5
Der dichte schwarze Rauch stieg eine halbe Meile in den Nachmittagshimmel hinauf, dann verwischte er sich, als wäre er vom Daumen eines Riesen verrieben worden. Danny, Wulf und Topper hatten fast eine Stunde gebraucht, um den Aussichtspunkt über der Basis hoch oben auf einem Felsgrat zu erreichen. Dann brauchten sie keine zehn Sekunden, um zu erkennen, dass sie in Fort Irwin keine Zuflucht finden würden.
»Die Basis brennt«, sagte Danny zur Gruppe, die sich um sie herum versammelt hatte.
»Unsere sichere Zuflucht steht in Flammen?«, fragte Patrick entsetzt.
»Lichterloh«, sagte Wulf und spuckte auf den Boden. Topper war der Letzte, der vom Hügel herunterkam. »Das Munitionslager flog in die Luft, während wir zugesehen haben. Mit einem Riesenfeuerwerk.«
»Vielleicht kommen Soldaten, um das Feuer zu löschen«, sagte Amy hoffnungsvoll.
In Dannys Kopf machte es Klick. Sie hatte eine Idee. Ihr fehlte nur noch ein Name.
Danny rieb sich die Schläfen und spürte, wie sich unter ihren Händen spröde Haarreste lösten. Langsam dämmerte ihr, dass sie die Sache völlig falsch angegangen war. Sie hatte verzweifelt nach dem Mustang gesucht, weil sie dann vielleicht auch Kelley finden würde. Vielleicht – genauso gut könnte sie im nächsten Supermarkt vielleicht einem riesigen Gorilla begegnen. Aber sie hatte die ganze Zeit diesen Haufen aus Unzufriedenen und Schwachköpfen mit sich herumgeschleppt, die schon unruhig wurden, wenn sie mal für zehn Minuten weg war. Die Angelegenheit war so unhandlich geworden, dass Kelley inzwischen das halbe Land durchquert haben könnte, während Danny es noch nicht einmal bis zur Grenze von Nevada geschafft hatte.
Die Sorge um Kelley beherrschte Dannys Gedanken Tag und Nacht und trieb sie immer tiefer in den Wahnsinn. Sie spürte die Vorwürfe in der verbitterten Nachricht jedes Mal, wenn ihr der Name ihrer Schwester durch den Kopf ging. Aber es gab nur wenige Hinweise: Kelley hatte zum Beispiel geschrieben, dass sie vielleicht ans College gehen würde. Kelley verhielt sich nach Dannys Erfahrung sehr vorhersehbar. Sie war überhaupt nicht abenteuerlustig. Sie war noch nicht viel herumgekommen. Es klang nicht danach, dass Kelley ins Unbekannte vorstoßen wollte – sie wollte einfach nur weg. Das schränkte die Möglichkeiten auf etwa ein halbes Dutzend Orte ein, und die einzige große College-Stadt, die sie außerhalb von Los Angeles gesehen hatte, war San Francisco.
In diesem Mädchen musste viel Schmerz sein, den Danny nicht bemerkt hatte. Danny war so sehr in ihre eigenen Angelegenheiten verstrickt gewesen, dass sie ihre wichtigste Lebensaufgabe vernachlässigt hatte. Jetzt war Kelley irgendwo da draußen. Vielleicht war sie am Leben, vielleicht reanimiert, vielleicht lag sie aufgedunsen in der Sonne, in einem der Autowracks an der 15.
Jetzt war es Dannys wichtigste Aufgabe, diese Leute an einen sicheren Ort zu bringen – was sie schon die ganze Zeit gefordert hatten. Sie hatten völlig recht. Sie brauchten eine sichere Zuflucht mit Duschen, Betten und einem hohen starken Zaun.
Dann würde Danny wieder ein wenig Handlungsspielraum haben.
»Amy, erinnerst du dich an diese Hubschraubervorführung?« Danny hatte das Thema so abrupt gewechselt, dass Amy nicht mitkam.
