dreizehntes kapitel

 

Das Spähschiff bremste auf Unterlichtgeschwindigkeit ab und tauchte am Rande eines scheibenförmigen Sonnensystems aus dem Warpraum. Lunzie hatte sich auf der Brücke an den vierten Sitz geschnallt und beobachtete die Sterne, die sich vor ihnen aus einem einzigen Punkt ausbreiteten, bis sie den ganzen Himmel ausfüllten. Nur ein einziger gelblich-weißer Stern blieb direkt vor dem Schiff hängen.

»Da ist er, Captain«, sagte Pilot Wendell mit tiefer Befriedigung. »Ambrosias Stern.«

Zebara nickte ernst und trug einige Notizen ins elektronische Logbuch ein. »Irgendwelche Energiespuren in unserer Reichweite?« fragte der Schwerweltler.

»Nein, Sir.«

»Ist Ambrosia selbst von dieser Position aus sichtbar?« fragte Lunzie neugierig.

»Nein, Doktor, ist sie nicht. Laut den Systemkoordinaten befindet sie sich gerade hinter der Sonne. Wir lassen uns unter die Ebene der Ekliptik fallen und steigen dann wieder auf. Es gibt einen Asteroidengürtel, den wir besser nicht durchfliegen sollten, solange es sich vermeiden läßt.«

»Warum bezeichnen Sie Ambrosia als ›sie‹?«

Wendell lächelte ihr über die Schulter zu. »Weil sie schön wie eine Göttin ist. Sie werden schon sehen.«

»Irgendwelche Spuren?« fragte Zebara wieder, als sie in einem Bogen durch die Ekliptik zu einer blauweißen Scheibe emporflogen.

»Nein, Sir«, wiederholte Wendell.

»Sobald wir in die Atmosphäre eintreten, sind wir verwundbar«, erinnerte Zebara ihn. »Unsere Sensoren liefern dann keine klaren Werte mehr. Die Piraten könnten sich das zunutze machen.«

»Sir, warum kehren wir ohne militärische Verstärkung zurück, wenn Sie mit einem Angriff der Piraten rechnen?« fragte Lunzie vorsichtig und hoffte, daß sie mit ihrer Frage nicht ganz daneben lag. »Dieses Spähschiff verfügt über keine Defensivbewaffnung.«

Zebara runzelte die Stirn. »Ich will nicht, daß uns jemand Ambrosia streitig macht. Es ist unsere Provinz«, sagte er und fuchtelte mit dem Arm durch die Luft. »Wenn wir nicht hier sind, um unseren Anspruch zu bekräftigen, dann wird jemand anderes – jemand, der nicht Jahre mit der Suche verbracht hat … Bei Krims«, sagte Zebara und schlug mit der Faust auf die Konsole. Er fuhr sich mit einer Hand über die Stirn und wischte imaginäre Schweißtröpfchen weg. »Eigentlich müßte ich mich über diese Reise freuen. Ich fürchte, ich wache zu eifersüchtig über unsere Entdeckung. Schauen Sie, Lunzie, das ist die Quelle all unserer Mühen und Schmerzen. Ambrosia.«

Die blauweiße Scheibe gewann beim Näherkommen schärfere Konturen. Lunzie hielt den Atem an. Ambrosia sah tatsächlich aus wie die Holos, die sie von der Erde gesehen hatte. Über die Oberfläche trieben Wasserdampfwolken. Lunzie konnte vier der sechs kleinen Kontinente als verschwommene grau-grüne Flecken inmitten der schillernden blauen Meere erkennen. Eine wild zerklüftete Eiskappe bedeckte den Südpol des Planeten. Ein kleiner, sich schnell bewegender Körper löste sich von der Wolkenschicht und verschwand hinter dem Rand des Planeten. Es war der kleinste Mond, einer von dreien. »Der große Satellit versteckt sich hinter dem Planeten«, erklärte Wendell. »Auf der Nachtseite ist heute Vollmond. Sehen Sie, da auf der linken Seite kommt der zweite kleine hervor.« Ein winziger Edelstein, der im Sternenlicht erstrahlte, lugte hinter Ambrosia hervor.

»Sie ist wirklich schön«, hauchte Lunzie und nahm den Anblick in sich auf.

»Bereit machen für die Umlaufbahn und den Abstieg«, befahl Zebara. »Wir gehen runter. Im Orbit ist ein so kleines Schiff ein leichtes Ziel. Auf dem Planeten haben wir Gelegenheit, noch einige Experimente durchzuführen, bis die Verstärkung eintrifft.«

»Jawohl, Sir.«

 

* * *

 

»Kurz nach Mittag lokaler Zeit«, hatte Wendell versichert, als er das Spähschiff auf einem niedrigen Plateau mit dichter, pelziger Vegetation aufsetzte. Die EEC-Vorschriften sahen vor, daß eine Bewertungsmannschaft auf einem Planeten, der zur Kolonisierung vorgesehen war, mindestens fünf potentielle Landeplätze lokalisierte. Die Planetenkarte verzeichnete nicht weniger als zehn, einer auf der Hauptinsel eines großen Archipels im Südmeer, eine auf jedem kleineren Kontinent und weitere auf den großen.

Als sich die Luke öffnete, hörte Lunzie das Trippeln und Rascheln kleiner Tiere, die vor dem lärmenden Eindringling flohen. Eine einladende Brise frischer, süßer Luft wehte herein. Mit eingeschalteten Hemmfeldgürteln suchten Dondara und Vir die Peripherie des Landeplatzes ab, damit sich keine einheimischen Lebensformen innerhalb des Schutzschildes befanden, wenn es eingeschaltet wurde. Sie gaben ihr Okay, und Pollili schaltete den Generator ein. Ein lautes, schrilles Summen schwoll an und fiel fast sofort wieder in einen fürs menschliche Ohr unhörbaren Frequenzbereich ab.

War der Anblick aus dem All schon bezaubernd gewesen, sah die Oberfläche von Ambrosia wie die Vision eines Künstlers vom perfekten Planeten aus. Die Luft war frisch und klar und trug einen Hauch exotischer Düfte heran. Die Farben reichten von lebhaften Grundfarben bis zu zarten Pastelltönen und wirkten sehr rein.

Lunzie trat aus dem Shuttle in den strahlenden Sonnenschein der Tagseite. Der Himmel war blaßblau und die Kumuluswolken von einem reinen, flauschigen Weiß. Von der Hügelkuppe aus bot sich dem Spähschiff ein atemberaubender Ausblick auf einen alten Laubwald. Die Baumspitzen waren in allen erdenklichen Grüntönen gefärbt, hier und da gesprenkelt mit dem hellen, rosaroten Blattwerk einer anderen Art. Am Rande des Plateaus wuchsen kleinere Schößlinge und klammerten sich in absurden Winkeln an die Felswände, als fürchteten sie den Absturz.

Zur Linken glitzerte ein eiförmiger See in der Sonne. Lunzie konnte so eben die silbrigen Bänder der beiden Flüsse erkennen, die ihn speisten. Einer wand sich den Hang des Hügels hinunter, auf dem sie gerade stand. Lunzie ruhte sich nah beim Schiff in der Sonne aus, während die anderen Besatzungsmitglieder sich ein Stück weiter auf dem Hang verteilten und Messungen vornahmen. Unter ihren Füßen wuchs ein blaugrünes, grasartiges Gewächs, dessen Stengel einen kreisrunden Querschnitt hatten.

»Mehr Schilf als Gras, aber es ist hier die vorherrschende Oberflächenpflanze«, erklärte Elessa. »Es wächst praktischerweise nicht höher als fünfzehn Zentimeter. Wir müssen uns keinen Weg durch Dickichte von dem Zeug bahnen, anders als auf anderen Planeten, die ich nennen könnte. Sie müssen es zur Seite drücken, um darauf sitzen zu können, sonst piekst es Ihnen Löcher in den Hintern. Sehen Sie diesen Baum dort mit den rosafarbenen Blättern? Seine Früchte sind eßbar, richtig saftig sogar, aber essen Sie nur die, deren Schale sich schon ganz braun gefärbt hat. Wir haben diesen Hinweis von den heimischen Flugwesen, die in Scharen darauf warten, daß die Früchte reif werden. Die unreifen verursachen üble Bauchschmerzen. Oh, sehen Sie. Von dieser Blume habe ich noch kein Exemplar.« Sorgfältig riß sie mit einem gegabelten Werkzeug eine winzige, sternförmige Blume zwischen den Graspflanzen aus und ließ sie in ein Plastikgefäß fallen. »Sie haben eine einzige tiefe Pfahlwurzel statt einem Knäuel kleiner Wurzeln, deshalb sind sie leicht zu ernten. Es ist der steife Stengel, der sie wie die Graspflanzen aufrecht hält. Man könnte diesen ganzen Hügel mit einer Pinzette roden.«

Plötzlich fiel ein ovaler Schatten auf Lunzie und die Botanikerin, die auf dem Boden knieten.

»Sie sollten sich nicht nur diese eine Wiese anschauen, Doktor«, schimpfte Dondara über ihren Köpfen und verließ mit einem Zweimann-Schweber das Heck des Schiffs. »Sie genießen ein seltenes Privileg. Bisher hat noch kein Dutzend intelligenter Lebensformen diese Landschaft gesehen. Kommen Sie.« Er winkte sie zu sich in den Schweber. »Ich muß einige Messungen vornehmen.«

Lunzie mußte sich erst an ihr beim Wein abgegebenes Versprechen erinnern, daß sie Individuen jeder Subgruppe Vertrauen entgegenbringen wollte, bevor sie aufstand und hinter ihm einstieg. Elessa blickte auf, als sie an ihr vorbeiging, und schien etwas sagen zu wollen, überlegte es sich aber anders. Lunzie sah die Botanikerin fragend an, aber das Mädchen warf ihr einen Blick zu, als sei sie unschlüssig, was sie ihr anvertrauen könne. Während des langen Fluges hierhier hatte Lunzie der Botanikern ihr Mißtrauen gestanden, und Elessa verstärkte nur den Eindruck, daß Zebara und seine Spähschiff-Mannschaft eine Klasse für sich waren.

