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Sie fuhren wieder durch Forres. Auf der High Street sah Winter ein Plakat, das er vorher übersehen hatte: Nairn International Jazz Festival. Jane Monhett, David Berkman Quartet, Jim Galloway, Jake Hanna. Das war vor zwei Wochen gewesen.
Das Polizeirevier lag an der südlichen Ausfahrt, gegenüber vom Ramnee Hotel, das wie ein kolonialer Herrensitz aussah. Hier ist aber auch alles viktorianisch, dachte Winter.
Nur das Polizeirevier war nicht viktorianisch, es war im Bunkerstil erbaut. Ein Jugendlicher spielte auf dem Rasen davor mit einem Ball, kickte ihn eins-zwei-drei-vier-fünf Mal in die Luft. Auf dem Schotterplatz parkte ein Einsatzwagen. Auf dem schwarzen Lack stand in weißen Buchstaben Crimestoppers. Da könnte genauso gut Ghostbusters stehen, dachte Winter. Jedenfalls, wenn Steve und ich darin herumfahren. Wir jagen Gespenster.
Es war nicht zu erkennen, ob die Autoscheiben getönt oder nur dreckig waren. Es war windig auf dem Platz. Der Herbst war da.
Winter wusste, dass Steves Onkel hier Polizist gewesen und erst kürzlich in Pension gegangen war.
»Als Jugendlicher hatte ich mal eine ziemlich wilde Phase«, hatte Macdonald im Auto erzählt. »Onkel Gordon hat mich einmal diskret aufgelesen, in dem Viertel südlich von High, und danach habe ich mich gefangen.«
»Was hast du getan, Autos geklaut?«
»Da ist nichts in irgendwelchen Akten gelandet«, hatte Macdonald geantwortet, mehr nicht. Winter hatte nicht weiter gefragt. Was immer es gewesen sein mochte, vielleicht hat es ihn zum Polizisten gemacht, zu einem guten Polizisten, hatte er gedacht.
Dort drinnen erhob sich eine Frau hinter einem Schreibtisch. Er stand vorm Tresen, der teilweise aus Stahl war. So was hab ich noch nie gesehen, dachte Winter. Holz und Stahl. Die Frau trug eine schwarze Uniform. Sie musste dem Pensionsalter nah sein. Winter sah ihre kräftigen Oberarme. Hinter ihr stand eine Tür offen.
Sie erkannte Macdonald nicht. Er grüßte und stellte sich vor und fragte nach einem Namen.
»Oh, it's you!«, sagte sie enthusiastisch. »Jake has told us about you comin' here.«
»Just a wee short stop«, erwiderte Macdonald.
»Local laddie make good«, sagte sie und sah stolz aus.
»Hows't down in the Smoke?«
»It's smoky«, sagte Macdonald, und die Frau lächelte mit ihren schottischen Zähnen.
»How's things 'ere?«, fragte Macdonald.
»Pretty quiet since you left town, my lad«, antwortete sie und lächelte wieder, »from what I've heard.«
»Seitdem hab ich versucht, mich anständig zu benehmen«, sagte Macdonald.
»Das ist alles verjährt«, sagte eine laute Stimme aus der Türöffnung. Ein Mann schob sich mit einiger Mühe in den Raum, er war ungefähr genauso breit wie die Tür und etwas kleiner.
»Hello, Jake«, sagte Macdonald.
»Hello, my boy«, sagte Kommissar Jake Ross, begrüßte ihn mit Handschlag und versetzte ihm den traditionellen Faustschlag auf die Schulter oder den Brustkorb.
Macdonald stellte Winter vor. Ross führte sie in sein Büro. Durch das Fenster konnte Winter den Jungen mit dem Ball spielen sehen. Ross war seinem Blick gefolgt.
»Kommt jeden Tag hierher«, sagte Ross. »Ich weiß nicht, ob er uns etwas sagen will.«
»Vielleicht, dass er dabei ist, den Ort zu verlassen«, sagte Macdonald. »Vielleicht will er nach Parkhead oder Ibrox.«
Winter wusste, dass Macdonald die Arenen der beiden Glasgower Fußballclubs meinte. Es gab zwei große Fußballvereine im Land, der eine war katholisch, der andere protestantisch. Es gab eine Wahl, aber die war getroffen worden, bevor die Spieler geboren wurden. Bei Celtic Glasgow hatte es protestantische Spieler gegeben, aber das war kompliziert in einem Club, der unter seinen Anhängern die fanatischsten unter den katholischen Freiheitskämpfern in Nordirland hatte. Celtic war Nordirlands Club, das Feinste, was es gab. Die Fähren waren voll, wenn Celtic und die Glasgow Rangers sich beim Glasgowderby The OldFirm trafen.
