3. KAPITEL

Lexi sah die Verträge durch, die John vorbereitet hatte und die sie aus dem Kredit entließen. Sie war frei … zumindest von finanziellen Verbindlichkeiten. Nun galt es, andere Rechnungen zu begleichen, und die Uhr tickte. Bald würde sie bei Cruz einziehen müssen.

Sie öffnete die oberste Schreibtischschublade und beäugte den darin liegenden weißen Briefumschlag. Ein Schlüssel und eine Adresse, sonst nichts. Sie hatte keine Ahnung, wie sein Haus aussah, und sie war zu feige gewesen vorbeizufahren. Sie würde es noch früh genug sehen … das Unvermeidbare aufzuschieben schien ihr im Moment eine gute Idee zu sein.

Es war nicht das Zusammenleben mit ihm, das sie mitten in der Nacht hochfahren ließ – auch wenn sie noch nie mit einem Mann zusammengelebt hatte. Es war das Mit-ihm-Schlafen. Oder vielmehr das Nachgrübeln darüber, wie es sich vermeiden ließe.

Sie war verängstigt und aufgeregt zugleich. Verängstigt wegen der Ereignisse von damals und aufgeregt, weil nie wieder jemand so intensive Gefühle in ihr geweckt hatte wie Cruz. Allein der Gedanke an seine Hände auf ihrem Körper, an seine Zunge, die sie in den Wahnsinn trieb, reichte, um jede einzelne Zelle ihres Körpers zum Vibrieren zu bringen.

Andererseits war es zehn Jahre her. Vielleicht war das Erlebnis in ihrer Erinnerung viel spektakulärer als in Wirklichkeit. Vielleicht war es ganz gewöhnlich gewesen. Mit Cruz hatte sie ihr erstes Mal erlebt. Sie hatte damals also keine Vergleichsmöglichkeiten gehabt. Vielleicht wäre es heute gar nicht mehr so toll, mit Cruz zu schlafen.

Ein Mädchen durfte ja wohl noch hoffen.

Die Bürotür wurde aufgerissen, und Skye stapfte ins Zimmer, direkt gefolgt von Dana. Ihre Schwester schwenkte eine Zeitung.

„Wusstest du davon?“, fragte Skye aufgebracht. Ihre grünen Augen funkelten wütend. „Ach, warte. Natürlich wusstest du davon, es geht ja schließlich um dich. Aber hast du es deiner Schwester erzählt?“ Sie knallte die Zeitung auf Lexis Tisch. „Nein. Ich musste es wie jeder andere aus diesem Käseblatt erfahren.“

Lexi hatte keine Ahnung, wovon sie redete. Sie senkte den Blick, und was sie sah, verschlug ihr den Atem: ein Bild von sich neben einem Foto von Cruz, und darüber eine riesige Schlagzeile, die ihre Verlobung verkündete.

Sie spürte die Wut in sich aufsteigen. Wie hatte er das nur tun können, ohne sie vorher zu informieren? Die Antwort war nicht schwer zu erraten. Er wollte sichergehen, dass sie ihre Meinung nicht änderte. Er traute ihr nicht. Und nach dieser Nummer hatte er auch allen Grund, sich vor ihr in Acht zu nehmen. Aber zuerst musste sie Skye besänftigen. Wie um Himmels willen sollte sie ihr das erklären?

„Es tut mir leid“, begann Lexi, während sie aufstand und um ihren Schreibtisch herumging. „Ich wollte es dir ja sagen.“

„Ach so. Na, dann sieht die Sache ja gleich ganz anders aus. Ich weiß, dass unser Verhältnis in letzter Zeit ein bisschen angespannt war, aber das hätte ich nicht von dir erwartet. Was war denn los? Hattest du keine Zeit, mit mir zu reden, weil du erst noch die Wäsche machen musstest?“

Lexi führte ihre Schwester zu den Sofas am anderen Ende des Zimmers. Dana kam hinterher. Sie wirkte eher neugierig als wütend.

Sie setzten sich. In Gedanken suchte Lexi nach den richtigen Worten, mit denen sie alles erklären konnte. Sie hatte gewusst, dass dieses Gespräch auf sie zukäme, sie hatte nur nicht schon heute damit gerechnet. Warte nur, Cruz, dachte sie wütend, wenn ich dich erwische, kannst du was erleben.

„Möchtet ihr was essen?“, fragte sie. „Ich könnte Tee und Sandwiches bestellen.“

Dana imitierte ein Würgen. „Für mich nicht. Ich hasse dieses Körnerbrot, das es hier gibt. Ständig hängt einem irgendwas zwischen den Zähnen.“

„Aber es ist gesund“, erwiderte Lexi.