Lunzie staunte, als sie mit Dondara das Kraftfeld durchquerte und über die Wiese hinausflog. In weniger als einem Kilometer Abstand von dem grasbewachsenen Landeplatz änderte sich die Landschaft dramatisch. Hinter dem knotigen Hügel, der von der anderen Seite an den See grenzte, sah es ganz anders aus. Der Pflanzenwuchs war sehr viel spärlicher, dünnte sich von einem üppigen Wald zu einem schwachen Bewuchs von Moorpflanzen aus. Wasser strömte über verwitterte, mit rotbraunem Eisenoxid befleckte Felstafeln und sammelte sich in Teichen, in denen es von Leben wimmelte. Pyritbrocken im Fels glitzerten in der Mittagssonne. In den flachen Teichen unweit einer breiten Stromschnelle, die um mächtige Felsen rauschte und schäumte, bekam Lunzie gelegentlich ein paar Wassertiere zu sehen. In der Ferne bedeckten weitere Wälder die Flanken rauher, nackter Berggipfel.

»Ein ziemlicher Unterschied. Das hier könnte eine andere Welt sein«, bemerkte Lunzie heiter und rutschte für eine bessere Sicht auf ihrem Sitz herum.

Dondara aktivierte seinen Hemmfeldgürtel und bedeutete ihr, dasselbe zu tun, als er den Schweber aufsetzte.

»Wir befinden uns auf einer anderen Kontinentalplatte als am Landeplatz«, erklärte Dondara und watete durch einen Teich.

Lunzie ging um den Teich herum. Dondara zeigte auf einige geologische Merkmale, die seine Theorie stützten, darunter ein zutageliegendes Stück Sedimentgestein, das grau gefärbt war, mit einem rostroten Stich, und damit in starkem Gegensatz zum funkelnden Granit der Hügellandschaften dieses Kontinents stand.

Mit überraschender Höflichkeit half Dondara ihr auf eine ausgewaschene, mit kleinen Teichen übersäte Felsplatte hinauf.

»Diese Landschaft hing früher mit einer Landmasse auf der anderen Seite des Ozeans nordöstlich von hier zusammen. Beide Teile haben sich im Laufe von einigen Millionen Jahren von einem gemeinsamen Ausbreitungszentrum entfernt. Diese Platte ist zerbrechlicher. Aber sie hat eigene interessante Lebensformen hervorgebracht. Kommen Sie her.« Er winkte sie zu einem röhrenförmigen Hohlraum im Fels.

Lunzie spähte in das Loch. Es war so glatt, als sei es von einem Laser gebohrt worden. »Was ist da unten drin?«

»Eine sehr scheue Art von Warmwasser-Krebstier. Es wagt sich nur hervor, wenn der Himmel bedeckt ist. Wenn Sie sich über das Loch beugen, glaubt es, es stünden Wolken am Himmel.« Lunzie beugte sich neugierig vor. »Passen Sie genau auf und haben Sie Geduld.«

Dondara trat zurück und setzte sich ein Stück weiter auf eine trockene Felstafel. »Sie müssen Ihren Hemmfeldgürtel ausschalten, sonst kommt es nicht raus. Die Schwingungen stören es.«

Sobald sie den Gürtel ausgeschaltet hatte, bewegte sich tief in dem Loch etwas. Lunzie kniete nieder, so daß ihr Schatten über das Loch fiel. Sie hörte ein leises Klappern, das an ein fernes Klirren von Porzellan erinnerte. Plötzlich wurde sie von einer kleinen Fontäne warmen Wassers im Gesicht getroffen. Lunzie sprang auf und spuckte aus. Das Wasser tropfte ihr von der Jacke.

»Was, zum Teufel, war das?« fragte sie und wischte sich das Gesicht ab.

Dondara lachte so laut, daß es von den Felsen widerhallte. Er rollte auf der Felszunge hin und her und klopfte mit einer Hand ausgelassen auf den Stein.

»Nur eine scheue ambrosianische Steinkrabbe!« amüsierte er sich. »Das machen sie immer so, wenn jemand ihren Unterschlupf versperrt. Ambrosia hat Sie getauft! Sie sind jetzt eine von uns, Lunzie!«

Nachdem sie sich von dem Schreck erholt hatte, begriff Lunzie, daß sie auf einen der ältesten Witze hereingefallen war. Sie summte in Dondaras Lachen ein.

»Wie viele Leute haben Sie noch mit Ihrem ›scheuen Krebstier‹ reingelegt?« fragte sie neugierig.

Der Schwerweltler freute sich. »Alle außer Zebara. Er hat Lunte gerochen und sich geweigert, nah genug ranzugehen.« Dondara grinste. »Sie sind mir nicht böse?«

»Warum? Aber Sie können sicher sein, daß ich mich nicht noch einmal reinlegen lasse. Weder hier auf Ambrosia noch sonstwo«, versprach Lunzie. Aber sie war außerordentlich froh darüber, daß sich jemand einen Scherz mit ihr erlaubt hatte. Sie hatte einen subtilen Test bestanden. Außerdem war sie triefnaß und die Luft für ein schwaches Leichtgewicht wie sie ziemlich kühl. Sie streifte sich einen Teil der Feuchtigkeit von Hemd und Händen ab.

»Sie haben eine Menge abbekommen. Sie müssen den alten Knaben ziemlich geärgert haben. Wenn ich ein sensibles Leichtgewicht wie Sie damit nicht beleidige, würde ich vorschlagen, daß Sie ins Spähschiff zurückfliegen. Nehmen Sie den Schweber.« Sie gewann den Eindruck, daß eine solche Fürsorge von Zebaras Mannschaftsmitgliedern einfach erwartet wurde. »Ich muß noch einige Temperaturmessungen in den heißen Quellen flußaufwärts vornehmen. Die Anstrengung wird mir gut tun. Ich habe mein Komgerät bei mir.« Mit einem freundlichen Wink watete der große Humanoide den Fluß hinauf.

Lunzie aktivierte die Energiezellen des Schwebers, um den Hügel hinauf zum Schiff zurückzufliegen. Erst unterwegs dämmerte ihr die ganze Bedeutung dieses kleinen Scherzes. Dondara hatte sie ›getauft‹, was er wahrscheinlich mit jedem anderen an Bord des Spähschiffs auch getan hatte – und er hatte seinen Spaß daran gehabt. Sie hatte keinen Anstoß daran genommen und nicht um Schonung gebeten. Aber er war rücksichtsvoll gewesen, ohne gönnerhaft zu wirken, und hatte gewisse Probleme von Leichtgewichten beachtet, die für Schwerweltler selten ein Thema waren -zum Beispiel die Neigung, sich leicht zu erkälten.

»Werden solche kleinen Wunder nie aufhören?« fragte sie sich und schüttelte ihr langsam trocknendes Haar.

»Was ist denn mit Ihnen passiert?« fragte Vir, als sie in Sicht kam.

»Dondara hat mich auf ambrosianische Art getauft«, rief Lunzie und zog mit der unverletzten Hand an ihrer feuchten Jacke.

Als sie Elessa erreichte, sah sie die Botanikerin grinsen. »Sie haben gewußt, was er vorhatte.«

»Es tut mir leid.« Das Mädchen lachte. »Ich wollte Sie aufhalten. Er macht immer so üble Scherze. Als Wiedergutmachung habe ich Ihnen eine Zwergschlange gefangen, die Sie untersuchen können. Ist sie nicht niedlich? Und so freundlich.« Sie hielt ein kleines, schwarzes Fellknäuel hoch.

»Bleiben Sie für mich dran«, rief Lunzie.

Sie landete den Schweber neben dem Spähschiff. Elessa kam ihr auf halbem Wege entgegen und wickelte ihr das Tier um die Hand.

»Zwergschlangen gehören zu den häufigsten Lebensformen auf Ambrosia«, erklärte die Botanikerin. »Und seltsamerweise sind sie Allesfresser. Eigentlich fallen sie in Bringans Fachgebiet, aber sie mögen das Gefühl, daß sie unwiderstehlich sind.«

Die Zwergschlange hatte ein kleines, rundes Gesicht, eine runde Nase und runde Ohren, die aus dem glatten, schwarzen Fell herausragten. Sie hatte keine Gliedmaßen, aber es war zu erkennen, an welcher Stelle der dickere Körper in den schlankeren Schwanz überging. Plötzlich öffneten sich zwei helle grüne Augen mit runden schwarzen Pupillen und sahen Lunzie ausdruckslos an. Die Schlange öffnete das Maul, zeigte zwei Reihen nadelspitzer Zähne und gab ein hauchendes Zischen von sich.

»Sie mag Sie«, erklärte Elessa eine Reaktion, die Lunzie mißverstanden hatte. »Streicheln Sie sie. Sie wird Sie nicht beißen.«

Die Schlange genoß offenbar die Berührung und zog sich zu verschlungenen Knoten zusammen, als Lunzie ihren Körper streichelte. Sie grinste die Botanikerin an.

»Sie sind lieb, nicht wahr? Gute Botschafter für einen florierenden Touristenhandel auf Ambrosia.«

Während Lunzie sich mit der Zwergschlange anfreundete, frischte eine leichte Brise auf. Spontan entschied Lunzie, daß sie eine wärmere Jacke über ihrem verletzten Arm brauchte. Obwohl Bringan die Knochen bereits geschient hatte, mußte das umliegende Gewebe erst noch abschwellen. Lunzie spürte, daß sie eine Gänsehaut bekam.

»Entschuldigen Sie mich bitte«, sagte sie zu der Botanikerin.

