3-D olé

Drei goldene Regeln habe ich, wenn es um die Auswahl eines Kinofilms geht.

Regel Nummer eins: Ich gehe in keine Filme, auf deren Plakat steht: «Der Überraschungserfolg aus Frankreich!» Man lernt ja dazu, und ich weiß mittlerweile, dass ich in diesem Leben kein Fan des französischen Kinos mehr werde. Nuschelnde Männer, die erst an einer Gitane und dann an den Haaren ihrer entfremdeten Frau ziehen, während sie sich gleichzeitig einen Petit Café kochen, die Jacques-Brel-CD einschalten und ihren Motorroller reparieren – das ist nicht das, was ich mir unter einem gelungenen Kinoabend vorstelle. Bei «Überraschungserfolgen aus Frankreich» überrascht mich eigentlich immer nur, dass diese Filme überhaupt irgendwo ein Erfolg waren. Besonders schlimm wird es, wenn dahinter noch steht: «3 Millionen Franzosen können nicht irren!» Meine Erfahrung hat gezeigt: Drei Millionen Franzosen können sehr wohl irren, und wie. Meine Fresse, können die irren! Warum sollen sie’s auch nicht können? Millionen Deutsche können schließlich auch irren, warum sonst hat der Silbereisen solche Quoten?

 

Regel Nummer zwei: Ich gehe in keine deutschen Filme mehr, die von irgendwelchen Kritikern als «wichtig» bezeichnet werden. «Ein wichtiger deutscher Film», das bedeutet eigentlich immer irgendwas mit RAF oder Nazis oder Nazis in der RAF. Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber ich denke eher selten: «Mensch, ich glaube, ich gehe ins Kino, denn ich hab grade unbändige Lust, mir die Laune zu versauen.»

 

Regel Nummer 3: Ich schaue mir keine 3D-Filme mehr an.

Dieser Satz fällt mir besonders schwer, weil ich eigentlich für jeden neuen Quatsch zu haben bin. Neue Apps, sprechende Kugelschreiber, Prinzenrolle mit «neuer Rezeptur» – immer her damit! Ich habe mir sogar mal das «Null Null WC Frische Siegel» gekauft, einfach nur, weil es neu war. (Falls Sie das Frischesiegel noch nicht kennen: Das ist ein grünes Gel, das man sich wie einen Stempel in die Toilette drückt und das für frischen Duft in der Schüssel sorgt. So lautet aber nur das etwas langweilige Hausfrauen-Verkaufsargument. Viel lustiger ist es, wenn man drei-, viermal gespült hat. Dann sieht das Frischesiegel nämlich aus, als hätte einem ein sehr kleines Alien in die Schüssel gekotzt. Eine wirklich überzeugende Erfindung.)

Ich bin auch nicht prinzipiell gegen 3D. Als Teenager hatte ich alle Bücher aus der Reihe «Das magische Auge». Das war damals so ein Trend, bunte, computererzeugte Bilder, auf die man so lange starren musste, bis man das Gefühl hatte, dass sich die eigenen Gehirnhälften knarzend übereinanderschieben. Dann bekamen die Bilder plötzlich Tiefe, und man sah dreidimensionale Objekte darin: Herzen, Kugeln, Dinosaurier. Vorausgesetzt, man konnte noch sehen. Mir liefen nämlich spätestens nach dem dritten Bild dicke Tränen aus den blutrot unterlaufenen Augen, die das gerade entstandene 3D-Bild sehr schnell zu einem psychodelisch bunten Brei verschwimmen ließen. Irgendwann hat mich meine Mutter mal dabei beobachtet, wie ich eine halbe Stunde lang auf eines der Bilder starrte.

«Was machst du denn da?», fragte sie verwundert.

«Ich warte drauf, dass der Dinosaurier erscheint!», erklärte ich, halb tränenblind.

«Junge, das ist das falsche Buch!», sagte sie sichtlich schockiert und wandte sich an meinen Vater. «Manfred, hol dem Bub mal sein altes Kinderbuch, wo beim Aufklappen die Papiertiere aus den Seiten kommen!»

Trendsetter sein ist eben nicht immer einfach.

 

Mit 3D-Filmen dagegen werde ich einfach nicht warm. Das Einzige, was die bei mir hinterlassen, sind rote Brillendruckstellen auf den Nasenflügeln. Und deshalb erkläre ich, auch auf die Gefahr hin, dass der nächste Satz irgendwann in einer Liste «berühmter falscher Vorhersagen» stehen wird, direkt unter «Kein Mensch braucht zu Hause einen PC» und «Für die FDP sind bei der nächsten Wahl mindestens 18 Prozent drin»: Kein Mensch braucht 3D-Filme.

Klar, «Avatar 3D» war toll und neu und aufregend. Aber was kam denn danach? «Alice im Wunderland 3D» – «Die Schlümpfe 3D»? – «Street Dance 3D»? Puh!

Und selbst bei «Harry Potter 83D» war der einzige nennenswerte Raumeffekt, an den ich mich erinnern kann, dass Voldemort zum Schluss in tausend kleine Fetzen explodiert. Dafür zwei Euro 3D-Zuschlag zu verlangen ist die vielleicht schlauste Abzockidee seit der Erfindung des Kirmes-Plüschtier-Greifers. (Falls ich Ihnen jetzt die Spannung verdorben habe, weil Sie den Film noch sehen wollten, tut es mir übrigens leid. Andererseits: Wenn es Sie wirklich überrascht, dass zum Schluss des Films Harry Potter gewinnt und nicht Voldemort, dann tun Sie mir irgendwie insgesamt leid.)

 

Der absolute Tiefpunkt für mich war aber «The Green Hornet 3D», den ich mit meinem Freund Mike zusammen geschaut habe. Nach einer Dreiviertelstunde fragte ich ihn:

«Sag mal, warum haben wir eigentlich die blöden Brillen auf?»

«Na, wegen der 3D-Effekte!»

«Ja, aber da sind doch gar keine! Die stehen nur im Wohnzimmer und unterhalten sich.»

Mike stutzte kurz. «Hm, stimmt.» Dann überlegte er und sagte schließlich: «Aber guck mal, der eine steht viel weiter hinten im Raum als der andere!»

Das war der Moment, als ich aufstand.

«Wo gehst du hin?», fragte Mike.

«Kino 9», antwortete ich. «Da läuft ein Überraschungserfolg aus Frankreich.»

 

Filme sollten zweidimensional bleiben. Wer etwas Dreidimensionales sehen will, kann sich ja in der echten Welt umgucken. Mein Tipp: Das «Null Null WC Frische Siegel» zum Beispiel sieht, wenn man es gerade frisch gestempelt hat, wunderbar dreidimensional aus.

Aber das nur nebenbei.