16

 

Natürlich weckten uns die Kinder am Weihnachtsmorgen um fünf Uhr, aber Mutter und Vater trugen es mit Humor und wehrten sich nicht einmal, als sie in ihr Schlafzimmer stürmten, um ihnen zu zeigen, was Santa Claus in ihre Strümpfe getan hatte. Ich benützte die Gelegenheit, Paul sein Fernglas zu geben. Außer ihm konnte so keiner wissen, daß ich unsere Abmachung — keine Geschenke — gebrochen hatte. Ich begann: »Ich weiß, wir wollten uns dieses Jahr nichts schenken, aber ich konnte nicht ertragen...« wurde aber von Paul unterbrochen, der in unserem großen Kleiderschrank herumstöberte und mich anscheinend nicht gehört hatte.

Er sagte: »Natürlich war da dieser Unsinn von wegen keine Geschenke, aber so hätte ich dich niemals Weihnachten feiern lassen«, und er zog einen wunderschönen Sattel hervor, als ich gerade aus der Nachttischschublade das Päckchen mit dem Fernglas holte.

Wir fingen wieder gleichzeitig an. Ich sagte: »Liebling, das hättest du nicht sollen...«

Paul sagte: »Schau, meine Liebe, das ist zu viel. Du hättest nicht...«

Und dann prusteten wir beide los und fanden, daß der Weihnachtstag sehr gut angefangen hatte.

Gleich darauf sagte er: »Es ist ein bißchen unangenehm, aber Larry und Sam haben mir das für dich gegeben. Ich wußte, daß es dir nicht recht sein würde, aber was konnte ich machen?« und er gab mir den Zügel, der genau zu meinem neuen Sattel paßte.

Mit schwachen Knien setzte ich mich auf das Bett. »Jetzt muß ich beichten. Ich hab’ Larry die große Satteldecke geschenkt, die sie sich schon lange gewünscht hat«, und wir waren uns einig, daß so ein »Weihnachten ohne Geschenke« seine Überraschungen barg.

Später, als die Männer hinausgegangen waren, wandte ich mich an Mutter wegen Ursula. »Wir mögen sie alle nicht besonders, aber sie reist morgen ab, und wir sollten sie herumkommandieren und beweisen lassen, wie unfähig wir anderen Frauen alle sind.«

Tony sagte: »Das Schlimmste ist, daß die Männer nach der Szene von gestern auch nicht mehr besonders viel Wert auf sie legen. Ich werd’ mal mit Peter reden, er kann sich ihr widmen.«

Mutter warf mir einen vielsagenden Blick zu, und ich wußte, daß sie Peter für den geeigneten Ehemann hielt für dieses Mädchen, das keinen Ehemann wollte, sondern eine vergnügliche Freundschaft mit einem netten jungen Mann. Ich sagte eilig: »Und dann sind da noch Richard O’Connor und Mrs. Lee. Wir müssen sie voneinander getrennt halten. Richard nimmt kein Blatt vor den Mund, und Mrs. Lee verteilt mit Vorliebe kleine Seitenhiebe. Mutter, bitte mach dich nützlich, wie Ursula sagen würde, und wenn die Kinder sich dann noch einigermaßen benehmen, müßte alles gut gehen.«

Mutter lachte. »Das klingt nach einer recht komplizierten Einladung. Außerdem ist da noch die Geschichte mit Annes Baby. Es wäre nicht angenehm, wenn es pünktlich wäre und heute käme. Na, bei euch in den Backblocks ist immer was los, Susan. Sag mal, habt ihr immer an Weihnachten solche riesigen Einladungen mit Bergen von Essen und so vielen Geschenken? Es wird Zeit, daß ihr das Ganze etwas einfacher macht. Viel zu viel Arbeit.«

Tony unterdrückte gerade noch ein Kichern, und ich blickte sie drohend an. Es war unnötig, daß Mutter mehr von unserem geplanten ruhigen Weihnachtsfest wußte als Lydia. Ich sagte: »Wir machen es abwechselnd, und alle steuern etwas zum Essen bei. Dieses Jahr bin ich an der Reihe, aber wir machen es ziemlich einfach, und niemand hat zu viel Arbeit«, und ich verscheuchte die Erinnerung an die Hetzerei beim Einkaufen, das fieberhafte Planen und die endlose Kocherei der letzten Tage.

