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Ich weiß, wo sie ist.
Sie ist bei dem Mönch - Budha Ratnor ist sein
Name -, und der lehrt sie schlimme Dinge.
Es gibt dort eine Höhle, ich weiß nicht, ob
er selbst darin wohnt, wahrscheinlich nicht, wahrscheinlich wohnt
er feudal in einem der Lehmpaläste am Fluß; dem Volk aber zeigt er
sich in der Höhle, und dort gehen schlimme Dinge vor. Ich weiß von
dem Lingam, der so groß ist, daß ihn zwei Männer nicht umfassen
können, über und über mit einer Paste bedeckt, die aus der
«Feuchte» von Weibern gemacht ist. Na ja, so spricht man.
Das Glück, das keines mehr ist. Also hört die
Geschichte von Gautama - das bin ich - und Sita, der Schönhüftigen.
Ich habe ein Tuch und ein Messer mit mir genommen und mich auf den
geschlängelten Weg gemacht, der vorgezeichnet ist, so wie er
verläuft: neben den langen Sanddünen, etwas zurückgesetzt, den
Kämmen und Mulden folgend. Während die gellenden Obertöne, die
scharfen Rasseln über den dunkleren Pauken lauter werden, je näher
ich komme. Je weiter ich dorthin gehe, von wo ich nicht
zurückkehren werde.
Oh, ich hätte wegsehen können, ich hätte mir
ein blindes Auge oder sogar zwei leisten können, so wie die Männer
im Dorf. Der Krishnu, mein Freund, der das Gute sieht, oder Ramesh,
mein anderer Freund, der zwar nicht das Gute, aber vieles Heilige
sieht. Ich selber, mit meinen zwei Augen, bin da anscheinend von
der falschen Sehfähigkeit geschlagen.
Anscheinend will niemand wissen, wohin die
Weiber gehen. Man dreht sich um und blickt gut und heilig in die
andere Richtung, da ja womöglich - was weiß ich - das alles gut und
heilig ist, so wie wir es gelernt haben. Als der Mann zum ersten
Mal das Dorf betrat, sah ich gleich seinen Lingam, nicht daß man
ihn offen sehen konnte oder daß er sich unter dem gelben Tuch auch
nur abzeichnete, aber er schob ihn wie ein Gebot vor sich her.
Niemand wußte, woher der Mann stammte,
plötzlich war er da, ging wie selbstverständlich in seinem Tuch
durchs Dorf, verschwand, tauchte am anderen Ende wieder auf, und es
gab keinen Zweifel, er war vom Atem erfüllt, vom Bramah, - das
konnte selbst ich sehen, der ich doch an seinen Lingam unter dem
gelben Tuch dachte. Budha Ratnor nannte er sich, ein
Selbsterwählter war er. Sein Gesicht! Ich glaube, daran habe ich
ihn erkannt, an zwei gnadenlosen Falten, die von den Augen zu den
Mundwinkeln liefen.
«Was macht er mit euren Weibern!»
Ja, was machte er mit den Weibern, die wie
verrückt in die Höhle liefen und aufgeweicht wieder herauskamen,
und das meine ich wörtlich: Sie hatten diesen teigigen Ausdruck im
Gesicht, aber sie waren auch naß in ihren Saris, so als ob sie dort
eine Wasserkur machten.
Ich muß dazu etwas weiter ausholen, damit man
den Ort sehen kann. Diese Höhle am Ende des Dorfes war von jeher
von Mönchen bewohnt, die Rameshwaram-Höhle. Wenn ich die Augen
schließe, sehe ich den dunklen Eingang, flankiert von zwei aus dem
Sandstein geschlagenen Elefanten, rötlich riesig aus der Felswand
tretend, ich sehe ihn deutlich vor mir, denn er heißt: Kindheit.
Dort hatten wir bei Mittagshitze im Schatten der Bäuche gesessen,
hatten auf dem Kopf der Elefanten gestanden und vor den Mädchen
gekräht, hatten zwischen den Säulenbeinen Räuber und Radj gespielt
- wahrscheinlich sehr laut -aber niemals (!) hatten wir die
schwarze Höhlung des Eingangs betreten. Wenn es hinter der
Schattenlinie kühl wurde, blieben wir Kinder stehen: Drinnen war es
dunkel. Dort saß die dunkle Dame mit den sechs Armen, nicht böse,
aber stark, sehr stark, so hatten wir es gelernt.