Macdonald war Katholik, aber nur auf dem Papier. Sein Club war Charlton Athletic unten in the Smoke's gottvergessenen südöstlichen Stadtteilen.
»Der Junge ist wahrscheinlich Protestant«, sagte Ross, wandte sich vom Fenster ab und zeigte auf zwei Sessel, die wie zusammengesunken neben einem Rohrtisch standen.
»Ich hab mit Craig in Ness gesprochen«, sagte er.
»War es das erste Mal?«, fragte Macdonald.
»Also hör mal, Steve. Ich mag diesen Engländer vielleicht nicht, aber wir sind hier doch alle professionell, oder?« Ross sah Winter an. Der nickte zustimmend. Ross holte eine Flasche Whisky hervor und schenkte professionell drei Gläser ein.
»Not bad«, sagte Macdonald nach dem ersten Schluck. Winter hielt die Flasche hoch: Dallas Dhu 1971. Er probierte. Ross beobachtete ihn.
»Well?«, fragte er.
»It is ... almost chewy«, sagte Winter.
ROSS sah Macdonald an und dann wieder Winter.
»You've had this b'fore, my lad?«, fragte Ross.
»No«, sagte Winter. Er behielt den Alkohol im Mund und schluckte ihn dann hinunter.
»Isn't there some dark . chocolate and a . dash of bitter on the palate?«, fragte Winter.
»There certainly is, there certainly is«, antwortete Ross und lächelte. »Why don't you start working for me, laddie? We could use professional people up here.«
»Professional drinkers«, sagte Macdonald.
»The finish, the finish?«, fragte Ross, der nicht auf Macdonald geachtet hatte.
Die nächste Prüfung. Winter zögerte mit der Antwort, dachte nach.
»Smooth, of course. Dry and very long. Kind of oak-sappy. But it also goes with that . flowery sweetness that still lingers in the nose.«
»YES«, sagte Ross und hob sein Glas. »You've got the job.«
»The distillery is unfortunately closed«, sagte Macdonald.
»You're drinking history here, my lads«, sagte Ross mit einer Miene, die fromm geworden war, protestantisch oder katholisch, das war egal, wenn es um Maltwhisky ging.
Macdonald erzählte die traurige Geschichte, als sie die A940 nach Süden fuhren. Dallas Dhu Distillery, die eine halbe Meile vor ihnen lag, war 1983 geschlossen worden, tatsächlich am hundertsten Geburtstag, von The Distillers Company. Mehrere der älteren und kleinsten Destillerien in Speyside verschwanden.
Jetzt gab es nicht mehr viele Flaschen Dallas Dhu.
»Was bedeutet >Dhu<?«, fragte Winter.
»Schwarz«, sagte Macdonald, »oder dunkel in diesem Fall. Eigentlich ist es dasselbe gälische Wort wie >Dubh< in Macdubh, MacDuff.« Er bog in eine kleine Landstraße ein. »Und der Name Dallas ist gälisch und heißt Tal und Wasser.«
Jetzt fuhren sie durch Täler. Winter sah Wasser. Es gab Wälder, aber sie waren klein, wie eine Ansammlung von Bäumen. Die Bäume sahen aus, als könnten sie sich jeden Augenblick fortbewegen.
Winter sah das Schild der Destille.
»Interessanterweise hat Historic Scotland ein gigantisches Museum daraus gemacht«, sagte Macdonald und fuhr langsamer. »Es ist das Einzige seiner Art in Schottland. Und die Ausstattung ist die ursprünglich viktorianische. Dort gibt es keine Elektrizität.«
Wieder viktorianisch. Winter hatte eine andere Zeit vor Augen. Pferde, Reiter, ein anderer und stärkerer Duft in der Luft.
»Es ist sinnlos, jetzt runterzufahren«, sagte Macdonald.
ROSS hatte erzählt, dass Dallas Dhu Distillery dienstags geschlossen hatte. Er hatte gesagt, er könnte trotzdem einen Besuch möglich machen. Macdonald hatte Winter angeschaut. Hatten sie Zeit? Eigentlich nicht. Sie waren auf dem Weg nach Dallas und Aberdeen, vielleicht zu anderen Orten.