Mutter ist jeder Lage gewachsen, und ich wußte, daß sie sich Mrs. Lee annehmen, den Colonel (den sie zu unserer Verblüffung »Cholly« nennt) charmant an ihre Seite ziehen, und Larrys Schwiegermutter so geschickt schmeicheln würde, daß sie sich als Hauptperson fühlen mußte. Sehr nützlich können solche Leute sein, die ihr ganzes Leben lang gesellschaftlich Erfolg gehabt haben, besonders, wenn sie wie Mutter sind, die zu den seltenen älteren Damen gehört, die erkannt haben, daß die Zeiten vorbei sind, in denen sie der Mittelpunkt einer Party gewesen sind, und daß ihnen nun die Aufgabe zufällt, »die sozialen Räder zu ölen«. Und das kann sie ausgezeichnet.

Als alle gekommen waren und ihre Geschenke unter den Christbaum gelegt hatten, war er halb verdeckt. Beim Verteilen der Päckchen würden sich Paul und Sam wohl recht plagen müssen, und ich verkniff mir ein Lächeln, als ich an unseren Leitspruch dachte — »Kein Rummel mit den Geschenken«. Dieses Jahr war es schon kein Rummel mehr, es hatte die Ausmaße von Big Business erreicht.

Alle waren gut gelaunt. Ich fand, daß Anne blaß aussah, aber es war sehr heiß, und da war es nur natürlich. Sie war sehr vergnügt, als wir uns einen Moment allein sprachen. »Ich wollte, es wäre morgen!« flüsterte sie, und ich fragte, ob sie Ursulas Abreise, die Ankunft der Krankenschwester oder die Geburt von Nicholas am meisten ersehne.

»Alle drei, obwohl ich mir wegen Nicholas nicht so ganz sicher bin.«

»Sag bloß, Ursula hat wieder recht, und er läßt noch mindestens eine Woche auf sich warten?« fragte ich, und sie warf mir einen etwas seltsamen Blick zu. Aber bevor ich mir noch darüber Gedanken machen konnte, mußte ich eiligst Tantchen und Caleb begrüßen, die ziemlich spät gekommen waren, da Caleb sehr bedächtig fährt. Er sah zufrieden aus in seinem tadellos sauberen alten Anzug, und wurde sofort liebevoll von Tony in Beschlag genommen.

Sie sah sehr hübsch aus, und bald sah ich sie ernsthaft auf Peter Anstruther einreden, der nicht einverstanden zu sein schien. Ich wußte, daß sie ihm klarmachte, er müsse sich heute Ursula widmen und ihrer verletzten Eitelkeit schmeicheln.

Auf der Veranda saßen Mrs. Lee, Mutter und der Colonel zufrieden zusammen, und Miss Adams schloß sich ihnen an. Dort würde alles friedlich und harmonisch verlaufen. In der Küche sagte ich zu Larry, alles ginge wirklich ausgezeichnet, und wir brauchten uns keine Sorgen zu machen.

Und dann kam Paul mit einem bitterbösen Gesicht an. Es gibt nur eine Katastrophe, die Paul so aussehen läßt, und bei der er völlig seinen Humor verliert, so daß es mich nicht mehr überraschte, als er brummte: »Die verdammte Klärgrube«.

Trotzdem war es ein Schlag. Unsere Klärgrube ist launisch und läuft gerne über. Aber doch sicher nicht heute? Ich blickte auf den Rasen, auf dem sich die Leute drängten, und zu den sechs Kindern, die unter den Bäumen spielten. »Einfach scheußlich«, sagte ich.

Aber Larry behielt einen kühlen Kopf, als wir ihr von dem Mißgeschick berichteten.

»Sperr sofort die Toilettentüre ab«, sagte sie zu Paul. »Dann kannst du den Männern Bescheid sagen, und Susan und ich können die Frauen und Kinder warnen. Mach schnell. Wie dumm, daß ihr kein Megaphon habt. Und hängt einen Zettel an die Tür.«

»Aber — aber wo ...?« stammelte ich, und sie deutete bloß zum Horizont, wo der schiefe Turm immer noch gefährlich geneigt stand und uns an die Zeiten erinnerte, als wir im Haus noch keine Toilette gehabt hatten. »Malt einen Pfeil in Richtung Turm auf den Zettel. Sie werden das schon verstehen«, sagte sie, und ich stellte mir mit Schrecken vor, wie Mutter und Mrs. Lee diese lange Wanderung antreten.