Ab und zu kamen gelbe Mönche heraus, um ihr
Essen im Dorf einzusammeln, gingen wieder hinein. Sie fürchteten
sich nicht, sie wohnten dort. Aber dann waren die Mönche
weitergezogen oder gestorben, oder waren einfach fortgeblieben,
jedenfalls kamen sie nicht mehr heraus. Ein geschlossener Mund.
Jetzt hole ich noch weiter aus. Mönche
heutzutage sind keine Mönche mehr, sie predigen niedere Dinge. Die
alten Mönche waren gut, es kann sein, daß ich altmodisch bin und
keine Sicht habe, aber die neuen sind schlecht, sie predigen das,
was sie mit den Händen anfassen. Fangen ganz unten an, indem sie
die Löcher verschließen, damit der Atem, wie sie sagen, der Bramah
durch die fünf Chakras nach oben steigen kann: Von der Mondgrube
zum Sonnengeflecht, zur Herzkammer, hinauf zu Stirn und Scheitel,
und von dort, man staune, direkt in den Himmel. So machen sie es,
habe ich mir sagen lassen, benutzen dazu die rechte Hand wie einen
Streichpinsel, mit der anderen zeigen sie nach oben.
Aber der Mann hatte auch mich gleich erkannt,
das weiß ich. Gleich als er mir zum ersten Mal im Dorf entgegenkam
und seinen gelben Lingam vor sich herschob. Wahrscheinlich hatte
auch er zwei strenge Linien in meinem Gesicht entdeckt. Jedenfalls
begegneten wir uns blicklos, ja, aber mit dem Blick aus der Seite
heraus.
«Er kann dich nicht leiden», sagten meine
Freunde.
«Ich kann ihn auch nicht leiden.»
Dazu wiegte Freund Krishnu bedenklich den
Kopf.
Mein Freund Ramesh ebenfalls.
Der Mann, der Mönch - Ratnor heißt er,
erwähnte ich das? - schreitet durchs Dorf wie ein Besitzer, teilt
rechts und links Segen aus, indem er die Hände zummenlegt, und was
soll ich sagen, sie bringen ihm sogar das Essen - er braucht es
nicht einzusammeln -, obwohl er es nicht nötig hat, sicherlich
speist er unten am Fluß in seinem Lehmpalast vom Feinsten,
Chapatis, Goldbrot und Fisch. Wenn ich es mir überlege, kennt mein
Haß keine Grenzen, einmal hatte ich ihn mit meiner Frau gesehen,
quer über den Platz gehend, und die Erde tat sich auf. Sita, die
Schönhüftige, einen halben Schritt hinter ihm, hinter einem Satz
hergehend, den er wohl gerade ausgesprochen hatte. Obwohl sich
immer die Erde auftut, wenn ich Sita sehe, heute noch.
Zugegeben, er. ist ein schöner Mann mit seinem
langen pferdeähnlichen Kopf und seinem festen Mund. Das Gesicht
trägt er rasiert, das Haupthaar lang, gold und schwarzsilbern mit
leicht aufgeringelten Endspitzen. Wahrscheinlich parfümiert. Die
Kleidung entspricht den gelben Mönchen, seine Tücher jedoch sind
aus Seide und fallen deshalb in reicheren Falten, auch ist sein
Gelb subtiler, tiefer, safranartig. Ein schöner Mann, ein Hengst
mit einem Hengstkopf, aber ich sehe - wohl als einziger - die
abgrundtiefen Furchen von den Augenwinkeln bis zum Mund.
«Er bringt einen bösen Samen.»
«Er bringt keinen bösen Samen», widersprechen
die Freunde Ramesh und Krishnu.
«Zwischen die Schenkel eurer
Weiber.»
Damit errege ich aber nur Unwillen, denn so
spricht man nicht von einem heiligen Mann. Außerdem bringt er den
Samen auch zu den Männern und die sind ganz versessen darauf,
laufen breitbeinig durchs Dorf und warten auf ihren Tag in der
Woche. Frühmorgens, wenn sie am Meer alle in einer Reihe hocken, um
das Morgengeschäft zu verrichten, öffnen sie ihr Gemüt und sprechen
von nichts anderem. Ich gehe seitdem nicht mehr ins Dorf, weil ich
keine Freunde mehr habe.
«Du bist schrecklich», sagt meine Frau zu
mir.
