12
Sie waren nicht knausrig, daß mußte man ihnen lassen.
Sie servierten ein ordentliches Mahl mit einer großen Auswahl an Gemüsen und Obst, dazu wurde ein für die Gegend typisches, leichtes Bier ausgeschenkt – na ja, zumindest wurde die braune Flüssigkeit als Bier bezeichnet. Es schmeckte ziemlich schal und hatte eine winzige Schaumkrone, als wäre es mit Wasser gestreckt worden. Zum Nachtisch gab es Palines. Wir aßen in der Wachstube, und als sich die Sonnen hinter die westlichen Hügel zurückziehen wollten, trat Lord Jazipurs Mann ein.
Hikdar Tygnam begrüßte ihn mit gebotener Vorsicht und stand sogar auf. Ich blieb sitzen und genoß die frischen, saftigen Palines.
Der Bursche gehörte zu der Sorte, die sich in die Nischen der Gesellschaft einschleichen und aus dem Klatsch winzige, wertvolle Informationshäppchen herausschnüffeln konnte. Er trug ein tristes, lohfarbenes Gewand – keinen Shamlak – und einen dreiviertellangen Umhang, den er zurückgeschlagen hatte. Er war mit drei Schwertern und einem übertriebenen Dolcharsenal bewaffnet. Er war ein Apim mit einem glattrasierten, schmalen Gesicht, dessen Mund tiefe Falten aufwies, die sich bis zum Kinn herunterzogen. Der federlose Hut paßte zu ihm; er hatte eine breite, nach unten gezogene Krempe.
Er stellte sich als Naghan vor – Naghan der Ordsetter.
»Meine Männer warten draußen. Bringen wir es hinter uns.«
Hikdar Tygnam war sichtlich erleichtert, daß er sich nicht in die aus den Nähten platzenden Armenviertel zwischen den Hügeln begeben mußte.
Er wünschte mir ein höfliches Remberee, und wir schritten in das grüne und rote Zwielicht. Es hatte vorhin geregnet, und die Luft auf dem Großen Hügel roch süß.
»Amak Dagert und seine Männer haben ihre Hilfe angeboten.« Naghan der Ordsetter hatte eine seltsam piepsige Stimme. »Er wird uns von Nutzen sein, falls sein Mann den Aufenthaltsort dieses Fristle kennt.«
Eine Antwort erübrigte sich. Dagert von Paylen und Palfrey stießen an der Seilbahnstation mit ein paar Mann zu uns. Wir mußten nach Norden, zu Rondjas Hügel. Bis auf Palfrey, der aufgeregt erklärte, daß wir von dort weiter zu Sturgies Hügel mußten, schwiegen alle, als wir in die Kabine stiegen. Die Räder surrten über das Tragseil, und die Brise wehte in die offenen Fenster. Andere Calimer fuhren an uns vorbei und schaukelten sanft an den Tragseilen, die sich von Hügel zu Hügel erstreckten.
In der ganzen Stadt wurden Lampen entzündet. Ihr Funkeln erinnerte an Irrlichter. Als wir die schmalen Tragseile entlang durch die Luft schaukelten, konnte ich mich der Atmosphäre des ganzen Unternehmens kaum entziehen – irgendwie hatte sie die Unwirklichkeit eines Traumes.
Ein Schweber schoß aus dem Himmel, flog dicht an uns vorbei und hielt auf Rondjas Hügel zu. Nur die kleinen Positionslichter brannten. Die Kabine legte sich in die letzte Kurve vor der Haltestelle.
Das Gebäude war bei weitem nicht so aufwendig wie sein Gegenstück auf dem Großen Hügel, doch es hatte seinen eigenen architektonischen Reiz. Eine kleine Gruppe Leute wartete schon darauf, unsere Kabine besteigen zu können. Wir stiegen aus – eine Gruppe in dunkle Umhänge vermummter Männer – und überquerten schnell den Kyro. Er mündete in einer breiten Straße, die uns zur nördlichen Haltestelle bringen würde. Dort wartete schon der Calimer zu Sturgies Hügel.
Palfrey plauderte drauf los, und Dagert von Paylen knurrte: »Halt den Mund!«
Die Wolken war weitergezogen, und am Himmel glitzerten die Sterne. Der nächste Abschnitt der Fahrt glich dem ersten in jeder Hinsicht. Die Kabine schaukelte durch die Nachtluft und passierte die Lichter der Stadt, die entlang der tief unter uns befindlichen Kanäle immer weniger wurden.