»Das machen wir nächstes Mal, Jake«, hatte Macdonald gesagt.
»Ross hat Pläne, die Destille zurückzukaufen«, sagte Macdonald und fuhr eine scharfe Kurve. »Tatsächlich schon ziemlich weit gediehene Pläne.«
»Hat er deshalb gemeint, dass er mir einen Job geben will?«, fragte Winter.
»Man kann nie wissen.« Macdonald lachte. »Interessiert?«
»Man kann nie wissen«, sagte Winter.
»Da unten ist eigentlich alles in Ordnung«, sagte Macdonald. »Es würde nur vier oder fünf Wochen dauern, um das Ding wieder ins Laufen zu bringen.«
»Mhm.«
»Hoffentlich schafft Ross es. Der Whisky ist wirklich sehr gut.« Er machte eine Handbewegung. »Es ist das Tal, das Wasser und der Wind. Das Korn gedeiht auf besondere Weise in dieser Gegend.«
»Ich würde gern einige Flaschen kaufen«, sagte Winter.
»Das machen wir auf dem Heimweg«, sagte Macdonald.
So ein Heimweg würde es nicht werden.
Winter sah wieder eine Ansammlung Bäume, wie ein Zug auf dem Weg zum Schloss.
Rundherum sah es friedlich aus, aber dies war eine gewaltsame Gegend, wild. Im Wind war ein Wahnsinn. Steve hatte von all den gewaltsamen Männern erzählt, die es pro Quadratkilometer in Moray und Aberdeenshire gab und gegeben hatte. Unter der Erde floss Blut.
Sie umfuhren Branchill in einem weiten Bogen. Macdonald spielte Little Milton sehr laut, einen anderen der vergessenen schwarzen Meister. Let Me Down Easy: I gave you all my love, don't you abuse it, I gave you tender love and care, oh baby don't you misuse it. Er hatte Joe Simon gespielt, O.V.Wright.
Sie kamen an einer schwarzen Kirche vorbei, die hinter einem schwarzen Friedhof auf einem niedrigen Hügel stand. Macdonald stellte die Musik leiser. Winter sah das Schild am Straßenrand: Dallas. Zu beiden Seiten lagen niedrige Häuser, kleine Villen mit verputzten Wänden, die hier und da Risse hatten. Das vierte Gebäude rechter Hand war eine geschlossene Tankstelle. Auf dem »Valiant«-Schild war ein Bild vom Prinzen. Die Zapfsäulen standen noch da, wie aus einem verrosteten Film aus den fünfziger Jahren. Ein Wohnwagen stützte sich gegen das Gebäude, das keine Fenster mehr hatte. Überall lag Gerümpel herum. Das Bild erinnerte Winter an die Werft in Buckie.
Schräg gegenüber war Dallas Village Shop & Post Office. Macdonald parkte das Auto, und sie stiegen aus. Er warf einen Blick auf die Ruinen der Tankstelle und sah dann Winter an.
»Der erste Eindruck ist entscheidend«, sagte er und machte eine Kopfbewegung über die Gegend.
»Früher hat das sicher anders ausgesehen«, sagte Winter, »und mir gefällt die Melancholie.«
»Es war auch melancholisch, als die Zapfsäulen noch funktionierten«, sagte Macdonald.
Winter sah die Straße hinunter. Dallas bestand aus einer geraden Straße, mit je einer einzigen Häuserreihe zu beiden Seiten. Das war alles. Die Assoziation war naheliegend.
»Sieht ja aus wie im Wilden Westen«, sagte er.
»Stimmt«, entgegnete Macdonald.
Winter nahm Brandgeruch wahr. Er hörte keine Geräusche, und dann hörte er Hundebellen. Menschen waren nicht draußen. Hundert Meter entfernt parkten drei Autos. Winter meinte jetzt, einen Zementmischer anlaufen zu hören. Es war zwei Uhr nachmittags, die Sonne brach durch, und es wurde plötzlich warm. Um die Talsenke herum konnte Winter Berge sehen.
»Jetzt kann ich dir ja auch unseren Supermercado zeigen«, sagte Macdonald, »wo du die Tankstelle schon gesehen hast.« Er machte einen Schritt. »Dann hast du alles gesehen.«
Der Dorfladen, der gleichzeitig Poststelle war, war ein kleiner Bungalow aus roten Ziegeln, und er war geschlossen. Im Fenster hing ein Schild, auf dem stand Dallas - the Heart of Scotland und darunter die Öffnungszeiten: 10-1, 4-6.