Sie zwängte sich an Zebara vorbei, der in der offenen Luke des Spähschiffs balancierte. Er begrüßte Lunzie und nahm ihre nassen Haare und Kleidung mit einem Stirnrunzeln zur Kenntnis.

»Dondara hat ihnen das Biest gezeigt, was?«

»Nach der Menge an Taufwasser zu urteilen, ein ziemlich altes Biest.« Sie grinste den Schwerweltler an.

»Haben Sie die Flotte noch nicht erreicht, Flor?« fragte der Captain und wandte sich der halbrunden Pilotenkanzel zu. Die Kommunikationsstation beanspruchte ein weiteres, zwischen Telemetriestation und Korridor dem Heck zugewandtes Segment des Kreises.

»Jawohl, Sir«, rief die Kommunikationstechnikerin. »Die Sonde überträgt mir gerade eine Nachricht. Man bestätigt Ihre Anfrage und hat die Zaid-Dayan entsandt.«

»Wie? Diese Bezeichnung kenne ich noch nicht«, knurrte Zebara. Lunzie bemerkte einen mißtrauischen Unterton in seiner Stimme.

»Freuen Sie sich, Sir. Ein brandneues Schiff auf dem Jungfernflug«, erklärte Flor. »Ein schwerer Kreuzer vom Typ ZD-43, wie es in der Registrierung heißt, ausgestattet mit zahlreichen neuen Aggregaten und Waffen.«

»Was? Ich will doch keinem zusammengewürfelten Haufen von unerfahrenen Leichtgewichten die Windeln wechseln!« Zebara seufzte, ging in die Kommunikationskabine und sah Flor über die Schulter.

Lunzie schlüpfte hinter ihm hinein. »Zeigt die Telemetrie nicht schon etwas an?« fragte sie, als sie das Echozeichen auf dem Bildschirm bemerkte.

»Ist das schon die ZD-43? Moment mal, da kommt ein Echo. Ich sehe zwei Echozeichen.« Zebara schob sie mit einer riesigen Hand zur Seite und setzte sich in den Stuhl des Telemetrieoffiziers. »Oh-oh! Pollili!« brüllte er. Seine Stimme hallte über den Hügel hinaus. Die blonde Frau mit dem breiten Gesicht erschien auf der Hügelkuppe und lief auf das Shuttle zu. »Sagen Sie mir, was das ist«, befahl er. »Könnte es irgendein FES-Schiff sein? Ein neuer Kreuzer?«

Pollili setzte sich neben Flor, als ihr Captain Platz machte. Sie warf einen Blick auf die Instrumente und führte eine Computeranalyse durch. »Auf keinen Fall. Es ist kein FES-Schiff. Es hat einen ungleichmäßigen Triebwerksausstoß, der außerdem zu stark für seine Größe ist. Ich würde sagen, es ist ein Eindringling.«

»Ein Pirat?« fragte Lunzie unwillkürlich.

»Zwei, um genau zu sein.« Zebara zog ein grimmiges Gesicht. »Sie müssen sich im Asteroidengürtel versteckt oder sich vor uns hinter die Sonne zurückgezogen haben. Wann können sie in die Umlaufbahn eintreten?«

»In einer Stunde etwa. Ich empfange auch Emissionen großer Strahlenwaffen«, sagte Pollili und deutete auf eine Anzeige auf ihrem Bildschirm. »Eine verliert soviel an Energie, daß sie ebenso eine Gefahr für das Schiff ist, das sie mit sich führt, wie für uns.«

»Werden sie landen?« fragte Lunzie beunruhigt.

»Ich bezweifle es«, erwiderte Zebara. »Wenn wir sie sehen können, dann können sie uns auch sehen. Sie wissen, daß hier unten jemand ist, aber sie wissen nicht wer oder was.«

»Verzeihen Sie mir, wenn ich auf ein kleines Problem hinweisen muß, Sir«, sagte Flor in einem bemerkenswert gleichmütigen, fast scherzhaften Ton. »Aber sie können uns aus dem Weltraum erledigen. Die ZD-43 liegt mindestens drei Tage hinter uns«, fügte sie hinzu, und ihre gesunde Gesichtsfarbe begann zu verblassen. »Wenn sie merken, daß wir hier allein sind, werden sie uns umbringen. Können wir nichts tun?«

Zebara lächelte und bleckte die Zähne.

Was hatte Bringan gesagt? – Wenn er grinste wie ein Hai, mußte man auf der Hut sein.

»Wir werden bluffen. Flor, schicken Sie noch eine Nachricht an die Zaid-Dayan. Melden Sie, daß Ambrosia von zwei Piratenschiffen umkreist wird. Sagen Sie, die Zaid soll alle Abkürzungen nehmen, die sie nehmen kann. Verlangen Sie Mehrfachsprünge. Wenn die Zaid sich nicht beeilt, wird von uns nur noch ein verkohlter Krater in der Landschaft übrig sein. Wir werden alles tun, um das Unvermeidliche so lang wie möglich aufzuschieben.«

»Und wie wollen wir das anstellen?« fragte Lunzie und wünschte, sie wäre so zuversichtlich wie Zebara.

»Wir müssen uns eben etwas einfallen lassen, Doktor. Flor, haben Sie es gesendet? Gut. Und jetzt rufen Sie über den Sammelkanal die Mannschaft zu einer Konferenz zusammen.«

 

* * *

 

»Ich möchte, daß ihr euch alle konstruktive Gedanken darüber macht, wie wir die Piraten vom Planeten fernhalten können«, begann Zebara, als sich die Mannschaft in der Messe versammelt hatte.

»Könnten diese Echozeichen vielleicht eine andere Ursache haben?« fragte Bringan, nachdem er sich geräuspert hatte.

Zebara lachte auf. »Diese Schiffe haben auf keine Grußbotschaft geantwortet, und ihr Profil entspricht keinen bekannten Schiffen in unseren Datenbanken. Und was sie ausstrahlen, deutet nicht gerade auf gut nachbarschaftliche Absichten hin. Denkt nach, Freunde. Strengt euren Kopf an. Wie halten wir sie hin?«

»Keine Black Box, was?« fragte Vir, ein dünner Mensch mit glattem schwarzen Haar und einem trübsinnigen Gesicht.

Flor schüttelte den Kopf. »Sie müßte schon seit langer Zeit abgeklemmt sein.« Ohne das Black-Box-Interface zwischen Steuersystemen und Triebwerken, das automatisch Identifikationssignale sendete, würde kein legitimes Schiff in den Weltraum aufbrechen. Wenn man es abklemmte, setzte man damit zugleich den Antrieb außer Funktion. Es war bekannt, daß skrupellose Techniker herausgefunden hatten, wie man diese Komponenten umgehen konnte, aber ein solches Schiff würde niemals in einem FES-lizensierten Raumhafen andocken dürfen.

Zebara schlug sich mit der Faust in die Hand. »Redet nicht um den heißen Brei herum. Denkt nach. Wir müssen die Piraten lang genug aufhalten, damit die Zaid-Dayan den Orbit vom Ambrosia erreichen kann.«

Eine Zeitlang sagte niemand etwas. In der angespannten Atmosphäre der Offiziersmesse wurden nicht einmal Blicke gewechselt.

»Was ist, wenn wir abheben? Könnten wir ihnen nicht entkommen?« wandte Vir sich an Wendell, den Piloten.

»Keine Chance«, sagte Wendell traurig. »Unsere Motoren bringen nicht genug Leistung, um uns für einen Warpsprung weit genug hinauszukatapultieren. Sie würden uns unterwegs erwischen.«

»Also hängen wir auf diesem Planeten fest, während die Jäger uns ins Visier nehmen«, knurrte Dondara und fuhr sich mit beiden Händen durchs staubige Haar. Er hatte die Strecke von den Teichen bis zum Schiff in dreißig Minuten zurückgelegt, nachdem er Flors Notruf erhalten hatte. Lunzie bewunderte die Kondition des Schwerweltlers außerordentlich.

Scarran räusperte sich. Mit seinen ständig geröteten Augen wirkte er abwechselnd cholerisch oder schläfrig, dabei hatte er von Natur aus ein sanftes Wesen.

»Wie war’s mit einer gefährlichen Krankheit? Wir sind alle tot oder sterben gerade daran«, schlug er mit wenig überzeugender Stimme vor. »Eine äußerst ansteckende Krankheit, für die wir kein Gegenmittel finden.«

»Nein, das würde nicht funktionieren«, spottete Pollili und zog die Brauen zusammen. »Selbst wenn sie einer Spezies angehören, die uns ähnlich genug ist, um sich anzustecken, würden sie eher unser Schiff in die Luft jagen, um den Erreger auszurotten, und danach landen, wo es ihnen paßt.«

»Wie wär’s mit einer Naturkatastrophe?« fragte Elessa. Flor und Scarran nickten. »Instabile Tektonik? Ein Erdbeben! Ein Vulkan, der in Kürze ausbrechen wird? Die Piraten haben einen Teil ihrer Sensorenkapazität für eine stärkere Bewaffnung geopfert.«

»Möglich«, sagte Pollili gedehnt. »Aber selbst die einfachsten Telemetriesysteme warnen einen, wenn man auf einem unsicheren Untergrund landen will. Und aktive Vulkane zeigen sich im Infrarot als heiße Flecken.«

»Wie wär’s mit einer feindlichen Lebensform?« fragte Lunzie und wurde von den anderen niedergebrüllt.