»Was?«
»Bevor ich in den Irak ging. Man hatte den schweren Lasthubschrauber über die Berge hergebracht, um Brandbekämpfungsmethoden zu demonstrieren.«
»Ja. Und?«
»Weißt du noch, woher der Hubschrauber kam?«
»Keine Ahnung.«
Der Name schwirrte irgendwo in ihrem Hinterkopf herum. Sie musste auf der Karte nachsehen, aber es bestand die gute Chance, dass sie die Zuflucht noch vor Anbruch der Nacht erreichten. Danny stellte sich den riesigen Hubschrauber vor, dessen Bauch mit rotem Löschpulver gefüllt war, die weißen Buchstaben am Heck, das Emblem an der Seite und der Name des Standorts an der Cockpittür. Sie konnte die Aufschrift in ihrer Erinnerung entziffern.
»Boscombe Field.«
Danny fuhr wieder allein, und ihre trüben Gedanken drehten sich ständig im Kreis. Es war bereits nötig gewesen, ihren Flachmann aus der Flasche nachzufüllen, die im Kofferraum des Interceptor lag. In dieser Luft bekam man einfach keinen anständigen Rausch. Es war nicht die Hitze, sondern die Trockenheit. Sie fuhren jetzt auf der alten 379, einer kurzen Strecke, die sie ins ödeste Ödland einer öden Landschaft führte. Dann zeigte die Straße ein wenig Mitleid und kehrte in den Schatten einer Bergkette der Panamint Range zurück, die schließlich im Telescope Peak gipfelte, dem höchsten Punkt im Death Valley. Der Berg war bereits in der Ferne sichtbar und erhob sich knapp 3500 Meter über ihre derzeitige Position. Der Konvoi rollte an mehreren Unfallschauplätzen vorbei. Ein Sattelzug lag umgekippt neben einer Felsgruppe. Ein Motorrad samt Fahrer hatte sich in einer Spur aus Chromteilen entlang einer Kurve verstreut. Der Kopf des Fahrers fehlte. Topper und Ernie hielten an, um nachzusehen, ob es jemand war, den sie kannten.
An einer Stelle, die nur noch zwei Meilen von ihrem Ziel entfernt war, zwischen zwei Sandsteinhängen, wo das Sonnenlicht so grell reflektiert wurde, dass die Augen schmerzten, stand ein Highway-Streifenwagen. Es war ein Chevy Impala in der 9C1-Polizeiausführung. Danny hatte noch nie die Gelegenheit gehabt, ein solches Modell zu fahren. Der Wagen parkte am Straßenrand, und die Fahrertür war offen. Einige Meter davor stand ein grüner Buick Century. Auch hier war die Fahrertür geöffnet, ebenso wie die Motorhaube. Danny rollte langsam vorbei. Der Streifenwagen war leer. Sie funkte das Wohnmobil an und befahl ihm, kurz anzuhalten, bis sie sich die Sache angesehen hatte. Ein Kojote schlich sich durch die Felsbrocken davon – in letzter Zeit sah man sie überall.
Danny stieg aus, die Flinte in der Hand, und lief mitten auf der Straße. Das hatte sie sich im Irak angewöhnt, weil irgendwelche Sprengsätze meistens am Standstreifen vergraben waren. Außerdem war es eine gute Strategie, um möglichst viel Platz zwischen sich und den Felsen auf beiden Seiten zu haben, wo irgendetwas lauern konnte. Unwillkürlich blickte sie zu den Felsgipfeln auf und hielt nach Heckenschützen Ausschau, was völlig absurd war. Sie musste dringend ihre Gewohnheiten ändern. Charlie surft nicht. Zombies schießen nicht.
Etwas kauerte vor dem Buick.
Danny ging um das Fahrzeug herum und hielt ausreichend Sicherheitsabstand. Auf dem Boden lag ein Handy und daneben ein staubiger Polizeihut, ähnlich wie der, den Danny verloren hatte. Über den Kühlergrill gebeugt lag der Highway-Streifenpolizist. Seine Leiche war aufgequollen und bereits in Verwesung übergegangen. Sein Hinterkopf war mit einem Stein eingeschlagen worden, der nun im offenen Motorraum lag. An der Unterseite der Motorhaube waren Blutspritzer zu erkennen. Doch der Mörder dieses Mannes hatte sein Fahrzeug stehen gelassen, was seltsam war. Was war das Motiv? Danny war entrüstet über dieses niederträchtige Verbrechen und analysierte gleichzeitig die Hinweise. Sie wollte dem Übeltäter mit demselben Stein den Schädel einschlagen. Außerdem wollte sie wissen, warum es dazu gekommen war.
