Kapitel 15

Fünf Nächte nachdem Jane ihre vorübergehende Unpässlichkeit verkündet hatte, spürte Nick, dass ihre Regelblutung vorüber war. Bei Sonnenuntergang öffnete er die Tür, die von seinem Schlafzimmer in ihres führte.

In ihrem Zimmer blieb er abrupt stehen. Er witterte ihren Duft, aber sie war nicht da. Er ärgerte sich darüber, dass sie nicht an dem ihr zugewiesenen Ort war, während er für sie bereit war. Er war früher dran als üblich, aber es war fast eine Woche her. Erwartete sie ihn etwa nicht?

Er wollte sich schon auf die Suche nach ihr begeben, als ihm eine kleine Pfütze vor der Tür zu ihrem Balkon auffiel. Ein Frühlingsgewitter war über die Gegend gekommen, eines von der kurzen, aber heftigen Art. Sie war doch wohl nicht …

Als er durch die Tür blinzelte, konnte er sehen, dass sie es doch getan hatte. Draußen auf dem Balkon stand Jane an die steinerne Brüstung gepresst. Sie trug nur ihr Nachthemd. Der Wind peitschte ihr ins Gesicht, zerrte an ihrem Haar und ihrem Nachthemd. Mit einer Hand stützte sie sich auf dem Geländer ab, die andere konnte er nicht sehen. Unter seinem Blick hob sie das Gesicht zum Himmel, als wäre sie eine Blume, die nach dem lebensspendenden Nass dürstete.

Ein Teil von ihm bewunderte die sanften Rundungen ihres Gesäßes, die von der nassen Kleidung betont wurden. Der andere wunderte sich über dieses uncharakteristisch unvorsichtige Verhalten seiner sonst so wohlerzogenen, umsichtigen Frau. Er öffnete die Tür und spürte den für die Jahreszeit zu kalten Wind. Hatte sie es nicht bemerkt?

»Kommt, Jane. Ihr werdet sonst noch krank«, rief er ihr leise zu.

Sie zuckte zusammen und drehte sich eilig zu ihm um, als habe er sie bei irgendetwas ertappt.

Seine Pupillen verengten sich aus plötzlichem Misstrauen, und er suchte den Boden hinter ihr ab. Sie konnte sich nicht heimlich mit jemandem getroffen haben. In dem kräftigen Regen konnte man kaum weiter als einen Meter sehen.

»Mein Herr«, murmelte sie bibbernd.

Er blockierte die Tür. Als er sich zurückzog und ihr zu verstehen gab, sie möge mitkommen, folgte sie ihm mit wackligen Schritten hinein. Auf ihrem Weg zum Kamin klebte ihr klatschnasses Nachthemd an ihr und schlug gegen ihre Waden.

»Mögt Ihr Stürme?«, fragte er, schloss die Balkontür und lehnte sich dagegen, um Jane zu beobachten.

»Sie erfrischen mich. Bitte entschuldigt«, murmelte sie und warf ihm einen raschen Blick zu.

Er bemerkte, dass sie ihn lieber ansah, als ihm den Rücken zuzukehren. Dabei sah es ihr gar nicht ähnlich, ihre Brüste, die durch das nasse Nachthemd durchschienen, so offenherzig zur Schau zu stellen. Sie war immer extrem darauf bedacht, ihm nicht ihren bloßen Rücken zu zeigen, schoss es ihm durch den Kopf, und er hatte auch eine Ahnung, warum.

Die Stille zwischen ihnen zog sich hin. Das Gefühl, dass sie ihm gegenüber nicht ganz ehrlich war, wurde stärker und schließlich unerträglich. Er fing an, sie zu umkreisen.

Nervös rückte sie vom Kamin ab, drehte sich so, wie er sich bewegte, und schaute ihn immerzu an.

Er strich eine lange, nasse Strähne ihres Haars über ihre Schulter zurück, wobei er eine Brustwarze freilegte, die von der Kälte ganz hart war. Er legte einen Finger unter ihre Brust und fuhr dann über die Warze. Sie keuchte, trat einen Schritt zurück und bedeckte die Stelle ihres Körpers, an der seine Hand gerade gewesen war.

»Ihr dürft im Regen stehen, wann immer es Euch gefällt«, sagte er. »Ich habe nicht vor, jeden Eurer Schritte zu kontrollieren.«

»Oh.«

Hatte sie gedacht, dass er das wollte? Nein. Was er wirklich von ihr erwartete, war eine ehrliche und vollständige Darbietung ihrer Fähigkeiten, freiwillig gegeben. Es gab Feen mit bösen Eigenschaften, die nicht auf den ersten Blick zu erkennen waren. Derartige Wesenszüge wollte er nicht an seine Kinder weitergegeben wissen. Wenn er sie jedoch nach ihren Geheimnissen fragte, würde er sie nur zum Lügen nötigen. Sie zappelte schuldbewusst, während er sie ansah, und sein Verdacht wurde stärker.