»Was denn, angriffslustige Frettchen?« Elessa hob die Zwergschlange mit dem schwarzen Fell hoch, die sich um ihr Handgelenk wand und mit einem hauchenden Gurren zu verstehen gab, wie wohl sie sich fühlte. »Wenn die Piraten es auf Ambrosia abgesehen haben, obwohl die FES die Existenz des Planeten noch kaum zur Kenntnis genommen hat, dann wissen sie schon, was hier unten kreucht und fleucht – außer uns. Tut mir leid, Leute.«

»Moment mal«, sagte Bringan und hob die Hand. »Lunzie hat einen vernünftigen Vorschlag gemacht, der eine Diskussion verdient. Lunzie …«

»Ich hatte ein freies Bakterium im Sinn, das in unsere Atemorgane eindringt und sie mit Schleim verstopft«, warb Lunzie für ihre Idee. »Fünf unserer Offiziere sind bereits ausgefallen. Nichts, nicht einmal Atemmasken, scheinen es ausfiltern zu können. Ich fürchte, daß es nur eine Frage der Zeit ist, bis die Männer an Sauerstoffmangel sterben. Der Organismus wurde in unseren ersten Berichten nicht erwähnt, weil er während der Wintermonate inaktiv ist. Wenn sich das Klima in den Sommermonaten aufwärmt, vermehrt sich der Erreger wie verrückt. Wir sind alle infiziert. Ich habe gerade entdeckt, daß er ins Belüftungssystem eingedrungen ist und sich in den Filtern festgesetzt hat. Ich bezweifle, ob wir mit einer verseuchten Luftwiederaufbereitungsanlage je wieder starten können. Ich stelle Ambrosia für unbegrenzte Zeit unter Quarantäne. Für einen Mediziner ist es die einzige moralisch vertretbare Maßnahme. Ich bin als Expertin sogar der Ansicht, daß die ARCT-10 in echter Gefahr schwebt, weil Zebara und Wendell an Bord waren, um der Administration Bericht zu erstatten. Ihre Lungen waren bereits kontaminiert, und die Luft, die sie ausgeatmet haben, zirkuliert jetzt im Belüftungssystem der ARCT-10. Lungen sind immer warm -zumindest solange der Wirt noch nicht gestorben ist.«

»Was? Wovon reden Sie?« fragte Vir und wurde blaß.

»Was ist dieses Bakterium?« wollte Elessa wissen. »Ich habe hier nie eines beobachtet, und ich habe alle Proben präpariert!«

»Er heißt Pseudococcus pneumonosis.« Lunzie lächelte verschmitzt. Sie freute sich über die erstaunlichen Reaktionen auf ihre kleine Lügengeschichte. »Verstehen Sie, ich habe ihn gerade entdeckt. Ein hübscher, inexistenter, aber äußerst ansteckender Erreger, der unvermeidlich zu einem schmerzhaften Tod führt. Vielleicht können wir die Piraten auf diese Weise hinhalten. Zumindest werden sie eine Weile zögern, wenn wir überzeugend genug sind.« Dann lachte sie. »Wenn wir aus dieser Sache lebend herauskommen, fragen wir besser bei der alten ARCT nach, ob jemand ins Behandlungszimmer gekrochen ist und gegen eine schwere Lungenkrankheit behandelt werden muß.«

Zebara und Bringan lachten, und als der Rest der Mannschaft merkte, daß sie nur eine Lüge ausgesponnen hatte, erhielt Lunzie allgemeinen Applaus. Das Lachen löste die Spannung und verlieh neue Hoffnung.

»Das könnte tatsächlich funktionieren«, sagte Bringan, nachdem er für einige Sekunden angestrengt nachgedacht hatte. Er gönnte Lunzie ein warmes Lächeln. »Aber könnte es nicht sein, daß die Piraten das medizinische Kauderwelsch gar nicht verstehen?«

Lunzie zuckte die Achseln. »Wenn ich euch für ein paar Minuten an der Nase herumführen kann, dann auch die Piraten. Bringan ist ja nur ein Xeno-Mediziner. Er hat die Krankheit als ein Urlaubsfieber diagnostiziert: er glaubte, das Personal habe sich nur krank gemeldet, um faul in der Sonne liegen zu können. Doch nachdem wir mit mir, einer auf Menschen spezialisierten Ärztin, hier eingetroffen waren, dämmerte mir der Verdacht, daß ein ernstes medizinisches Problem vorlag. Aber da war es bereits zu spät, um das Bakterium zu bekämpfen. Es hatte sich bereits zu sehr ausgebreitet. Und nach allem, was ich weiß, ist es auch auf der ARCT-10 freigesetzt worden.

Es tut mir zwar leid, Leute, aber ich werde eine Behauptung aufstellen müssen, die euch sicher nicht gefällt: Schwerweltler sind von der Krankheit am schwersten betroffen.« Sie mußte sich gegen heftige Proteste verteidigen, bis Zebara lautstark um Ruhe bat.

»Sie hat einen triftigen Grund, auf uns anzuspielen.«

»Ich sagte schon, es tut mir leid, Schwerweltler. Ich will euch nicht verunglimpfen, aber es ist eine Tatsache, daß die Piraterie viele Schwerweltler angezogen hat. Hört zu, ich will keinen Streit vom Zaun brechen …«

»Und ich werde ihn gleich wieder beenden«, sagte Zebara und zeigte seine Haifischzähne. Das Gemurmel verstummte augenblicklich. »Was Lunzie sagt, klingt vernünftig. Wir werden in den sauren Apfel beißen.«

»Woher wissen Sie soviel über die Planetenpiraten?« wollte Dandara wissen. Er hatte die Augen mißtrauisch zusammengekniffen.

»Ich habe mich nicht darum gerissen, so viel über sie zu erfahren. Tut mir leid.«

»Ich verzeihe Ihnen, wenn es funktioniert«, sagte Dondara, lächelte sie aber schief an.

»Ich glaube, sie hat die beste Idee gehabt«, sagte der Xenobiologe anerkennend. »Es sei denn, jemand hat sich inzwischen noch etwas Besseres einfallen lassen. Wer überbringt den Piraten die verhängnisvolle Nachricht?« Er sah Zebara an.

»Ich würde sagen, ich mache es«, erwiderte Zebara. »Damit will ich Lunzies schauspielerische Fähigkeiten nicht in Frage stellen, aber der Bericht eines Schwerweltlers wird den Piraten glaubhafter erscheinen als alles, was ein Leichtgewicht sagen könnte.«

»Mir sind solche Finten zuwider.« Mit zornigem Gesichtsausdruck sprang Dondara auf die Füße. »Müssen wir wirklich alle ehrbaren Schwerweltler beleidigen, die die Praxis der Piraterie verabscheuen?«

Mit traurigem Gesicht sah Zebara den Geologen an und schüttelte den Kopf. »Don, wir wissen beide, daß einige von Diplos Kindern in den Dienst skrupelloser Verbrecher getreten sind, damit die Bevölkerungen unserer Heimatwelten schneller anwachsen können.« Dondara wollte protestieren, aber Zebara schnitt ihm das Wort ab. »Das reicht! Solche Schwächlinge machen uns allen Schande, und die anständigen Schwerweltler sind ebenfalls mit diesem Makel behaftet, bis die wahren Schuldigen gefunden werden. Ich will an dieser Enthüllung beteiligt sein. Und diese List in ein Schritt in die richtige Richtung.« Er wandte sich Lunzie zu. »Sagen Sie mir, wie sie’s machen wollen, Doktor.«

Der Plan durchlief, wie es bei Plänen so üblich ist, beträchtliche Korrekturen, bis man sich endlich auf ein glaubhaftes Vorgehen einigte. Mit Hilfe eines Gewebesynthesizers und Flors umfangreichen historischen Datenbanken wurde Zebara als ein Attaché von Diplo hergerichtet, der Heimatwelt der Schwerweltler. An eine einfache blaue Uniformjacke brachte Flor silberne Schulterbände und einen steifen, aufrechten Kragen aus Silber an, den eine Kette zwischen zwei Knopflöchern zusammenhielt. Während Zebara angezogen wurde, studierte Lunzie mit ihm die Einzelheiten ein.

In der Zwischenzeit werkelten Flor und Wendell an der Black Box des Spähschiffs herum und versuchten das Identifikationssignal zu maskieren, abzuschirmen, elektronisch zu modifizieren oder zu stören. Keiner von beiden wagte es, in die Black Box selbst einzugreifen, was zu weiteren Problemen geführt hätte.

Mit einem prothetischen Kitt formte Bringan eine neue Nase für Zebara und verbreiterte seine Wangenknochen, um ihn einem typischen Schwerweltler ähnlicher zu machen. Lunzie staunte über das Ergebnis. Er sah jetzt genauso wie einer der dumpfen Kolosse aus, die Lunzie von der Bergbauplattform kannte.

»Zebara, sie sind in eine stationäre Umlaufbahn eingetreten«, rief Flor. »Das führende Schiff ist in sechs Minuten direkt über uns.«

Nachdem er sein Kostüm noch einmal zurechtgerückt hatte, stolzierte der Captain in die Kommunikationskabine und setzte sich vor die Kamera. Lunzie setzte sich außer Sichtweite neben Flor und sah zu, wie den beiden fremden Schiffen eine Grußbotschaft gesendet wurde.

»Warnung an die Schiffe im Orbit«, sagte Zebara mit einer kratzigen, monotonen Stimme. »Hier spricht Arabesk, Attaché Seiner Exzellenz Lutpostig dem Dritten, dem Gouverneur von Diplo. Dieser Planet ist auf Befehl Seiner Exzellenz für gefährlich erklärt worden. Die Landung ist verboten. Identifizieren Sie sich.«

Auf dem Bildschirm vor ihnen sahen Lunzie und Flor ein Muster, das allmählich konkrete Formen annahm. Es war kein Gesicht, eher eine abstrakte, computergenerierte Graphik.

»Sie können uns also sehen, wir aber sie nicht«, brummte Flor. »Das gefällt mir nicht«, fügte die Kommunikationsoffizierin verdrießlich hinzu.

Aus den Lautsprechern drang eine elektronisch verfremdete Stimme. Lunzie versuchte zu erraten, welcher Spezies der Sprecher angehörte, aber er sprach einen sehr klaren Basisdialekt ohne verräterische Eigenarten. Wahrscheinlich computergeneriert, so wie die Graphik, vermutete sie.

