IX

Morsch war schon von weitem zu sehen. Das lag zum einen am erhabenen Turm der Klosterkirche, zum anderen am Rauch, der aus diversen Schornsteinen stieg. Morsch war eines der größeren Klöster und so wurde dort nicht nur Holz verbrannt um zu heizen, sondern auch um Bier zu brauen, Brot zu backen und Schinken zu räuchern.

“Ab jetzt müssen wir besonders vorsichtig sein, wir wissen ja nicht, was Isidor und seine Inquisitoren den Brüdern erzählt haben. Kann gut sein, dass sie noch auf Zaubererjagd sind.”

“Wir wäre es, wenn ihr uns einfach in normale Reisende verwandelt?” Rolf grinste.

“Wie sehen denn normale Reisende aus?”

“Hm, gute Frage, vielleicht einfache Bauern?”

“Das wäre zu unbequem, die tragen raues Leinen und schlechte Schuhe. Außerdem reisen einfache Bauern normalerweise nicht, schon gar nicht so weit. Das wäre zu auffällig.”

“Dann vielleicht wie reiche Händler. Dann könnten wir uns auch bequeme Kleidung zulegen.”

“Ja, schon eher. Allerdings haben die den Nachteil, dass sie gerne mal von Räubern überfallen werden. Darauf kann ich gut und gerne verzichten.”

“Auf jeden Fall sollten wir nicht aussehen wie Zauberer, oder?” Rolf nahm seinen Zauberhut ab und knautschte ihn in seine Tasche.

“Sehen wir denn wie Zauberer aus?” Eviana musterte Rolf. Er trug noch immer seinen Lederwams. Mit seinen Muskelpaketen und den langen schwarzen Haaren wirkte er ohne Mütze eher wie ein Jäger oder ein einfacher Soldat. An einen Zauberer hatte tatsächlich nur sein Zauberhut erinnert. Eviana selbst trug wieder ihr Alltagskleid, ein unscheinbares, einfaches Gewand. Allerdings auch mit ihrem guten Kleid sah sie nicht wie eine Zauberin aus, sondern vor allem wie ein neunjähriges Mädchen.

“Jetzt nicht mehr.” Nun musste auch Eviana grinsen.

“Rolf, als ich dich gebeten habe, Cedric zu helfen, habe ich nicht die ganze Wahrheit gesagt.” Rolf schwieg und hörte zu.

“Ich habe keine Familie. Ich bin ein Findelkind. Meine Stiefeltern konnten mir nie eine Familie sein. Eher schon meine Freunde, Golly und Rangy, mit denen ich aufgewachsen bin. Als ich von zu Hause weglaufen musste”, Eviana hatte die Sache mit der Gurkennase inzwischen gebeichtet, “habe ich die zwei verloren. Gandalf hat sich alle Mühe gegeben, aber mit seiner steifen Art war er kein Vaterersatz. Cedric war in den letzten Monaten meine Familie. Er ist wie ein Bruder für mich. Deswegen muss ich ihm helfen. Er würde das Gleiche für mich tun.” Stück für Stück konnte sich Rolf die Geschichte von Eviana zusammenreimen. Er ließ sie reden. Das tat ihr gut und er lernte sie besser kennen. Doch den großen Geheimnissen von Eviana kam er nicht näher. Warum verfügte dieses Kind über so große Zauberkraft? Wer waren seine Eltern? Was war seine Bestimmung?

“Eviana, ich muss dir auch noch etwas erzählen. Der Zauberrat ruft mich gerne, wenn besondere Aufgaben zu meistern sind. Dazu gehört es zum Beispiel, bedrohten Zauberern zu helfen. Aber die eigentliche Aufgabe, die ich derzeit habe, ist das Horn von Alusia zu finden.”

“Ein Horn?”

“Es ist kein normales Horn, es gehört zu den sieben magischen Artefakten.”

“Was ist eigentlich ein Artefakt?”

“Etwas, das künstlich hergestellt worden ist. Es sind sieben Dinge, die vor langer Zeit gemacht worden sind und in denen große Zauberkraft eingeschlossen ist.”

“Warum macht man so etwas?”

