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Ein oder zwei Tage später rief Tony an: »Susan, ich möchte so gerne, daß die Hochzeit in der Kirche ist!«
»Jetzt ist es also passiert!« dachte ich niedergeschlagen. Natürlich Colin Manson. Aber was für eine Art, mir das mitzuteilen! Um Zeit zu gewinnen, murmelte ich: »Was hast du gesagt, Tony?«
»Ich hab’ gesagt: eine richtige Hochzeit. Standesämter sind scheußlich. Ich hab’ zwar noch nie eines gesehen, aber ich bin sicher, daß es dort nur Staub und verkalkte alte Männer gibt.«
Immer noch um Zeit zu gewinnen, sagte ich konfus: »Ich bin auch noch nie in einem gewesen, aber sie sind sicher nicht sehr aufregend.«
»Und letztes Mal war die Trauung nur standesamtlich, also ein Grund mehr, diesmal in der Kirche zu heiraten. Da kann sie nichts an früher erinnern, denn so verrückt es auch klingt, Susan, ich glaub’, sie macht sich immer noch viele Sorgen wegen dem schrecklichen Kerl.«
Ich war erleichtert. Sie sprach von Edith Freeman, wie wir sie nannten, obwohl sie von Rechts wegen Edith Bolton hieß.
»Wann heiraten sie denn? Ich dachte, sie wollten sich in aller Stille davonmachen und sich in der Stadt trauen lassen.«
»Das wollten sie auch. Gräßlich langweilig. Das macht überhaupt keinen Spaß.«
Irgendwie hatte ich das auch nie von Ediths Hochzeit erwartet. Edith war von ihren traurigen Erfahrungen mitgenommen, und Ted war zwar ein herzensguter Kerl, aber nicht besonders lustig. Sie regten beide nicht sehr zur Fröhlichkeit an. Als ich das zu sagen wagte, war Tony empört.
»Gerade deshalb müssen sie einen richtigen Start haben! Ich hab’ Edith erklärt, daß sie ein passendes Kleid haben und im engsten Kreis in unserer kleinen Kirche heiraten müsse. Und hinterher eine ganz kleine Party, irgendwo.«
Ich war ziemlich sicher, daß das »irgendwo« für die ganz kleine Party unser Haus sein würde; und warum eigentlich nicht? Tony sprudelte weiter.
»Gegen die Kirche spricht gar nichts. Schließlich ist ja keiner von beiden geschieden.«
Da Edith nie richtig verheiratet gewesen war, war das nur zu wahr. Wahr war auch, daß sie für all das nichts gekonnt hatte. Ich war überzeugt, daß kein Pfarrer Einspruch erheben würde, am wenigsten unser netter Mr. Mason, den wir nun an Stelle von Norman Craig hatten. Aber ich fragte mich, ob es dem Paar nicht lieber sei, nur aufs Standesamt zu gehen und irgendeinen Trauzeugen zu nehmen.
Tony war über diesen Einwand entrüstet. »Schrecklich! Nein, diesmal soll sie etwas haben, woran sie sich ihr ganzes Leben lang erinnert. Dann wird sie das andere sicher vergessen.«
Tony war wirklich noch recht jung. Edith würde die Vergangenheit wahrscheinlich nie vergessen. Aber Tony war so begeistert, daß ich sie nicht darauf hinweisen wollte. Mir gelang es schließlich zu sagen: »Aber das Kleid? Ist das nicht unnötig, wenn sie so wenig Geld hat?«
Denn Freeman hatte sie nicht nur ohne einen Pfennig Geld sitzen lassen, er hatte auch auf ihren Namen Schulden gemacht, mit deren Abzahlung sie sich herumzuschlagen hatte. Mit Miss Adams Hilfe und dem Beistand eines Rechtsanwalts war es ihr gelungen, die Sache mit fast allen Firmen zu regeln. Nur eine war geldgierig und hatte kein Mitleid, und sie bekam von ihr immer wieder eingeschriebene Briefe. Wenn die kamen, brach sie immer in Tränen aus.
Tony sagte: »Aber sie braucht sich doch keines zu kaufen. Ich hab’ genau das richtige, und wir haben ungefähr die gleiche Figur. Wenn es nicht paßt, dann änderst du es doch, Susan, bitte?«
Das war klar, aber ich wollte wissen, an welches Kleid Tony dachte.