Sie warf einen Blick in den Buick und erfuhr einen Teil der Antwort. Auf dem Rücksitz lag ein Zombie auf dem Rücken und starrte sie an. Das Wesen war an Händen und Füßen gefesselt. Es war noch aktiv, aber es schien sich in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls zu befinden, obwohl es kaum länger als drei oder vier Tage tot sein konnte. Dann erkannte Danny, dass es eine ältere Frau mit wirrem, silbergrauem Haar und runzligen dünnen Gliedmaßen war. Es konnte die Augen nicht mehr bewegen, um Danny zu verfolgen, sondern musste den ganzen Kopf drehen. Und als Danny hinten um den Wagen herumging, rappelte sich der Zombie auf und beobachtete sie durch die Heckscheibe, das Kinn gegen die Lehne des Rücksitzes gedrückt.
Danny hörte schlurfende Schritte. Hinter einer zerfurchten Felsgruppe kam ein untoter Mann hervor. Eine Hand war mit Stoffstreifen umwickelt. Der Verband war ihm angelegt worden, als er noch gelebt hatte, denn die Blutflecken im Stoff waren rot und nicht schwarz. Im Schritt seiner Khaki-Hose und unter den Armen waren große ölige Flecken zu erkennen. Jetzt glaubte Danny zu wissen, was geschehen war: Dieser Mann war von der älteren Frau auf dem Rücksitz gebissen worden.
Er hatte sie gefesselt und war losgefahren, als der Buick schließlich hier liegen geblieben war. Das Handy deutete darauf hin, dass er die Polizei angerufen hatte, als die Netze noch funktionierten. Vielleicht hatte er aber auch keine Verbindung erhalten, und der Polizist war zufällig vorbeigekommen. Aus irgendeinem Grund war er paranoid geworden, oder der Polizist hatte irgendwas gesagt, was ihm nicht passte – wobei es wahrscheinlich um die Frau gegangen war, wie Danny vermutete. Daraufhin hatte er dem Polizisten den Schädel zertrümmert, während er den Motor inspiziert hatte. Doch dann war der Mann an der Infektion gestorben, bevor er in den Streifenwagen steigen konnte.
Danny war wütend. Sie fühlte sich fast den ganzen Tag lang verkatert. Ihre Haut war blasig und wund, und sie stank. Sie verfluchte den Albtraum, in dem sie sich befand.
Der Zombie schlurfte auf sie zu. Das Wohnmobil stand hinter einer Kurve, und niemand beobachtete sie. Danny dachte an die Schrotflinte, doch dann hob sie stattdessen den Stein auf.
Sie ging ein gewisses Risiko ein, wenn sie näher heranging. Der Zombie sonderte unter den Achseln, im Schritt und aus dem Mund eine übelriechende Flüssigkeit ab, als würde er sich in der Hitze langsam auflösen. Die Augen waren trübe, aber das Wesen wusste genau, wo Danny war. Konnte es sie mit dem aufgerissenen Mund schmecken? Oder sie riechen?
Wie auch immer. Danny führte einen kräftigen Hieb mit dem Stein gegen die Schläfe, und als das Wesen zusammenbrach, warf sie den Stein mit beiden Händen. Sie dachte an ihre Deputys, die gestorben waren, weil Danny sie gebraucht hatte, und sie wünschte sich, es gäbe so etwas wie eine automatische Gerechtigkeit in der Welt. Aber die gab es nicht. Man musste selber für Gerechtigkeit sorgen, und es war sehr leicht, dabei etwas falsch zu machen.
Dann ging Danny zum Buick, hob den Hut des getöteten Polizisten auf, zog die Beretta aus dem Holster an seinem Gürtel und kehrte zum Interceptor zurück. Sie salutierte dem Toten mit ihrem Flachmann und nahm einen langen, brennenden Zug. Dann trank sie einen abgestandenen Schluck aus der Wasserflasche, gab dem Rest des Konvois über Funk Entwarnung und fuhr weiter.
