr her waren. Ich trug sie zu meinem Wäschekorb, legte sie hinein und bedeckte sie mit schmutziger Wäsche.

Jetzt lag ein gestohlenes Bild unter meinem Bett, eine gestohlene Glocke in meinem Wäschetrockner und eine gestohlene kinetische Skulptur in meinem Wäschekorb. Keine sehr angenehme Situation.

Ich ging in die Küche zurück, aß einen Erdbeerjoghurt und trank rasch eine Tasse Kaffee. Dann zog ich mir ein Kapuzensweatshirt über, holte meine Handtasche und verließ leise das Haus. Draußen war alles dunkel. Selbst für Frühaufsteher war es noch zu früh. Die Luft war eisig, und am schwarzen Himmel zeigte sich eine schmale Mondsichel.

Ich ging die paar Schritte zu meinem Wagen und wollte ihn gerade aufschließen, als ich Wulf, teilweise durch Schatten verdeckt, vor mir sah. Mein Herz begann zu stolpern, und es dauerte einen Moment, bis ich mich wieder unter Kontrolle hatte.

»Ich dachte, du bist kein Morgenmensch«, sagte ich.

»Mein Morgen beginnt mit dem Sonnenaufgang.«

»Du bist doch kein Vampir, oder?«

»Nein«, erwiderte Wulf. »Aber ich habe ähnliche Vorlieben.«

Ich dachte an Diesel, der immer noch in meinem Bett schlief, und richtete meinen Blick von Wulf auf das Schlafzimmerfenster im oberen Stockwerk meines Hauses.

»Wenn ich dich hätte entführen wollen, wären wir schon längst weg von hier«, meinte Wulf.

»Er würde dich aufspüren.«

»Ohne Zweifel.«

»Was suchst du hier?«, wollte ich wissen.

»Ich bin Anarchie gefolgt. Sie versuchte, Hatchet anzuwerben, aber das ist ihr nicht gelungen. Er ist ein Narr, aber sehr loyal. Du wirst ihr nächstes Opfer sein, und du bist verletzlicher als Hatchet. Ich bezweifle, dass deine Schmerzgrenze so hoch wie seine ist.«

»Wo ist sie jetzt?«

Wulf erstarrte für einen Moment, als wollte er die Luft prüfen. »Ich habe sie verloren, aber ich nehme an, dass sie nicht weit weg ist. Sie wird in deiner Nähe bleiben und auf den richtigen Augenblick warten.«

»Warum bist du ihr gefolgt?«

»Man muss sie aufhalten. Mein halb gesetzestreuer Cousin hat keine Berechtigung, sie zu vernichten, aber ich muss niemandem Rechenschaft ablegen.«

In einem der Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite ging hinter einem Fenster im oberen Geschoss das Licht an. Wulf trat in die Schatten zurück und verschwand still und leise.

Ich überlegte, ob ich ins Haus zurückgehen und Diesel aufwecken sollte, doch ich war bereits spät dran. Außerdem hatte es keinen Sinn. Ich wollte Diesel nicht vierundzwanzig Stunden am Tag um mich herum haben. Und ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, dass Wulf und Anarchie offensichtlich etwas untereinander auszufechten hatten.

Ich stieg in meinen Wagen, verschloss die Türen, fuhr los und versuchte, die Gedanken an Anarchie zu verdrängen. Es war viel besser, mich auf Cupcakes zu konzentrieren. Außerdem war Sonntag, also würden wir Apfel-Zimt-Donuts backen. Okay, das hieß, dass ich anschließend die Fritteuse sauber machen musste, aber das war die Sache wert. In der Bäckerei sorgten wir für Glücksgefühle, und das war viel besser, als andere Menschen zu vernichten.

Ich überquerte die Brücke nach Salem und schaffte die Fahrt in Rekordzeit. An einem Sonntag um diese Uhrzeit war fast keine Menschenseele unterwegs. Ich stellte meinen Wagen auf dem kleinen Parkplatz hinter der Bäckerei ab und eilte hinein.

»Entschuldige die Verspätung«, rief ich Clara zu. »Das war mal wieder einer dieser Morgen …«

»Kein Problem«, erwiderte Clara und steckte den Knethaken in das große Rührgerät. »Hier läuft alles nach Plan. Ich habe gerade die Fritteuse angestellt, und der Teig geht wunderbar auf.«

»Sagt dir Anarchie irgendetwas?«, fragte ich sie.

»Politisches Chaos?«

»Bei dieser Anarchie handelt es sich um eine Person. Ich bin Wulf heute früh schon in die Arme gelaufen. Er ist hinter einer Frau namens Anarchie her.«

»Ich wusste gar nicht, dass du und Wulf freundschaftlichen Umgang pflegt. Lebst du nicht mit Diesel zusammen?«

»Wir leben nicht zusammen. Er hat bei mir nur vorübergehend seine Zelte aufgeschlagen. Außerdem hat er oben geschlafen, und Wulf stand neben meinem Wagen.«

»Gütiger Himmel.«

Ich knöpfte meinen Bäckerkittel zu. »Wulf hat irgendetwas an sich, was mir den Atem raubt. Er hat mir noch nie etwas angetan, aber er jagt mir eine Heidenangst ein.«

»Er hat dich verbrannt! Du hast eine Narbe an deiner Hand.«

»Ich meinte, abgesehen von dieser Sache.«

Glo marschierte herein, stellte ihren Besen in eine Ecke und hängte ihre Tasche an einen Haken neben der Tür. »Ich bin wegen der Donuts eher gekommen. Über wen sprecht ihr?«

»Über Wulf«, antwortete ich.

»Ein heißer Typ«, bemerkte Glo. »Er ist wie ein Vampir. Dominant, sinnlich und beängstigend. Er erinnert mich an den Hulk Coaster, diese Wahnsinnsachterbahn in den Universal Studios. Kennt ihr die? Da bekommst du richtig Angst und einen ordentlichen Adrenalinschub, und wenn du aussteigst, ist deine Hose nass, und du weißt nicht genau, woher das kommt.«

»So geht es mir auf der 1A, wenn ich mich während der Hauptverkehrszeit in diesen ewigen Kreisverkehr einfädeln muss«, meinte Clara.

Ich konnte nicht mit vergleichbaren Erlebnissen aufwarten, also holte ich einen Sack mit Mehl und wuchtete ihn auf meine Arbeitsplatte.

»Wie war dein Date mit dem Glöckner?«, fragte ich Glo.

»Es war wunderbar«, schwärmte sie. »Er ist so süß. Und klug. Und er weiß alles, was es über Glocken zu wissen gibt. Ich glaube, mein Besen mochte ihn auch. Zumindest ist er nicht auf ihn losgegangen. Ich glaube, er könnte tatsächlich der Richtige sein.«