Ich bin durchaus nicht schrecklich, ich bin
heillos altmodisch vielleicht, und eigen, aber dazu muß ich noch
weiter ausholen, damit man weiß, wovon ich spreche. In meiner
Jugend lehrten sie uns den rechten Weg, und das war Enthaltsamkeit,
das war Maß, die Zuwendung zu höheren Plätzen, die einzunehmen man
sich bemühen sollte, und wodurch? Durch Enthaltsamkeit und Maß, das
haben sie uns beigebracht. Ich bin nie ein Asket gewesen, obwohl
auch das von mir erwartet wurde - sich innerhalb der eigenen Haut
zurückzuziehen, ganz selbst zu werden, ganz «Sein» oder besser noch
«Nichtsein». Das hat mir nie so recht eingeleuchtet.
Nein.
Ich bin ein Mann des Schaffens, und ich schaffe
mit meinen Händen, die ich deutlich vor mir sehe - also werden sie
wohl vorhanden sein -, mit denen ich den Ganesh mache und die
anderen schönen Figuren, den Shiva und die Shakti und den Hanuman,
wie er gerade den bösen Feind Shrinar, halb Baum, halb Schlange,
mit dem Schwert erschlägt. Ich kann sehen, ich kann schmecken, ich
kann fühlen. Und die Schönheit hat ihr Maß, das mich glücklich
macht - Sita -, warum soll ich das leugnen.
Aber nun haben sie das Maß verdreht. Im
Süden, in Ooti, in Madurai und anderen Orten haben sie die
Tantra-Tempel gebaut. Es ist das Kundalini, das dort gepredigt
wird, die Schlangenkraft, die Kraft, die wir unterhalb des Gürtels
benutzen. Mann und Frau und beide zusammen.
Soweit leuchtet es ein, denn nichts anderes
haben wir gemacht, die Sita und ich, und wenn ich es recht bedenke,
ist es sogar heilig gewesen. In bestimmten Augenblicken, wenn sich
die Welt umstülpt und wir die gemeinsame Fahrt beginnen, die Sita
und ich, jedenfalls in eine Art Götterhimmel. So genau in Worten
kann ich das nicht ausdrücken, sie ist dann die Shakti, die alles
unsichtbare Leben trägt, den Ozean des Unerfüllten, und ich bin der
Shiva, der eintaucht, damit es sich erfüllt. Nur daß wir zu diesem
Zweck keinen Budha Ratnor benötigen (wenn er überhaupt so heißt),
der ins Dorf gekommen ist, als würde er es besitzen, das ist nicht
ganz einzusehen.
Um zum höheren Sein zu gelangen.
Als ich eintrete, ist es draußen schon
dunkel, die beiden Elefanten am Eingang auf ihren jetzt schwarzen
Säulenbeinen sehen fast noch größer aus als früher, als sie so groß
und rötlich in der Mittagshitze standen. Weiter hinten sind Schalen
mit Öl aufgestellt, in denen Dochte brennen. Das schwere Gatter ist
im Mittelteil offen, als würden noch weitere Besucher erwartet, es
ist aber niemand zu sehen, und ich höre auch keine Fußtritte, nur
das Rasseln vom Dorf und das entfernte Gellen, mit dem sie die
Pilger wachhalten. Ich spüre diese aufgeheizten Steinplatten unter
meinen Fußsohlen und ich weiß, daß hier im offenen Vorgewölbe die
Sonne vier Stunden lang darauf gestanden hat, zum Gatter hin sind
die Platten kühler, dort liegt immer der Schatten des oberen
Gewölbes. Bis hierhin reicht der Weg, den ich so gut kenne. Bis
hierhin und nicht weiter. Danach wird alles anders sein.
*
Die Yoni-Massage beansprucht die ganze rechte
Hand, alle Finger: Der kleine ist in der Rosette verankert, drei
Finger ruhen innerhalb der Yoni, während der Daumen die kleine
Dolde streicht, aber kaum merklich oder überhaupt ganz unmerklich.
Es wird stillgehalten. Ein leises Zittern vielleicht. Und es
braucht Zeit, eine Menge Zeit, daß sich die Energie sammele, daß
sich der Ozean fülle. Man nennt das «die Woge bereiten», und das
geschieht in der Stille. Vielleicht ein ganz leises Kneten nach
unendlich langer Zeit und auch erst, nachdem sich die goldenen, die
Herz- und Hirnchakras gefüllt haben, die Bauchchakras sind schon
voll. Es ist eine «Komm zu mir»-Bewegung der drei inneren Finger
der rechten Hand, wobei der Handrücken nach unten (außen) gehalten
wird, ein, ja, unmerkliches Streichen der zart gebuckelten
Vorderseite der Scheide - das ist die geheime «Stelle» -, wo sich
die Schlangenkraft auftut. Und es braucht Zeit, eine Menge Zeit.
