11
»Ich muss diese böse Vorahnung abschütteln.« Wolf Mortimer sprach seine Gedanken laut vor Shadow aus, die neben ihm am Themse-Ufer stand, unweit des Lagers, das die Grenzmark-Truppen aufgeschlagen hatten. Da seine Kleidung ihn einengte und er wusste, dass sein Geist ohne die hinderlichen Kleidungsstücke freier denken konnte, zog er sich aus. Er schüttelte den Kopf, um seine Schwermut zu vertreiben.
Heilfroh, dass die walisischen Gebirgsbäche ihn gegen die Kälte unempfindlich gemacht hatten, sprang Wolf kopfüber in den Fluss und glitt mit kraftvollen, exakten Stößen durch das Wasser. Das Wasser der Themse aber vermochte ihn vom Gefühl der Bedrohung nicht zu befreien. Es haftete wie ein Spinnennetz an ihm, das er weder abwaschen noch ignorieren konnte.
Wolf kletterte aus dem Wasser und schüttelte sich. Er zögerte, seinem Vater eine Vorahnung anzuvertrauen, damit sie nicht zu einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung wurde. Es war nun stockfinster, und ohne etwas zu sehen, starrte Wolf in die Dunkelheit. Er zwang sich zur Entspannung, gab die Kontrolle über sich auf, sodass sein Unbewusstes die Gegenwart verlassen und in die Zukunft eintauchen konnte.
Er sah Edmunds Gattin Elizabeth und wusste, dass sie überleben würde, wiewohl sie eingekerkert war. Ihr Vater aber trug den Kopf in der Schlinge - Vorzeichen des sicheren Todes. Er beschwor das Bild des Königs herauf, doch sah er, dass der verkommene Mann an Edwards Seite die Krone trug. Für die Mortimers spürte er finstere Bedrohungen aus Ost und West sowie Verrat aus dem Norden. Er sah seinen Vater in den Fängen einer zuschnappenden Falle und wusste, dass Fußangeln in allen Richtungen ausgelegt waren. Drei Grenzmark-Barone erwartete der Tod, doch ehe er erkannte, welche, spürte er, wie etwas sein Bein streifte. Er griff nach unten, und als er Shadow berührte, wurde er jäh in die Gegenwart zurückversetzt. Er grub die Finger in das dichte, silbrige Fell des Tieres und wusste, dass auch das Leben der Wölfin bedroht war, wenn er für sie kein sicheres Versteck fand.
Wolf vernahm fernes, unheilvolles Donnergrollen von der walisischen Grenze im Westen her. Im Osten zuckten Blitze, eine sichere Warnung, dass die Gefahr aus London näher und tödlich war. Rasch kleidete er sich an. Er wusste, dass er nicht länger schweigen konnte.
Nicht laufen, das könnte Verdacht erregen. Brianna zwang sich zur Geduld und verließ die Große Halle von Windsor erst, als auch Isabelle und die anderen Damen gingen.
Während Brianna zu ihrem Gemach eilte, dachte sie fieberhaft nach. Da sie wusste, dass sie Roger Mortimer vor der Absicht des Königs warnen musste, hatte sie sich beim Tanzen einen Plan ausgedacht.
Brianna zündete die Kerzen an. Als sie die Feder ins Tintenfass tauchte, ermahnte sie sich, Roger Mortimers Namen nicht zu benutzen.
Teuerster Lord,
Ich bitte Euch, achtet meine Warnung!
Die Armee wird nicht entlassen, sondern eingesetzt, um die Grenzbarone zur Räson zu bringen. Er will Rache und Vergeltung, und ich fürchte, dass er keine Gnade zeigen wird.
Brianna faltete das Schreiben, das keine Unterschrift trug, und versiegelte es mit geschmolzenem Wachs.
Sie legte ihren dunkelgrünen Samtumhang an, zog die Kapuze hoch, um ihr leuchtendes Haar zu verbergen, und schlüpfte hinaus. Sie nahm die Außentreppe, die zum oberen Hof führte, und bewegte sich mit größter Vorsicht weiter, den Lichtpfützen der Fackeln ausweichend, während sie zum unteren Hof der Burg schlich. Am Norman Gate lagen die Unterkünfte der Wachen und des Stallpersonals. Sie zögerte kurz, da sie sicher sein wollte, dass es der richtige Raum war, ehe sie anklopfte. Plötzlich blitzte es, und sie sah vor sich an der Tür Bär und Stab, das Warwick-Wappen. Die Knie wurden ihr weich vor Erleichterung.