»Weißt du, das, das Daddy mir gekauft hat, als wir zur Jahresfeier seiner Firma gegangen sind. Es ist ein reizendes Kleid.«
Das stimmte, aber ich fand es für Edith als Brautkleid nicht passend. Immerhin war sie schon einmal einem Bigamisten zum Opfer gefallen. Ich wagte zu sagen: »Ist das nicht zu anspruchsvoll? Ich finde, Edith braucht etwas Einfacheres.«
»Aber es ist einfach. Solche Kleider sind jetzt Mode. Es ist nur wegen dem Schnitt und der Stickerei so teuer gewesen. Es ist einfach süß, und ich möchte es ihr so gerne schenken. Daddy kann mir ja ein neues kaufen, wenn er mich wieder zu einer Party mitnimmt, und weil er das sowieso für Ewigkeiten nicht mehr tun wird, hat er das erste dann schon längst vergessen.«
»Hast du dir das auch genau überlegt, Tony? Vielleicht brauchst du es doch noch selbst?«
»Sicher nicht. Können wir heute Abend zur Anprobe kommen? Und hast du oder Larry zufällig einen passenden Hut? Ich setze ja nie einen auf, und wenn, dann so einen albernen, der Edith nicht stehen würde.«
Ich sagte, daß Anne sicher etwas für sie hätte, wenn wir keinen fänden, und daß ich mich freuen würde, Tony heute Abend zu sehen. Dann fragte ich: »Wie geht es übrigens deinem Schützling, Caleb Fielder? Hat sich etwas getan?«
»Noch nicht, aber er erwartet jeden Tag, daß er hinausfliegt, der arme Kerl. Ich grüble immer darüber nach, aber ich muß mich jetzt erst um Edith kümmern.«
Ich lachte, als ich den Hörer auflegte. Wenn Tony nicht so jung und hübsch gewesen wäre, dann hätte es uns sicher gestört, daß sie ihre Nase in alles steckte.
Tony hatte erklärt, sie könnten nur ein oder zwei Stunden bleiben, weil im Supermarkt so viel zu tun sei, und fügte vergnügt hinzu: »Nur um schnell zu sehen, ob du es überhaupt ändern mußt. Wenn es gar nicht paßt, müssen wir natürlich etwas anderes suchen. Larry ist zu groß, aber vielleicht hast du oder Anne ...«
Mir wurde klar, daß wir nun alle hineingezogen wurden.
Ich sagte zu Larry: »Eigentlich schäme ich mich, daß ich mich um Ediths Hochzeit nie gekümmert hab’. Es sah so uninteressant aus.«
»Wir sind natürlich schon ein bißchen zu alt, um von Hochzeiten zu schwärmen. Wir haben das Gefühl — wieder ist eine gute Frau in die Falle gegangen.«
Dann sagte sie ernsthaft: »Tony hat recht, und wir sind egoistisch gewesen. Es stimmt, daß Edith uninteressant und ein wenig langweilig ist. Aber Tony schließt alle immer gleich ins Herz. Wir sollten uns ein Beispiel an ihr nehmen. Also los, sorgen wir dafür, daß die Hochzeit ein rauschendes Fest wird.«
Anne sagte fast das gleiche. »Ich hab’ Tony richtig lieb. Sie ist so ungeheuer jung.«
»Mit deinen sechsundzwanzig bist du auch kein Methusalem.«
»Ich fühle mich aber bald so. Viel älter als Ursula. Susan, sieht sie nicht gut aus?«
»Für einen Pferdefreund vielleicht. Aber wie steht es mit einem Hut, Anne?«
»Da find’ ich sicher was. Was für eine Farbe hat das Kleid? Dieses entzückende Blaugrün? Tony müßte bildschön damit aussehen.«
»Das glaub’ ich auch. Sie hat sicher viel Erfolg gehabt auf Alastairs Party, mit kastanienbraunem Haar, braunen Augen und magnolienfarbener Haut.« Das Kleid war genau richtig für sie. Nicht für Edith Bolton, die unscheinbar war wie eine kleine Maus.
Anne fuhr fort: »Sicher hab’ ich irgendwas — vielleicht dieses Ding aus dunklem Stroh, etwas ganz Schlichtes. Er gefiel mir sehr gut, aber Tim nicht, deshalb hab’ ich ihn nie aufgehabt. Sag’ Tony, sie soll auf dem Weg zu euch hereinschauen, ich werde ein paar Hüte herrichten.«
Larry hatte versprochen, zu kommen und bei der Kleiderprobe zu helfen. Als sie kam, zog sie die wunderschöne Türkiskette heraus, die ihr Onkel Richard zum letzten Geburtstag geschenkt hatte.