»The heart is closed for us«, sagte Macdonald.
Durch das Fenster sah Winter einen Stapel Konserven, einen Stapel Zeitungen, Bonbons, einen kleinen Tresen und eine kleine Kasse.
Sie gingen zurück in den Sonnenschein und setzten sich ins Auto. Macdonald fuhr die Straße hinunter, und das dauerte zwei Minuten. Sie kamen an einem Neubau vorbei. Der Zementmischer, den Winter gehört hatte, lief. Die drei Männer drehten sich nach dem Auto um. Macdonald streckte den Arm durch das geöffnete Autofenster. Einer der Männer hob die Hand.
Sie ließen Dallas hinter sich und hielten an einer Kreuzung.
Das war das Ende der Welt. Wenn Winter an einem Ort gewesen war, der das Ende der Welt vorstellen sollte, dann war es hier. Das Ende war hier. Der ... ironische Name. Das spielte auch eine Rolle. Ein wilder Name, hier wie da. Dallas. Dallas, Texas. Dallas, Moray. Dallas, Schottland. Ihm fiel der Film Paris, Texas ein. Dasselbe Gefühl von trauriger Ironie, ein Spiel mit Assoziationen von Namen, die für ganz andere Dinge standen. Oder nicht.
Die Einsamkeit. Die Stille, die er hörte, war die Einsamkeit. Macdonald bog an der Kreuzung links ab. Winter sah ihn rasch an. Hier ist Steve aufgewachsen. Ein Cowboy aus Dallas. Steve hatte vor drei Sekunden gesungen: »Old Macdonald had a farm, iyah, iyah, hey.« Er musste viel von dieser Einsamkeit in sich haben. Bevor er zu alt wurde, würde er zurückkommen.
Mit Jake Ross die Dallas-Dhu-Destille betreiben.
The two Professionals.
Oder the three Professionals.
War ihm, Winter, nicht ein Job angeboten worden?
Macdonald war einige hundert Meter auf der etwas breiteren B9010 gefahren. Jetzt waren sie oberhalb von Dallas, auf einer Höhe, die durch Dallas Forest führte und Hill of Wangie hinauf. Winter konnte die Straße dort unten sehen. Rechts sah er einen Hof, fünfzig Meter von der Landstraße entfernt. Macdonald zeigte hinüber. Links unten auf einem flachen Feld stand eine merkwürdige Steinformation, die an Raukar, diese Kalksteinfelsen auf Gotland erinnerte.
Macdonald sah seinen Blick.
»I think it looks strange, too.«
Er bog nach rechts in einen Schotterweg ein, fuhr zum Wohnhaus hinauf und hielt an. Auf dem Grundstück gab es mehrere Gebäude. Hühner liefen auf dem Hof herum. In einem Hundezwinger sah Winter drei Jagdhunde. Die Hunde hatten nicht ein einziges Mal gebellt. Neben einer Stallwand standen zwei moderne Fergusontraktoren mit lehmigen Hinterrädern.
Gegen eins der Traktorenräder lehnte ein Golfcaddie.
Winter sah Schlägergriffe, die sich gegen den Kuhmist am Reifen spreizten. Vielleicht kein gewöhnlicher Anblick auf einem Bauernhof im schwedischen Hinterland. Aber hier. Die Leute hier spielten Golf, wie die Schweden einen Spaziergang durch die Natur machten. Entlang der Straßen in Schottland hatte Winter viele Golfspieler gesehen, Männer, Frauen, in Tweed, in Lumpen, alte, junge, gesunde, behinderte, im Rollstuhl, wie etwas aus Golfgeschichten von P. G. Wodehouse. Und jetzt -Golfschläger und Mist. Ein Mann kam aus dem Stallinnern. Er trug einen Cowboyhut.
»This is it«, sagte Macdonald und schaltete den Motor aus und Little Milton wurde mitten in einem neuen Beziehungsproblem unterbrochen.
Lucinda Williams wurde mitten in einem Trostversuch unterbrochen. Blue is the color of night. Halders stellte den CD-Spieler ab, als das Telefon schrillte. Er hatte vergessen, die Lautstärke herunterzustellen.
»Die Jungs sind jetzt hier«, sagte Aneta Djanali.
