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Kelly zog das Gummiband vom Handgelenk und versuchte, ihr dunkles Haar zu einem Pferdeschwanz zu binden. Inzwischen bereute sie den spontanen Friseurbesuch im August, als sie nach zwei Wochen Hitze entschieden hatte, dass hüftlanges Haar einfach zu umständlich war. Jetzt ließen sich die gekürzten Strähnen kaum noch zusammenbinden. Prompt fielen zwei davon wieder nach vorne. Letztlich hatte es zwei Stunden gedauert, Carl Bayliss einzuliefern, nachdem festgestellt wurde, dass er im Zusammenhang mit ein paar Diebstählen sowie Verstoß gegen die Bewährungsauflagen gesucht wurde. Kelly gähnte. Ihren Hungerpunkt hatte sie so gut wie überwunden, trotzdem ging sie in die Küche und blickte sich hoffnungsvoll um – für alle Fälle. Nichts. Sie hätte doch unterwegs einen Kebab kaufen sollen. Nun machte sie sich etwas Toast und nahm ihn mit in ihr Zimmer im Erdgeschoss. Es war ein großer quadratischer Raum mit einer hohen Decke. Von der Bildleiste aufwärts waren die Wände weiß gestrichen, darunter hatte sich Kelly für einen hellen Grauton entschieden. Außerdem hatte sie den Teppichboden, der seine besten Zeiten hinter sich hatte, mit zwei großen Läufern bedeckt, die sie bei einer Auktion erstanden hatte. Der Rest des Zimmers – das Bett, der Schreibtisch sowie der rote Sessel, in dem sie nun saß – war ausnahmslos von Ikea. Die modernen Konturen standen im Kontrast zu dem geschwungenen Erkerfenster, unter dem sich das Bett befand.

Sie blätterte durch die Metro, die sie auf dem Rückweg mitgenommen hatte. Viele ihrer Kollegen sahen nie in die Lokalzeitungen – schlimm genug, dass wir den Abschaum bei der Arbeit sehen müssen; da will ich den nicht noch mit mir nach Hause tragen –, aber sie war in puncto Nachrichten unersättlich. Auf ihrem iPhone gingen immerzu die neuesten Meldungen ein, und wenn sie ihre Eltern besuchte, die nach der Pensionierung von London nach Kent gezogen waren, stürzte sie sich auf das Dorfblatt, um über Komitees zu lesen, die noch Mitglieder suchten, oder die Beschwerden über Müll und Hundekot auf den Straßen zu studieren.

Nun fand sie auf Seite fünf, wonach sie suchte. Gleich eine Doppelseite war fett mit »U-Bahn-Kriminalität nimmt zu« überschrieben: Stadtverwaltung beauftragt eine Untersuchung zu Straftaten im öffentlichen Personennahverkehr, nachdem vermehrt sexuelle Belästigungen, brutale Angriffe und Diebstähle angezeigt wurden.

Der Artikel eröffnete mit einem Absatz, der entsetzliche Kriminalstatistiken zitierte – die allein können einen schon davon abhalten, je wieder U-Bahn zu fahren, dachte Kelly –, bevor es mit einer Reihe von Fallschilderungen weiterging, um die häufigsten Straftaten in Londons Verkehrsnetz zu illustrieren. Kelly sah zu dem Abschnitt über brutale Angriffe, wo das Foto eines jungen Mannes abgedruckt war, der ein unmissverständliches Muster seitlich ins Haar rasiert trug. Das rechte Auge des Teenagers war so heftig zugeschwollen, dass er entstellt aussah.

Der Angriff auf Kyle Matthews war brutal und geschah vollkommen grundlos, lautete die Bildunterschrift. Das sollte man lieber nicht blind glauben, fand Kelly. Sicher, sie kannte Kyle nicht, sehr wohl aber das Symbol an seinem Kopf, und »vollkommen grundlos« war gemeinhin nicht die Formulierung, die einem bei Trägern solch eines Zeichens in den Sinn kam. Dennoch sollte sie ihn nicht vorverurteilen.