»Ich leihe sie ihr. Sie paßt genau zum Kleid. Ist es nicht unglaublich, um wieviel schöner Onkel Richards Geschenke geworden sind, seit er Lydia geheiratet hat? Sie waren früher immer so scheußlich. Das Kleid ist wirklich reizend. Am liebsten würde ich ihr die Türkise schenken, aber ich trau’ mich nicht, Onkel Richard hat die unangenehme Angewohnheit, seine Geschenke zu überprüfen, wenn er uns besucht. Als wenn ich nicht in Ehren hielte, was ich von ihm bekomme.«
»Das >in Ehren halten< ist mir neu«, sagte ich boshaft und erinnerte sie an den gräßlichen Anhänger, den Onkel Richard ihr vor Jahren geschenkt hatte, und den sie einem Juwelier verkauft hatte. Dabei war sie fast erwischt worden, und allein Julians Geistesgegenwart hatte sie gerettet.
Sie überging das mit der Bemerkung, daß das eine alte Geschichte sei und ich lernen müsse, mich von der Vergangenheit zu lösen. Ich brauchte mir keine passende Antwort mehr zu überlegen, denn Tony und die Braut kamen gerade.
Tony stürzte ins Haus, mit einer Hutschachtel in der Hand. »Anne hat uns ein paar zum Aussuchen mitgegeben. Ich bin schon sehr gespannt. Ist das Kleid nicht reizend? Genau das richtige für Edith, aber sie stellt sich furchtbar an und meint, daß sie es nicht annehmen könne. Bring du ihr bei, Susan, daß ich es einfach nicht mehr haben will.«
Edith blickte unglücklich drein, und sie war nur schwer dazu zu überreden, das Kleid auch nur anzuprobieren.
»Aber das geht doch nicht. Es ist viel zu schön. Tony, es ist dein Kleid, genau deine Farbe und dein Stil!«
»Das stimmt nicht, und außerdem gehört es jetzt dir. Mein Hochzeitsgeschenk — mit dem Unterzeug, das dazugehört. Du wirst dich selbst nicht mehr kennen, Edith, wenn wir erst mit dir fertig sind. Keine Widerrede! Willst du für Ted nicht hübsch aussehen?«
»Ja, schon! Ted ist so gut und lieb zu mir. Aber ich kann dir doch nicht dein neues Kleid wegnehmen, und ich bin nicht so hübsch wie du.«
»Abwarten!« Und in kürzester Zeit hatte sie ihr das Kleid über den Kopf gestreift, und Larry hatte ihr die Kette umgelegt. Die Wirkung war überraschend. Tony hatte recht gehabt mit der Farbe, sie bewirkte bei Ediths ordentlicher, unauffälliger Erscheinung das, was die Verkäufer »nachhelfen« nennen. Ihre Augen waren von einer unbestimmten Farbe und schienen nun so blaugrün wie das Kleid, und ihr weiches blondes Haar ließ sie sehr zart aussehen. Sie war eine süße kleine Braut, und Ted Stuart würde glücklich sein.
Der Hut paßte genau. Anne erzählte mir später, sie sei sich damit sehr schön vorgekommen, aber Tim habe nur einen Blick darauf geworfen und gesagt: »Der ist für die Gartenarbeit, nicht wahr, Liebes?« und sie hätte sich nie mehr überwinden können, ihn wieder aufzusetzen. »Also bin ich Edith richtig dankbar, daß sie ihn mir abnimmt.«
Als wir Edith angekleidet hatten, und Tony ihr das Gesicht flüchtig, aber wirkungsvoll zurecht gemacht hatte, führten wir sie vor den großen Spiegel in meinem Zimmer. Sie starrte ihr Spiegelbild eine ganze Weile an, und dann stieg ihr langsam eine hübsche Röte in die Wangen. Vermutlich kam ihr da zum ersten Mal der Gedanke, daß in dieser Ehe nicht nur Ted der Gebende war.
»Dem Himmel sei Dank, daß wir einen kleinen Funken Selbstvertrauen in ihr entfacht haben«, sagte Larry nachher. »Stell dir nur vor, wenn sie immer geglaubt hätte, ihm dankbar sein zu müssen. Ted wird dankbar sein, wenn er sie durch die Kirche auf sich zukommen sieht.«
»Ich hätte gerne gewußt, was Ted von diesen ganzen Vorbereitungen hielt.«
»Ach, dem ist es recht«, sagte Tony gutgelaunt. »Edith bat mich, es ihm beizubringen, und er wandte nichts ein. Ich hielt die Gelegenheit für günstig, auch gleich von einem neuen Auto zu reden. Er kann es sich leisten, und seine alte Karre würde bei der Hochzeit fürchterlich aussehen.«
»Und ist er damit einverstanden, daß du alle seine Angelegenheiten in die Hand nimmst?« Das war natürlich Paul.