Die Haltestelle wurde von einer einsamen Lampenreihe erhellt und sah verlassen aus. Die Kabine berührte die Rampe und kam mit einem Ruck zum Stehen. Die Tür öffnete sich, und wir stiegen aus, dabei behielten wir die enge Formation bei.
Plötzlich ertönte ein lauter Knall, dem andere folgten. Im nächsten Augenblick standen wir inmitten einer stinkenden, schwarzen Rauchwolke. In der Sekunde, bevor uns die Sicht endgültig geraubt wurde, sah ich einen Tontopf, der durch die Luft geflogen kam, auf den Steinplatten zerschellte und sengenden, undurchdringlichen Rauch entließ. Ein riesiges Durcheinander entstand; Männer schrien und wedelten mit den Händen vergeblich gegen den Qualm an. Ich stieß mit jemandem zusammen und versuchte gleichzeitig, das Gleichgewicht nicht zu verlieren und den Mann festzuhalten.
Eine Hand schloß sich um meinen Oberarm. Ich wollte herumwirbeln und dem Angreifer einen Hieb versetzten, doch da vernahm ich eine leise, gepreßte Stimme, die drängend in mein Ohr flüsterte. »Majister! Jis... hier entlang!«
Diese Stimme kannte ich. Ich entspannte mich. Welchen Verlauf die Ereignisse nun auch immer nehmen sollten, am besten ließ ich es geschehen und kümmerte mich später um die Folgen. Die Hand führte mich zielsicher durch den Qualm. Der Stimmen der fluchenden Männer wurden leiser. Dieser verdammte Rauch biß in Augen und Nase. Er hüllte die ganze Haltestelle ein.
Meine Augen tränten, bei Krun. Man zerrte mich weiter, und obwohl ich wegen der Tränen kaum etwas sehen konnte, bemerkte ich plötzlich, daß wir die Haltestelle hinter uns gelassen hatten und aus dem aufdringlichen Rauch heraus waren.
»Jis ... Bist du unverletzt?«
»Aye, Naghan, abgesehen davon, daß meine Augen schlimmer als die Höllenfeuer von Inshurfrazz brennen.«
»Das ist immer noch besser, als den Kopf zu verlieren. Hier entlang.«
Wir wurden noch von anderen Männern umgeben, während wir die Straße entlangliefen, die um den Hügelrand entlangführte. Den Echos nach zu urteilen handelte es sich um eine schmale Straße. Diese Burschen trugen weiche Schuhe. Naghan Raerdu hatte mich als Gefangenen gesehen. Also hatte er kurzerhand einen Plan geschmiedet, um mich zu befreien. Das war genau das, was ich von so einem Meisterspion erwartet hätte. Was würde er sagen, wenn ich ihm die Situation erklärt hatte? Er würde schallend lachen, bei Vox, das war mir klar!
Kurz darauf blieben wir stehen. Man führte mich ein paar Holzstufen hinauf, wies mich an, den Kopf einzuziehen, und setzte mich dann auf einen gepolsterten Sessel.
Ich konnte noch immer nichts sehen. In einiger Entfernung unterhielten sich Männer mit gedämpften Stimmen, vermutlich im Nebenzimmer. »Hier ist eine Salbe, Jis; allerdings hat der Zauberer gesagt, daß man besser wartet, bis sich die Augen von selbst erholt haben.«
»Wie lange?«
»Maximal eine Bur. Wir haben Masken mit Augengläsern, die für freie Sicht sorgen, und einem Filter, der uns das Atmen erlaubt. Doch es war sinnlos, dir eine aufzusetzen, nachdem sich der Rauch verteilt hatte. So hättest du lediglich den Qualm im Gesicht behalten.« Er lachte leise und herzhaft. »Diese Cramphs haben sich die Lunge aus dem Leib gehustet! Der Zauberer hat sich sein Gold wirklich verdient.«
Ich spürte eine vertraute Bewegung unter mir, einen Ruck, dem eine gewisse Leichtigkeit folgte. »Ist das der Voller, der an dem Calimer vorbeigeflogen ist?«
»Aye, Jis. Wir haben dich nicht mehr aus den Augen gelassen, seit ich dich in Kov Brannomars Saal gesehen hatte.«
»Und wer ist wir?«
»Oh, ein paar meiner vallianischen Kameraden und eine Handvoll Ortsansässiger. Ich habe in Oxonium ein Spionagenetzwerk aufgebaut. Hier leben merkwürdige Leute. Die Magier sind ganz anders als die Zauberer in der Heimat. Und es ist unglaublich, was die Armen in der Tiefe für Blutfehden und Vendettas austragen. Es ist gar nicht so leicht, zwischen den durch die Hügel getrennten Gräben Verbindungslinien zu knüpfen.«