Der Konvoi hielt vor dem Tor von Boscombe Field. Die Sonne ging soeben unter. Sie hatten die 137 verlassen und waren auf eine noch kleinere Straße abgebogen, die sich Ore Creek Highway nannte. Sie verlief am Rand des Death Valley in mehreren schnurgeraden Abschnitten, die durch weite Kurven miteinander verbunden waren, entlang der alten Siedlerroute. Jetzt befanden sie sich mindestens dreißig Meter unter dem Meeresspiegel. Dunkle Felsen, die etwa zwei Millionen Jahre alt waren, umschlossen eine Mondlandschaft aus erodiertem Gestein und Sand. Bucklige gelbe Hügel erhoben sich hier und dort aus der Ebene. Die Landschaft wirkte uralt und lebensfeindlich. Dennoch gab es hier Josuabäume und goldenes Gras und knorrige Kreosotbüsche – Überlebenskünstler, die halb im Schotterboden begraben waren.
Der Ore Creek Highway führte durch mehrere flache Flussbetten, die auf der Landkarte wie verzweigte Blitze aussahen. Die Straße war von braunen Sandsteinhügeln umgeben, die sich abgenutzt hatten, bis sie wie riesige Backenzähne aussahen. Hinter den Hügeln erhoben sich niedrige Berge, die mit Rostflecken überzogen waren, und dahinter kamen die fernen blauen Steilhänge. Die Straße war in einem schlechten Zustand, nachdem man sie den gelegentlichen Prospektoren, Exzentrikern und Parkaufsehern überlassen hatte, für die die Schlaglöcher eine nebensächliche Unannehmlichkeit waren.
Auf Dannys Karte war auch das eingezeichnet, wonach sie gesucht hatte: Boscombe Field, markiert durch ein kleines Flugzeugsymbol, genau am Rand des Tals an einem Ort namens Shoshone Springs. Hier gab es keine Stadt, sondern nur den Flugplatz. Die nächsten nennenswerten Ansiedlungen waren Lone Pine im Westen und Pahrump im Osten. Es gab ein paar winzige Dörfer an der 190, die quer durch das Death Valley verlief, aber die Bevölkerung war minimal, und Danny glaubte nicht, dass die Zombies in der Wüstenhitze so weit kommen würden. Sofern sich nicht schon viele andere Menschen in Boscombe Field eingefunden hatten, wäre es das ideale Refugium, um die nächsten paar Wochen abzuwarten, was sich in der übrigen Welt tat.
Danny fuhr als Erste heran, gemäß der Strategie, auf die sie sich geeinigt hatten. Die anderen Fahrzeuge warteten eine Viertelmeile hinter ihr auf der Straße. Danny trug den Hut des getöteten Polizisten und seine Pistole, als sie aus dem Wagen stieg.
Der Flugplatz lag mitten auf einer sanft geneigten Schotterebene, die abrupt vor einer gezähnten Steilwand aus dunklem Dolomit endete. Die gesamte Anlage war von einem vier Meter hohen Maschendrahtzaun umgeben, der durch Stacheldrahtrollen verstärkt wurde. Die Fläche schien mehrere Quadratmeilen groß zu sein. Der gesamte vordere Bereich war gepflastert, und es gab eine einzelne befestigte Rollbahn, die quer durch die Ebene schnitt. Mehrere Hubschrauberlandeplätze waren auf dem Asphalt markiert, und auf einem stand der große rote Sikorski S-61 Sea King, an den sich Danny erinnern konnte. Die fünf hängenden Rotorblätter erweckten den Eindruck, die Maschine würde schlafen. Hinter dem Hubschrauber wurde das Gelände von zwei großen Wellblechhangars dominiert. Ein Cessna-Hochdecker für Erkundungsflüge stand vor dem hinteren Hangar, und noch weiter hinten waren zwei zivile Flugzeuge zu erkennen. Fünf große Metalltanks waren vor dem Zaun auf der gegenüberliegenden Seite aufgereiht.
Hinter der Rollbahn erhob sich ein niedriger Tower. Nicht weit vom Haupttor, in derselben Richtung wie die Rollbahn, gab es ein Terminalgebäude, wie das Holzschild über dem Eingang verkündete. Es war ein niedriger Bau im Ranch-Stil mit großen breiten Fenstern und einer zweistöckigen Erweiterung am einen Ende. Verschiedene Schuppen und Außengebäude vervollständigten die Infrastruktur. Danny wusste, dass es hier Generatoren und eine Werkstatt gab. Da sich hier das Depot für die Feuerbekämpfung im Death Valley befand, waren vielleicht auch medizinische Notfalleinrichtungen vorhanden. Und wahrscheinlich gab es auch Duschen.