„Essen interessiert mich nicht“, unterbrach Skye sie scharf. „Du kannst mich nicht mit Essen besänftigen, und schon gar nicht mit Kräutertee und vegetarischen Sandwiches.“ Sie verzog ihre Lippen zu einem dünnen Strich. „Du hast dich verlobt, ohne mir ein Sterbenswörtchen zu sagen.“

Mit der Wut konnte Lexi umgehen, aber nicht mit dem Schmerz, den sie ihrer Schwester zugefügt hatte. Mit einem Mal fühlte sie sich klein und wie ein Schuft. „Es tut mir leid“, sagte sie und berührte Skyes Hand. „Ehrlich. Es ging alles so schnell. Ich hätte es dir noch erzählt. Ich hatte keine Ahnung, dass Cruz eine Annonce schaltet. Ich wollte nicht, dass du es auf diese Art erfährst.“

„Aber du hast ihn doch erst letzte Woche kennengelernt. Auf meiner Party. Ich habe euch einander vorgestellt.“

Lexi zog den Kopf ein. „Na ja, nicht ganz. Cruz und ich kennen uns schon lange. Seit zehn Jahren.“

So gern sie ihrer Schwester auch den wahren Grund für ihre Verlobung gesagt hätte – es ging nicht. Seit Jed sie zu Erbschaftskonkurrentinnen gemacht hatte, hatte sich ihre Beziehung grundlegend verändert. Lexi wollte die Firma, und Skye wollte Glory’s Gate. Solange in dem Punkt nichts entschieden war, spielten sie nicht mehr im selben Team.

Für Jed wäre es ein Leichtes gewesen, die Erbmasse aufzuteilen und jeder Schwester zu geben, was sie wollte, aber das war nicht sein Stil. Es machte ihm Spaß, seine Töchter gegeneinander aufzubringen. Das war gewissermaßen ein neuer Sport für ihn.

Lexi vermied es, Dana anzusehen, deren neugieriger Gesichtsausdruck sagte: weitere Fragen später. Auch wenn sie nicht alles sagen konnte, so wollte sie sich doch so nahe wie möglich an die Wahrheit halten. Vielleicht würde das schon reichen.

„Ich habe Cruz das erste Mal während meiner Collegezeit getroffen. Mit ein paar Freunden bin ich auf eine Party gegangen, wo angeblich ein Typ illegale Autorennen fuhr. Der Gewinner bekam das Auto seines Gegners.“

Skye riss die Augen auf. „Wer macht denn so was?“

„Männer sind halt Idioten“, sagte Dana mit einem Achselzucken. „Das ist so ein Machoding. Damit hat Cruz also angefangen, ja?“

Lexi nickte. Sie wusste nicht viel über seine Vergangenheit, aber ein kurzer Anfall von Neugierde hatte dazu geführt, dass sie im Internet mehrmals nach seinem Namen gesucht hatte. Er hatte mit nichts angefangen und aus seinem Geschäft ein Imperium gemacht.

„Alle Jungs haben ihre Autos an ihn verloren und waren natürlich stinkwütend auf ihn“, fuhr Lexi fort. „Na ja, und es gab wohl kein Mädchen, das sich nicht für ihn interessiert hätte.“

Lexi erinnerte sich noch, wie er damals ausgesehen hatte. Groß, braungebrannt und gefährlich. Auf seinen Lippen lag ein lässiges Lächeln, das Dinge versprach, die sicher nicht legal sein konnten. Sein Lachen hatte ihr am ganzen Körper Gänsehaut verursacht. Die Sonne schien ihm zu folgen und ihn mit einem goldenen Glanz zu umgeben, als ob auch sie immer in seiner Nähe sein wollte.

Lexi hatte ihren Blick nicht von ihm wenden können, und offenbar war er auch an ihr interessiert gewesen. Doch sie war unerwartet schüchtern und, anders als die anderen Mädchen, nicht in der Lage gewesen, mit ihm zu flirten.

„Cruz sprach mich an. Ich wusste nicht, was ich sagen oder wie ich reagieren sollte, also forderte ich ihn zu einem Rennen heraus.“

„Sag, dass das nicht wahr ist!“ Skye klang entsetzt.

„Beeindruckend“, murmelte Dana. „Wie ist es ausgegangen?“

„Ich war völlig unerfahren.“ Bei der Zweideutigkeit ihrer Äußerung schüttelte Lexi den Kopf. „Ich hatte noch nicht mal ein Knöllchen für zu schnelles Fahren bekommen. Ich war ihm hoffnungslos unterlegen, und er schnappte sich mein Auto.“

„Das ist aber nicht sehr nett“, murrte Skye.

„Damit hat er sich seinen Lebensunterhalt verdient“, stellte Dana klar. „Lexi ist zwar hübsch, aber nicht hübsch genug.“

„Na, vielen Dank auch.“

„Du weißt genau, was ich meine.“

Allerdings. Sie war damals einen neuen Mercedes im Wert von mehr als sechzigtausend Dollar gefahren. Welcher Mann würde auf so einen Wagen verzichten, um das Mädchen zu kriegen?