»Ist dir eine Bande bekannt, die olivgrüne Gewänder trägt?«
»Nein, Jis. Ich werde mich erkundigen.«
»Das kann warten, bis ich wieder sehen kann. Es gibt andere Fragen.«
»O ja. Tolindrin will mit Vallia ein Bündnis schließen. Es ist in einer eigentümlichen Position, was den Bau von Flugbooten angeht, und das gilt auch für Caneldrin, den Nachbarn im Norden, und Winlan und Enderli, die sich daran anschließen. Die anderen Nationen des Subkontinents setzen sich eigentlich nur aus von ihnen abhängigen Königreichen zusammen. Es gibt ständig Spannungen an allen Grenzen – für sie ist das eine Lebensart. Sollte jedoch ein richtiger Krieg ausbrechen, stellt sich die Frage, ob Vallia Partei ergreifen soll. Die Herrscherin Delia hielt es für angebracht, daß Vallia besser informiert sein sollte.«
Ich bewunderte die Korrektheit, mit der er über seine Mission berichtete. Doch wie lieblich erklang der Name Delia in meinen Ohren! Bei Zair! Jawohl.
»Und die Herrscherin?« fragte ich.
»Als ich sie das letzte Mal gesehen habe, blühte sie wie eine Rose, Jis. Deine Augen ...?«
»Brennen wie der Teufel. Gibt es etwas zu trinken ...?«
Ich hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als schon ein Pokal meine Lippen berührte und ich herben Wein schmeckte. Es war genau das richtige Getränk, um den Mund von dem widerwärtigen Geschmack des verdammten magischen Rauchs zu reinigen.
Naghan das Faß sprach weiter. »Wir können noch immer nicht darauf verzichten, der einen oder anderen Nation Persinias oder Balintols Flugboote abzukaufen. Wenn wir hier die falsche Entscheidung treffen, verlieren wir unseren Nachschub. Da nun in Tolindrin der Sohn des Königs gestorben ist, ist die Wahl des Nachfolgers für uns von entscheidender Bedeutung.« Er gab dieses ansteckende, kurzatmige Gelächter von sich, das immer seinen ganzen Leib erzittern ließ. »Darf ich dich fragen, Jis, was dich hierher verschlagen hat?«
Also erzählte ich ihm von Strom Kordens Vermächtnis. Ich fügte hinzu, daß ich Prinzessin Nandisha zu beschützen hatte, verschwieg ihm allerdings den Grund dafür. »Dieser Cramph von einem Fristle hat das Schwert. Und nun ist Dagert von Paylen meiner Meinung nach ebenfalls dahinter her. Ich bin entschlossen, den Schwur, den ich Korden gegeben habe, zu erfüllen und das verdammte Ding Brannomar zu übergeben.«
»Dagert von Paylen? Das ist ein geheimnisvoller Mann. Keiner weiß, für wen er arbeitet, doch es steht fest, daß ihn jemand bezahlt.«
»Nun verstehst du auch, Naghan, warum es mir irgendwie gelingen muß, mich Naghan dem Ordsetter und Dagert wieder anzuschließen. Dieser undurchsichtige Schurke Palfrey behauptet, den Fristle zu kennen.«
»Das kann ich arrangieren. Man kann wohl mit Sicherheit davon ausgehen, daß dieses Schwert etwas Wertvolles enthält. Das scheint kein gewöhnlicher Braxter zu sein.«
»Aye. Ein hohler Griff und ein paar Bleigewichte, um die Balance wieder herzustellen.«
»Also geht es um ein Papier?«
»Das ist mehr als wahrscheinlich. Es könnte aber auch ein Ring sein, ein kleines Schmuckstück.«
»Der müßte von großem Wert sein; ein mächtiges Siegel, ein religiöses Symbol – oder ein magischer Gegenstand.«
»Aye.«
»Hm.« Ich konnte mir lebhaft vorstellen, wie sich in seinem verschlagenen Gehirn die Räder drehten. »Dann dürfte es von Nutzen sein, als erster einen Blick darauf zu werfen.«
Ich rutschte unruhig auf dem Stuhl hin und her. »Ja«, sagte ich dann langsam. »Doch nach dem Versprechen, das ich Korden gegeben habe, wäre das sehr unmoralisch.«
»Ganz wie du sagst, Majister. Unmoralisch.«
Es war klar ersichtlich, wie der gute, treue Naghan darüber dachte.
