Eigene Ideen verkaufen, andere überzeugen
Manche Menschen müssen emotional berührt werden, um sich einer Idee anzuschließen, andere wiederum brauchen Fakten und gute Argumente.
Beispiel: Enthusiasmus versus Fakten
Michael Sonntag, Top-Verkäufer in einem mittelständischen Unternehmen, das Schreibgeräte entwickelt und vertreibt, wurde von seinem Vorgesetzten aufgefordert, den Geschäftsführern seine neue Produktidee in einer kurzen Präsentation vorzustellen. Am Morgen des Präsentationstages entwirft Sonntag in aller Eile vier PowerPoint-Seiten, anhand derer er der Geschäftsführung seine Idee schmackhaft machen möchte. Er ist davon überzeugt, mit seiner Vision den Markt zu revolutionieren, und geht davon aus, dass andere dies auch so sehen. Marktforschungsdaten, erwartete Umsatzzahlen, Investitionskosten und Ähnliches sind für Sonntag daher verzichtbar.
Sonntag kommt zu dem für 14:00 Uhr angesetzten Termin etwas gehetzt, aber gerade noch rechtzeitig. Er hatte sich in der Mittagspause noch von einem Kollegen aufhalten lassen. Als er das Besprechungszimmer der Geschäftsführer betritt, strahlt er über das ganze Gesicht und fängt nach einem kurzen Gruß mit lebhafter Gestik an, von seiner Produktidee zu schwärmen. Dabei springt Sonntag von einem Thema zum anderen, betont in einem Satz seine bisherigen Verkaufserfolge, skizziert im nächsten schillernde Zukunftsszenarien; erzählt von unzufriedenen Kunden und schwärmt von Wachstum und steigendem Image des Unternehmens.
Nach einigen Minuten unterbricht Werner Klar, Geschäftsführer für Marketing, Vertrieb und Personal, den Vertriebsprofi etwas barsch mit Blick auf die Uhr: „Herr Sonntag, ich habe noch nicht verstanden, was der besondere Nutzen oder das wirklich Außergewöhnliche an Ihrem Gerät ist. Außerdem muss ich gleich weiter zum nächsten Termin. Kommen Sie also auf den Punkt.“ Und Dr. Manfred Schwarz, Geschäftsführer der Bereiche Entwicklung, Produktion und Controlling, stellt dem nun etwas enttäuscht wirkenden Michael Sonntag kritische Fragen: „Sind Sie denn sicher, dass diese Technik funktioniert? So etwas haben wir noch nicht hergestellt. Welche Materialien sollen denn dafür verwendet werden? Das könnte ganz schön teuer werden …“
Die Persönlichkeiten und ihre Motive
Aus Sicht des quirligen Verkäufers
Michael Sonntag verkörpert den extravertierten Gefühlsmenschen. Er sprüht vor Begeisterung und stellt den Geschäftsführern seinen Vorschlag mit großen Emotionen vor. Er ist davon überzeugt, dass seine Idee den Durchbruch bringt, denn er empfindet das Unternehmen als träge und konservativ. In Sonntags Augen wird es daher endlich Zeit, dass sich in Sachen Produkterweiterung etwas tut, und heute ist der ideale Tag, um die Weichen zu stellen.
Aus Sicht des nutzenorientierten Entscheiders
Werner Klar ist bereits nach wenigen Minuten Präsentation ziemlich genervt, da er den besonderen Nutzen der Produktidee nicht herausfiltern konnte. Er ist als extravertierte Persönlichkeit grundsätzlich offen für Neues, aber zu einer positiven Entscheidung fehlen ihm hier klare, überzeugende Argumente. Werner Klar schätzt aufgrund seiner starken Sachorientierung kurze, prägnante und gut strukturierte Präsentationen, die ihm schnell aufzeigen, welchen Vorteil das Unternehmen von dem Vorschlag hat. Was er heute zu hören bekommt, sind eher nette Visionen gespickt mit einer gehörigen Portion Optimismus und Eigenlob.
Aus Sicht des konservativen Zahlenmenschen
Dr. Manfred Schwarz, der introvertierte der beiden Geschäftsführer, ist grundsätzlich skeptisch und vorsichtig, wenn es um Neues geht. Er braucht ausreichend Zahlen, Daten, Fakten und Zeit, um zu einer Entscheidung zu gelangen. Die Präsentation von Michael Sonntag empfindet er als wenig durchdacht und völlig unstrukturiert. Wichtige Daten sind seines Erachtens nicht eruiert worden. Die Folien sind in seinen Augen nur „schöne Bildchen“, die ihm keine Entscheidungsgrundlage bieten. Die Präsentation bestärkt den sachorientierten Geschäftsführer in seiner Einstellung, dass der Vertrieb zwar gute Anregungen für Neuentwicklungen liefern kann, tiefgehende Analysen und ordentliche Ausarbeitungen aber nicht dessen Stärken sind. Die Idee von Michael Sonntag wird er möglicherweise aufgreifen, aber dabei sehr genau prüfen, ob das Produkt technisch umsetzbar und kostenmäßig tragbar ist.
Worin liegt das Konfliktpotenzial?
Die kreativ-visionäre Art von Michael Sonntag stößt bei den sachorientierten, rational agierenden Geschäftsführern auf Widerspruch:
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Sie wollen Fakten, um Entscheidungen zu treffen, und nicht eine vage Idee. Sie brauchen Struktur, um zu verstehen, und einen Plan oder eine Strategie, um weiterzukommen.
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Der innovative Bauchmensch dagegen lässt sich überwiegend von seiner Intuition und seinen Gefühlen leiten und verliert dabei schon mal das Ziel aus den Augen. Er möchte sich am liebsten nie festlegen.
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Für die beiden Denker kommt Sonntag in dieser Präsentation als oberflächlicher, unzuverlässiger Dampfplauderer daher, der viele Vorhaben – und übrigens auch sich selbst – unrealistisch einschätzt.
So könnte es besser funktionieren
Fakten und Vorteile herausstellen
Enthusiasmus und Spontaneität sind also nur bedingt zielführend. Sachorientierte Persönlichkeiten lassen sich in erster Linie von Fakten und guten Argumenten überzeugen. Sie brauchen Informationen, um einen neuen Vorschlag bewerten zu können. Entscheidungen werden erst nach Sichtung des Datenmaterials und nach Abwägen der Vorteile und Risiken getroffen – darauf sollte Michael Sonntag in Zukunft achten.
Zielgruppenorientiert vorgehen
Schon bei der Vorbereitung der Präsentation muss sich Michael Sonntag Gedanken darüber machen, mit welchen Menschen er es zu tun hat, welche Funktion sie wahrnehmen und welche Ziele sie verfolgen. Die Folien sollten dann alle für seine Zuhörer relevanten Informationen erhalten. Wenn Michael Sonntag die beiden rational agierenden Geschäftsführer überzeugen will, muss er nicht nur Zahlen, Fakten und Nutzen herausstellen, sondern auch vernünftig argumentieren und strukturiert vorgehen. Sein selbstsicheres Auftreten und seine Begeisterungsfähigkeit werden Sonntag durchaus Pluspunkte verschaffen – solange er hierbei nicht überzieht. Zu viel Emotionalität wäre kontraproduktiv.
Checkliste: Umgang mit Sachorientierten |
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