Das Foto in dem Abschnitt zum Thema »sexuelle Übergriffe« war schattig, sodass man gerade noch das Profil einer Frau ausmachen konnte. »Archivbild« stand unter dem Foto. »Name geändert.«

Unwillkürlich erschien ein anderer Zeitungsartikel vor Kellys geistigem Auge: eine andere Stadt, eine andere Frau, die gleiche Schlagzeile.

Sie schluckte, wandte sich der letzten Fallstudie zu und grinste über die Grimasse der Frau auf dem Foto.

»Sie verlangen doch wohl nicht, dass ich ein Daily-Mail-Gesicht mache, oder?«, hatte Cathy Tanning den Fotografen gefragt.

»Selbstverständlich nicht«, hatte er munter geantwortet. »Ich will, dass Sie ein trauriges Metro-Gesicht ziehen, mit einem Anflug von Wut. Nehmen Sie die Handtasche auf den Schoß und versuchen Sie sich vorzustellen, dass Sie nach Hause kommen und Ihren Mann im Bett mit der Fensterputzerin erwischen.«

Der Pressesprecher der British Transport Police war verhindert gewesen, weshalb Kelly sich bereit erklärte, bei Cathys Interview dabei zu sein, was Cathy sofort annahm.

»Sie waren super«, sagte sie zu Kelly, »und das ist das Mindeste, was ich tun kann.«

»Sparen Sie sich das Lob auf, bis wir den Kerl gefunden haben, der Ihre Schlüssel geklaut hat«, hatte Kelly erwidert, auch wenn sie wusste, dass die Chancen sehr schlecht standen. Sie war am Ende einer einmonatigen Versetzung zur Diebstahlseinheit, der Dip Squad, als der Auftrag kam, und sie hatte Cathy Tanning auf Anhieb gemocht.

»Es ist meine Schuld«, hatte die Frau gesagt, sobald Kelly sich vorgestellt hatte. »Ich arbeite so lange, und die Fahrt nach Hause dauert so ewig, da nicke ich schon mal ein. Aber ich hätte nie gedacht, dass jemand das so fies ausnutzt.«

Kelly fand, dass Cathy Tanning noch Glück gehabt hatte. Der Dieb hatte ihre Handtasche durchwühlt, während Cathy tief und fest schlafend an der Wand lehnte, konnte ihr Portemonnaie in der seitlichen Reißverschlusstasche jedoch nicht finden, ebenso wenig wie ihr Handy, das in einer anderen Seitentasche steckte. Stattdessen hatte er ihre Schlüssel geklaut.

»Es ist nicht Ihre Schuld«, hatte Kelly ihr versichert. »Es ist Ihr gutes Recht, auf der Fahrt nach Hause kurz einzunicken.« Kelly hatte die Anzeige ausgefüllt und sich die Aufzeichnungen der Sicherheitskameras vorgenommen. Als sie später den Anruf von der Pressestelle bekam, schien Cathy die offensichtliche Wahl für einen Beitrag über U-Bahn-Kriminalität. Kelly sah nach, ob sie in dem Artikel erwähnt wurde, und tatsächlich hatte man sie zitiert, sie allerdings als DC statt als PC angegeben – was einigen Leuten bei der Arbeit vermutlich sauer aufstieß.

»Cathy ist nur eine von Hunderten Pendlern und Touristen, die jedes Jahr Opfer von Taschendieben werden. Wir möchten die Fahrgäste bitten, besonders aufmerksam zu sein und Verdächtiges unverzüglich bei einem Beamten der British Transport Police zu melden.«

Sorgfältig schnitt Kelly den Artikel für Cathy aus und schickte ihr eine SMS, um sich nochmals für ihre Hilfe zu bedanken. Ihr Arbeitstelefon war in ihrem Schließfach auf dem Revier, doch sie hatte Cathy ihre Privatnummer für eventuelle Notfälle gegeben.

Kelly war noch halb in Berufskleidung – dunkelblauer Fleecepulli über einer weißen Bluse, aber ohne Krawatte und Schulterklappen. Nun bückte sie sich, um ihre Stiefel aufzuschnüren. Einige ihrer alten Schulfreunde trafen sich heute Abend und hatten gefragt, ob sie auch kommen wollte. Aber sie musste morgen um fünf raus, und an einem Freitagabend nüchtern durch die Pubs zu ziehen machte keinen Spaß. Toast, Netflix, Tee und Bett, dachte sie. Wenn das nicht fetzte.