In der Schweberkabine befindliche Gegenstände nahmen Konturen an, und das Brennen in meinen angegriffenen Augen ließ nach. Naghan wischte mir das Gesicht ab. Er sagte: »Ich werde mich nach dem Fristle mit dem Krummschwert und dem olivgrünen Gewand erkundigen.«
»Er hat eine haarige Warze an der Nase.«
»Er hätte genausogut seinen Namen von den Dächern rufen können.«
»Sturgies Hügel. Dort wollte Palfrey hin.«
»Es dauert nicht lange, Jis. Hier ist mehr Wein.«
Ich hatte gerade gemütlich den dritten Schluck genommen, als er schon wieder da war. »Einer der Ortsansässigen, Lingurd, ein schmalgesichtiger Polsim, kennt ihn. Wir fliegen bereits in die Richtung.«
»Ich werde mich ihnen allein anschließen müssen, Naghan.«
»Oh, aye, Jis. Doch wir werden in der Nähe bleiben.«
Und bei Krun, ich muß zugeben, das war ein beruhigender Gedanke.
Dann fiel mir etwas ein. »Wer ist zur Zeit unser Konsul in Oxonium?«
»Ein prächtiger, kluger Edelmann, bei Vox! Elten Larghos Invordun na Thoststurboin. Er wird es noch weit bringen, daran besteht kein Zweifel.«
Larghos Invordun, erinnerte ich mich, hatte seinen Titel Elten nach der Schlacht von Vendalume verliehen bekommen, bei der wir gegen den verräterischen Layco Jhansi gekämpft hatten. Nach jenem schicksalhaften Tag war er dem Diplomatischen Dienst beigetreten. Eines Tages würde er Botschafter mit allen Vollmachten werden. Er machte unaufhaltsam Karriere.
Ich nickte. »Nun, er braucht nicht zu wissen, daß ich hier bin.«
»Wie du wünschst, Jis.«
Das dicke, rote, freundliche Gesicht von Naghan dem Faß schälte sich aus dem dunklen Schleier vor meinen Augen. Es schwamm im Raum wie ein Fisch im Aquarium. Ich blinzelte und spürte die Tränen fließen. Naghan wischte sie fort.
»Nun, Jis, was ist mit dem Namen? Nennst du dich Jak irgendwas? Chaadur?«
»Drajak der Schnelle.«
»Sehr gut, Drajak.«
»Bei Vox, Naghan, es war ein verflixt glücklicher Zufall, daß du in diesem Augenblick in Brannomars Saal gewesen bist«, sagte ich, von einem innigen Gefühl erfüllt.
»Zufall, Drajak? Wohl kaum. Ich treibe mich an den Stätten der Macht herum. Brannomar ist nach dem König der mächtigste Mann im Reich. Er hält die Zügel in der Hand. Er ist unbestechlich. Sein Reichtum ist märchenhaft.«
»Wird Brannomar der Unbestechliche nach dem Tod des greisen Königs die Hand nach der Krone ausstrecken?«
Naghans rosiges Gesicht, das wie ein Ballon in meinem Gesichtsfeld schwebte, trieb von einer Seite zur anderen, als er den Kopf schüttelte. »Nein, Drajak, nicht in einer Million Umläufe der Dame der Schleier. Er würde den Wünschen des Königs bezüglich eines Nachfolgers gehorchen. Es könnte höchstens sein, daß Brannomar die Regentschaft übernimmt. In diesem Fall besteht allerdings kein Zweifel, daß er die Autorität treu ergeben verwalten und von seiner Position zurücktreten wird, wenn der Thronfolger alt genug ist. Überhaupt kein Zweifel.«
»Du bestätigst meinen Eindruck. Er scheint aber ziemlich kühl zu sein. Abweisend.«
Mein Meisterspion mußte grollend lachen; es sprudelte aus ihm heraus wie Lava aus dem Vulkan Muruaa. »Ich habe seine Gesellschaft bei einem Shbilliding genießen können, nach dem sogar ich am nächsten Tag die Glocken von Beng Kishi hören konnte.«
»Es erleichtert mich, das zu hören. Es macht ihn zu einem richtigen Mann.«
Wir unterhielten uns weiter, während meine Sehkraft zurückkehrte, und wir tauschten Fragen, Antworten und Informationen aus. Naghan erzählte mir eine Neuigkeit, die mich traurig stimmte. Won Dimeholl war berühmt für sein Wissen um hochgeistige Schriftrollen und Manuskripte. Er hatte sich sehr für Antiquitäten interessiert, und seine größte Leidenschaft waren Bücher mit Prophezeiungen gewesen. Er war oft von Krankheit heimgesucht worden und hatte sich dagegen immer tapfer zur Wehr gesetzt. Nun war er ihr erlegen und aus unserem Leben getreten. Sein Tod bereitete mir großen Kummer, und nur das Wissen, daß er gesagt hätte, daß das Leben weitergehen muß, konnte mir Trost spenden. Er war tot; wir mußten weiterleben. Der tiefe Ernst, der sich auf Naghans Gesicht zeigte, spiegelte die Trauer über Won Dimeholls Tod wider, eine Trauer, die alle empfanden, die ihn gekannt hatten.