»Wir wissen von keinem Bann über diesen Planeten. Wir werden entsprechend unseren Befehlen landen.«

Zebara gab ein rauhes Husten von sich, wobei er nur halb mit der Hand den Mund bedeckte. »Die Mannschaft dieses Schiffs hat sich mit Bakterien angesteckt, die auf dem Luftwege übertragen werden. Pseudococcus pneumonosis. Diese Lebensform wurde in den ursprünglichen Landeberichten nicht, ich wiederhole: nicht erwähnt.«

»Lassen Sie sich etwas Besseres einfallen, Attaché. Dieser Bericht ist im Umlauf gewesen.«

Beim nächsten Mal hustete Zebara so ausgiebig, als wollte er sich die Lunge aus dem Leib keuchen. Lunzie war beeindruckt.

»Natürlich, aber Sie sollten auch wissen, daß er während der Kältezeit auf diesem Planeten abgefaßt wurde. Als das Wetter wärmer wurde, ist das Bakterium aktiv geworden, hat sich explosionsartig vermehrt und ist in jeden Bereich unseres Schiffs eingedrungen.« Um es zu unterstreichen, gab er ein brachiales Keuchen von sich.

Die Stimme klang etwas weniger mißtrauisch. »Ist für Ihren Zustand dieses Sommerbakterium verantwortlich?«

»Es befällt die Bronchien und ruft einen Zustand hervor, der mit einer Lungenentzündung vergleichbar ist. Das erste Symptom ist ein hartnäckiger Husten.« Zebara demonstrierte es mit einem dramatischen Würgen.

»Dieser Zustand hat qualvolle Erstickungsanfälle zur Folge, die zum Tode führen. Fünf meiner Mannschaftsmitglieder sind bereits gestorben.

Wir Schwerweltler scheinen wegen unseres erhöhten Lungenvolumens besonders anfällig zu sein«, fuhr Zebara fort und ließ eine Spur Panik seine Stimme färben. »Anfangs haben wir versucht, das Bakterium mit Atemmasken auszufiltern, aber es ist kleiner als ein Virus. Es läßt sich nicht fernhalten. Es gedeiht überall, wo es warm ist. Es hat sich im Belüftungssystem vermehrt, und die Filter sind so verdreckt, daß wir sie, fürchte ich, nicht ausreichend reinigen können, um wieder zu starten. Und das, obwohl die Kälte die Aktivität der Bakterium dämpfen und sie abtöten würde. Sie überleben sogar in der Lunge eines Toten, bis der Körper kalt ist.«

Die wirbelnden Farbmuster auf dem Bildschirm wurden von einem Murmeln begleitet, bis die Audioverbindung ganz abbrach.

»Zebara«, meldete sich Pollili über den Privatkanal. »Ich habe jetzt Meßwerte ihrer Schiffe vorliegen. Sie sind sehr groß. Eines ist ein voll beladener Frachtlogger, der etwa fünfhundert Tiefschläfer an Bord hat. Das kleinere Schiff ist dasjenige, das Energie verliert. Ein Begleitschiff, das über genug Feuerkraft verfügt, um diesen Planeten in Stücke zu schießen.«

»Können Sie die Lebensformen identifizieren?« fragte Lunzie.

»Negativ. Sie sind abgeschirmt. Ich empfange Wärmespuren von etwa hundert Körpern, aber meine Instrumente sind nicht empfindlich genug, um außer der Wärmeabstrahlung auch noch den Typ zu identifizieren.« Pollilis Stimme verstummte, als sich der Pirat wieder meldete.

»Wir werden diese Information berücksichtigen.«

»Ich warne Sie im Namen von Diplo«, beharrte Zebara, »nicht auf diesem Planeten zu landen. Das Bakterium kommt in der ganzen Atmosphäre vor. Landen Sie nicht.«

Zebara ließ sich in den gepolsterten Stuhl zurückfallen und wischte sich die Stirn ab. Flor unterbrach eilig die Verbindung.

»Bravo! Gut gemacht«, gratulierte Lunzie und reichte ihm ein Stärkungsmittel.

Der Rest der Mannschaft drängte sich in die Kommunikationsstation.

»Was werden sie machen?« fragte Vir nervös.

»Was er sagte. Sie werden die Information berücksichtigen.« Zebara trank einen kräftigen Schluck von dem Stärkungsmittel. »Eines ist sicher. Verschwinden werden sie wohl nicht.«

»Zuerst werden sie in ihren Datenbanken nachsehen, ob das Bakterium irgendwo erwähnt wird.« Bringan zählte mit den Fingern ab, was alles geschehen würde. »Das allein dürfte sie schon gegen die Leute aufbringen, die ihnen die Information verkauft und ein potentiell lebensgefährliches Bakterium zu erwähnen vergessen haben. Zweitens werden sie versuchen, eine Bakterienprobe zu bekommen. Ich glaube, wir werden eine unbemannte Sonde beobachten können, die den Luftraum durchkämmt und nach Proben sucht.«

»Drittens könnten sie eine Mannschaft aus Freiwilligen herunterschicken, die die Auswirkung auf lebende Wesen testet«, sagte Elessa trübe.

»Das ist durchaus möglich«, sagte Flor. »Ich werde einfach das Warnsignal auf ihrer Frequenz immer wieder automatisch wiederholen lassen. Vielleicht wird sie das ein klein wenig nervös machen.«

Ihre Finger flogen über die Konsole, und zuletzt drückte sie einen Knopf in der linken oberen Ecke. »Das war’s. Es wird ziemlich laut sein.«

Lunzie grinste. Sie war von Minute zu Minute mehr beeindruckt von der Phantasie und dem Einfallsreichtum dieser EEC-Mannschaft. »Ich kann mir nicht vorstellen, daß die ›Freiwilligen‹ Schlange stehen werden. Aber die Piraten werden bald feststellen, daß an der Sache nichts dran ist. Sollten wir uns nicht ein wenig ausruhen, solange wir noch können?«

»Also, ich habe keine Zeit dafür«, sagte Bringan. »Wenn sie nicht finden, was sie erwarten, werden sie uns auffordern, das Bakterium zu identifizieren, also sollte ich besser einen künstlichen Organismus entwerfen. Vir, du bist fleißig, du kannst mir helfen.«

»Ich helfe auch«, meldete sich Elessa freiwillig. »Ich kann ohnehin nicht schlafen, solange diese Geier über uns kreisen und jeden Moment herabstoßen können.«

»Ich werde jedem ein Beruhigungsmittel verabreichen, der glaubt, daß er sonst nicht schlafen kann«, sagte Lunzie mit einem Blick auf Zebara. Der Captain nickte.

Wer nicht mit der Entwicklung des Pseudobakteriums beschäftigt war, zog sich in seine Schlafkoje zurück und ließ die anderen über mausgesteuerten 3d-Graphikprogrammen grübeln.

Lunzie legte sich in ihre Koje und wandte die entsprechenden mentalen Techniken an, um sich soweit zu beruhigen, daß sie schlafen konnte. Sie konnte sich einige Stunden lang ausruhen, bevor die Anspannung sie wieder weckte. Die anderen hatten Wetten abgeschlossen, ob die Piraten sich noch einmal melden würden, bevor ihr Schiff eintraf.

Nach einer vierundzwanzigstündigen Galgenfrist machte sich schlechte Laune breit. Das Entwicklungsteam hatte einen Streit, der damit endete, daß Elessa aus dem Spähschiff stürmte, sich weinend hinter einen Baum setzte und zittrig ihre Zwergschlange streichelte.

Wendell machte ein Nickerchen, aber er war so angespannt, als er aufwachte, daß er Lunzie um ein Beruhigungsmittel bat. »Ich kann nicht einfach rumsitzen und warten«, sagte der Pilot und verschränkte nervös die Hände. »Aber solange die Möglichkeit besteht, daß wir starten, kann ich es mir nicht erlauben, daß ich erschöpft oder wirr im Kopf bin.«

Lunzie verabreichte ihm eine hohe Dosis eines milden Entspannungsmittels und ließ ihn mit einem komplizierten Puzzlespiel zurück, das seine Hände beschäftigte. Die meisten anderen ertrugen die Spannung sehr viel stoischer. Zebara kaute abwechselnd Mineraltabletten, trommelte zerstreut mit den Fingern auf einem Tisch herum oder verglich die Profile der Piratenschiffe mit den Computerarchiven. Er plagte Flor damit, daß er regelmäßig aktuelle Daten über die Position der Zaid-Dayan verlangte.

Die beiden anderen Schwerweltler marschierten wie Raubtiere in Käfigen durch die Gemeinschaftsräume auf und ab. Schließlich entschuldigte Dondara sich nervös. Er verließ das Schiff und fuhr in einem Schweber den Hang hinunter.

»Wohin will er?« fragte Lunzie.

»Er geht Steine klopfen«, erklärte Pollili und drehte die Handflächen zum Himmel. »Er wird zurückkommen, wenn er seine Frustration in Zaum halten kann.«

Dondara war seit fast zwei Stunden unterwegs, als Flor in der Tür des Gemeinschaftsraums erschien. Zebara hob den Kopf. »Und?«

Sie zog eine Grimasse. »Sie haben eine unbemannte Sonde gestartet. Sie zieht die üblichen Schleifen.« Dann grinste sie. »Ich habe auch eine gute Nachricht.« Alle Anwesenden hörten aufmerksam zu. »Die Nachrichtensonde hat mir soeben eine Antwort von der Zaid-Dayan übertragen. Sie sagen, wir sollen durchhalten. Sie müßten innerhalb von drei Stunden hier sein.«

Die Mannschaft brach in wilden Beifall aus, als aus dem vorderen Bereich des Schiffs plötzlich ein tiefes Piepsen tönte.

»Oh-oh«, sagte Flor. »Unsere Nachbarn von oben sind zu früh dran!« Sie machte kehrt und lief nach vom, gefolgt vom Rest der Mannschaft. Aus den Lautsprechern dröhnte eine verzerrte Stimme.