Niemand hielt sich hier auf. Nach einigen Versuchen, jemanden über Funk anzusprechen, und einer Durchsage über den Lautsprecher des Interceptor, benutzte Danny den Bolzenschneider aus dem Kofferraum des Streifenwagens, um die Kette zu knacken, mit der das Tor gesichert war. Dann fuhr sie durch das Tor über ein gusseisernes Viehgitter auf den Parkplatz vor dem Terminal. Am Himmel waren keine Krähen. Nur zwei Falken kreisten eine Meile entfernt in großer Höhe. Danny hatte keine Zombies gesehen und keine Anzeichen bemerkt, dass die Straße kürzlich befahren worden war. Diese abgelegene Gegend schien völlig menschenleer zu sein.
Sie fuhr um alle größeren Gebäude von Boscombe Field herum, dann die Rollbahn entlang und hielt Ausschau nach Anzeichen für Untote. In den letzten Tagen hatten sie gelegentlich welche in der Ferne gesehen, winzige Apostrophe in der leeren Wüste. Wie sie dort hingelangt und wohin sie unterwegs waren, ließ sich unmöglich erraten. Danny wusste nur, dass auf jeden stehenden Zombie, den sie sah, zehn liegende kommen konnten, die nicht zu sehen waren. Hier auf dem Flugplatz schien es keine zu geben. Schließlich meldete sie sich über Funk.
»Bitte melden, Weißer Wal und Heringe. Es könnte hier vielleicht ein paar Zombies geben, aber ich habe keine gesehen. Schließt das Tor hinter euch. Wenn dieses Gelände wirklich sauber ist, wollen wir dafür sorgen, dass es so bleibt.«
Im vorderen Hangar nicht weit vom Tor stand eine kleine Sammlung von Fahrzeugen: ein Tanklastwagen, mit dem sich chemische Löschmittel verspritzen ließen, ein Flugzeugschlepper, dessen Räder so groß wie das ganze Gefährt waren, ein kleiner Lieferwagen, eine ältere Limousine, ein paar Golfmobile und ein tragbarer Generator. Ganz hinten kam unter einer Plane ein tadelloser 1957er Thunderbird mit originaler blauer Lackierung zum Vorschein.
Wulf kam aus dem zweiten Hangar und zeigte den hochgereckten Daumen, als Topper gleichzeitig den Generator in einem großen Schuppen zwischen den beiden Hangars zum Laufen brachte. Danny trat aus dem Kontrollturm und hielt ebenfalls den Daumen hoch. Das Terminalgebäude hatten sie bereits durchsucht. Dort befanden sich jetzt die meisten der Überlebenden. Patrick war noch nicht zu ihnen gestoßen. Er reinigte wieder einmal den Weißen Wal.
»Topper, lass uns gemeinsam den Zaun checken«, rief Danny.
Topper salutierte lässig und machte sich auf den Weg zur Begrenzung des Flugplatzgeländes. Er stellte sich Danny gegenüber auf, gefolgt von Ernie. Wulf schlurfte zum Wohnmobil, eine Hand hinten in seiner Hose, um sich zu kratzen. Danny lief den Zaun entlang, Topper blieb auf der anderen Seite auf gleicher Höhe mit ihr. Alle Mitglieder des kleinen Trupps waren mit Walkie-Talkies ausgerüstet, die Troy im ersten Hangar gefunden hatte, wo sie ordentlich an Haken über einer Werkbank mit Ladestation hingen.
Die asphaltierte Rollbahn war etwa tausend Meter lang, und bevor sie auch nur ein Viertel der Strecke zurückgelegt hatten, spürte Danny, wie sich die Sonne durch die Risse in ihrem T-Shirt brannte. Sie war froh, dass sie den Hut hatte. Sie alle brauchten neue Kleidung, vielleicht mit Ausnahme von Wulf. Für ihn waren vier oder fünf Tage in derselben Unterwäsche gerade erst der Anfang. Falls er überhaupt Unterwäsche trug, sinnierte Danny. Die Wüste hinter dem Zaun waberte in der Hitze, und der Horizont verlor sich in salzigem Dunst. Danny erkannte die Fata Morgana einer glitzernden Wasserfläche auf dem ebenen Wüstenboden.