Simon Deveril öffnete auf ihr Pochen, und Brianna schlüpfte rasch hinein. »Ich bin es ... zündet keine Kerzen an.«
»Lady Brianna, was ist denn?« Er wusste, dass sie sich ohne schwerwiegenden Grund nicht mitten in der Nacht hinauswagen würde.
»Simon, eben erfuhr ich von einem tückischen Komplott gegen die Mortimers. Der König will seine Truppen zur Rache an den aufrührerischen Baronen einsetzen. Sie lagern unweit Reading. Könnt Ihr diese Warnung Roger Mortimer persönlich übergeben?«
»Seid Ihr sicher, Mylady?«
»Der Bruder des Königs, Thomas of Norfolk, vertraute es mir an. Es ist keine Zeit zu verlieren - die Barone müssen fliehen!«
»Ich reite sofort los.« Er nahm das Schreiben an sich.
»Ich habe es nicht unterzeichnet, also achtet darauf, ihm zu sagen, dass es von Warwicks Tochter Brianna kommt.« »Er wird mich als Warwicks Mann erkennen.«
»Simon, ich danke Euch von ganzem Herzen. Ihr schafft es vielleicht noch vor dem Unwetter.«
»Das Gewitter tobt über London. Sicher verzieht es sich hinaus auf die See. Ihr braucht mir nicht zu danken. Mortimer ist ein Anverwandter Warwicks.«
Brianna kehrte in ihr Gemach zurück und machte sich für die Nacht zurecht. Ehe sie unter die Decke schlüpfte, sank sie auf die Knie und sprach ihr Abendgebet. Sie betete, Simon Deveril möge an den richtigen Ort geleitet werden und Roger Mortimer möge auf ihre Warnung hören. Und sie betete zum Heiligen Geist um Schutz für alle. Sie sagte Dank dafür, dass Deveril die Gefahr nicht scheute, um den Brief zu überbringen, und dann dankte sie Gott, dass ihr Vater so fürsorglich war, dass er ihr einen Getreuen an die Seite gestellt hatte, auf dessen Dienste sie sich verlassen konnte.
Brianna lag mit offenen Augen im Bett, zu angespannt, um zu schlafen. Im Geiste machte sie jede Meile von Simons Ritt mit. Sie versuchte auszurechnen, wie lange er bis Reading brauchen würde, dann fragte sie sich, wie viel Zeit vergehen mochte, ehe er Roger Mortimer fand. Sie machte sich Sorgen, dass Simon Mortimer vielleicht überhaupt nicht fand, verdrängte aber rasch ihre pessimistischen Gedanken.
Wann wird Simon wieder in Windsor sein? Wenn alles gut geht, müsste er bis zum Morgen zurück sein, beruhigte sie sich. In dem vergeblichen Bemühen, Schlaf zu finden, wälzte Brianna sich stundenlang hin und her, bis sie schließlich glaubte, das erste schwache Licht der Morgendämmerung in ihr Gemach eindringen zu sehen. Nun war an Schlaf nicht mehr zu denken.
Ungeduldig schlug sie die Decken zurück und stand auf. Sie goss kaltes Wasser aus dem Krug in die Waschschüssel, wusch sich, putzte die Zähne und zog sich an. Um Zeit zu sparen, zog sie die Sachen an, die sie gestern getragen hatte. Sie fuhr sich mit der Bürste flüchtig durchs Haar, legte ihren Mantel um und zog die Kapuze über ihre wirren Locken. Ich gehe hinunter in den Stall und erwarte ihn dort.
Erst im Freien sah sie, dass es erst leicht dämmerte. Brianna schätzte, dass es zwischen vier und fünf Uhr morgens sein musste. Die riesigen Stallungen auf Windsor boten über hundert Pferden Platz, und da im Moment viele Adlige mit ihren Familien hier weilten, würde jede Box besetzt sein. Sie war froh, dass noch kein Diener oder Stallknecht wach sein würde.