»Diplomat Arabesk. Ich will sofort mit dem Diplomaten Arabesk sprechen.«

Zebara griff nach der Uniformjacke mit dem silbernen Kragen, aber Lunzie faßte ihn am Ärmel.

»Sie können nicht mit ihnen reden, Zebara. Sie sind tot. Schon vergessen? Schwerweltler sind anfälliger. Die Bakterienseuche hat ein weiteres Opfer gefordert. Pollili, reden Sie mit ihm.«

»Ich?« winselte der Telemetrieoffizier. »Ich kann mit solchen Leuten nicht reden. Er wird mir kein Wort glauben.«

Flor knetete nervös ihre Hände. »Jemand muß mit ihm sprechen. Und zwar gleich. Also bitte.«

Lunzie zog Pollili an der Hand in die Kommunikationskabine. »Poll, das kann uns allen das Leben retten. Wollen Sie mir vertrauen?«

Die Schwerweltlerin sah sie flehend an. »Was wollen Sie tun?«

»Ich will Sie davon überzeugen, daß das, was Sie sagen werden, hundertprozentig der Wahrheit entspricht.« Lunzie beugte sich vor und legte ihr eine tröstende Hand auf den Arm. »Vertrauen Sie mir?«

Pollili warf einen verzweifelten Blick auf die piepsende Konsole. »Ja.«

»Gut. Zebara, schicken Sie bitte alle anderen für einen Moment raus?«

Der Captain nickte verwirrt. »Aber ich bleibe«, erklärte er, als die anderen gegangen waren.

»Wie Sie wünschen.« Lunzie fand sich mit seiner Anwesenheit ab. »Flor kann uns nicht hören, oder?«

Zebara warf einen Blick auf die Lampen über der dicken Quarzglasscheibe. »Nein.«

»Gut. Poll, schauen Sie mich an.« Lunzie sah der Schwerweltlerin in die Augen und machte von den mentalen Techniken Gebrauch, die sie auf Tau Ceti gelernt hatte. Sie achtete darauf, daß Flor die kleine Injektionspistole nicht sehen konnte, die sie Pollili zeigte. »Das wird Ihnen nur helfen, sich zu entspannen. Ich verspreche Ihnen, daß es nicht schädlich ist.« Pollili nickte unbehaglich. Lunzie drückte ihr den Kopf der Injektionspistole auf den Unterarm. Pollili sackte zurück, und ihre Augen wurden glasig. Flor sah von der anderen Seite der Scheibe aufmerksam zu und streckte die Hand nach einem Instrument aus. Zebara kam ihr mit einer Geste zuvor, und sie ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken.

Lunzie sprach sanft und mit gedämpfter Stimme. »Entspannen Sie sich. Konzentrieren Sie sich. Sie sind jetzt Quinada, Dienerin und Adjutantin von Ienois, Angehöriger der Kaufmannsfamilien Parchandri. Sie sind hier mit einer fünfundzwanzigköpfigen Besatzung gelandet. Acht Mann, ausschließlich Schwerweltler, sind bereits an der Bakterienseuche gestorben. Arabesk, der persönliche Stellvertreter des Gouverneurs, ist soeben verschieden. Neun Leichtgewichte, die ältesten und schwächsten, sind ebenfalls tot, und die Klone zeigen zumindest die ersten Symptome einer Infektion. Sie selbst leiden an einem hartnäckigen Husten, der immer ausbricht, wenn Sie sich aufregen. Das Bakterium kommt nur bis in eine Höhe von zehn Metern über dem Boden vor.« Lunzie wandte sich Zebara zu. »Tiefer kann eine Sonde nicht gefahrlos fliegen. Bei topologischen Abweichungen ist es möglich, daß sie an einem Baum oder einem Felsen zerschellt.« Zebara zeigte sich mit einem Nicken einverstanden.

Lunzie wandte sich wieder der Konditionierung von Pollili zu. »Die Bakterien vermehren sich in einem proportionalen Verhältnis zur Temperatur. Hier unten herrschen im Moment 22 °C, die ideale Fortpflanzungstemperatur. Sie, Quinada, haben Kontakt zu den Leuten im Tau Ceti-Sektor. Sie genießen hohe Autorität und haben es deshalb nicht nötig, sich von untergebenen Handlangern auf irgendeinem Piratenschiff Vorschriften machen zu lassen.« Lunzie gab Flor ein Zeichen, daß sie den Kanal zur Kommunikationskabine öffnen sollte. »Vergessen Sie nicht, Sie heißen Quinada, und Sie lassen sich von niemandem Märchen erzählen, schon gar nicht von schwächlichen Leichtgewichten. Wir sind Ihre Kameraden und Geschäftsfreunde. Wenn Sie Ihren richtigen Namen wieder hören, werden Sie Ihre ursprünglichen Erinnerungen zurückerhalten. Ich werde Sie jetzt berühren, und Sie werden so antworten, wie es die Umstände erfordern.«

»Wir wollen Diplomat Arabesk sprechen«, wiederholte die dünne Stimme. Pollili stand im selben Moment auf, als Lunzie sie am Arm berührte. Lunzie lehnte sich soweit zurück, daß die Kameras sie nicht erfassen konnten, und schlich weg.

»Arabesk ist tot. Wer ist am Apparat?«

»Wer spricht da?« fragte die Stimme überrascht.

»Quinada!« sagte Pollili mit großer Autorität und einiger Verärgerung.

»Wer ist diese Quinada?« fragte Zebara mit gesenkter Stimme, als Pollilis Gesicht einen finsteren Ausdruck annahm, der Quinada sehr nahe kam.

»Wie ich schon sagte«, flüsterte Lunzie und überkreuzte die Finger, als die Schwerweltlerin sich in einer Haltung vorbeugte, als wollte sie Befehle erteilen. »Sie arbeitet für einen Kaufmann, der schon über Ambrosia Bescheid wußte, zwei Wochen bevor ich Tau Ceti verließ und auf die ARCT-10 kam. Ich kann inzwischen annehmen, daß Ienois über die ARCT-10 und Alpha Centauri direkte Verbindungen zu den Piraten hat. Und weil er einer weitverzweigten Familie angehört, würde ich wetten, daß einer seiner Verwandten bei dem Phoenix-Deal die Hände im Spiel hatte.«

»Diese Quinada muß einen starken Eindruck auf Sie gemacht haben«, erwiderte Zebara gallig. »Wie haben Sie Poll in ihre Rolle versetzt?«

»Eine Disziplintechnik.«

»Jedenfalls keine, von der ich schon gehört habe. Sie müssen eine Adeptin sein. Oh, keine Sorge«, beruhigte er sie, als sie protestieren wollte. »Ich kann Geheimnisse für mich behalten. Mehr als eins, wenn Ihre Information über diesen Kaufmann der Wahrheit entspricht.«

»Muß ich euch jedes Wort einzeln in den Schädel hämmern? Ich bin Quinada«, knurrte Pollili und zog die Brauen auf eine Weise zusammen, daß sie ihrem Vorbild zum Verwechseln ähnlich sah. »Dienerin von Ienois, Senioradministrator der bedeutenden Kaufmannsfamilien Parchandri. Wie können Sie es wagen, mich in Frage zu stellen?« Es trat eine lange Pause ein, in der die Audioverbindung unterbrochen war.

»Wir kennen Ihren Herrn und wir kennen Ihren Namen«, erklärte die Stimme schließlich, »allerdings nicht Ihr Gesicht. Was tun Sie auf diesem Planeten?«

»Ich vertrete hier meinen Herrn. Ich führe meinen letzten Auftrag für ihn durch«, sagte Pollili schroff. »Mehr nicht. Arabesk ist tot, und ich spreche für die, die noch am Leben sind.«

»Wo ist Ihr Herr?«

»Die Lungenkrankheit ist gestern bei ihm ausgebrochen. Er stammt von einer schwächlichen Leichtgewicht-Sippe ab, deshalb wird er wahrscheinlich vor Ende der Woche daran sterben.« Pollili sprach den letzten Satz mit einem Anflug von Ekel aus, der ihre vordergründige Trauer überwog. Lunzie nickte aus der Ecke anerkennend. Pollilis Psyche wob das Muster weiter, das Lunzie ihr eingeprägt hatte. Glücklicherweise verfügte sie nicht über dieselbe gefährliche Veranlagung, die Lunzie an der echten Quinada so abstoßend gefunden hatte, aber trotzdem klang die Telemetrieoffizierin sehr überzeugend.

›Quinada‹ beantwortete sicher das Kreuzfeuer an Fragen, das die Stimme auf sie abfeuerte. Um ihre Aussagen zu unterstreichen, blendete ›Quinada‹ auf dem Bildschirm die genetische Struktur des Bakteriums ein, das Bringan und die anderen entworfen hatten. Sie erklärte, was sie darüber wußte. Als Pollili wußte sie eine Menge über Bakterien, aber die Persönlichkeit Quinadas, die von ihr Besitz ergriffen hatte, konnte mit den vielen biologischen Details sicher nichts anfangen.

Den Kopfhörer an ein Ohr gedrückt, winkte Flor ihren Captain aufgeregt zu sich in den schalldichten Kommandostand. »Sir, ich empfange gerade eine Live-Übertragung von der Zaid-Dayan. Sie haben einen dreifachen Sprung durchgeführt und nähern sich hinter der Sonne! Offensichtlich verfügen sie über kraftvolle neue Triebwerke. Sie werden in wenigen Minuten hier sein!«

Zebara gab Pollili durch die Scheibe ein Zeichen, daß sie weiterreden sollte.

Die Frau nickte unmerklich und löschte den Bildschirm.

»Es wird Sie vielleicht interessieren, Bürgerin Quinada«, sagte die Stimme, »daß wir atmosphärische Proben genommen und keine Spur des Organismus gefunden haben, der angeblich ihre fünf Kollegen umgebracht hat.« Die Stimme hatte einen triumphalen Unterton.