Ein leises Wogen, auf und ab, so wie der Atem geht. Auf und ab.
Woher ich das weiß? Ich weiß es.
Ich habe das Tuch um mich gewickelt, an der
Hüfte fest geknotet und über die Schulter geschlungen, das Tuch ist
blaßrot mit dunkelroten Streifen, es ist sehr schön. Meine rechte
Schulter und der Arm sind frei. Hinter dem Gatter sind noch mehr
Lichtschalen aufgestellt, nicht regelmäßig, nur hier und dort, aber
insgesamt einen Weg weisend, eine Lichtstraße wie zu einem Fest,
das auf Gäste wartet, und die Luft ist fettig vom verbrannten
Öl.
Hier ist ein Gang, der etwas ansteigt und
wieder abfällt, mit einem Knick nach zwanzig Schritt und einem
weiteren nach vierzig. Die Öllichter an den Ecken sind so
aufgestellt, daß sie nur den abgebogenen Teil beleuchten, und da
sie auf dem Boden stehen, wird mein Schatten groß an die Decke
geworfen. So tief bin ich noch nie eingedrungen, ich glaube auch
nicht, daß es mir erlaubt ist. Nicht mir. Das Messer habe ich
hinter den Knoten des Tuches gesteckt. Es ist ein Geschenk meines
Onkels Babu zum sechzehnten Lebensjahr, ein Tokki-Messer in einer
Scheide aus Holz, drei weinende Affen darstellend. Hatte ich es
doch von jeher als albern empfunden, und jetzt soll es mein Leben
beenden?
Bis sich der Gang weitet: Da ist er, steht da
leibhaftig, eigentlich hatte ich es nicht ganz gegla ubt, daß er am
Ende leibhaftig dastehen würde. «So hoch und groß und dick.» Da
erweitert sich der Gang zu einer Höhlung, rund wie ein Topf, in der
der Lingam aufrecht steht, als ob er darin gekocht werden sollte.
Nun, es sind nicht gerade zwei Männer, die ihn kaum umfassen
können, aber einer allein kann es ganz gewiß nicht. Gewaltig alt.
Wie er da steht, aus schwarzer Bronze, bedeckt von armdickem
Adergeflecht, gekrönt von einer riesigen Eichel, geformt wie ein
Schirm und glänzend im Schein der Öllampen, triefend, wohl tausend
Jahre alt. Oder mehr. Ich nehme an, daß er wie ein Berg dröhnen
würde, schlüge man mit dem Hammer darauf.
– – –
Dahinter führt der Gang weiter ins Dunkle,
ins Heiße, der Felsen wird schwerer hier, dichter, und der heiße
Ölgeruch erhält einen Zusatz, etwas sämig Süßes, das sich wie
Hanfstaub auf den Atem legt. Wie ein leidiger Übergriff. Was ist
das, ich spüre, wenn ich jetzt eine Frau wäre, fühlte ich mich
besamt, aber ich bin ein Mann und fühle es ebenso. Was ist das? Und
dann höre ich das hich – hich – hich – haaaaah –, es öffnet sich
ein Gewölbe weit und schwarz, so hoch, anscheinend bis unter die
Bergkuppe reichend. Oben herrscht Nacht, hier unten ist der Boden
strahlend hell von hundert Öllampen, jede für sich in einer
flachen, in die Wand gehauenen Nische wie eine kleine
Gottheit im Schrein. Und das hich – hich –
hich kenne ich auch. Es ist das Prana Apana, das Ein- und Ausatmen,
das sie praktizieren, indem sie ruckartig die Luft einsaugen und
dann, haaaaa, laut ausströmen lassen. Ich weiß nicht, ob es schön
ist, aber das Vergnügen ist ja nicht das Ziel, sondern der Weg.
Sagen sie.
Hich – hich – hich – – – – – –
haaaaaah.
Dazu soll man auch den großen Dammuskel
benutzen, der den unteren Ausgang des Menschen verschließt, wenn
man den benutzt, sagen sie, wird das letzte Quentchen unreiner Luft
ausgepreßt. Der allerletzte Rest. Da sitzen sie im Kreis und machen
sich leer, pumpen, pumpen, bis sie alle platzen, aufrecht im
Lotossitz. Das nennen sie Kapalabhathi (oder das, bei dem man
heftig niesen muß).