Paul sagte: »Etwas anderes bleibt uns nicht übrig. Und den morgigen Tag werde ich damit verbringen, daß ich die Klärgrube aufgrabe.«

»Warten wir erst einmal ab. Vielleicht erholt sie sich wieder«, sagte Larry heiter, aber Paul blickte nur noch finsterer bei ihrem Optimismus.

Wir gaben die Nachricht durch, aber ich konnte die Reaktion nicht abwarten, weil Ursula auf fordernd rief: »Was ist mit dem Essen? Es wird Zeit, daß sich jemand darum kümmert.«

Ich ging folgsam in die Küche, und dort saß Anne schon am Tisch und schälte Erbsen. Unglücklicherweise hatte Ursulas laute Aufforderung Caleb in die Küche getrieben, und er war entschlossen zu helfen. Als er hereinkam, stolperte er über ein Spielzeug, stieß gegen den Tisch, und die Erbsen kollerten aus der Schüssel in Annes Schoß. Caleb war restlos entsetzt.

»Nichts passiert«, sagte sie vergnügt. »Ich hab’ sie alle aufgefangen. Lange nicht so schlimm, als wenn sie auf dem Boden gelandet wären«, aber Ursula sagte ziemlich laut: »Schafft doch den lästigen, alten Kerl raus. Er wirft nur noch mehr um.«

Caleb hörte das wahrscheinlich. Tony hörte es sicherlich, denn sie blitzte sie böse an und führte dann ihren Schützling hinaus mit der Bitte, das ganze Geschirr und Besteck auf die Tische auf dem Rasen hinauszuschaffen, so daß sich alle bedienen konnten. Bei dieser Arbeit konnte Caleb nichts falsch machen, war aber für längere Zeit beschäftigt.

Ursula hatte in der Küche das Regiment übernommen, und bald stand Anne auf und sagte zu mir: »Ich glaube, ich sollte jetzt wieder etwas herumlaufen. Hier in der Küche sind genug, und ich kann mal nachschauen, was die Kinder gerade anstellen.«

Ursula sagte: »Sowieso das Beste, was du tun kannst. Zu viele Köche, und so weiter. Aber kommen Sie her, Peter, und helfen Sie beim Fleischschneiden.«

Ich versuchte, ihr klarzumachen, daß das normalerweise die Aufgabe unserer drei Männer sei, aber sie meinte: »Unsinn. Laßt sie in Ruhe. Die Armen haben heute einen Tag frei.«

Das ist eine von den Bemerkungen, die die meisten Frauen unweigerlich wütend machen, da sie ja selten einen Tag frei haben, und am Abend versuchen, liebevolle Gefühle aufzubringen für einen Gatten, der sich hinter einem Buch verschanzt, während sie nähen oder stopfen. Larry setzte schon zu einer scharfen Antwort an, aber Tony kam ihr zuvor und sagte mit süßer Stimme: »So ist’s recht, Ursula. Sie und ich, wir sind die beiden einzigen Unverheirateten, also müssen wir zu den Männern halten.«

Wahrscheinlich hatte sie sich nichts dabei gedacht, aber Peter warf ihr einen kurzen Blick zu und unterdrückte ein Grinsen. Ursula hielt sich daraufhin ein wenig zurück und begnügte sich damit, Peter zu sagen, daß er das Fleisch fürchterlich schlecht geschnitten habe. Natürlich war sie im Tranchieren genauso geschickt wie in allem anderen, und als unsere Männer sehr spät auftauchten, lobten sie sie überschwenglich. Ursula wurde sofort wieder munter und neckte Paul mit der Klärgrube. Das ist jedoch sein wunder Punkt. Außerdem hat Paul manchmal altmodische Ansichten und schätzt Unterhaltungen über dieses Thema nicht. Er wand sich und fühlte sich sichtlich unbehaglich, und das amüsierte Ursula. »Was ist denn los, mein Bester? Wie dumm, sich vor völlig natürlichen Tatsachen zu scheuen!«

Larry sagte: »Genaugenommen scheuen wir uns auch nicht davor. Wir reden nur nicht viel darüber. Die Männer mögen das gar nicht. Ist das Gemüse fertig?«

Danach setzte eine verzweifelte Geschäftigkeit ein, und bald stand das ganze Essen draußen auf den Tischen, und alle wurden gebeten, sich zu bedienen. Bei den Kindern war diese Bitte natürlich unnötig. Sie stürzten sich wie ein Schwarm hungriger Vögel auf die Tische und zogen sich mit beladenen Tellern so weit wie möglich von ihren Eltern zurück. Der Colonel bediente Mrs. Lee, und Caleb brachte es tatsächlich fertig, Mutter ihren Teller zu bringen, ohne etwas zu verschütten. Die jüngeren Männer sonderten sich in der schockierenden Weise ab, wie sie es immer tun, wenn sie sich einigermaßen zu Hause fühlen, und sie erklärten, daß es einfach unmöglich sei, die Teller auf den Knien zu balancieren. Sie verschwanden in Richtung auf das Eßzimmer und saßen dann bequem um den Tisch.

