Emotionen – wichtige Informanten

Emotionen bereichern unser Leben, können aber auch manchmal zerstörerisch wirken. Sie nehmen (oft unbewusst) Einfluss auf unser Verhalten, sind andererseits aber auch gezielt steuerbar. Woher kommen sie also und welchen Sinn haben sie? Und wie kommt es, dass manche Menschen immer fröhlich zu sein scheinen, während andere meist griesgrämig schauen?

Wie Gefühle entstehen und verarbeitet werden

Ein Gefühl ist – ganz allgemein ausgedrückt – eine Reaktion auf einen Reiz. Dabei kann dieser Reiz von außen auf uns einströmen (z. B. der Kommentar eines Menschen oder der Dauerlärm der gegenüberliegenden Baustelle) oder er kann aus unserem Inneren entstehen. So produzieren unsere Gedanken, Bilderwelten und Haltungen entsprechende Emotionen. Wichtig ist dabei aber, wie der Reiz von uns bewertet wird. Nicht bei jedem Menschen schlägt das Herz beim Anblick eines schicken Sportwagens schneller, und nicht jeder ist bei negativer Kritik gleich verärgert oder eingeschüchtert. Was die Situation also mit uns macht, ist abhängig von unserer persönlichen Lerngeschichte.

Beispiel: Es kommt auf die Bewertung an

Kai hat in seiner Vergangenheit die Erfahrung gemacht, dass Arbeiten in einem Team immer irgendwann zu Stress führt. Absprachen werden nicht eingehalten, Eigeninteressen stehen im Vordergrund, Fehler werden anderen untergeschoben usw. Nun bewirbt er sich in einem anderen Unternehmen und erhält die Info, dass dort Teamarbeit großgeschrieben wird. Sofort steigen verschiedene negative Emotionen in ihm auf. Er empfindet Unbehagen und Angst, dass er dem Job nicht gewachsen ist.

Kai erhält also bei dem Stichwort „Teamarbeit“ gefühlsbezogene Informationen aus seinem Inneren. Dies lässt sich so erklären, dass Gefühle auf Erfahrungen basieren. Unser Körper speichert Ereignisse in Verbindung mit einer individuellen Bewertung. Genau das, was wir früher in dieser Situation empfunden haben, wird tief in unseren Zellen abgelegt und steht für spätere Situationen als Information zur Verfügung. Kai hat Teamarbeit für sich als extrem negativ abgespeichert und wird aus dieser Erfahrung heraus wohl kaum den Job annehmen.

Dieses Zugreifen auf unseren emotionalen Gedächtnisspeicher geschieht unbewusst. Das limbische System, das der Verarbeitung von Emotionen dient, reagiert hier unaufgefordert und blitzschnell – was ein Relikt unserer Vorfahren ist, die sofort auf bedrohliche Reize reagieren mussten. Erst in einem zweiten Schritt werden diese emotionalen Inhalte mit unseren rational agierenden Gehirnteilen verknüpft. Im Neocortex werden die gesamten Informationen zusammengeführt, genauer betrachtet, miteinander in Beziehung gesetzt, Konsequenzen bedacht und ggf. mit einer neuen Bewertung versehen.

Sie können Ihre Gefühle steuern

Gefühle informieren uns also darüber, in welchem Zustand sich unser Organismus befindet. Ein Gefühl kann dabei eher als Gefühlserinnerung an ähnliche Situationen zur Verfügung stehen oder ganz spontan in einer aktuellen Situation auf ein Ereignis eintreten. Es kann aber auch ganz gezielt von uns „gemacht“ werden, indem wir Gedanken oder Bilder in uns entstehen lassen, die positiv oder negativ besetzt sind.