Tony war erstaunt. »Aber Paul, das tu’ ich doch gar nicht!
Edith ist nur so unglaublich schüchtern. Ich versteh’ das gar nicht.«
»Wirklich? Ich schon«, sagte er grimmig, aber Tony sprudelte weiter.
»Dann, als wir über Autos redeten, fragte ich, wohin sie ihre Hochzeitsreise machen würden. Und stellt euch vor, auf diese Idee ist er überhaupt noch nicht gekommen!«
»Aber ich nehme an, du hast ihm auch das beigebracht?«
»Wirklich nicht! Ich hab’ nur gesagt, daß das keine richtige Hochzeit wäre, wenn sie dann gleich zum Kühemelken heimgingen. Und wie wäre es mit Caleb?«
»Wie was mit ihm wäre?« fragte ich verwirrt. »Was hat er damit zu tun?« Sollte Caleb auch noch in diese Hochzeit verwickelt werden?
»Ich hab’ gedacht, er könnte so lange auf Teds Farm leben und die Kühe versorgen.«
»Und damit soll Caleb fertig werden? Er wird versuchen, die einen zweimal zu melken und die anderen vergessen.«
»Damit hast du nun wirklich nicht recht, Susan. Ein paar Tage lang versorgt Caleb alles wunderbar. Es wäre ja nicht für so lange, daß er alles durcheinander bringen könnte, und er ist schrecklich nett und lieb zu Tieren. Und außerdem so zuverlässig und vorsichtig. Und es würde ihm gut tun, wenn er dann auch zur Hochzeit kommen könnte ...«
In dem Moment lachten Paul und ich laut los, und Paul sagte: »Beim Teufel, du bist eine Gefahr für die Allgemeinheit, Tony. Du wirst bald alles in der Gegend organisieren.«
Tonys hübsche Augen wurden sehr groß, und sie war beleidigt. »So ein Blödsinn, Paul. Ich versuche nie, jemanden herumzukommandieren. Ich mache nur Vorschläge!«
Das nächste Opfer für einen Vorschlag war der Colonel. Nachdem ihm Tony alles über die Hochzeit erzählt hatte, fragte er: »Wie steht es mit einem Empfang nach der Trauung? So nennt man das wohl heutzutage nicht mehr? Ich meine so eine Art Party. Macht man doch für gewöhnlich?«
»Ja. Susan wird sicher eine geben, und wir wohnen nur neun Meilen von Tiri weg.«
Der Colonel wohnte nur drei Meilen weg.
»Warum so weit laufen? Nein, belästigen Sie Susan nicht damit. Die hat genug zu tun. Ich werde ein Wort mit Mrs. Evans reden, sie liebt Partys.«
Mrs. Evans versorgte den Colonel seit dem Tod von Annes Mutter, und sie war mit allem einverstanden, was der Colonel wünschte. Tony sagte hoffnungsvoll: »Es werden sicher nicht viele. Auch wenn alle von uns aus Tiri kommen, sind wir nur etwa zwanzig.« Aber Mrs. Evans meinte gemütlich: »Meine Liebe, Sie leben hier noch nicht so lange wie ich. Wir werden wesentlich mehr als zwanzig Leute sein. Aber Miss Adams hat Kuchen bestellt, und den Rest übernehme ich gerne. Ich mag diese kleine Frau, und es ist eine Schande, wie dieser Freeman sie behandelt hat.«
Tatsächlich rührte sich bei allen plötzlich das Gewissen.
Für Tony gab es jetzt kein Halten mehr. Als sie das nächste Mal heimkam, sagte sie zu mir: »Susan, könntet ihr mir einen Gefallen tun, du und Larry? Edith hat praktisch keine Aussteuer. Ihr ganzes Geld ist für die Rechnungen von dieser Firma draufgegangen. Sie würde sich sicher ungeheuer freuen, wenn sie ein paar nette Sachen zum Anziehen hätte. Stell dir vor, sie hat sich seit einem Jahr kein neues Kleid mehr gekauft«, und Tony, die ein großzügiges Taschengeld von ihrem Vater bekam, und außerdem den Lohn, den ihr Miss Adams unbedingt zahlen wollte, machte ein tragisches Gesicht. Sie fuhr fort: »Daddy hat mir einen Scheck geschickt, damit ich allen Weihnachtsgeschenke kaufen kann, aber ihr habt ja beschlossen, das dieses Jahr einzuschränken.«
Klang das wehmütig? Im Grunde war Tony noch in dem Alter, in dem man an Weihnachtsgeschenken viel Freude hatte. Ich sagte unsicher: »Ach, so genau braucht man es nicht zu nehmen. Nur kein umständliches Essen und keine Unmengen von Geschenken für andere Leute.«
»Ich finde die Idee wirklich ausgezeichnet, und so bequem. Natürlich werde ich ein paar Leuten in Tiri etwas schenken, die nett zu mir gewesen sind, wie Mick und der Colonel.« (Ich amüsierte mich darüber, wie sie die beiden in einem Atemzug nannte, und hoffte, der Colonel würde sich auch amüsieren.)