“All unsere Zauberkraft basiert darauf, dass wir die große Energie anzapfen und auf die Erde leiten. Aber eigentlich ist diese Energie nicht von dieser Welt. Es erfordert große Zauber auf der Erde, um die Grenze zu überwinden. Nur dank der sieben Artefakte ist es überhaupt möglich zu zaubern. Wenn es die sieben Artefakte nicht mehr gibt, gibt es auch keine Zauberei mehr.”
“Aber könnte man dann nicht einfach neue Artefakte schaffen?”

“Im Prinzip ja, aber es gibt derzeit keinen Zauberer, der stark genug ist. Insbesondere seit der großen Spaltung sind die Zaubermeister nie wieder so stark gewesen wie damals, als alles anfing.” Evianas Kopf surrte.

“Die große Spaltung?”

“Ja, das ist lange her. Ursprünglich gab es nur einen Zauberrat und alle Zauberer waren Gut und Böse zugleich. Der Rat wachte, dass das Gleichgewicht gehalten wurde. Doch eines Tages erlag ein mächtiger Zauberer des Zauberrats der Versuchung und wurde ganz und gar Böse. Weitere folgten ihm. Sie verließen den Zauberrat und gingen ihren eigenen Interessen nach. Die verbliebenen Zauberer mussten zu guten Zauberern werden um das magische Gleichgewicht der Welt wieder herzustellen. Und seitdem sind die Zauberer in eher gute und eher böse Zauberer gespalten. Das ist ein großes Unglück und das Gleichgewicht ist seit dem ständig in Gefahr.”

“Und was wollt ihr mit diesem Horn machen?”

“Ja, das ist eine ganz andere Geschichte. Der König von Alusia ist komplett größenwahnsinnig. Erst hat er die Kirche ausgeschaltet und Isidor zum Großinquisitor ernannt und als Nächstes will er die Magie von dieser Welt verbannen. Er hat von den sieben Artefakten erfahren und nun sucht er sie um sie zu zerstören. Also müssen wir sie vor ihm finden, um sie zu bewahren.”

“Ihr wisst gar nicht, wo die sind?”

“Nein, nicht so genau. Damit sie wirken können, müssen sie auf der Erde sein und sie sind hier seit vielen Jahrhunderten verstreut, es war ja nie wirklich wichtig. Wir wissen also nicht wo sie sind und von einigen wissen wir nicht einmal, was sie sind. Wir sind uns nur sicher, dass es sieben davon geben muss und dass sie noch unversehrt sind.” Eviana stöhnte. Das war eine komplizierte Geschichte.

“Aber das Horn kennen wir. Und von ihm wissen wir auch, wo es ist, nämlich im Altarschatz des Doms zu Wahlingen. Also fangen wir damit an. Da die Kirche jetzt vom König kontrolliert wird, ist dieses Artefakt besonders unsicher.”

“Und wo ist dieses Wahlingen?” Rolf lächelte, froh sein Gewissen erleichtert zu haben.

“Ja, das ist einer der Gründe warum ich sofort zugestimmt habe, Cedric zu helfen. Es liegt in der gleichen Richtung wie Kloster Morsch. Nur zwei Tagesreisen weiter und wir sind schon in Wahlingen.

“Oh nein, Rolf, schaut, dort liegt jemand am Wegesrand.” Sie liefen schnell zu der leblosen Gestalt um zu schauen, ob da noch etwas zu machen war. Doch als sie näherkamen stellten sie fest, dass von leblos keine Rede sein konnte. Der junge Mann wälzte sich im Gras und schnarchte.

“Es ist ein Mönch”, sagte Eviana verwundert, “aber warum schläft der hier im Gras?”

“Entweder er ist überfallen worden, oder..” Rolf gab dem Mönch einen leichten Tritt in die Seite. Es folgte Gemurmel. Erst nach drei Tritten schlug er die Augen auf.

“Wo bin ich? Wer seid ihr? Habt ihr noch einen Kelch für mich?”

“Bruder, das ist doch kein Platz zum Schlafen, auch wenn die Sonne heute schön scheint, es ist Winter.” Der Mönch kam langsam zu sich.