„An jenem Abend traf ich ihn auf der Party wieder. Wir unterhielten uns. Ich fühlte mich erniedrigt, weil ich das Auto verloren hatte, und bat ihn um eine Revanche. Stattdessen küsste er mich. So hat es angefangen.“

„Du hast mit ihm geschlafen?“ Skye stand auf und stemmte die Hände in die Hüfte. „Du hast mit ihm geschlafen, nachdem er dir das Auto abgenommen hat?“

„Du überraschst mich immer wieder“, kommentierte Dana. „Find ich gut.“

Es war besser gewesen als gut – jedenfalls bis zum nächsten Morgen. Aber das würde sie für sich behalten. „Am nächsten Morgen bekam ich Panik und lief davon“, log sie. „Ich wusste, dass ich einen Fehler gemacht hatte.“

„Und er rannte dir hinterher“, seufzte Skye.

Lexi konnte sich nicht erklären, wie ihre Schwester noch immer so romantisch sein konnte – immerhin hatte sie eine arrangierte Ehe geführt, war früh verwitwet und zog ihr Kind alleine groß.

„Ja, so ähnlich“, murmelte Lexi, obwohl die Wahrheit ganz anders aussah.

Am nächsten Morgen hatte ihr Körper gekribbelt und sie hatte sich Cruz ganz nah gefühlt. Er hingegen hatte panisch gewirkt. Sie sah es in seinen Augen, erkannte es an der Art, wie er aus dem Bett kletterte – fast als hätte er Angst, in die Falle geraten zu sein.

Sie war gleichermaßen verletzt und wütend. Bis dahin war sie immer der Preis gewesen, den zu ergattern ein jeder Junge sich erträumte.

Sie musste all ihre Selbstbeherrschung und ihren ganzen Stolz zusammennehmen, um dort nackt vor ihm zu stehen, ein cooles Lächeln aufzusetzen und die Worte zu sagen, die sie nie mehr vergessen sollte.

„Keine Sorge, Cruz. Mädchen wie ich fangen mit Jungs wie dir nichts Ernstes an. Wir vögeln euch nur zum Zeitvertreib.“

Er war überrascht und vielleicht sogar verletzt. Doch das konnte sie nur vermuten. Sein Gesichtsausdruck blieb neutral und verriet keinen seiner Gedanken. Sie hatte sich schnell angezogen und war gegangen – verletzt und gedemütigt.

Während der nächsten Monate hatte sie sich alle Mühe gegeben, sich einzureden, dass Cruz ihr egal war. Dass sie froh sein konnte, ihm entkommen zu sein – er war doch kein Mann, mit dem sie zusammen sein wollte. Aber sie hatte ihn nicht vergessen können.

„Die ganze Zeit über war irgendwas zwischen uns“, sagte sie. Das stimmte, auch wenn ihre Schwester es anders verstehen würde als sie es meinte. „Letzte Woche auf deiner Party haben wir den ganzen Abend geredet. Uns ist klar geworden, dass wir uns all die Jahre geliebt haben.“ Seit wann kann ich so gut lügen?, fragte sie sich und seufzte innerlich.

„Wir haben uns verlobt. Das ist ganz spontan passiert, aber ich bereue es nicht. Was ich allerdings bereue, ist, dass ich dich verletzt habe, Skye. Das lag nicht in meiner Absicht. Ich fand es schön, die Verlobung wie ein Geheimnis zu hüten und mich allein daran zu erfreuen, aber ich hätte besser nachdenken sollen. Tut mir leid, dass ich dir nicht eher davon erzählt habe.“

„Hättest du es mir denn erzählt?“, fragte Skye. „Oder hat das was mit Jed zu tun?“

Dana blickte zwischen den Schwestern hin und her. „Nicht vom Thema abkommen“, beschwichtigte sie. „Streitet euch über Cruz und über nichts anderes.“

Bis vor Kurzem hätten Skye und ich noch keinen Schiedsrichter gebraucht, dachte Lexi traurig. Zum Teufel mit Jed und seinen Spielchen.

„Das hier ist kein Machtspiel“, sagte sie leise. „Ich schwöre es.“

Skye sah sie argwöhnisch an, als sei sie noch nicht ganz überzeugt, dass Lexi die Wahrheit sagte. Schließlich seufzte sie. „Ich schätze, ich verstehe dich. Du hast dich verliebt. Ich muss gestehen, das ist einfach fantastisch.“

Lexi schaute nach links und sah, wie Dana die Augen verdrehte.