»Ich hab hier zwei, Sheriff«, meldete Topper über das Walkie-Talkie, als sie die Rollbahn etwa zur Hälfte kontrolliert hatten. »Ich mach sie fertig.«
»Nein«, erwiderte Danny. »Wartet auf mich.«
Sie lief über den Asphalt zu der Stelle, wo sich Ernie und Topper gegen den Maschendraht lehnten und zwei Untote beobachteten, die über die Schotterfläche rund um den Zaun auf sie zugewankt kamen. Topper hielt die Automatik seines gestorbenen Freundes Mike in der Hand, aber gemäß Dannys Wunsch verzichtete er auf den Gnadenschuss. Danny stellte erfreut fest, dass die Biker ihre Befehle zu respektieren schienen. Seit Agua Rojo hatte sie versucht, sich von ihrer besten Seite zu zeigen, und nachdem sie selber ein paarmal die gefährlichsten Aufgaben übernommen hatte, setzten alle anderen offenbar wieder großes Vertrauen in sie.
Danny hakte die Finger in den Maschendraht und betrachtete die Untoten. Der eine war ein kleines lateinamerikanisches Mädchen in rosafarbenem Prinzessinnenkleid. Ihr fehlte der rechte Arm. An der Schulter hing nur noch ein ellbogenlanger Hautstreifen. Der zweite war ein korpulenter Mann in Boxershorts und Muskelshirt. Seine bloßen Füße waren zerfetzt. Danny konnte sich nicht vorstellen, wie die Zombies hierhergelangt waren. Vielleicht waren sie von einem der mit Leichen beladenen Laster gefallen. Vielleicht hatten sie die halbe Wüste zu Fuß durchquert. Danny konnte es nicht sagen. Sie sah sich das kleine Mädchen an. Es trug abgewetzte schwarze Lackschuhe mit Schnallen. Kelley hatte immer solche Schuhe haben wollen, als sie klein gewesen war, hatte sich aber mit Billigmarken-Laufschuhen von Wal-Mart begnügen müssen.
»Wir sollten sie erledigen«, sagte Topper. Offensichtlich machte die wandelnde Kinderleiche ihn nervös.
»Nein«, sagte Danny.
»Ist das wieder eine deiner Regeln oder ein Gesetz?«, fragte Topper und drehte sich zu Danny um.
Vielleicht hatte sie die Männer doch nicht so gut im Griff, wie sie dachte.
»Wir wollen sie beobachten. Um zu erkennen, wie es um ihre Fähigkeiten zur Problemlösung steht. Außerdem würden sie uns auf Lücken im Zaun aufmerksam machen.«
Ernie nickte eifrig. »Sie ist gut, Topper. Du solltest sie zu einem Rendezvous einladen.«
Topper reichte Ernie die Waffe. »Du hältst Wache, Häuptling Cochise.«
Trotz des Namens war das Terminalgebäude eher eine Schlafbaracke als eine Durchgangsstation und ähnlich wie eine Feuerwache eingerichtet. Es gab eine Gemeinschaftsküche sowie einen Speisesaal und einen Aufenthaltsraum, beide mit Zugang zu einem großen Foyer direkt hinter dem Vordereingang. Die großen Bäder waren mit mehreren Duschkabinen und breiten Spiegeln über einem halben Dutzend Waschbecken ausgestattet. Das eine Bad trug die Bezeichnung »Piloten«, das andere hieß »Pilotinnen«, und der männliche Bereich war doppelt so groß wie der weibliche – entsprechend den demographischen Verhältnissen in der überwiegend männlichen Welt des Luftfahrtwesens. Im oberen Geschoss befand sich ein langer, zweigeteilter Schlafsaal mit zwanzig Pritschen und nebenan drei kleinen Privatzimmern mit jeweils zwei Einzelbetten. Diese Räume standen normalerweise völlig leer, aber wenn es zu einem Großbrand kam, würde es hier von Piloten, Feuerwehrleuten und Bodenpersonal wimmeln.
Zwischen den Konservendosen, den Duschen und der Industriewaschmaschine kamen sich die Überlebenden vor, als wären sie im Himmel gelandet. Danny war jetzt nicht länger die sture, knallharte Polizistin. Jetzt war sie ihre Retterin.