Naghan schwieg einen Augenblick lang und sprach dann heftiger als vermutlich beabsichtigt weiter. »Du weißt, Drajak, daß du da ein ziemlich großes Risiko eingehst.«
Er war an die verrückte Vorstellung gewöhnt, daß der Mann, den er als Herrscher von Vallia gekannt hatte, in allen möglichen Gegenden Kregens angetroffen werden konnte, wo er meist in irgendwelche Schurkereien verwickelt war. Er akzeptierte dieses Benehmen auch bei dem Mann, den man den Herrscher aller Herrscher, den Herrscher von Paz, nannte. Obwohl das, zumindest im Augenblick, nicht mehr als ein Scherz war, auch wenn die Herren der Sterne es angeordnet hatten. Als Meisterspion kannte sich Naghan das Faß in Schurkereien, Verkleidungen und Listen aus. Er wußte, daß ich es auch tat.
»Die Herrscherin Delia hat dich gebeten, nach Tolindrin zu reisen, Naghan. Doch was ist mit dem offiziellen vallianischen Spionageapparat, der von Naghan Vanki geleitet wird? Hat der Herrscher Drak nichts in dieser Richtung angeordnet?«
»Doch. Vanki hat die Voidal-Zwillinge geschickt.«
»Nun ja, ich denke, Drak und Vanki haben sich bestimmt etwas einfallen lassen.«
»Die Voidals haben sich auf den König konzentriert. Er ist offiziell in Trauer, und seit Tagen hat ihn niemand zu Gesicht bekommen. Die Voidal-Zwillinge wissen übrigens nicht, daß ich hier bin. Vanki auch nicht.«
Ich konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Die wissen nicht einmal, daß es dich gibt!«
»Hoffen wir bei Opaz, daß das auch so bleibt.«
Ich hatte mir auch eine andere Frage beantworten lassen, und zwar, bevor wir schließlich mit Lingurd an der Spitze zu dem Abenteuer dieser Nacht aufgebrochen waren.
»Diese Religion von Dokerty, die gegen das Glaubensbekenntnis von Tolaar ist. Rotgewandete Priester, die nebeneinander hergehen, mit verdammt großen Götzen auf Stangen. Ist etwas darüber bekannt? Warum schleichen sie des Nachts in Ruinen herum, wo sie doch über geschmacklose und viel zu prunkvolle Tempel verfügen, in denen sie herumstolzieren können?«
Naghan hatte die stämmigen Schultern gezuckt. »Die Dokerty-Kultisten sind ein ungesunder Haufen. Das ist mir bekannt. Was nun den Rest angeht, nein, darüber weiß man nichts. Ich werde es herausfinden.«
»Gut.«
Ich wusch mir das Gesicht, bevor wir aufbrachen, und das Wasser in der Schüssel sah aus wie schwarze Tinte. Während unserer Unterhaltung hatte Naghan mir ein oder zweimal den häßlichen Schädel abgewischt. Er mußte sich während der ganzen Zeit auf die Zunge gebissen haben, um bei meinem Anblick nicht in sein dröhnendes Gelächter auszubrechen.
Der Schweber landete auf einem schrägen Abhang am Fuß von Sturgies Hügel. Ein Stück weiter versuchten schwache Lichter, die Dunkelheit der Gräben mit ihrem blassen Schein etwas aufzuhellen. Die Monde wurden von Wolken verdeckt. Wir nahmen unsere Waffen und begaben uns in die Finsternis.