Der nächste Vollmond war in sieben Nächten – in genau einer Woche. Seine Bemühungen mit ihr würden dann Früchte tragen. Ein Kind. Es wäre verfrüht, solange er nicht sicher war, in welche Richtung ihre magischen Kräfte gingen, doch inzwischen übte sie eine enorme Anziehungskraft auf ihn aus, und er war sich nicht sicher, ob er sich dazu würde zwingen können, ihr nicht seinen Kindssamen zu schenken, wenn die Nacht der Anrufung ihn erst einmal in den Fängen hätte.

»Ich nehme an, Eure monatliche Unpässlichkeit ist überstanden?«

Sie hob den Kopf. Offenbar dämmerte ihr, dass er gekommen war, um die Erfüllung ihrer ehelichen Pflicht von ihr zu verlangen.

Ihre Finger nestelten an dem nassen Stoff herum, der an ihrem Schenkel klebte. »Ja, Signore. Gebt mir einen Moment und ich werde mich vorbereiten, Euch gebührlich zu empfangen.«

»Ihr seid hinreichend vorbereitet«, knurrte er und drängte sie zum Bett.

Protestierend schob sie ihn von sich. »Mein Nachthemd wird das Laken ganz nass machen.«

»Dann zieht es aus«, schlug er vor. »Oder ich mache es.«

»Ich dachte, Ihr wolltet mich nicht kontrollieren?«

»Nur hier, im Schlafzimmer«, gab er zu. »An anderen Orten und in anderen Angelegenheiten könnt Ihr Euch größere Freiheiten herausnehmen.«

»Ihr seid zu gütig«, zischte sie.

»Euer Nachthemd«, erinnerte er sie.

Mit Schwierigkeiten und absichtlicher Verzögerung – so nahm er an – schälte sie sich aus dem klammen Stoff. Nachdem er zu Boden gefallen war, setzte sie sich aufs Bett und rutschte ein Stück zurück.

 

Auf dem Rücken liegend, erwartete Jane ihn. Sie war erregt. Draußen auf dem Balkon hatte sie sich stimuliert – da unten. Hatte er es gesehen? Es war das erste Mal gewesen, dass sie sich auf diese Weise berührt hatte, ohne dass sie ihn zuvor zwischen ihren Schenkeln gehabt hatte. Aber heute Nacht hatte der Sturm nach ihr gerufen und sie dazu verführt. Und doch war sie nicht zum Höhepunkt gekommen. Sie war sich nicht sicher, ob es überhaupt möglich war, dieses außergewöhnliche Erlebnis zu haben, ohne dass sie zuvor mit ihm geschlafen hatte.

Die aufwühlenden Gefühle, die der Sturm und ihre eigene Hand in ihr geweckt hatten, erhitzten immer noch ihr Blut. Ihre Liebesgrotte pulsierte vor Verlangen. Würde er es merken, wenn er in sie eindrang?

Nicholas schlüpfte aus seinem Morgenrock und legte sich auf sie.

»Die Creme«, flüsterte sie. Sie war bereits feucht, aber vielleicht würde die zusätzliche Creme ihn darüber hinwegtäuschen.

»Verzeiht.« Er griff nach dem Tiegel auf ihrem Nachttisch, verteilte ein wenig von dem Gleitmittel auf seinem Penis und schob dann einen einzelnen Finger zwischen ihre Lippen, um sie zu öffnen.

Ohne weitere Vorkehrungen glitt er in sie.

Es war wie beim letzten Mal auch, aber irgendwie anders. Dieses Mal war sie nackt und fühlte die leichte Reibung seines Brusthaars auf ihren Brüsten. Dieses Mal begrüßte sie das Gleiten seines warmen Körpers an ihrem kalten. Dieses Mal schaute er ihr in die Augen.

Dieses Mal ließ sie sich fast völlig gehen.

Draußen erhellte ein Blitz den Nachthimmel. Der Wind trieb den Regen in Sturzbächen über die Fensterscheiben. Die Natur rief ihr zu, sich dem Tumult nicht zu verschließen und sich der Leidenschaft hinzugeben.