»Acht«, verbesserte ›Quinada‹ ihn. »Inzwischen haben wir acht Tote. Der Organismus schwebt maximal zehn Meter über der Oberfläche. Ihre Sonde ist nicht tief genug vorgedrungen.«

»Vielleicht ist Ihre ganze Besatzung wohlauf, und von Husten kann keine Rede sein. Wir haben keinen Unterschied in den Infrarotemissionen Ihrer Gruppe zwischen unserem ersten Gespräch und jetzt festgestellt.«

»Verdammt«, knurrte Bringan. »Ich wußte doch, daß wir etwas vergessen haben.«

›Quinada‹ wußte eine Antwort darauf. »Wir haben einige der Kranken in den Kälteschlaf versetzt. Sie registrieren die Wärmeabstrahlung der Maschinen.« ›Quinada‹ hustete qualvoll.

»Wir lassen uns nicht reinlegen«, schnaubte der Pirat. »Das Identifikationssignal Ihres Schiffes ist manipuliert worden. Wir vermuten, es ist ein EEC-, kein Parchandri- oder Diplo-Schiff. Wir haben Zweifel an Ihrer Identität, Quinada. Ihre Biodatei müßte in unserer Datenbank zu finden sein. Sofern es wirklich Ihre ist.«

Zebara trommelte nervös mit den Fingerspitzen auf den Türrahmen. Das Geräusch ging Lunzie auf die Nerven. In ihrem Innern wuchs die Anspannung. Sie zwang sich zur Ruhe, um den anderen ein Beispiel zu geben. In der Kommunikationskabine war Flor vor Angst blaß geworden. Bringan ging im Korridor unruhig auf und ab.

Unter dem Druck ihres Gegenübers fing ›Quinada‹ an zu husten. »Wenn Sie hier vor mir stünden, würden Sie es nicht wagen, mich der Lüge zu bezichtigen! Kommen Sie runter, dann werden Sie sterben!«

»Nein, Sie werden sterben. Wir werden Sie und Ihren angeblichen Erreger rösten!« Die Stimme klang schrill und triumphierend. »Wir lassen uns nicht von euch an der Nase herumführen. Wir beanspruchen diesen Planeten für uns.«

Die Mannschaftsmitglieder sahen einander erschrocken an.

»Achtung, unbekanntes Schiff.« Eine forsche Frauenstimme schaltete sich in die Übertragung ein. »Hier spricht Captain Vorenz vom Flottenkreuzer Zaid-Dayan. Mit Autorität der FES fordern wir Sie auf, sich zu ergeben und Ihr Schiff aufs Entern vorzubereiten.«

Pollili starrte auf das Wirbelmuster auf dem Bildschirm und zeigte keine Reaktion. Scarran lief zur Telemetriestation, die anderen folgten ihm.

»Da ist noch ein Echozeichen! Junge, ist die Zaid-Dayan ein Riesending«, sagte er.

Das Blinklicht, das das FES-Kriegsschiff darstellte, näherte sich dem Planeten mit hoher Geschwindigkeit von der Sonne her. Auf dem Bildschirm erschien es ebenso hell wie das Transportschiff, strahlte aber sehr viel mehr Energie ab. Neben jedem Echozeichen wurden Meßdaten angezeigt. Die Feinde erhielten offenbar dieselbe Daten, denn die beiden Piratenschiffe drehten plötzlich ab, verließen den Orbit und flogen in verschiedene Richtungen davon.

Winzige Funken sprühten, als das Begleitschiff der Piraten sich dem FES-Kreuzer näherte, während das Transportschiff zum Rande des ambrosianischen Systems beschleunigte.

»Was ist das?« fragte Lunzie und deutete auf die Blitze.

»Geschützfeuer«, erklärte Timmins. »Das Begleitschiff nimmt die ZD unter Beschuß, damit der Lugger entkommen kann.«

Das FES-Schiff antwortete mit einem Flackern seiner Geschütze, als es sich mit zunehmender Geschwindigkeit dem Piratenschiff bis auf einen Fingerbreit näherte.

»Der Lugger muß unbedingt aufgehalten werden!« rief Elessa.

»Die Zaid kann nicht beide erwischen«, erwiderte Vir.

»Mir wäre es auch lieber, wenn die ZD das bewaffnete Schiff ausschaltet. Wir sind noch nicht in Sicherheit.«

»Oh, zum Teufel«, maulte Flor. »Den Koordinaten zufolge sind die beiden Schiffe Kilometer voneinander entfernt, aber mit diesen veralteten Instrumenten bekommt man keine richtige Perspektive.«

Das Transportschiff sauste binnen Sekunden bis zum Rand des Bildschirms. Die beiden verbliebenen Echozeichen überschnitten sich. Einen Moment lang war nicht zu erkennen, welches zu welchem Schiff gehörte, dann berührte Scarran ein Bedienungselement.

»Jetzt sind sie unterschiedlich gefärbt. Das rote ist das Piratenschiff, das blaue ist die Zaid-Dayan.«

Rot entfernte sich von Blau und feuerte schnelle Lasersalven auf das größere Schiff ab. Der blaue Fleck steckte einige Treffer ein, aber nicht genug, um ihn von der Verfolgung des roten abzuhalten. Jetzt war Rot an der Reihe, mit Lasersalven beschossen zu werden. Dann stieß der blaue Punkt einen großen Lichtblitz aus.

»Ein Torpedo!« rief Scarran.

Ein winziges Echozeichen bewegte sich langsam vom blauen auf das rote Licht zu. Das Piratenschiff begann mit verzweifelten Ausweichmanövern, die offenbar nichts gegen die mechanische Intelligenz ausrichten konnten, die seine Nemesis steuerte. Schließlich mußte Rot seine Geschütze lang genug von Blau abwenden, um das Lichtpünktchen loszuwerden, das ihm unermüdlich nachsetzte.

Der Zaid-Dayan landete einen Treffer in den Triebwerksbereich des Piratenschiffs. Das rote Echozeichen pulsierte von dem Treffer, überstand ihn aber; das Piratenschiff war außerordentlich wendig. Trotzdem verringerte der FES-Kreuzer unerbittlich den Abstand zwischen ihnen.

Die Lautsprecher knisterten wieder. »Ergeben Sie sich, oder wir sehen uns gezwungen, Ihr Schiff zu zerstören«, wandte sich die ruhige weibliche Stimme an die Piraten. »Geben Sie auf. Das ist unsere letzte Warnung.«

»Wir werden euch vernichten«, erwiderte die mechanische Stimme aus dem Piratenschiff.

»Sie wollen in die Atmosphäre eindringen«, sagte Flor, und es hatte tatsächlich den Anschein, als wagten die Piraten eine letzte verzweifelte Finte, ein Spiel mit dem Tod.

»Optoscanner einschalten«, befahl Zebara.

Die Kommunikationsoffizierin schaltete einen weiteren Bildschirm ein, der nichts als den Himmel zeigte. Nach einiger Zeit konnten sie einen flimmernden Lichtpunkt ausmachen, der am nördlichen Himmel immer größer wurde.

»Kontrast erhöhen«, sagte Flor, und der Lichtfleck löste sich in zwei Punkte auf, die einander verfolgten. »Da kommen sie.«

Selbst aus tausend Kilometern Entfernung konnte die Spähmannschaft die Motoren dröhnen hören, als die beiden Schiffe in einem kontrollierten Absturz in die Atmosphäre eindrangen. Auf dem Bildschirm ähnelten sie glühenden weißen Kometen, die in einem Bogen über den Himmel zogen. Sie feuerten rote Laserblitze aufeinander ab.

»Sie kommen direkt auf uns zu!« schrie Flor.

Eine rote Flammenspitze zuckte aus dem führenden Schiff auf dem Bildschirm. Statt auf das Schiff, das es verfolgte, war der Schuß auf die Planetenoberfläche gerichtet. Von draußen waren ein lautes Zischen und eine Explosion zu hören. Felsbruchstücke flogen an der offenen Luke vorbei. Das Kraftfeld schützte die Mannschaft, aber es würde nicht lang halten. Der Geruch von geschmolzenem Fels erfüllte die Luft.

»Verdammte Piraten!« brüllte Zebara. »Evakuiert das Schiff! Sofort!« Er sprang zur Kommandokonsole, riß sie aus ihrer Verankerung und lief zum Ausgang.

»Also, mit einer Vergeltung habe ich schon gerechnet«, erwiderte Bringan und drückte sich etwas an die Brust, als er dem Captain folgte. »Alle raus!«

Der Rest der Mannschaft verzichtete darauf, das Nötigste zu retten, und stürzte gleich durch die Luke. Lunzie war schon fast unten, als ihr auffiel, daß Pollili sich immer noch nicht bewegt hatte.

»Komm schon!« rief sie in Panik. »Beeil dich! Na los – Pollili«

Die Frau sah verwirrt und ungläubig umher.

»Lunzie? Wo sind die anderen?«

»Wir evakuieren das Schiff, Poll. Komm sofort raus!« rief Lunzie und winkte ihr zu. »Die Piraten feuern auf uns.«

Die Schwerweltlerin schnellte aus der Kabine wie ein abgefeuertes Projektil. Als sie die Rampe hinunterlief, schlang sie Lunzie einen muskulösen Arm um die Hüfte und sprang mit ihr die Luke hinaus. Sie landeten im Dreck und rollten den Hügel hinunter, als ein weiterer roter Lichtblitz in eine Baumgruppe links neben dem Schiff einschlug. Der nächste Schuß war direkt auf die Triebwerke des Spähschiffs gerichtet. Lunzie rollte immer noch den Hang hinunter, als die Explosion den Boden unter ihr gut einen Meter absacken ließ. Sie landete schmerzhaft auf der Armschiene und schlitterte in den Wasserlauf am Fuß des Hügels hinein, wo sie zerschrammt und keuchend liegenblieb. Der einzige Teil von ihr, den sie nicht aufgescheuert hatte, war der Unterarm in der Schiene.

