39
Sobald ich festen Boden unter den Füßen spürte, schüttelte ich Thomas’ Hand ab.
»Das ist der Times Square«, sagte Thomas. »Wie findest du ihn?«
Ich war von den Gebäuden umgeben, die ich so gut kannte, doch sie waren in gedämpften, erdigen Farbtönen gestrichen, welche die Sonnenstrahlen perfekt reflektierten.
Und in dieser New-York-Version waren überall Menschen. Ihre Kleidung passte zu den Erdtönen der Gebäude. Eine Frau ging an uns vorbei, lächelte und grüßte uns. Ich schaute auf den Boden. Er bestand aus grünlich-braunen Backsteinen, die sich nach überall hin erstreckten, ohne dass es Abgrenzungen zwischen Bürgersteig und Straße gab.
»Wo sind denn die ganzen Autos?«, fragte ich.
»Es gibt keine. Nur Teleportationsgeräte für die Überwindung größerer Entfernungen«, erläuterte Thomas. »Achte auch auf die Luft. Sie ist perfekt – immer sauber, nie zu warm oder zu kalt.«
Nicht zu vergleichen mit der Luft in dem zerstörten New York, in das Emily mich mitgenommen hatte. Da hätte ich keinen Tag überlebt. Was wollte sie mir damit nur sagen? »Einige Leute versuchen, das hier zu verhindern, und andere wollen unbedingt erreichen, dass es passiert.«
»Bist du von hier?«, fragte ich Thomas.
»Solltest du nicht besser fragen, aus welcher Zeit ich bin?« Thomas lachte. »Das ist das Tolle daran, einer von uns zu sein. Man kann überall zu Hause sein, und in jeder Zeit. Warum also nicht eine Welt aussuchen, die dir am logischsten erscheint?«
Gut, offenbar will er mir nicht sagen, in welchem Jahr er geboren wurde. Hatte ich auch nicht erwartet.
Hinter mir spielten Kinder auf einem Spielplatz. Jedenfalls nahm ich an, dass es sich um einen Spielplatz handelte. Aber sie waren praktisch lautlos. Kein Vergleich mit den Kindern, die ich bei den Ferienspielen erlebt hatte. Anscheinend waren alle Geräte verstellbar oder elektronisch. Zwischen zwei Pfeilern hing ein schaukelnder Schwebebalken, und die Kinder balancierten darüber, während er schwankte.
Eine niedrige Kletterwand rollte langsam von oben nach unten ab, so dass die Kinder auf der Stelle kletterten. Sie alle bewegten sich wie kleine Spider-Men, die Wolkenkratzer erklommen.
»Alles solarbetrieben«, kommentierte Thomas mit Blick auf den Spielplatz. »Hier in der Zukunft machen wir nichts, was der Erde schadet.«
Doch irgendjemand fügte der Erde in der Zukunft Schaden zu. Oder zumindest New York. Ich hatte es mit eigenen Augen gesehen. Oder war das vielleicht schon geschehen, und sie hatten es wieder in Ordnung gebracht? Oder … war das hier bloß eine andere Zeitleiste?
Thomas ging auf eins der Gebäude zu; ich folgte ihm.
»Wir haben die Lebensqualität viel weiter verbessert, als irgendwer es sich hätte vorstellen können. Dank uns ist die Fettleibigkeit beseitigt, die Vitamine zur Nahrungsergänzung sind verbessert, und die Gehirnfunktion ist verstärkt.«
Vitamine, die jedem übermenschliche Kraft verliehen? Das würde die verblüffenden Spider-Kinder erklären. »Wann passiert das?«
Oder noch wichtiger: Welche drastischen Maßnahmen waren nötig, um diesen Erfolg zu erzielen?
»Das darf ich dir nicht sagen.« Er sprach in einem förmlichen, aber entspannten Tonfall, so als würde er mich während der Vier-Uhr-Besichtigung durch die perfekte Zukunft führen.
Ich sah mich weiter um, und es war wirklich schön. Nirgendwo lag Müll, nichts war unordentlich. Die Farbpalette war genial, so als würden Stadt und Land ineinander übergehen. Alles war unglaublich perfekt – und genau deshalb traute ich der Sache nicht. Es gab einen Grund, weshalb Emily mir die andere Zukunft gezeigt hatte. Ich brauchte Datumsangaben, und zwar für beide Welten.
»Die Zeit ist um.« Thomas griff nach meinem Arm und zog mich zurück.