“Ohh, danke das ihr mich geweckt habt. Ich war nur in unserer Außenstelle Unterwurmbach um ihnen eine Botschaft des Abts zuzustellen, aber die haben den besten Wein des ganzen Klosters. Und dann wurde der Weg so weit.” Es war der Alkohol, und große Mengen davon befanden sich offensichtlich noch immer im Blut des Mannes und schienen seine Zunge gelöst zu haben.

“Oh welch glückliche Fügung des Herrn”, ergriff Rolf die Gelegenheit beim Schopfe, “wir sind auch gerade auf dem Weg zum Kloster. Lasst uns doch zusammen gehen. Ihr könnt uns sicher den Weg weisen.”

“Aber gern. Wobei der wirklich einfach zu finden ist, immer dieser Straße nach.” Rolf wunderte sich, dass der Mönch den matschigen, unbefestigten Weg eine Straße nannte. Seit das alte Reich untergegangen war, gab es kaum noch Steinstraßen. Sie halfen dem Mann auf die Beine und setzten ihren Weg fort. Eviana war verängstigt. Für sie war jeder Mann der Kirche eine Gefahr. Doch Rolf witterte die Möglichkeit auf ungefährliche Weise an einige wichtige Informationen zu gelangen.

“Ich bin ein armer Bettler und hoffe am Betteltor ein paar Lebensmittel für mich und meine Tochter zu bekommen. Wir haben seit einer Woche kein warmes Essen mehr gehabt, müsst ihr wissen.” Er drückte auf die Tränendrüse. Der junge Mönch war den Umgang mit Bettlern allerdings gewohnt.

“Tja, da wünsche ich euch viel Glück. Früher gab es ja jeden Tag eine üppige Armenspeisung, doch seit Hochwürden Großinquisitor Isidor faktisch das Oberhaupt unserer Kirche ist, sind wir angehalten auf andere Dinge Wert zu legen.” Der Mönch schien nun wieder bei sich zu sein. Er wirkte verbittert und war anscheinend froh, sich das mal von der Seele reden zu können.

“Es geht nur noch ums Gold. Die Armen kriegen ein paar der Reste, die wir sonst an die Schweine verfüttert haben. Die Gottesdienste und Gebetstunden wurden auf den Sonntag reduziert. Die Pflege der Kranken machen wir nur noch für Ordensbrüder. Ansonsten brauen wir mehr Bier als je zuvor und errichten ein Handwerk nach dem anderen. Und alles wird auf den Märkten verkauft und das Gold müssen wir bei Isidor abliefern. Der Pachtzins unserer Bauern wird jedes Jahr erhöht. Doch damit nicht genug. Die Beichte wird benutzt Andersdenkende aufzuspüren und fast wöchentlich wird ein Exempel statuiert und ein Abweichler öffentlich und übel bestraft. Ich frage euch, was hat das noch mit Kirche zu tun? Hätte ich das gewusst, hätte ich genauso gut das Handwerk meines Vaters lernen können statt Mönch zu werden.” Rolf hatte die ganze Zeit verständnisvoll genickt und durch Einschübe wie “In der Tat. Hört, hört und Unglaublich, ”den Mönch angespornt weiter zu erzählen. Nun war er neugierig geworden.

“Was war das Handwerk eures Vaters?”

“Ja, ich meine theoretisch hätte man das Handwerk seines Vaters ergreifen können. Mein Vater, nun, der war selber Mönch. Das ist jetzt natürlich kein gutes Beispiel.” Rolf stieß einen überraschten Pfiff aus. Eviana hatte bisher nur zugehört.

“Ich dachte Mönche hätten keine Kinder?”

“Offiziell nicht. Aber es kommt schon hier und da mal vor. Auch der Mönch ist nicht frei von Sünde.” Rolf grinste in sich hinein.

“Und das nehmen eure Brüder so klaglos hin? Dass jemand ihr Lebenswerk und Lebensziel so einfach über den Haufen wirft?”

“Viele sind empört und würden die Umstände gerne ändern. Aber wie? Isidor sitzt fest im Sattel. Er hat die Macht auf seiner Seite.” Rolf nickte bedächtig.