»Gut.«
»Es ist noch mehr passiert.« »Was?«
»Forsblads Schwester hat eben angerufen.« »Hat sie deine Nummer?«, fragte Halders. »Ich hab sie ihr gegeben.«
»Hmh.«
»Wichtiger ist, was sie gesagt hat. Sie hat gesagt, sie will mit mir über >Sachen reden, die Sie nicht wissen<, wie sie sich ausdrückte.«
»Sie will also ihrem Bruder den Rücken stärken«, sagte Halders.
»Sie hat mich auch gefragt, ob ich Anette in den letzten Tagen getroffen habe.«
»Ja?«
»Ob ich weiß, wie sie aussah«, sagte Aneta Djanali. »Was soll das bedeuten?«
»Das bedeutet, dass ich zu ihr fahre und mir anhöre, was sie mir erzählen will«, antwortete Aneta Djanali.
»Hast du versucht, Anette zu erreichen?«
»Bei keiner der Nummern meldet sich jemand.«
»Bitte einen der Jungs, dich nach Älvstranden zu fahren«, sagte Halders.
»Ja.«
»Und lass ihn vor dem Haus warten, während du mit der Tussi redest.«
»Ich werde sie fragen.«
»Wer ist denn bei dir?«, fragte Halders. »Lass mich mal mit einem reden.«
»Neben mir steht Beilner und hört zu«, sagte Aneta Djanali. »Frag ihn ganz lieb.«
»Na klar, was denkst du denn?«, sagte Halders und wartete auf Beilners Stimme.
»Jetzt tu schön, was er dir sagt, falls das nicht zu viel verlangt ist«, sagte Halders, nachdem Beilner sich mit seiner freundlichen Stimme verabschiedet hatte.
Susanne Marke-Forsblad wirkte erregt, oder wirkte das nur so in dem Licht, das so nah am Fluss nie natürlich war mit Allen Lichtern der Stadt vom anderen Ufer? Das Licht flackerte über ihr Gesicht wie nervöses Muskelzucken. Im Fenster hinter ihr sah Aneta Djanali eine der DänemarkFähren vorbeifahren. Sie schien nur zehn Meter entfernt zu sein.
»Anette hat mich angerufen«, sagte Susanne Marke.
Aneta Djanali stand noch im Flur. Beilner und Johannisson warteten im Treppenhaus, wenigstens während der ersten Minuten. Die Tür stand offen.
»Sind Sie allein?«, fragte Aneta Djanali.
»Allein? Natürlich bin ich allein.«
»Was wollte sie?«
»Ihr Vater hat sie wieder geschlagen«, sagte Susanne Marke. »Wieder.«
»Ihr VATER?«
»Ja.«
»Und . wieder?«
»Haben Sie nicht begriffen, dass das der Hintergrund ist?«, sagte Susanne Marke.
»Warum haben Sie das nicht eher gesagt?«, fragte Aneta Djanali, die immer noch im Flur stand.
»Anette wollte es nicht.«
»Warum nicht?«
»Ich weiß es nicht.«
»Wo ist Anette jetzt?«
»Unten am Meer.«
»Allein?«
»Ja, was denken Sie denn?«
»Wo ist ihr Vater?« »In der Stadt.« »Wo in der Stadt?«
»Das weiß ich nicht. Aber er ist nicht . da unten. Darum ist sie hingefahren.«
»Dorthin gefahren? Wie?«
»Mit meinem Auto«, sagte Susanne Marke. »Sie hat mein Auto geliehen.«
»Wo ist Ihr Bruder?«
»Ich weiß es nicht.«
»Ist er nicht mit ihr gefahren?«
»Nein, nein.«
»Es ist wichtig, dass Sie die Wahrheit sagen.«
»Wahrheit? Wahrheit!? Was wissen Sie denn von der Wahrheit!?«
»Jetzt verstehe ich nicht ganz«, sagte Aneta Djanali.
»Sie glauben, dass . Hans . Anette verfolgt. Aber Sie wissen nichts.«
»Dann erzählen Sie mir die Wahrheit.«
»Hans . hat vielleicht . so seine Seiten. Vielleicht . wirkt er komisch, eigen.«
Aneta Djanali sah das Licht auf dem Gesicht der Frau kommen und gehen.
Warum hatte Anette geschwiegen?
Da ist etwas anderes. Mehr. Ein anderes Schweigen.
»Ich hab in dem Haus am Meer angerufen. Es hat sich niemand gemeldet«, sagte Aneta Djanali.
»Sie ist dort«, sagte Susanne Marke.