Als Brianna eintrat, sieg ihr der Geruch von Pferden, Heu und Dung in die Nase. Es war ein Geruch, der ihr vertraut war und irgendwie tröstlich wirkte. Sie war erstaunt und sehr erleichtert, als sie sah, dass Simon schon da war. Sie hob ihre Röcke an und lief mit ängstlicher Miene zu ihm. »Konntet Ihr ihn finden?«, fragte sie atemlos.
»Allerdings, Mylady.« Deveril wies mit dem Daumen auf die Boxen im Hintergrund. »Besuch für Euch.«
Sie zog verblüfft die Brauen zusammen. Wer kann das sein?
Ihr Herz hämmerte wild. Eingedenk ihrer frühmorgendlichen Begegnungen im Stall mit Lincoln Robert glaubte sie schon, er wäre gekommen, um sie zu besuchen.
Sie hob den Riegel der Holztür der ersten Box und trat ein. Die Laterne brannte nicht, es herrschte Finsternis, doch Brianna benötigte kein Licht, um ihren schwarz gekleideten Besucher zu erkennen.
Wolf Mortimer und Shadow standen reglos hinten in der Box. Brianna erschrak so sehr, dass sie sprachlos war.
»Hallo, Engländerin.« Seine Begrüßung war respektlos wie immer.
»Ihr müsst fort - es herrscht Gefahr!«, sagte Brianna zornig.
»Ich weiß«, sagte er leise. »Meine Zukunft ist unsicher, mein Weg gefahrvoll. Ich suche eine sichere Bleibe für Shadow.«
Sie starrte ihn fassungslos an. »Ihr bittet mich, einen sicheren Ort für Eure Wölfin zu finden?«
Er sah ihr direkt in die Augen. »Ich habe sonst niemanden.«
Briannas Augen hatten sich an die Finsternis gewöhnt. Sie sah jetzt seine markanten Züge deutlich vor sich. Dieser Mann überwindet seinen ausgeprägten Stolz nur aus Liebe zu seinem Tier. Mich um einen Gefallen zu bitten fällt ihm unendlich schwer. »Ihr ehrt mich damit.«
»Das tue ich, Brianna de Beauchamp.« Er kniete nieder und befestigte eine Leine am Halsband der Wölfin.
Sie suchte rasch nach einer Lösung des Dilemmas. »Ich werde sie nach Chertsey, zur Burg meiner Mutter unweit von Surrey, bringen.«
»Ich danke Euch.« Er drückte ihr die Leine in die Hand.
Plötzlich erkannte Brianna, wie viel Kraft es ihn kostete, sich von seiner geliebten Wölfin zu trennen. Er ging zur Tür der Box.
»Wartet!« Sie nahm den keltischen Kiesel von ihrem Hals und reichte ihm diesen. »Haltet Shadows Abbild nahe Eurem Herzen.«
Er nahm den Stein und streifte das Band über seinen Kopf. »Ich danke Euch.« Wieder wandte er sich zum Gehen.
»Wartet! Ich muss Euch noch etwas geben.« Sie wusste, dass es impulsiv, ja tollkühn war, doch trieb sie etwas dazu. Sie fürchtete, dass sie einander nie wiedersehen würden, und wollte nicht, dass sie sich trennten, während sie ihm noch etwas schuldig war. Sie trat dicht vor ihn, stellte sich auf die Zehenspitzen und hob ihm ihren Mund entgegen. Sie gab ihm den Kuss bereitwillig, großzügig, ließ sich von ihrem animalischen Instinkt leiten. Ihre Kapuze glitt zurück, und sie spürte die Kraft seiner starken Finger, als er durch ihr wirres Haar fuhr. Hitze loderte zwischen ihnen auf. Brianna hörte ihr Herz wild in ihren Ohren hämmern, und sein Geschmack erregte sie.
Noch lange nachdem der Kuss geendet hatte, stand Brianna wie gebannt da. Sie konnte sich nicht erinnern, wann er gegangen war. In einen Moment war er da, im nächsten war er im dämmerigen Schatten verschwunden. Die Tür der Box wurde geöffnet. Simon Deveril trat ein.