“Dann habt ihr wohl derzeit nicht gerade viel Zulauf von neuen Ordensbrüdern?” Der Mönch schüttelte den Kopf. Freiwillig kommt niemand mehr. Die Dorfbewohner schicken auch ihre Söhne nicht mehr ins Kloster. Aber an Nachwuchs fehlt es uns trotzdem nicht. Der Inquisitor denkt an uns.” Er lächelte verächtlich. “Wir sind jetzt das Auffanglager für das Gesindel. Erst gestern haben sie uns wieder so einen Bengel gebracht. Es heißt er sei ein Zauberer. Pfft. Sicherlich wieder so ein Herumtreiber oder ein Taschendieb. Aber er ist noch jung, den kriegen wir schon hin.” Eviana wurde hellhörig, doch Rolf gab ihr ein Zeichen zu schweigen. Er fürchtete sie könnte durch zu genaue Fragen zu viel verraten.

“Das ist schön, auch in solchen Zeiten braucht das Kloster Nachwuchs. Dann platzt das Novizenhaus sicherlich aus allen Nähten?”

“Ja, tatsächlich, fast jeden Tag bringen Isidors Männer Nachschub. Wir haben die neuen provisorisch in einer Scheune neben dem Nordtor unterbringen müssen. Ich fürchte als nächstes wird der Abt das Probejahr verkürzen und am Ende werden wir Brüder haben, die nicht mal lesen können. Was sind das nur für Zeiten.” Rolf nickte beflissentlich und stimmte dem Mönch zu. Sie hatten das Kloster fast erreicht, die Pforte kam in Sicht.

“Mönch, ihr ward uns ein angenehmer Reisegefährte. Doch wir haben uns gar nicht vorgestellt. Wie heißt ihr denn?”

“Oh, verzeiht, mein Name ist Alberoch.”

“Ach, hieß nicht der alte Abt von Morsch auch Alberoch?”

“Äh, ja, genau. Wie der alte Abt.” Rolf schmunzelte.

“Und wie heißt ihr?”

“Ich bin Eviana.”

“Und mein Name ist Rolf.”

“Wie? Was? Einfach nur Rolf? Nichts Längeres? Nicht von irgendwoher?”

“Ja, doch natürlich. Mein voller Name ist Padrickilus Rolfunkel de Rantamsace. Gebt zu, mit so einem Namen würdet ihr euch auch lieber Rolf nennen, oder?”

“Ach, ich bin da etwas altmodisch. Hat mich auch gefreut euch kennenzulernen, Herr de Rantamsace. Gehabt euch wohl. Übrigens, wenn ihr um ein Nachtlager bittet, fragt nach Bruder Lobesam, der ist da nicht so. Die andern an der Bettelpforte handeln schon ganz im neuen Geist, da ist die barmherzige Einkehr teurer als so manche Herberge in der Stadt.”

“Guter Rat, danke euch Bruder Alberoch. Alles Gute euch.”

Eviana konnte kaum an sich halten.

“Ist das wirklich euer richtiger Name?”

“Ja, sicherlich, warum sollte ich die Unwahrheit sagen? Ich verrate ihn nur selten, daher ist es völlig ungefährlich ihn zu nennen.”

Sie hielten sich an Alberochs Rat und Bruder Lobesam nahm sie barmherzig auf und wies ihnen eine Schlafstätte in der Scheune zu, die zu alten Zeiten von Reisenden überquoll. Diese Nacht aber lagerten sie allein. Auch die Abendspeisung für Reisende, an der sie teilgenommen hatten, war in zweierlei Hinsicht übersichtlich gewesen. Sie waren die einzigen Gäste und das Essen bestand aus einer dünnen, kalten Milchsuppe, in der einige Brocken grobes Brot schwammen. Mit leerem Magen legten sie sich auf ihr Lager, nur um nach dem Schlag der Nachtglocken wieder aufzustehen und zum Ausweichlager der Novizen zu schleichen. Sie kauerten sich an die Wand und Rolf schloss die Augen.

“Was macht ihr?”

“Ich suche nach Cedric.”

“Aha”, Eviana verstand nicht. Cedric lauschte den Gedanken der Novizen.

“Mama, ich will zu meiner Mama.”

“Boah, habe ich einen Hunger. Wenn es hier immer so wenig zu essen gibt bin ich weg.”

“Der Bruder Aloisius hat aber fesche Waden.”

“Hoffentlich geht es Gandalf und Eviana gut.”