Beispiel: Gefühle bewusst steuern

Uwe soll in den nächsten drei Wochen seinen Chef vertreten, der wegen eines Unfalls im Krankenhaus liegt. Uwe arbeitete bislang als technischer Manager und fragt sich nun, wie er das schaffen soll. Er hat keine Führungserfahrung, kennt die Projekte und Ansprechpartner seines Chefs nicht, ist mit den Verwaltungsaufgaben nicht vertraut usw. Die Gedanken kreisen um all das, was Uwe nicht kennt oder weiß, und sie verursachen innere Unruhe. Bevor er aber Angst und Ratlosigkeit von ihm Besitz ergreifen lässt, setzt er sich erst einmal und sagt sich: „O.k., ich krieg' das hin! Der Chef wird ja wohl einen guten Grund gehabt haben, mich zu seinem Stellvertreter zu benennen. Nun hol ich mir alle notwendigen Informationen, verschaffe mir einen Überblick und dann sieht die Welt schon anders aus.“

Uwe steuert also mit seinen positiv-strukturierenden Gedanken seine innere Gefühlswelt. Er steigert sich nicht in negative Szenarien hinein, sondern stoppt ganz bewusst sein destruktives Gedankenkarussell und setzt beruhigende Gedanken und logische Handlungsschritte dagegen. Damit verändert er seine Gefühle.

Wichtig

Sie sind Ihren Emotionen nicht ausgesetzt. Überprüfen Sie, ob ein Gefühl in der aktuellen Situation tatsächlich angemessen ist. Auch alte Erfahrungen, die uns zu einer bestimmten Handlung drängen wollen, müssen für die Gegenwart nicht mehr gültig sein. Eine realistische Einschätzung der aktuellen Situation kann zu einer Neubewertung und damit zu anderem Verhalten führen.

Gefühle wahrnehmen und nutzen

Voraussetzung dafür, dass wir unsere Gefühle in unserem Alltag steuern und auch nutzen können, ist die schlichte Tatsache, dass wir sie überhaupt wahrnehmen. Wir müssen daher unsere Aufmerksamkeit nach innen richten und uns fragen, was uns unser Körper gerade sagen will. Je besser wir unsere Gefühle kennen, umso schneller werden wir eine Antwort haben und adäquat handeln können.

Gefühle setzen Handlungen in Gang. Sie sind Impuls- und Richtungsgeber. Wirklich stimmige Entscheidungen können wir oft erst durch die Auswertung unserer Emotionen treffen.

Leitfaden: So helfen uns unsere Gefühle
Bildelement 1. Sie geben uns in neuen Situationen Orientierung, so dass wir schneller reagieren können.
Bildelement 2. Sie unterstützen unseren Verstand durch wertvolle Informationen.
Bildelement 3. Sie mobilisieren Energie und schaffen Handlungsimpulse.
Bildelement 4. Sie helfen beim Planen und Einschätzen von künftigen Szenarien, z. B. „Werde ich mich in der neuen Wohnung wohl fühlen können?“.
Bildelement 5. Sie lenken unsere Entscheidungen.
Bildelement 6. Sie informieren uns über das, was wir mit unserem Verhalten bei anderen Menschen auslösen.
7. Sie helfen uns, Situationen und Menschen besser einzuschätzen.

Gefühle und Menschenkenntnis

Wir Menschen haben völlig unterschiedliche Gefühlswelten. Das liegt daran, dass wir Emotionen unterschiedlich erleben und handhaben. Wir unterscheiden uns darin, wie viel Wert wir Gefühlen beimessen und wie gut wir gelernt haben, sie zu erkennen und mit ihnen umzugehen. Manche Menschen nehmen ihre Gefühle nicht nur weniger wahr als andere, sondern meiden es auch, diese in ihre Kommunikation einzubinden. Das betrifft auch die Gefühle der Gesprächspartner, so dass einfühlende Gesprächsführung kaum bzw. nur unter großer Anstrengung stattfindet. Leichter ist es für solche Kopfmenschen, den Gesprächsinhalt schnell wieder auf die Sachebene zu lenken.