»Ich versprach, seine Wölfin zur Sicherheit nach Chertsey zu bringen.«
Er zweifelte nicht an ihrem Verstand und sagte ganz einfach: »Der schnellste Weg ist der Fluss. Ich rufe uns eine Jolle.«
Auf der Burg ihrer Mutter angelangt, wurde sie von dem schon älteren Verwalter herzlich begrüßt. Er hatte immer viel Geduld mit den Tieren gehabt, die sie ihm als Kind gebracht hatte, und hatte mitgeholfen, manches Häschen gesund zu pflegen, wie er auch dafür gesorgt hatte, dass sie die Tierchen freiließ, wenn sie kräftig genug waren, um wieder zu fressen und umherzuhoppeln.
»Mr. Croft, das ist Shadow. Sie gehört einem Verbündeten der Warwicks, der sie in den nächsten Monaten nicht bei sich haben kann. Ich brachte sie nach Chertsey, weil ich weiß, dass Ihr dem Tier eine sichere Bleibe bieten werdet. Die Wölfin ist sehr intelligent und benahm sich bei ihrem Besuch auf Warwick Castle äußerst manierlich.«
Der Verwalter ließ sich von Shadow die Hand beschnüffeln. »Mrs. Croft wird selig sein. Unser alter Hund, der vor einem Monat das Zeitliche segnete, fehlt uns sehr. Wir werden uns um diesen hier sehr liebevoll kümmern.«
»Das weiß ich, Mr. Croft. Ich bin jetzt Hofdame der Königin in Windsor, deshalb kann ich versprechen, Shadow öfter zu besuchen.«
»Kommt in die Küche und gönnt Euch ein Frühstück, ehe Ihr wieder geht.«
»Danke. So verlockend es klingt, doch ich muss zurück nach Windsor.«
Wolf Mortimer verlor keine Zeit mit der Rückkehr nach Reading und ritt von Windsor aus direkt nach Norden. Er wusste, dass er gegen Abend die Grenzmark-Barone einholen würde, die sehr rasch vorrückten, um auf Thomas of Lancaster zu stoßen.
Die vergangene Nacht ging Wolf nicht aus dem Kopf. Als er nach seiner mitternächtlichen Schwimmtour ins Lager zurückgekehrt war, ließ sein Vater ihn rufen und übergab ihm die Botschaft Brianna de Beauchamps. Die Nachricht bestätigte die Visionen, die ihn heimgesucht hatten. »Wir müssen auf diese Warnung hören. Es drohen ernste Gefahren. Edward wird seine Streitmacht gegen uns führen.«
»Diesen verweichlichten Schwanzlutscher fürchte ich nicht!«
»Hugh Despencer hat die Falle in Leeds Castle aufgestellt. Als sie wie geplant zuschnappte, wurde der König machtgierig, und seine Rachsucht regte sich. Hugh Despencer hat Edwards Eier wieder fest in der Hand und plant nun unseren Untergang.«
»Die Erfahrung lehrte mich, die Dinge zu glauben, die du voraussiehst. An dem Abend, als Edmund Elizabeth Badlesmere zur Frau nahm, hast du Übles für Leeds prophezeit. Diesmal werde ich auf deine Warnung hören. Lass das Lager abbrechen. Wir ziehen weiter. Ich gebe Hereford, Aubrey und d'Amory Bescheid.«
Wolf Mortimers Gedanken kehrten in die Gegenwart zurück, und seine Finger schlössen sich um den keltischen Kieselstein. Ich hatte Recht, meinen Instinkten bezüglich Brianna zu trauen. Unter ihrem feurigen Temperament hat sie ein Herz aus Gold.
Wolf holte die Mortimers rascher als erwartet ein. Hereford und die anderen Grenzmark-Lords waren mit erstaunlicher Geschwindigkeit geflohen, Rogers Weiterkommen aber war behindert, da sein Onkel Chirk krank war. In den Chilterns war er vor Schmerzen zusammengebrochen und hatte Blut erbrochen.