“Cedric?” Rolf sprach in Gedanken zu Cedric, denn das musste er ja wohl sein. Rolf brauchte viel Kraft, Gedankenlesen war ein starker drei Sterne Zauber, Gedanken schreiben sogar ein vier Sterne Zauber.

“Ich höre Stimmen. Oh je, ich werde wahnsinnig.”

“Cedric? Wir sind Freunde. Ich bin mit Eviana hier. Wir sind gekommen um dich zu retten.”

“Ich falle ins Delirium. Ich bin geisteskrank. Oder ist das der Teufel? Vielleicht sollte ich die Stimmen einem Bruder melden?”

“Auf gar keinen Fall. Ganz ruhig. Du bist nicht verrückt. Ich bin ein Zauberer und kann in Gedanken mit dir sprechen.”

“Ah, also doch, Hexerei. Teufelszeug. Ich werde in die Hölle kommen. Nur gut, dass ich im Kloster bin. Sie werden mir den Teufel schon austreiben können. Mit eiskaltem Wasser oder Feuer oder so.” Bei näherem Nachdenken bekam es Cedric jetzt erst recht mit der Angst zu tun.

“Ganz ruhig. Wenn du ruhig bleibst, hast du von den Brüdern nichts zu befürchten. Kannst du dich rausschleichen? Wir sitzen gleich an der Klostermauer, wenn du rauskommst rechts. Dann können wir reden.”

“Ja, gut, ich komme.” Er würde sich seinem Dämon stellen.

“Eviana.” Er nahm sie fest in den Arm, so freute er sich sie wiederzusehen. Rolf legte den Zeigefinger auf den Mund und bedeutete ihnen still zu sein.

“Ich freue mich so, dass es dir gut geht. Sie haben dir nichts zuleide getan?”
“Außer dass sie mich in dieses Kloster stecken wollten und es nur wenig zu essen gab ist alles gut.”

“Dann kommst du mit uns?”
“Dumme Frage, alles ist besser als dieses Gefängnis.”

“Am besten du kommst jetzt gleich mit. Warte, ich zaubere dir einen schwarzen Umhang. Du hast ja schon Erfahrung damit, wie leicht der unsichtbar macht. Gleich morgen früh um fünf, wenn die Klosterpforte geöffnet wird, machen wir uns aus dem Staub.”

So geschah es. Im Morgengrauen schlichen drei Gestalten aus dem Lager zur Tür. Bruder Melchor hatte Wache. Bruder Melchor war zwar nicht der hellste, aber er erfüllte seine Aufgaben mit größtmöglicher Genauigkeit. Als er die drei passieren sah, kreuzte er die Namen der Übernachtungsgäste ab. Dort fand er allerdings nur zwei. Die Liste stimmte nicht. Er geriet in Panik. Seine Listen stimmten immer. Die drei hatten das Kloster bereits verlassen. Schnell schloss Melchor das Tor und schlich ihnen nach. Wer war die dritte Person? Eine halbe Stunde folgte er den Dreien, bis sie eine Lichtung erreichten und sich in die Sonne setzten um eine Pause zu machen. Jetzt, in der Sonne, erkannte er den kleinen Jungen wieder. Das war doch der Novize, den Isidors Männer erst vorgestern gebracht hatten. Er war geflohen. Das musste er sofort melden. Doch was war das? Der Mann setzte sich jetzt einen Hut auf. Und das war, bei Maria und Josef, das war ein Zauberhut. Er erschrak und bekreuzigte sich. Eine große Angst breitete sich in ihm aus. Er erinnerte sich an die furchtbaren Geschichten von Hexen und Zauberern, die man sich im Kloster erzählte. Wie man schon beim Gedanken an Zauberei als Mönch tot umfallen konnte. Er musste in die Beichte, er musste zum Abt, er musste ins Kloster. In Panik sprang er auf und lief zurück, so schnell ihn seine Beine trugen.

“Da, ein Reh.” Cedric zeigte in die Richtung, aus der das Astrascheln kam.

“Ja, ein schöner Wald. Und schön, dass wir es so leicht aus dem Kloster geschafft haben.” Alle drei waren bester Stimmung und ahnten nicht, dass es dafür eigentlich keinen Grund gab.