Emotionen: Unterschiede zwischen Menschen
Menschen unterscheiden sich darin, Leitfragen, um Unterschiede zu erkennen
ob und wie sie ihre eigenen Gefühle wahrnehmen und verstehen.
  • Weiß meistens, wie er sich fühlt?
  • Nimmt körperliche Signale an sich selbst frühzeitig wahr?
  • Kann sein Empfinden in Worte fassen?
ob und wie sie die Gefühle anderer wahrnehmen und verstehen.
  • Kann sich in mich hineinfühlen?
  • Kann aus verschiedenen Hinweisen (Stimme, Körpersprache usw.) auf mein Gefühl schließen?
  • Kann Gefühle verstehen, die anders als seine eigenen sind?
welche Einstellung sie zu Gefühlen haben und ob sie sie nutzen.
  • Nimmt seine eigenen und meine Gefühle wichtig?
  • Ist daran interessiert, wie ich mich fühle?
  • Entscheidet weniger nach seinem Gefühl als nach den Fakten?
  • Bleibt meist auf der Sachebene?
wie stark sie ihre Gefühle zeigen.
  • Kann eigene Gefühle in Worte fassen und mir beschreiben?
  • Zeigt lebendige Mimik/Gestik?
  • Spüre ich als Gesprächspartner deutlich seine aktuelle Gefühle oder kommt nichts an?
ob und wie sie ihre eigenen Gefühle steuern können.
  • Ist oft seinen Gefühlen ausgeliefert?
  • Kann sich in schwierigen Situationen schnell beruhigen bzw. seine Stimmung verbessern?
  • Kann Ärger und Wut kontrollieren?
ob und wie sie auf Gefühle anderer Einfluss nehmen können.
  • Kann meine Gefühle in schwierigen Situationen zulassen oder reagiert vorwurfsvoll und abwehrend?
  • Bezieht in Konflikten nur die Sachebene oder auch die Gefühlsebene mit ein?
  • Kann meine extrem starken Gefühle wieder auf ein angemessenes Niveau herunterschrauben?

Gefühlsqualitäten

Wir alle können eine riesige Palette an Gefühlen in uns hervorrufen. Diese reichen z. B. von Freude, Zufriedenheit und Gelassenheit über Neugierde, Stolz und Müdigkeit bis hin zu Wut, Enttäuschung und Angst – und es gibt noch viel mehr Gefühle. Bei mehrmaligen Begegnungen mit anderen Menschen ist Ihnen aber vielleicht schon aufgefallen, dass manche Personen ganz bestimmte vorherrschende Gefühle haben bzw. sie Ihnen verbal oder nonverbal vermitteln. Der eine scheint immer gut drauf zu sein, der andere regt sich über alles auf und verbreitet schlechte Stimmung. Wieder ein anderer erscheint emotional ruhig und stabil, wie ein Fels in der Brandung. Dies hat mit unterschiedlichen Wesensmerkmalen und Einstellungen zu tun.

Ein gefühlsorientierter Mensch steht seinem emotionalen Innenleben näher und kann daher verschiedene Gefühlsqualitäten leichter erkennen und benennen. Außerdem nimmt er Emotionen bei anderen leichter wahr. Die kognitiven Prozesse steuern dann ergänzend die aktuellen emotionalen Zustände: Wenn eine Person stets optimistisch durchs Leben geht, werden auch deren Gefühle meist positiv sein. Dagegen wird ein Mensch, der den Blick stärker auf Fehler und Verbesserungswürdiges richtet und sich selbst stets kritisch betrachtet, seine Aufgaben mit einer negativeren Grundstimmung meistern.

Nichtsdestotrotz ist ein grundsätzlich fröhlicher Mensch auch mal unzufrieden und traurig, und ein gelassener Mensch auch mal wütend und irritiert.

Übung: Welche Gefühle dominieren?

Führen Sie sich einen Menschen vor Augen, dem Sie schon öfter begegnet sind: Welche vorherrschenden Gefühle nehmen Sie bei ihm wahr? Haben Sie den Eindruck, dass sich dieser Mensch leicht oder schwer tut, über Gefühle zu sprechen? Wo würden Sie ihn bei folgender Übersicht einordnen?

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