Sie redete weiter: »Im Augenblick kann ich nicht nach Te Rimu fahren, weil wir fürchterlich viel zu tun haben, und du und Larry, ihr wißt sowieso besser, was Edith brauchen kann. Könntet ihr bitte Daddys Scheck für eine Aussteuer für Edith nehmen? Ich weiß, daß er es verstehen wird.«
Das würde er sicher nicht. Edith war sicher nicht nach seinem Geschmack. Aber ich mußte natürlich zustimmen. Tony wickelte uns einfach alle um den Finger. Doch ich war froh, daß sie nicht selbst fahren konnte. Ich hatte nicht vor, das ganze Geld, das Alastair seiner Tochter geschickt hatte, für eine Ausstattung für Ediths sehr einfaches Farmerleben zu verwenden, und ich wußte, daß Tony Großartiges vorhaben würde.
Ich erwiderte: »Selbstverständlich machen wir das. Schreib uns nur eine Liste von allem, was wir kaufen sollen«, und beschloß im Stillen, ein Wort mit Paul zu reden. Die Hochzeit begann eine Sache von allgemeinem Interesse zu werden, und wir waren immer so stolz darauf gewesen, daß alle in der Gegend so gut zusammenhielten.
Ich sprach mit Larry darüber, und sie war begeistert. »Ganz klar, daß Sam da beisteuert. Schließlich war es nicht die Schuld dieser armen kleinen Frau, daß sie diese Schulden abbezahlen mußte, und außerdem geben wir dieses Jahr nichts für Weihnachten oder ein großes Essen oder sowas aus. Viel besser, dafür etwas zu zahlen.«
Paul war der gleichen Meinung. »Natürlich helfe ich. Viel vernünftiger, als einen Haufen Geld für Geschenke auszugeben, die doch niemand will. Die Frau hat ihr Teil hinter sich, wir sollten ihr wirklich helfen.«
Tony brach fast in Tränen aus, als sie von Pauls Scheck hörte. Dann kicherte sie plötzlich. »Wenn der Gute nur wüßte, daß er der nächste ist, dem ich einen Vorschlag zu machen hab’! Er muß einfach für Edith den Brautvater machen. Es gibt niemanden anderen, der sich breitschlagen ließe, und außerdem sieht Paul so gut aus.«
Das war zu viel für mich. Ich lachte schwach und sagte: »Wenn du das fertigbringst, dann ist dir wirklich nichts unmöglich — aber trotzdem viel Glück!«
Der Bräutigam tat alles, was er von Tony gesagt bekam. Er hatte ein viel moderneres Auto gekauft, mit Caleb ausgemacht, daß er die Farm für drei Tage übernehmen würde, und mit dem Pfarrer gesprochen. Dann war er nach Te Rimu gefahren und hatte einen Ring gekauft, und war nun sehr zufrieden mit sich.
Die Hochzeit sollte schon in einer Woche stattfinden, und Larry und ich fuhren eiligst in die Stadt, um für Edith einzukaufen.
»Und wir können dabei gleich ein paar Kleinigkeiten für Weihnachten besorgen«, sagte sie beiläufig.
»Ich dachte, wir machen dieses Jahr keine Weihnachtseinkäufe.« Larry wich aus. »Ach, nicht direkt Einkäufe. Nur so bei Gelegenheit ein paar Kleinigkeiten.«
»Aber du hast gesagt, daß es sowas dieses Jahr nicht gäbe.
Nicht diese Hin-und-her-Schenkerei. Du hast viel darüber geredet, und ich hab’ es für abgemacht gehalten.«
»Komm, Susan, ich wollte, du wärst nicht so stur. Man merkt, daß du älter wirst. Du kennst das doch, wie die Leute im letzten Moment noch Geschenke schicken, wenn man schon hofft, daß sie einen endlich vergessen haben.«
»Und das ist genau der richtige Moment, um festzubleiben und nichts zurückzuschicken.«
Larry lenkte ab, wie gewöhnlich. »Du bist komisch, Susan. Du siehst so lieb und freundlich aus, und im Grunde deines Herzens bist du so grausam. Im Prinzip hast du natürlich recht, aber...«
Das war es. Dieses »aber« erfaßte die ganze Lage.