Ich bin, um nicht entdeckt zu werden, sofort
zurückgetreten, aber nun findet hinter dem Vorsprung anscheinend
etwas Bedeutsames statt, dessen ich nicht teilhabe. Denn es
herrscht plötzlich Stille, aber so vollständig und total, daß sie
schon fast wieder hörbar ist. Ein Schauspiel? Eine heilige
Handlung, eine grauenhafte Verwandlung? Sie heben die
zusammengelegten Hände und glotzen, daß ihnen die Augen aus dem
Kopf treten, und das sieht nicht sehr heilig aus. Ich weiß, mein
Haß kennt keine Grenzen, aber ich sage, Kröten, die ihren Lurch
absondern, hätten nicht unheiliger glotzen können als diese
Gemeinde, die ich hiermit aus meinem Leben entferne.
Denn wie soll ich das überleben, was jetzt
geschieht, als ich erneut um den Vorsprung schaue. Soll ich mich
selbst entfernen aus meinem Leben - aus dem Ganzen vielleicht,
Geburt und Tod und der Erinnerung daran,
und das ist ja noch nicht einmal das Ganze, nach unseren Glauben.
Als ich nun sehen muß, welch Bedeutsames sich am anderen Ende des
Raumes abspielt:
Sita, die Schönhüftige, die Empfangende -
denn das bedeutet der Name - sitzt oder liegt halbsitzend mit
gespreizten Beinen auf der Matte und zeigt ihre Furche, ihre Yoni.
Oh, sie tut das nicht halbherzig, soviel kann ich erkennen, sie
spreizt sich mit aller Vehemenz, hat die Knie weit
auseinandergenommen, hält sich in den Kniekehlen fest, so daß alle
sie sehen können, und sie hat eine schöne Yoni. O ja, ihre Yoni ist
wohlgebildet, ein ganz prächtiger Fruchtstock ist das. Soviel kann
ich auch von meiner Ecke her erkennen - und habe es, wenn ich mich
recht erinnere, schon ein wenig früher erkannt: Ein schwellendes,
hingebendes Gebilde ist das. Eine Gotteslandschaft, auf und ab, und
über die Hügel, ich habe sie in den schönsten Augenblicken
begangen. Und nun begeht sie ein anderer.
Der hat sich im aufrechten Sitz neben ihr
niedergelassen. Mit der einen Hand scheint er einen Strahlenkranz
zu zeichnen, mit der anderen aber, der rechten, nähert er sich der
Yoni. Handrücken nach unten, kleiner Finger abgespreizt, drei
Finger gebogen, Daumen nach vorn. Sehr präzise und mit offenbar
allergrößter Heiligkeit, denn ein Anhalten des Atems tritt nun
allenthalben ein (selbst bei meiner Unwürdigkeit). Und das Glotzen,
ich will nicht ungerecht sein, habe jeden Mann und jede Frau
studiert, also, das Glotzen geschah wenigstens mit
Schrecken!
Meine Sita saß auf der Handfläche eines
Gottes. Im wirklichen und im metaphorischen Reitsitz. Ein für
allemal.
*
Es gab für mich nur zwei Möglichkeiten. Ich
hatte die Wahl, den Gott umzubringen oder aber die Sita, oder – –
das war auch noch eine Möglichkeit – – mich selber.
Man stelle sich die heiße Stunde kurz nach
Mittag vor, staubige, dicke, rote Luft liegt über der Straße, die
menschenleer ist - um diese Zeit wird kein Mensch lustwandeln. Doch
einer. Mit abwesenden schleppenden Schritten schlurft er zum
Eingang des kleinen Bogwan Tempels. Wo er wie gewohnt, mit
Wasserkaraffe und einer Schale Betel in ein offenes Gewölbe
zurückgezogen, halb dösend nachmittägliche Audienz gewähren würde.
Hauptsächlich für Frauen und Mädchen, mit zu langen Schamlippen
vermutlich.
Eine Woche lang hatte ich seine Gewohnheiten
studiert. War ihm auf die Dörfer gefolgt und mehrfach auf einen in
der Nähe liegenden Markt, wo er jeweils bei einem Händler für
Drogen und Gewürze verschwand und erst nach Stunden wieder
herauskam.
Vorn standen Bottiche voll getrockneter
Wurzeln, Samen, Viszeralien. Hinten ein Tunnel, wo dunkle Ballen
sich stapelten und sich stundenlang Dunkles abspielte, offenbar.