Die Krönung der Mahlzeit war immer Mrs. Evans Plumpudding, und die Kinder freuten sich, wenn er, in Flammen, aufgetragen wurde, während die Älteren Obstsalat und Kuchen vorzogen. Mrs. Evans war nicht davon abzubringen, großzügig Münzen mit einzubacken. Das bedeutete, daß wir immer die Portionen der Kinder sorgfältig durchsehen mußten; aber dieses Jahr hatten wir beschlossen, daß sie nun alt und vernünftig genug seien, und darum begnügten wir uns mit Ermahnungen.

Die Männer schämten sich ein wenig für ihre bisherige Faulheit und trugen nun die Fleischplatten ab, und der große Augenblick kam, in dem der Plumpudding brennend aus der Küche gebracht werden sollte. Das war immer Annes Pflicht gewesen, aber als ich mich nun nach ihr umschaute, saß sie immer noch in einem Stuhl auf dem Rasen. Ich ging zu ihr hinüber, wobei ich plötzlich Angst bekam und sagte: »Wie steht es mit deinem Auftritt mit dem Plumpudding?«

Sie sagte lächelnd: »Kann das nicht jemand anderer machen? Ich sitze so bequem und bin so faul.«

»Geht es dir gut?«

»Vollkommen, aber das Bewegen ist so anstrengend. Frag doch Ursula, sie wird es gerne machen.«

»Das schon, aber uns wäre es nicht recht.«

Ich machte mir Sorgen um Anne und verlor meinen Kopf. Um Ursula zuvorzukommen, sagte ich: »Das macht besser einer von den Männern.« Dann sah ich mich um, und Caleb war hier in der Küche der einzige Mann.

»Aber es ist keiner hier«, sagte Ursula. Caleb zählte gar nicht.

Das ärgerte mich und ich sagte dummerweise: »Kommen Sie, Caleb. Machen Sie es«, und goß dann etwas zu viel Branntwein über den Pudding. Ich sah, daß Ursula protestieren wollte, und sagte: »Sie können das doch machen, oder? Gehen Sie nur langsam und halten Sie ihn fest«, und dann zündete ich den Branntwein an.

Er war begeistert. Er war sicher seit vielen Jahren nicht mehr auf einer Weihnachtseinladung gewesen, und man hatte ihn bestimmt noch nie vorher gebeten, den Plumpudding zu tragen. Beim Aufheben kippte er ihn ein wenig und spritzte sich so etwas Branntwein auf die Hand.

Ich schrie: »Oh, Caleb, Sie haben sich verbrannt!« und hörte dann Ursulas Kommentar: »Haben Sie etwas anderes erwartet? Also Susan, ich muß schon sagen ...«

Aber es war Calebs großer Augenblick, und er weigerte sich, den Pudding aus den Händen zu geben. Er achtete nicht auf Ursula, hätte mich im Vorbeigehen fast umgestoßen und segelte auf den Rasen hinaus, den Plumpudding feierlich hoch gehoben. Die Kinder schrien vor Entzücken, die Erwachsenen klatschten, und Caleb setzte seine Last nun sehr vorsichtig mitten auf dem Tisch ab.

Dann sagte jemand: »Aber Ihre Hand ist verbrannt. War es der Branntwein?« und alle scharten sich um ihn, während ich davonrannte, um Verbandzeug zu holen.

Aber Caleb schien die häßliche Brandwunde auf seinem Handrücken gar nicht zu bemerken. Er war endlich ein Held und fühlte sich glücklich.

Die Aufregung war gerade verebbt, als Mark schrie: »Ich hab’ meinen Threepence verschluckt!«, und Larry flüsterte mir zu: »Darauf hab’ ich gewartet«, als schon jemand zu Hilfe eilte.