Wolf beriet sich mit seinem Vater und Edmund. »Führe die Männer möglichst schnell nach Norden. Lass uns ein Packpferd mit einem Zelt und Futter da. Ich bleibe bei ihm. Wir werden nachkommen, wenn er wieder reisefähig ist.«
Roger Mortimer zeigte sich, entschieden wie immer, einverstanden. Er wollte seine oder Chirks Streitkräfte nicht wegen der Krankheit eines einzigen Mannes aufs Spiel setzen.
Wolf stellte das Zelt in einer schützenden Baumgruppe auf und bereitete seinem Onkel ein Lager aus Satteldecken. Dann machte er sich auf die Suche nach Zehrkraut und fand ein wenig von der Heilpflanze. Der Frost hatte die Blätter welken lassen, doch waren es die weißen langen Wurzeln, die er brauchte. Er machte Feuer und kochte die Wurzeln in Wasser aus dem Bach. Um seinem Patienten zu gesundem Schlaf zu verhelfen, fügte Wolf ein paar Tropfen Mohnextrakt hinzu, den er stets mit sich führte.
Als das Gebräu sich abgekühlt hatte, stützte er Chirk auf, hielt ihm den Becher an die Lippen und achtete darauf, dass er ihn bis zum letzten Tropfen leer trank. Leise sang er eine walisische Ballade, bis der Alte eingenickt war. Dann zog Wolf sich zurück und fütterte die Pferde. Sein Herz war schwer - tief in seinem Inneren wusste er, dass Mortimer of Chirk einer der drei Grenzmark-Barone war, die nicht überleben würden, doch spürte er, dass sein Tod nicht unmittelbar bevorstand. Die grausame Bestie Leben lässt ihn noch nicht los. Der arme Alte wird noch ein paar Monate leiden müssen, ehe sein Geist Erlösung findet.
Wolf setzte sich vor das Feuer und starrte in die Flammen. Er schützte sein Bewusstsein vor weiteren Zukunftsvisionen und dachte stattdessen an Brianna. Sein Mund verzog sich zu einem halben Lächeln. Ihr Kuss war nicht nur warm und großzügig, es war der bemerkenswerteste Kuss, den ich jemals bekam.
Auf der Bootsfahrt von Chertsey nach Windsor beschloss Brianna ganz bewusst, Isabelle von Edwards Plan, gegen die Grenzmark-Barone vorzugehen, nichts zu verraten. Da sie nun Roger Mortimer gewarnt hatte, war sie zuversichtlich, dass sie längst über alle Berge sein würden, bis Edwards Streitmacht die Suche nach ihnen aufnehmen würde. Und da nun die Barone gewarnt waren, würden sie, falls es denn zum Kampf käme, die Truppen des Königs mit Leichtigkeit schlagen wie schon zuvor.
Brianna und Simon kamen rasch vom Fluss herauf und betraten den unteren Hof von Windsor durch ein Tor in der Westmauer. Sie wusste, dass sie sich umziehen und sich ohne Verzug zu den anderen gesellen musste. Heute wollten Isabelle und ihre Damen die Große Halle für die Weihnachtszeit dekorieren.
»Simon, ich danke Euch von ganzem Herzen für Eure Hilfe.« Impulsiv umarmte sie ihn, dann raffte sie ihre Röcke und wollte in ihr Gemach laufen. Ehe sie einen Schritt tun konnte, sah sie die hochgewachsene Gestalt ihres Verlobten auf sich zukommen.
»Lincoln Robert! Was für eine schöne Überraschung!« Sie schenkte ihm ein bestrickendes Lächeln in der Hoffnung, er würde nicht fragen, was sie vorhätte.
Er erwiderte ihr Lächeln nicht. »Ich kann mir denken, dass du erstaunt bist. Wer zum Teufel ist dein Begleiter?«
»Er ist nicht mein Begleiter«, erwiderte Brianna. »Deveril ist ein Warwick-Mann, den mein Vater nach Windsor schickte, damit er mich vor Gefahren bewahrt. Und genau dies tat er, als ich die Königin nach Leeds begleitete.«
»Gottlob ist dir nichts zugestoßen. Mein Vater und ich waren so empört, dass wir die de Warenne-Krieger nach Kent führten und Pembroke bei der Belagerung unterstützten«, sagte er stolz.