Anne bestand darauf, daß wir unsere Kleinen zu ihr brachten. Als wir widersprachen und sagten, daß sie uns keine Last seien — was restlos gelogen war — ergriff Ursula den Hörer und sagte fröhlich, daß das gut ginge. Sie werde nicht mit Tim auf der Farm draußen arbeiten und könne sich leicht um die Kinder kümmern. Eigentlich habe sie noch nie verstanden, warum man so ein Getue mit Kindern mache. Sie habe nie Schwierigkeiten mit ihnen.
Als ich Larry das erzählte, lachte sie grimmig. »Warte nur, bis sie Patience und Mark einen Tag lang gehütet hat. Dann hält sie uns vielleicht nicht mehr für vollkommen blöd.«
Der Colonel kam extra heraufgefahren, um die Kinder zu holen und uns den Umweg zu ersparen. »Mühe? Keine Rede davon. Sie werden unter Ursulas Obhut wie die Lämmer sein.«
Wir verbrachten einen herrlichen Vormittag und waren sehr zufrieden mit unseren Einkäufen. Wir kauften für Edith ein paar Baumwollkleider und noch ein eleganteres. Dann konnten wir uns in der Wäscheabteilung lange nicht entschließen, und nachher kauften wir sogar noch ein Paar hübsche Sandalen und Schuhe für den großen Tag. Das konnten wir, da Tony Edith ihr einziges gutes Paar geklaut und uns als Muster mitgegeben hatte, und sie es glücklicherweise nicht vermißt hatte. Nach Hüten schauten wir gar nicht, Edith würde selten Gelegenheit haben, einen zu tragen, und wir wollten sie schließlich nicht mit Geschenken überhäufen. Es blieb Tony überlassen, ihr alles zu überreichen und sie zur Annahme zu bewegen. Sie würde ihre Sache sicherlich gut machen, auch wenn sie sich nicht ganz an die Wahrheit hielte.
Am Nachmittag feierten wir die Tatsache, daß wir ohne Kinder unterwegs waren. »Da läuft gerade ein Film«, begann Larry, und das genügte schon.
Auf dem Land geht man wenig ins Kino. Larrys und meine Auffassung von Vergnügen entsprechen sich völlig; notwendige Einkäufe, ein exotisches und schwerverdauliches Mittagessen, und ein Film. Als er zu Ende war, wankten wir leicht benommen ans Tageslicht hinaus und lechzten nach einer Tasse Tee.
Dann murmelten wir etwas von »Geschenke für die Kinder kaufen« und trennten uns. Es sei so einfach diesmal, erklärten wir einander, da wir nur für sie einzukaufen brauchten. »Mir tun all die armen Teufel leid, mit langen Listen in der Hand, die sich um Sonderangebote schlagen«, sagte Larry überheblich.
Bald darauf entdeckte ich Larry mitten im Gewühl, sie hatte sich der kämpfenden Menge angeschlossen. Gleich darauf war ich ebenfalls darin untergetaucht und suchte ein Buch für den Colonel aus und eines für Mrs. Evans und eine Krawatte für Mr. Evans. Dann kam Tantchen an die Reihe — wir hätten auch nicht im Traum daran gedacht, ihr nichts zu schenken. Und so ging es weiter, bis ich mir einen Weg durch die Freitagabend-Einkäufer bahnte, hinein in ein großes Warenhaus, das eine riesige Glückwunschabteilung hatte. Besser, ein paar in Reserve zu haben, so für den Fall...
Ich hatte mir fünf Dutzend beiseite gelegt, als ich eine Stimme sagen hörte: »Ich nehme ein paar von diesem Regal«, und ich war nicht überrascht, als ich Larry sah — erhitzt und zerzaust und mit Unmengen von Paketen in der Tasche. Ich schlüpfte hinter ein hohes Regal und sah ihr zu, wie sie in fünf Minuten fünfzehn Schillinge ausgab. Dann verstaute ich meine eigenen Karten tief in der Tasche und gesellte mich zu ihr mit der freundlichen Bemerkung: »Sag bloß, du gibst dich mit diesem altmodischen Kram ab? So eine Geldverschwendung.«
Auf dem Heimweg fingen wir plötzlich zu lachen an. Larry fragte: »Wieviel hast du ausgegeben? Nicht für Edith, mein’ ich. Von deinem eigenen Geld für unnötige Weihnachtsgeschenke?«
Wir bekannten es einander und kamen zu dem Schluß, daß dieses Weihnachten zwar ganz einfach, jedoch nicht billig werden würde.
