Nachwort zum ersten Teil

 

Es dürfte unzählige andere Menschen geben, deren Schicksal ähnlich verlaufen ist. Doch die hier erwähnten Autoren sind weltbekannt, und so kann der Wahrheitsgehalt meiner Worte mit Hilfe ihrer Werke und der Biographien über sie überprüft werden. Diesen Schriftstellern war gemeinsam, daß sie dem Vierten Gebot treu geblieben sind und ihre Eltern, die ihnen schweres Leid zugefügt hatten, ihr ganzes Leben ehrten. Sie haben ihre eigenen Bedürfnisse nach Wahrheit, Treue zu sich selbst, nach aufrichtiger Kommunikation, nach Verstehen und Verstanden-Werden auf dem Altar ihrer Eltern geopfert, all das in der Hoffnung, geliebt und nicht länger zurückgewiesen zu werden. Die in ihren Werken ausgedrückte Wahrheit war abgespalten. Das hielt sie unter dem Gewicht des Vierten Gebotes im Gefängnis der Verleugnung.

Diese Verleugnung führte zu schweren Erkrankungen und zum frühzeitigen Tod, was immer aufs neue beweist, daß Moses sich gründlich irrte, als er übermittelte, man lebe länger, wenn man die Eltern ehre. Zumindest die hier dargestellten Fälle widersprechen dieser Drohung. Sicher leben viele Menschen auch dann lange, wenn sie ihre Eltern, von denen sie einst mißhandelt wurden, ihr ganzes Leben lang idealisieren. Allerdings wissen wir nicht, wie sie mit ihrer Unwahrheit fertig wurden. Die meisten haben sie unbewußt der nächsten Generation weitergegeben. Hingegen wissen wir, daß die hier genannten Schriftsteller ihre Wahrheit zu ahnen begannen. Doch in ihrer Isolierung und in einer Gesellschaft, die stets die Partei der Eltern ergreift, konnten sie nicht den Mut finden, ihre Verleugnung aufzugeben.

Wie stark der Druck der Gesellschaft wirkt, kann jeder selbst feststellen. Wenn jemand die Grausamkeit seiner Mutter als Erwachsener erkennt und darüber offen spricht, wird er von allen Seiten, auch in Therapien, hören: ›Aber sie hatte es auch schwer, sie hat das und das für dich getan. Du solltest sie nicht verurteilen, nicht schwarz-weiß malen, sie nicht einseitig sehen. Es gibt keine idealen Eltern‹ usw. Man hat den Eindruck, daß diejenigen, die so argumentieren, ihre eigenen Mütter verteidigen, dabei hat der Betreffende sie gar nicht angegriffen. Er hat ja nur über seine eigene Mutter gesprochen. Dieser Druck der Gesellschaft ist viel stärker, als man sich vorstellt, und daher hoffe ich, daß meine Darstellung der Schriftsteller nicht als eine Verurteilung verstanden wird, als eine Kritik an ihrem mangelnden Mut, sondern als Tragik von Menschen, die die Wahrheit wohl spürten, sie aber in der Isolation nicht zulassen konnten. In der Hoffnung, diese Isolation zu verringern, schreibe ich dieses Buch. Denn wir begegnen der Einsamkeit des Kindes, das der heutige Erwachsene einst gewesen ist, nicht selten in Therapien, weil diese ebenfalls unter dem Diktat des Vierten Gebotes durchgeführt werden.