Ihr Telefon klingelte, und ihre Stimmung hellte sich auf, als sie den Namen ihrer Schwester auf dem Display las.

»Hey, wie geht es dir? Wir haben ja ewig nichts voneinander gehört!«

»Tut mir leid. Du weißt ja, wie es ist. Hör mal, ich habe das ideale Weihnachtsgeschenk für Mum gefunden, aber das kostet ein bisschen mehr, als wir sonst ausgeben. Willst du dich beteiligen?«

»Sicher. Was ist es?« Kelly streifte erst einen, dann den anderen Stiefel ab und hörte nur halb hin, als ihre Zwillingsschwester ihr die Vase beschrieb, die sie auf einem Kunsthandwerkmarkt entdeckt hatte. Es war erst Mitte November, also noch Wochen hin bis Weihnachten. Kelly vermutete, dass sie das Shopping-Gen nicht geerbt hatte, denn sie schob die Weihnachtseinkäufe immer bis zur letzten Minute auf und genoss insgeheim die fiebrige Hektik, die an Heiligabend im Einkaufszentrum herrschte, wenn abgehetzte Männer in Panik überteuerte Düfte und Dessous kauften.

»Wie geht es den Jungs?«, unterbrach sie, als offensichtlich wurde, dass Lexi im Begriff stand, auch gleich Geschenke für den Rest der Familie vorzuschlagen.

»Denen geht es prima. Na ja, sie sind schon mal anstrengend, klar, aber super. Alfie kommt bestens in der Schule zurecht, und Fergus scheint sich in der Kindertagesstätte sauwohl zu fühlen, so wie seine Klamotten nachmittags immer aussehen.«

Kelly lachte. »Sie fehlen mir.« Lexi und ihr Mann Stuart lebten in St. Albans, und doch sah Kelly sie nicht annähernd so oft, wie sie gerne würde.

»Dann komm vorbei!«

»Mach ich, versprochen, sobald ich freihabe. Ich sehe auf dem Dienstplan nach und schicke dir die Daten. Vielleicht irgendwann an einem Sonntagmittag?« Lexis Zeitmanagement war legendär. »Ich glaube, ich habe Anfang Dezember einige Tage hintereinander frei, falls es euch nichts ausmacht, dass ich auf eurem Sofa schlafe.«

»Klasse! Die Jungs freuen sich riesig, wenn du über Nacht bleibst. Allerdings geht es am dritten nicht – da muss ich zu einem Jahrgangstreffen.«

Das kaum merkliche Zögern und Lexis betont lässiger Tonfall verrieten Kelly, um was für ein Treffen es sich genau handelte und wo es stattfinden würde.

»Ein Jahrgangstreffen in Durham?«

Am anderen Ende war es still, und Kelly stellte sich vor, wie ihre Schwester nickte und ein wenig das Kinn vorschob, wie sie es immer tat, wenn sie mit einer Diskussion rechnete.

»Erstsemester 2005«, sagte Lexi heiter. »Ich bezweifle zwar, dass ich auch nur die Hälfte wiedererkenne, aber ich habe immer noch Kontakt zu Abbie und Dan, und ich treffe mich ab und zu mit Moshy. Man fasst es nicht, dass das schon zehn Jahre her ist! Mir kommt es vor wie zehn Minuten. Obwohl …«

»Lexi!«

Ihre Schwester verstummte, und Kelly versuchte, die richtigen Worte zu finden.

»Meinst du wirklich, dass das eine gute Idee ist? Wird da nicht …« Sie kniff die Augen zu und wünschte, sie müsste dieses Gespräch nicht am Telefon führen. »Wird da nicht alles wieder hochkommen?« Sie rückte nach vorn auf die Sesselkante und wartete, dass ihre Schwester etwas sagte. Dabei berührte sie das halbe Herz an der Silberkette um ihren Hals und fragte sich, ob Lexi ihres noch trug. Sie hatten die Ketten in dem Herbst gekauft, bevor sie beide an die Uni gingen, Kelly in Brighton, Lexi in Durham. Es war das erste Mal seit ihrer Geburt, dass sie beide länger als eine oder zwei Nächte getrennt sein würden.