Sein Glied füllte sie an, wieder und wieder, er presste gegen ihren Venushügel und gegen ihren Kitzler. Wenn sie die Hüften anhob, nur ein kleines bisschen …

Sie kämpfte dagegen an. Wenn er ihr doch nur einen kurzen Moment gelassen hätte, um sich zu sammeln. Im Stillen ging sie lateinische Konjugationstabellen durch und erinnerte sich an mathematische Formeln. Sie brauchte ihre ganze Selbstbeherrschung, um dem Verlangen zu widerstehen, ihn zu umarmen. Sich mit ihm zu bewegen. Mit ihm zu verschmelzen.

Ihr Geist spielte ihr etwas vor, machte Versprechungen …

Nimm dir, was du von ihm willst … es wird deine Abartigkeit nicht verstärken … heb die Hüften nur ein wenig an …

Und dann füllte plötzlich eine andere Stimme ihre Gedanken, tief und männlich.

Ja. Heb die Hüften nur ein wenig an. Schling die Beine um mich. Beweg dich mit mir …

Sie riss die Augen auf und starrte auf die Lippen ihres Mannes. Kein Wort war über sie gekommen, und doch hatte sie ihn klar und deutlich gehört. In ihrem Kopf. O Gott!

Sie verschmolz mit ihm! Ihre Haut war heiß und rot geworden, wo sie ihn berührte. Jeder ihrer Sinne war stärker geworden, auf ihn eingestellt. Sie taumelte … nein!

Sie drückte die Hände flach auf seine Brust und widerstand. So dumm! Sie verschmolz nur noch mehr.

Er küsste ihr den Widerstand von den Lippen. Sein Atem wurde zu ihrem, ihre Zungen tanzten. Als der Schweiß auf ihrer Haut sich mit seinem vermischte, vermischten sich auch ihre Gefühle und offenbarten, was sie voreinander verbargen.

Er trug eine schwere Last, aber er war es gewohnt und stark genug – und willens genug – sie allein zu tragen.

Sie konnte ihn trösten. Sich um ihn kümmern. So leicht …

Lass mich die Last von deinen Schultern nehmen, Mann. Du musst sie nicht allein tragen. Teile sie mit mir.

Er wurde leidenschaftlicher. Sein dunkelblauer Blick bohrte sich in ihren. Seine Versprechungen durchschnitten ihren Geist …

Teile deine Geheimnisse mit mir, Frau. Ich passe auf sie auf und beschütze dich.

Leidenschaft überkam sie. Ja, sie wollte ihm alles sagen. Wollte auch diese Last mit ihm teilen. Wollte, was er ihr anbot. Wollte ihn …

Ja. Sag nur, dass du mich eines Tages vielleicht lieben wirst, Mann.

Seine Gedanken flohen und entfernten sich. Stille.

Ihre flogen weiter.

Dann befriedige deine Lust, aber lass mich ganz.

Er schrie unterdrückt auf und stieß tief in sie. Sie hatte ihn überrascht, hatte ihn dazu gebracht, zu kommen, bevor er es eigentlich gewollt hatte. Sein nasses Begehren überschwemmte sie, und sie ertrank in seiner einsamen Lust.

Als er sie in dieser Nacht verließ, verschwendete sie keinen Gedanken daran, sich selbst zu befriedigen. Sorgen hüpften in ihrem Kopf herum wie Kaninchen. Sie hatte gedacht, dass ihre Fähigkeit, mit Menschen zu verschmelzen, nachgelassen hatte, und doch war sie nie zuvor so schnell und so umfassend mit einer anderen Person verschmolzen. Danach hatte keiner von ihnen ein Wort darüber verloren, aber es würde jetzt immer zwischen ihnen sein.

Sie setzte sich auf, zog eine Schulter vor und begutachtete die Region unter ihrem Schulterblatt. Ihre Finger kämmten durch die fedrigen Daunen, die sie dort vorfand. Bildete sie sich das nur ein, oder wuchs es tatsächlich schneller als zuvor?

Was würde er tun, wenn er ihr Geheimnis entdeckte? Wenn er herausfand, was sie war? Würde er sie verstoßen? Sie aus seinem Haus werfen?

Ihre Tante würde keine Ruhe geben, bis er ihr sagte, warum er es getan hatte. Ihr vernichtender Blick würde dann Emma treffen. Janes Herzschlag setzte kurz aus und raste dann weiter.

Sie durfte nicht wieder mit ihm verschmelzen. Sie musste so tun, als wäre heute Nacht nie passiert, und musste weiter vor ihm verbergen, in was sie sich verwandelte. Nur so konnte sie Emma beschützen.

Ihr Nähkorb. Sie fand ihn auf der Frisierkommode und holte eine Schere heraus.

Sie musste sich ganz schön verdrehen, um im Spiegel die kurzen Flügel zu sehen, die sich zierlich auf ihre Schulterblätter legten.

Behutsam fing sie an, sie zu stutzen.