Ihr und dreißigtausend andere. Sofort schämte sich Brianna ihrer Gedanken. Sie griff nach seiner Hand. »Das war sehr tapfer, Lincoln. Deine Treue zu Königin Isabelle erfüllt mich mit Stolz.«
Er musterte sie. »Warst du am Fluss? Du siehst ein wenig aufgelöst aus, eher wie eine Magd als wie eine Hofdame.«
»Ja«, improvisierte sie rasch. »Isabelle erwartete ein Boot mit frischen Binsen, Stechpalmen und Efeu von ihrem Jagdgelände in Banstead. Heute soll die Halle für die Festtage geschmückt werden. Ich gehe jetzt und ziehe mich um. Dann treffen wir uns in der Großen Halle.«
Brianna eilte davon, erleichtert, dass Lincoln Robert ihre lahme Erklärung akzeptierte, doch regte sich ihr schlechtes Gewissen, weil sie ihn so leicht hinters Licht hatte führen können.
In erstaunlich kurzer Zeit erschien Brianna in der Halle. Sie trug ein hellgrünes Samtkleid mit passenden Bändern im Haar. Ihr Verlobter war in ein Gespräch mit der jungen Blanche Fitzallan vertieft, der Tochter des Earl of Arundel, den sie beide gut kannten. Brianna amüsierte es, dass Blanche voller Bewunderung zu Lincoln Robert aufblickte und jedes seiner Worte förmlich aufsog. Ich will ihr den Tag nicht verderben, indem ich ihr sage, dass ich mit ihm verlobt bin.
»Ach, Blanche, wie schön, dich auf Windsor zu sehen.«
»Brianna, sieh an ... Wusstest du, dass Lincoln zu den Rittern gehörte, die Leeds Castle belagerten? Er ist so galant und mutig.«
»Allerdings. Ich glaube, ich werde ihn der Königin vorstellen.«
»Ach, Brianna, was für ein Glück du hast, Hofdame der Königin zu sein. Ich wünschte, ich wäre so alt wie du.«
»Bist du sicher? Ich bin schon uralt. Entschuldige uns, Blanche.« Sie nahm Lincolns Arm und zog ihn durch den ganzen Raum zu der Königin.
»Dieser Frechdachs! Sie ist doch nur ein Jahr jünger als ich.«
»Ihre Bemerkung war ganz harmlos. Blanche Fitzallan ist eine reizende junge Dame.«
»Ja, das stimmt. Sie könnte kein Wässerchen trüben.« Brianna lächelte. In Lincoln Roberts Gegenwart fühlte sie sich voller Selbstvertrauen. Waren sie zusammen, fühlte sie sich sicher und als Herrin der Lage. Er wird mir ein wunderbarer Gatte sein.
»Euer Gnaden, es ist mir ein großes Vergnügen, Euch Lincoln Robert de Warenne vorzustellen. Er und sein Vater, der Earl of Surrey, stehen loyal zur Königin.«
Als Lincoln sich verbeugte, lächelte Isabelle. »Eure Treue ehrt mich. Lynx de Warenne ist der Bruder meiner Freundin Jory, wenn ich nicht irre, wenngleich er meinen Hof nur selten beehrte.«
»Der Earl of Surrey ist wie der Earl of Warwick eher Krieger als Höfling, Euer Gnaden«, erklärte Brianna.
»Ich bin entzückt, Euch hier zu sehen, Mylord. Werdet Ihr Weihnachten mit uns feiern?«
»Danke, Euer Gnaden, doch meine Eltern schickten mich aus, damit ich meine Verlobte über Weihnachten nach Hedingham bringe, falls Ihr sie entbehren könnt.«
»Ihr seid verlobt? Brianna, ich hatte ja keine Ahnung! Wie romantisch.« Isabelle seufzte bedauernd. »Natürlich bestehe ich darauf, dass du Weihnachten bei eurer künftigen Familie verbringst.«
Es sieht aus, als hätte ich zu dieser Sache nichts zu sagen. Aber es wird bestimmt schön sein, Weihnachten auf Hedingham zu feiern.