Als Lexi schließlich antwortete, hatte sie wieder diesen beherrschten Tonfall, den sie in solchen Fällen stets benutzte: »Da ist nichts, was wieder hochkommt, Kelly. Was passiert ist, ist passiert. Ich kann es nicht ändern, aber es muss mich nicht bestimmen.« Lexi war von jeher die Ruhige, Sensible gewesen. Theoretisch waren sie als eineiige Zwillinge identisch, aber andere hatten sie immer mühelos auseinandergehalten. Sie hatten das gleiche etwas kantige Kinn, die gleiche schmale Nase und die gleichen braunen Augen, aber während Lexi ausnahmslos entspannt und umgänglich wirkte, war Kelly gestresst und reizbar. Als Kinder hatten sie oft versucht, die Plätze zu tauschen, doch keiner, der sie kannte, war je darauf hereingefallen.

»Warum sollte ich nicht die guten Zeiten an der Uni feiern?«, fragte Lexi. »Warum sollte ich nicht mit meinen Freunden über den Campus spazieren und mich an die gemeinsamen Abende, die Vorlesungen und unsere albernen Streiche erinnern?«

»Aber …«

»Nein, Kelly. Wäre ich danach weggegangen, hätte die Uni gewechselt, wie du und Mum es wolltet, hätte er gewonnen. Und wenn ich nicht zu dem Treffen fahre, weil ich mich vor Erinnerungen fürchte, wird er wieder gewinnen.«

Kelly bemerkte, dass sie zitterte. Sie stellte die Füße flach auf, beugte sich vor und drückte den freien Unterarm auf ihre Knie, um sie stillzuhalten. »Ich finde, du bist verrückt. An deiner Stelle würde ich einen Riesenbogen um den Campus machen.«

»Tja, aber du bist nicht ich, oder?« Lexi atmete energisch aus, was ihre Verärgerung kaum vertuschte. »Man könnte fast denken, dass du es warst, der das passiert ist, nicht ich.«

Kelly sagte nichts. Wie sollte sie ihrer Schwester erklären, dass es sich genau so angefühlt hatte, ohne damit anzudeuten, dass ihr Trauma irgendwie genauso schwer wog wie Lexis? Sie erinnerte sich an den Kurs bei einem Arbeitsmediziner an der Polizeihochschule. Dort hatten sie eine Massenkarambolage auf der M25 als Fallstudie analysiert; Dutzende Verletzte, sechs Tote. Wer litt hinterher an posttraumatischer Belastungsstörung, wollte der Kursleiter wissen. Die Autobahnpolizisten, die als Erste vor Ort waren? Der Verkehrspolizist, der die Mutter von zwei toten Kindern informieren musste? Der Lkw-Fahrer, dessen kurze Unkonzentriertheit die Tragödie verursacht hatte?

Keiner von ihnen.

Es war der Police Officer außer Dienst, dessen täglicher Lauf ihn über die Autobahnbrücke führte. Er war Zeuge des Geschehens, meldete es und gab wesentliche Informationen zur Einsatzzentrale durch, konnte jedoch letztlich nichts gegen die Katastrophe tun, die sich unter ihm abspielte. Er war es, der eine PBS entwickelte. Der sich vorwarf, nicht mehr getan zu haben. Der letztlich krankheitsbedingt in den vorzeitigen Ruhestand gehen musste; der sich vollkommen zurückzog. Der unbeteiligte Zuschauer.

»Entschuldige«, sagte Kelly und hörte Lexi seufzen.

»Ist schon okay.«

War es nicht, und das wussten sie beide, aber keiner von ihnen wollte einen Streit. Wenn sie sich das nächste Mal sprachen, würde Lexi über die Planung für Weihnachten reden und Kelly sagen, wie klasse die Arbeit war. Jede von ihnen würde so tun, als sei alles in Ordnung.