Tony stellte sich ziemlich an, weil wir nicht ihr ganzes Geld für Edith ausgegeben hatten, aber unsere Einkäufe gefielen ihr sehr. Sie sagte: »Alles klappt wie am Schnürchen. Ted hat ein recht anständiges Auto gekauft, und Caleb kann kommen und die Kühe versorgen. Ich glaub’, er ist dankbar dafür, denn er hat so Angst davor, plötzlich hinausgeworfen zu werden. Aber etwas ist passiert, was mir nicht recht ist, Susan. Edith liegt so viel daran, daß ich Brautjungfer mache. Ich glaub’, ich werd’ furchtbar doof aussehen, aber ich werd’ schon etwas zum Anziehen finden, und vielleicht sieht es dann mehr nach einer richtigen Hochzeit aus. Sie hat mich so gebeten, daß ich einfach muß.«
»Ich finde die Idee sehr nett«, sagte ich sofort. Dann kam mir ein Gedanke, und ich fragte: »Aber wen nimmt Ted als deinen Herrn? Du brauchst jemanden. Hoffentlich schlägt er nicht Mick O’Connor vor?«
»Das ist schon geregelt«, sagte Tony vergnügt. »Colin war dabei, als wir darüber redeten, und er sagte: >Sowas mach’ ich mit Vergnügen, es macht mir Riesenspaß. Garantiere, daß ich den Ring in der Tasche hab’ und mich um die Brautjungfer kümmer’.<«
Das glaubte ich ihm, aber ich war niedergeschlagen. Hochzeiten sind gefährlich. Sie können ansteckend wirken.
Larry und ich fanden, daß Ursula recht erschöpft aussah, als wir unsere Kinder nach dem Einkaufsbummel einsammelten, und Larry meinte: »Lieber nicht fragen, aber es sieht so aus, als seien die lieben Kleinen doch nicht so lammfromm gewesen, obwohl sie unter Ursulas Obhut gewesen sind.»
Es war auch nicht nötig zu fragen. Ursula rief am nächsten Tag an und sagte, sie hätte gerne ein Wort mit Larry und mir geredet. Das klang bedrohlich. Hatten diese Bälger irgendetwas Schreckliches verbrochen? So schlimm war es jedoch nicht. Ursula wollte uns nur eine Unterweisung geben in der schwierigen Kunst der Kindererziehung.
»Meiner Meinung nach fassen Sie alles ganz falsch an. Die Kinder sind intelligent, und man könnte sie zum Guten beeinflussen.«
Larry sagte sanft, daß wir sie eigentlich selten zu Verbrechen anregten.
»Ich will damit sagen, daß Sie Ihre Intelligenz zu Hilfe nehmen sollten, um der der Kinder immer voraus zu sein.«
Ich warf ein, daß das nur der Teufel könne.
»Sie sollten ihnen immer einen Schritt voraus sein«, fuhr Ursula fort, ohne mich zu beachten. »Immer schon auf die nächste Frage vorbereitet sein, auf das nächste zarte Keimen ihrer Intelligenz gefaßt sein. Hoffen Sie nicht einfach das Beste. Gedankenloser Optimismus ist ein Verbrechen in der Kindererziehung!«
Hier stimmten wir so einmütig zu, daß Ursula uns mißtrauisch ansah. Aber sie redete eifrig weiter. Wir wurden restlos abgekanzelt. Wir verzogen unsere Kinder nicht nur, wir richteten sie zugrunde. Sie benötigten intelligente Unnachgiebigkeit — sie wiederholte das Wort »intelligent«. Sie benötigten eine feste, aber zarte Führung. Kurz, sie brauchten kluge und verständige Eltern. »Ich weiß ja, daß Paul und Sam ihr Bestes tun, aber sie sind nicht immer da. Es ist die Pflicht der Frau«... und so weiter.