Ich folgte ihm auch zu einem braungelben Haus auf einem Hügel, aber
das hatte schiere Mauern und wohl auch einen Wächter - ich sah
einen bärtigen Mann oben auf der Hausecke kauern. Und ich folgte
ihm zu einem Zahnreißer (den er jetzt nicht mehr
braucht).
Das alles nur aus gehöriger Entfernung, ich
glaube nicht, daß er meine Anwesenheit bemerkte. Oder
doch?
Jetzt ist es ruhig im Ort. Man hört die
Sandpartikel, die in der Hitze von den Mauern abbröseln, und man
hört den Schatten der drei großen Bäume, er atmet. Der Bogwan
Tempel ist ein Relikt aus ganz alter Zeit. Mehr oder weniger nur
ein ummauerter Hof, in dem sieben Sandsteinfelsen liegen, jeder für
sich, wie von Riesenhand in das Geviert des Hofes gelegt - aber
wahrscheinlich waren die Steine zuerst da, und die Mauer wurde
herumgebaut. Doch Wunder! Jeder Stein wurde in ganz alter Zeit auf
das kunstvollste gemeißelt und ausgehöhlt, jeder ein Tempelchen für
sich, einer mit vier Ecktürmchen, einer mit sandsteinernem
Baldachin, einer wie eine kleine Stufenpyramide, nicht höher als
zwei Mann, die aufeinanderstellen. Und den ausgehöhlten Elefanten
nicht zu vergessen, der auch nicht fehlt. Es ist dies, möchte ich
behaupten, der friedlichste, besinnlichste und zugleich
einfältigste Platz im ganzen Land, ein Spielzeugzimmer der Götter,
und wer anderes als ein Bösewicht könnte hier Böses vollbringen
wollen.
Ich hätte auch eine andere der drei
Möglichkeiten wählen können. Denn ich weiß, daß alle drei in
denselben schwarzen Raum münden, meine Sita werde ich nicht
zurückerhalten und mich selbst auch nicht. Das ist gewiß.
Man hält das Messer nicht wie eine Hacke und
auch nicht wie einen Hammer. Man hält es wie eine Lanze mit
imaginärer, auf den Zwischenraum der vierten und fünften Rippe
gerichteter Spitze. Leicht mit Daumen und Zeigefinger am Blatt.
Warum ich mich dazu entschlossen habe? Vielleicht weil es meiner
Natur entspricht, ich kann kein Tier töten, ich kann noch nicht
einmal einen Baum absägen und zu Tode bringen. Aber ich kann Budha
Ratnor töten, und nur ihn, wenn ich drei Möglichkeiten der
Verdammnis zur Auswahl habe.
Er schlurft den trockenen, unbewachsenen
Verbindungsweg zum Tempeleingang entlang, und hier am Weg halte ich
mich hinter einem Steinquader verborgen, trete, sobald er an mir
vorüber ist - in seinem hängenden gelben Tuch, in dem sich der
entsetzlich hängende Lingam abzeichnet -, trete hinter ihm auf den
Weg. So daß er meine Schritte hören kann.
So daß er – – – ich weiß, er hört sie, und er
weiß auch, was sie bedeuten, geht trotzdem nicht schneller, eher
langsamer, schlurft eher noch gebeugter, läßt Schultern, Genitalien
und sein gelbes Tuch eher noch länger hängen. So daß das Schicksal
sich erfüllen kann.
Ja, aber nicht für Budha Ratnor!
Der schnellt, als ich ihn einhole und überhole
- und im Überholen ihm das Messer seitlich zwischen die vierte und
fünfte Rippe stecke - überaus drahtig herum, grell und auf der
Stelle präsent, dreht sich wie eine Drahtkatze, ein Messerkämpfer.
Denn wie hätte er sonst die elf Attacken überlebt, die ihm im Laufe
seiner Heiligkeit von elf gehörnten Ehemännern bereitet waren, denn
diese elf waren alle tot. Und was ich für einen Lingam unter dem
Tuch gehalten hatte, ist in Wahrheit ein langer gebogener Dolch,
den er wie von ungefähr in der Hand hält. Nicht wie eine Hacke und
auch nicht wie einen Hammer, er hält ihn waagrecht in Bauchhöhe, er
will schneiden, die Eingeweide aufschneiden, nicht stechen! Ein
Sichelwagen! Im Drehschwung! Auf einem geraden sandigen
Wegstück.
Aber da hat er es schon zwischen den Rippen
(da steckt das Messer), und das alles geschieht gleichzeitig im
Überholen, nur daß ich eben ein wenig schneller als die anderen elf
Ehemänner überholt hatte.