Pollili landete neben ihr. Sie schalteten ihre Hemmfeldgürtel ein und bedeckten ihre Köpfe mit beiden Armen. Das Begleitschiff der Piraten sackte mit lärmenden Motoren ab und näherte sich der Oberfläche bis auf fünfzehn Meter. Über ihre Triebwerke zuckten blaue Lichtblitze wie Elmsfeuer hinweg. Das Schiff hatte erhebliche Beschädigungen davongetragen.

Die Piraten wurden von einem derart großen Schiff verfolgt, daß Lunzie Zweifel hatte, ob es einen Absturz vermeiden konnte.

»Die Zaid-Dayan!«

Die beiden Schiffe feuerten aufeinander, während sie die Richtung wechselten, erst auf Dondaras Felstafeln zuhielten und dann wieder zur Sonne emporstiegen. Ihre Triebwerksstrahlen setzten Bäume am Rande des Plateaus in Brand. Das Piratenschiff und der Kreuzer beschleunigten sogar noch, als sie den tiefsten Punkt ihrer parabelförmigen Flugbahn erreicht hatten und wieder in den Himmel emporjagten. Sie waren in der oberen Atmosphäre verschwunden, als Lunzie und Pollili plötzlich einen gewaltigen Zug spürten, der ihnen die Luft aus den Lungen saugte, und dann einen ohrenbetäubenden Knall hörten. Mitten am Himmel explodierte ein Feuerball, der sich zu einer riesigen glühenden, mit schwarzem Rauch gesäumten Wolke ausdehnte. Die Explosion ging in ein langgedehntes Donnern über, das in einem lauten, bedrohlichen Zischen ausklang.

»Ins Wasser, schnell!« keuchte Lunzie.

Die beiden Frauen waren gerade untergetaucht, als ringsum glühende Metallsplitter niederregneten und mit scharfem Zischen ins Wasser eintauchten. Die Bruchstücke waren immer noch heiß, als sie die Hemmfelder berührten und durchdrangen.

Lunzies Lungen schmerzten allmählich, und ihr wurde schwarz vor Augen, als der metallische Regen aufhörte. Als sie schließlich das Ufer hinaufkroch, die Beine noch im Wasser, atmete sie dankbar durch.

Pollili tauchte neben ihr auf und drehte sich auf den Rücken. Wasser lief ihr aus den Haaren und den Augen. Ihre Uniformjacke war stellenweise angesengt, und auf einem Handrücken hatte sie eine üble Brandwunde.

»Es ist vorbei«, japste Lunzie. »Aber wer hat gewonnen?«

»Ich hoffe doch wir«, keuchte Pollili und blickte zum Himmel auf, als über ihnen das Dröhnen von Triebwerken anschwoll.

Lunzie rollte sich herum und blickte vorsichtig auf. Das FES-Kriegsschiff, dem der feindliche Laserbeschuß die neuen, buntlackierten Rumpfschotts angesengt und verkratzt hatte, schwebte majestätisch über das Plateau hinweg, wo das zerstörte Spähschiff gestanden hatte, und landete triumphierend.

»Ja, wir haben gewonnen«, verkündete Pollili stolz.

»Das ist das Schönste, was ich je gesehen habe«, erklärte Lunzie. »Ein bißchen angesengt, ein bißchen verkohlt, aber schön!«

 

* * *

 

Die Zaid-Dayan transportierte die Mannschaft des Spähschiffs zu einem Rendezvous mit der ARCT-10. Zebaras Leute wurden von den Flottenoffizieren als Helden gefeiert, weil sie die Pirateninvasion abgewendet hatten, bis Hilfe eingetroffen war. Vor allem Pollili wurde ausgezeichnet, weil sie ›einen Einsatz gezeigt hatte, der weit über ihre Pflichten hinausging‹.

»Man hätte sie für ihren Einfallsreichtum loben sollen«, brummte Dondara im Flüsterton.

Pollili war das viele Lob unangenehm, und sie bat Lunzie, ihr zu erklären, was sie getan hatte, daß alle sie für so brillant hielten.

»Ich habe Ihnen vertraut. Und jetzt sagen Sie mir, was Sie mit mir angestellt haben«, sagte Pollili. Als Lunzie das Geschehen kurz zusammenfaßte, sah Poll sie stirnrunzelnd an und versetzte sich für einen Moment in ihren ›Quinada‹-Zustand zurück. »Dann gebührt Ihnen ein Teil des Lobes. Sie haben sich die Finte ausgedacht.«

»Kein bißchen«, sagte Lunzie. »Sie haben alles allein gemacht. Ich habe nur Ihre latente Erfindungsgabe mobilisiert. Schreiben Sie es der Tatsache zu, daß Menschen erstaunliche Dinge leisten können, wenn sie unter Druck stehen. Genau genommen wäre ich Ihnen Dank schuldig, wenn Sie meinen Anteil überhaupt erwähnen würden.«

Pollili schüttelte den Kopf, aber Lunzie sah sie auf eine rührend flehentliche Art an. »Na gut, wenn Sie es so wünschen. Zebara sagt, ich darf Sie nicht fragen, wie Sie’s gemacht haben. Verraten Sie mir aber wenigstens, was ich gesagt habe und woran ich mich nicht erinnere, damit ich’s Dondara erzählen kann.«

Lunzie versicherte Dondara auch, daß seine Gefährtin nicht in ihre ›Quinada‹-Rolle zurückfallen konnte. Er hatte nichts mitbekommen, weil er gerade zum Spähschiff zurückgekehrt war, als es in die Luft flog. Er hatte sich in das geschmolzene Wrack gewagt und nach Spuren von Pollili gesucht. Er war sehr stolz darauf, daß seine Gefährtin als Heldin des Tages gefeiert wurde und murrte ständig darüber, daß das Computerprotokoll ihrer schaupielerischen Glanzleistung zusammen mit dem Spähschiff zerstört worden war. Lunzie war eher erleichtert als verärgert darüber und lieferte Dondara schließlich eine gekürzte Schilderung der Ereignisse.

Die anderen Mannschaftsmitglieder hatten auf ihrer Flucht nur Schrammen und leichte Verbrennungen davongetragen, die im hochmodernen Behandlungsraum der Zaid-Dayan von medizinischen Offizieren behandelt wurden. Bringans Hände und Füße waren versengt und von den Ärzten in Kältepakete eingewickelt worden. Als er aus dem Spähschiff gekrochen war, hatte er sich so um die Aufzeichnungen gesorgt, die er retten wollte, daß er vergessen hatte, seinen Hemmfeldgürtel einzuschalten. Er hatte nicht einmal bemerkt, daß er über geschmolzenen Fels kletterte, bis seine Sohlen zu rauchen anfingen. Er hatte einige Mühe gehabt, sich die Stiefel mit bloßen Händen von den Füßen zu pellen.

Zebara hatte eine lange Brandwunde auf dem Rücken, wo sich ein umherfliegendes Metallstück von dem explodierenden Spähschiff in sein Fleisch gebohrt hatte. Er lag die ersten acht Tage an Bord des Marinekreuzers auf dem Bauch in einem Krankenbett. Lunzie leistete ihm Gesellschaft, bis er aufstehen durfte. Sie rief Musikprogramme aus dem gut sortierten Musikarchiv ab oder spielte Schach mit ihm. Die meiste Zeit redeten sie einfach über alles außer die Piraten. Lunzie stellte fest, daß sie den geheimnisvollen Schwerweltler ins Herz geschlossen hatte.

»Ich werde Ihnen nicht den Schutz bieten können, den Sie brauchen, wenn wir wieder auf der ARCT-10 sind«, sagte Zebara eines Tages. »Ich würde Sie gern unter meinen persönlichen Schutz stellen, aber ich habe leider kein Schiff mehr.« Er zog eine Grimasse, und Lunzie beeilte sich, seine Bandagen zu überprüfen. Der Schwerweltler schaffte sie sich mit einem Wink vom Hals. »Ich habe eine Nachricht von der EEC erhalten. Ich habe Anspruch auf das nächste verfügbare Spähschiff, das aus der Werft kommt, aber wenn ich mein Spielzeug kaputt mache, kann ich nicht erwarten, gleich wieder ein neues zu bekommen.« Er gab ein ungehöriges Geräusch von sich.

Lunzie lachte. »Es würde mich nicht wundern, wenn man es Ihnen genau in diesem Wortlaut gesagt hat.«

Zebara wurde wieder ernst. »Ich würde Sie gern in meiner Mannschaft behalten. Die anderen mögen Sie. Sie passen gut zu uns. Um die Gefahr für Ihr Leben vorläufig zu verringern, würde ich empfehlen, daß Sie an der nächsten Mission teilnehmen, die die ARCT anbietet. Bis Sie zurück sind, dürfte es mir möglich sein, Sie dauerhaft für mich zu beanspruchen.«

»Das würde ich gern tun«, gestand Lunzie. »Ich würde auf der besten aller Welten leben, eine große Vielfalt genießen können und hätte zugleich einen Kreis verläßlicher Freunde um mich. Ich glaube, ich würde mich auf Ambrosia wohl fühlen. Aber wie schummele ich mich an den anderen Fachleuten vorbei, die schon länger als ich auf einen Einsatz warten?«

Zebara grinste sie auf seine raubtierhafte Art an. »Man schuldet uns einen Gefallen, nachdem wir ein Piratenschiff ins Verderben gelockt haben. Entweder bekommen Sie im nächsten verfügbaren Erkundungsschiff eine Koje, oder ich werde ein paar Administratoren ordentlich zurechtstutzen.« Er schlug sich mit einer mächtigen Faust in die Hand, um seine Entschlossenheit zu unterstreichen, wenn auch nicht seine Kompromißbereitschaft.