Sie verließ uns mit der selbstzufriedenen Bemerkung, daß uns wahrscheinlich bisher nur jemand gefehlt habe, der uns diese Dinge klargemacht hätte. Als sie gegangen war, dauerte es einige Zeit, bis wir unseren Humor wiedergefunden hatten. Erst kochten wir vor Wut. Dann sagte Larry: »Komisch, daß wir das nicht schlucken können. Keine Mutter kann das. Wir sind genauso voreingenommen wie die anderen und vertragen keine Kritik an unseren Kindern, keinen Kommentar zu unseren Methoden. Susan, was täten wir nur, wenn wir sie ernst nehmen wollten!«
Danach war es leicht, die gewohnten Phrasen über alte Jungfern und Kinder anzubringen und zu lachen. Aber wir beschlossen, den Männern nichts davon zu erzählen. Wir fürchteten, daß sie Ursula recht geben könnten. Ich sagte: »Am besten versuchen wir es jetzt, Paul beizubringen, daß er bei Edith Brautvater machen soll. Die Gelegenheit ist günstig, denn er ist sehr zufrieden mit dem Geld, das er für die ersten fetten Lämmer bekommen hat.«
Tony interessierte sich zuerst brennend für den Erfolg, den er mit den Lämmern gehabt hatte. »Wie gut du das gemacht hast, Paul! Jetzt hab’ ich kein so schlechtes Gewissen mehr wegen des Schecks, den du Susan für Ediths Aussteuer gegeben hast.«
»Schlechtes Gewissen? Nicht nötig. Tue alles, was ich kann, um der armen Frau zu helfen.«
»Meinst du das ernst?«
»Wofür hältst du mich eigentlich?«
»Lieber Paul, würdest du dann noch etwas tun? Ihr nicht nur helfen — sondern ihr auch deinen Arm reichen?«
»Was zum Teufel meinst du damit? Was hast du jetzt wieder vor?«
»Schau, irgendwer muß für Edith den Brautvater machen. Jemand, den alle kennen und achten, keiner von den Neuen. Einer von den Alten. Paul, weißt du, keiner könnte das so gut wie du.«
Ich folgte Tonys Ausführungen mit Anerkennung, während das Lächeln vom Gesicht meines Mannes verschwunden war und einem gehetzten Ausdruck Platz gemacht hatte. Er sagte: »Meinen Arm? Meinen Arm reichen? Nein, Tony, ich stolziere nicht durch die Kirche mit einer Braut am Arm. Nicht für dich und auch für sonst niemanden.«
»Nicht für mich, Paul, sondern für Edith. Du hast gesagt, du tätest alles, was du kannst. Siehst du nicht ein, daß das nötig ist, damit auch alle sehen, daß das Vorgefallene nicht ihre Schuld gewesen ist? Wenn du das tust, dann werden das alle begreifen. Von dir hält man so viel hier in der Gegend!«
»Keine Schmeicheleien! Es gibt genug andere Männer. Warum versuchst du es nicht bei denen?«
»Weil du mein Onkel bist und ich stolz auf dich bin.«
In dieser Art ging es weiter. Paul kämpfte verbissen, aber ich konnte sehen, daß Tony gewinnen würde. Paul machte einen letzten verzweifelten Versuch. Er sagte: »Aber mein Anzug ist uralt!«
Jetzt griff ich ein. Seit drei Jahren versuchte ich, Paul dazu zu überreden, sich einen neuen Anzug zu kaufen. Ich sagte: »Dann kauf dir eben einen neuen! Du kannst ihn dir leisten, und du weißt, daß du ihn dringend brauchst. Außerdem geben wir kein Geld für Weihnachtsgeschenke aus, und du kannst also das Geld dafür nehmen, von dem du mir sonst einen neuen Sattel gekauft hättest.«
Paul blickte verärgert. »Dieser ganze Unfug mit den Geschenken«, brummte er, aber ich war mir klar darüber, daß er nur ablenken wollte, und sagte unbeirrt: »Natürlich sollst du das Geld für dich ausgeben und einen neuen Anzug kaufen. Das predige ich schon seit Ewigkeiten.«
Er starrte vor sich hin. Bei der Wahl zwischen diesen beiden Übeln würde er lieber bei der nächstbesten Braut den Brautvater machen, als gezwungen sein, in die Stadt zu fahren und einen neuen Anzug zu kaufen. Mir wurde klar, daß ich meinen privaten Kampf verlieren würde, Tony den ihren aber gewinnen.
Paul sagte: »Was gibt es an meinem Anzug auszusetzen? Ich kauf’ mir keinen neuen, das schlagt euch gleich aus dem Kopf.«
Tony warf mir einen bedauernden Blick zu. Sie wußte, daß sie mich jetzt vernichtete, aber es war notwendig. Sie sagte zuckersüß: »Ist auch nicht nötig! Deiner ist wirklich noch gut, und es ist ja nur eine kleine Hochzeit.«
Er blickte sie finster an, und dann mußte er wider seinen Willen lachen. »Du bist ein hinterlistiger kleiner Teufel. Wozu nur all das Getue? Man könnte denken, es sei deine Hochzeit.«