Genau wie sie es seit zehn Jahren hielten.

»Was macht die Arbeit?«, fragte Lexi, als hätte sie Kellys Gedanken gelesen.

»Es läuft ganz gut. Wie immer eigentlich.« Sie bemühte sich, zufrieden zu klingen, doch Lexi konnte sie nichts vormachen.

»Ach, Kel, du brauchst eine neue Herausforderung. Hast du nochmal daran gedacht, dich für eine Spezialeinheit zu bewerben? Die können dir die alte Geschichte doch nicht ewig nachtragen.«

Da war Kelly weniger sicher. Ihr Fortgang von der Einheit für sexuelle Belästigung bei der British Transport Police vor vier Jahren war abrupt und unschön gewesen. Sie war neun Monate lang krankgeschrieben gewesen, und als sie zurückkam, hieß es, sie würde einen Neustart bekommen, doch de facto war es eine Strafversetzung. Sie hatte sich mit Feuereifer in den Schichtdienst gestürzt und war schnell zu einer der angesehensten Beamten des Neighbourhood Policing Teams geworden, der Inbegriff der »bürgernahen Beamtin«. Sie hatte sich eingeredet, dass sie durch und durch Uniformierte sei, während sie sich in Wahrheit danach gesehnt hatte, wieder ernsthaft ermitteln zu dürfen.

»Die Verhaftung, mit der du gerade in der Zeitung stehst, muss doch etwas bringen«, beharrte Lexi. »Jetzt müssen deine Vorgesetzten doch erkennen, dass du nicht mehr …« Sie verstummte, weil sie offenbar unsicher war, wie sie die Zeit nennen sollte, in der Kelly krankgeschrieben gewesen war, weil sie schon bei dem Gedanken, die Wohnung verlassen zu müssen, Schweißausbrüche bekam.

»Mir geht es gut, da, wo ich bin«, sagte Kelly knapp. »Ich muss Schluss machen. Es ist jemand an der Tür.«

»Okay, aber komm uns bald besuchen, ja? Versprochen?«

»Versprochen. Bis bald.«

»Ja, bis bald.«

Kelly beendete das Gespräch und seufzte. Sie hatte ihre dreimonatige Versetzung zur Dip Squad so genossen – der Einheit, die auf die riesige Zahl an Taschendieben in der Londoner U-Bahn spezialisiert war. Dabei ging es ihr nicht um die Vorzüge, zivil zu ermitteln – auch wenn es nach vier Jahren in Uniform schon eine willkommene Abwechslung war –, sondern vielmehr um das Gefühl, tatsächlich etwas zu bewirken; die Verbrechenswelle einzudämmen, die so viele Menschen in der Stadt betraf. Seit Kelly in dem Job war, waren immer mehr Spezialeinheiten eingerichtet worden. Alle ernsten Verbrechen wurden inzwischen von diesen Squads bearbeitet, womit den Neighbourhood Policing Teams kaum mehr blieb, als Ordnungswidrigkeiten und asoziales Verhalten zu ahnden. Kelly war seit einer Woche wieder in Uniform, und abgesehen von Carl Bayliss hatte sie es ausschließlich mit Jugendlichen zu tun gehabt, die ihre Füße auf die U-Bahn-Sitze legten, und den üblichen Betrunkenen an den Wochenenden, die lauthals fluchend durch die Absperrungen stürmten. War sie bereit, wieder zu einer Spezialeinheit zu gehen? Sie glaubte schon, doch als sie ihren Inspector darauf angesprochen hatte, war dessen Antwort kurz und bündig ausgefallen.

»In diesem Job vergessen die Leute nicht so schnell, Kelly. Sie gelten als ein zu hohes Risiko.« Die Versetzung zur Dip Squad war eine Art Trostpreis gewesen, ein Schritt aufwärts vom Schichtdienst, aber mit geringem Risiko, sich emotional hineinzusteigern. Der Inspector hatte ihr einen Gefallen tun wollen, doch letztlich hatte es Kelly nur an alles erinnert, was ihr fehlte.

Lexi hatte recht; sie musste vorankommen.