Jeder gab einen guten Rat. Ursula schlug herzlos Senf und Wasser vor; Mrs. Lee sagte, was für ein Jammer es sei, daß Larry seinen Pudding nicht nach Münzen durchsucht hätte; Sam meinte resigniert, daß er dem Kind wohl am besten den Finger in den Hals stecken würde und Paul beschwor ihn, mit dem Opfer vorher zu verschwinden; aber Larry beruhigte alle wieder, indem sie ungerührt sagte, man sollte sich nicht aufregen. In seinem Alter hätte sie alles verschluckt, und wahrscheinlich hätten sie wohl die gleichen Innereien, und Onkel Richard unterstützte sie mit der Geschichte, daß sie mit drei Jahren siebzehn Pflaumenkerne verschluckt hatte und ihr das gar nicht geschadet hatte.

In diesem Moment fand Tony den Thrcepence im Gras, das sie genau abgesucht hatte, und wir atmeten alle erleichtert auf und setzten uns wieder hin.

Aber die Kinder betrieben diesen Spaß weiter. Diesmal war es Christopher, der triumphierend erklärte, er habe einen ganzen Schilling verschluckt. Das schien uns übertrieben, und Paul meinte ungerührt, er solle keinen Blödsinn daherreden. »Aber er ist nicht mehr da«, verteidigte er sich, und wir begriffen, daß ihn nicht die Gefahr, sondern der finanzielle Verlust beunruhigte.

Der Colonel zog sofort einen Schilling heraus, obwohl wir versuchten, ihn davon abzuhalten. Ich kannte Christopher und hatte so meinen Verdacht. Aber er bestand darauf, und unglücklicherweise war es gerade Ursula, die meinen Sohn später zwei Schillinge aus der Tasche ziehen sah. Er zeigte sie Christina und gab ihr den Rat, es genauso zu machen. Ich schämte mich für ihn, aber Ursulas Kommentar fand ich doch etwas scharf: Sie sagte, daß die Kinder in Neuseeland anscheinend ohne das geringste Sittlichkeitsgefühl aufwüchsen.

Das Weihnachtsessen hatte die unvermeidlichen Nachwirkungen — faul und träge saßen wir da und betrachteten die Stöße von schmutzigen Tellern und warteten darauf, daß jemand aufstünde. Und ausgerechnet Peter sagte dann: »Rühren Sie diese Teller nicht an, Susan. Das machen wir«, und er ging festen Schrittes in die Küche und ließ heißes Wasser ins Spülbecken einlaufen. »Nur hereinspaziert, meine Herren!« rief er unsere Männer, die gerade beschlossen hatten, daß man jetzt nach dem Essen rauchen müsse. »Beeilt euch. Die Frauen haben genug getan.«

Ich war überrascht. Von Peter, der bei uns nicht so zu Hause war wie die anderen, hatte ich nicht erwartet, daß er die Initiative ergreifen würde, aber natürlich machte ihn das mir nur noch sympathischer. Seinem Aufruf wurde widerwillig Folge geleistet, und Frauen war der Zutritt zur Küche verboten. Dann setzte das riesige Geklapper und Geschepper ein, das bedeutet, daß einige Männer abspülten und ihren Frauen beweisen wollten, wie einfach das ist. Uns störte das nicht. Larry bemerkte ganz richtig, daß der Preis von ein paar zerbrochenen Tellern dafür nicht zu teuer wäre.

Mit dankbarem Seufzen ließen wir uns auf der Veranda nieder und begannen, Ursula Höflichkeiten im Hinblick auf ihre Abreise zu sagen. Sie war bestens in Form und gab zurück, daß sie das Schiff wohl im falschen Moment verließe. Man könne ja sehen, daß das Baby noch etwas auf sich warten ließe.

In dem Augenblick kam Anne zu uns und sagte ruhig: »Es tut mir schrecklich leid, daß ich dich belästigen muß, Susan, aber ich mache mich  lieber auf den Weg. Ich hatte gehofft, daß nur der Truthahn um zwölf daran schuld sei, aber jetzt bin ich doch zu dem Schluß gekommen, daß Nicola pünktlich ist.«

Larry und ich sprangen auf. Ursula blickte gekränkt. Sie sagte: »Das kommt natürlich nur von diesem lächerlichen Getue um Weihnachten. Eine schwere Mahlzeit und all die Aufregung. Wenn ihr doch nur so vernünftig wärt, Weihnachten als ein stilles Fest zu feiern...«