Skye umarmte sie. „Ich freue mich ja so für dich.“

„Danke. Ich mich auch.“

„Wow. Verlobt. Ich habe mich schon gefragt, wann du deinen Schutzschild weit genug runternimmst, um jemanden an dich heranzulassen. Ich dachte immer, du hättest zu viel Angst, dich zu verlieben, vor allem nach der Sache mit Andrew, dabei hattest du dein Herz schon die ganze Zeit an jemand anderen verschenkt. Das ist wirklich schön.“

Eigentlich ist es eine einzige Lüge, dachte Lexi und fragte sich, ob ihre Schwester ernsthaft von ihr dachte, sie hätte einen Schutzwall um sich herum aufgebaut. Lexi sah das nicht so. Meistens hatte sie sich nur nicht mit Männern eingelassen, weil … weil … Ach, es gab einen Haufen guter Gründe, nur leider fiel ihr im Augenblick keiner ein.

Skye drückte ihre Hand. „Das muss gefeiert werden. Ich möchte, dass du eine große Verlobungsparty schmeißt.“

Lexi entzog ihr die Hand. „Moment mal. Wir brauchen keine Party. Zumindest nicht sofort. Ich muss mich erst noch an den Gedanken gewöhnen, verlobt zu sein.“

„Sei nicht albern. Ich kümmere mich um alles. Immerhin ist das doch genau das, was ich mache, nicht wahr? Partys schmeißen. Partys schmeißen und meine Tochter großziehen. Ist ja nicht so, als hätte ich einen richtigen Job.“

Lexi runzelte die Stirn. „Was ist los? Warum sagst du das so komisch?“

Skye griff nach ihrer Tasche. „Wollte ich gar nicht. Tut mir leid. Alles gut. Vor allem das mit euch. Herzlichen Glückwunsch. Ich kann es kaum erwarten, ihn wiederzusehen und ihm zu sagen, dass er dich glücklich machen soll. Du hast es verdient, Lexi.“

Bei den aufrichtigen Worten ihrer Schwester fühlte sie sich hundeelend. „Skye …“

Ihre Schwester ging auf die Tür zu. „Ich muss nach Hause, bevor Erin aus der Schule kommt. Das ist ja so wunderbar. Ich freue mich ehrlich für dich, Lexi. Wir telefonieren.“

Dann war sie verschwunden.

Dana breitete die Arme auf der Rücklehne des Sofas aus. „Das Merkwürdige ist, dass sie es wirklich so meint. Sie freut sich für dich. Wenn euer Vater nicht dieses miese Spielchen mit euch spielen würde, wäre alles gut. Schade nur, dass deine Geschichte erstunken und erlogen ist.“

Lexi ließ sich aufs Sofa fallen und schloss die Augen. „Ich habe keine Ahnung, wovon du redest.“

„Doch, hast du. Komm schon. Skye ist eine Träumerin. Sie ist gutmütig und hilfsbereit und würde niemals etwas Schlechtes von dir denken. Ich hingegen bin ganz schön zynisch und kenne dich seit unserem zehnten Lebensjahr. Du und auf einen Typen warten? Die ganze Zeit? Das glaube ich nicht. Es passt nicht zu dir, jemandem hinterherzuschmachten. Du gehst raus und nimmst dir, was du willst.“

Das war die zweite Beurteilung ihres Charakters in weniger als zehn Minuten, und sie überraschte Lexi nicht minder. Sie bemühte sich, nicht die Kontrolle zu verlieren, spürte jedoch, dass es ihr nicht gelang.

„Ich glaube dir, dass du mit ihm geschlafen hast“, fuhr Dana fort, „und dass ihr verlobt seid, aber den Rest? Auf keinen Fall.“

Lexi öffnete die Augen und sah ihre Freundin an. „Glaub mir, du willst es lieber nicht wissen.“

„Ist es illegal?“

„Nicht, dass ich wüsste.“

„Ein einfaches Nein wäre wohl zu schwierig, was?“, murrte Dana.

Lexi lächelte. „Es ist nicht illegal.“

„Sondern?“

„Ich werde es dir nicht erzählen. Du bist meine Freundin, und ich habe dich sehr lieb, aber nein. Diesmal nicht. Cruz und ich sind verlobt. Mehr brauchst du nicht zu wissen.“

„Von wegen.“ Dana beugte sich zu ihr hinüber. „Steckst du irgendwie in Schwierigkeiten?“

Lexi wusste ihre Anteilnahme zu schätzen. „Nein. Nicht im Geringsten.“ Dank Cruz. „Ich schwebe vielleicht in Gefahr, aber ich stecke nicht in Schwierigkeiten.“

Danas Augen verengten sich zu zwei schmalen Schlitzen. „Was heißt das?“

„Hast du Cruz Rodriguez schon mal gesehen?“

„Nein.“

„Er ist die wandelnde und atmende Definition von Versuchung.“

„Was kein Problem sein sollte, wenn ihr verlobt seid.“

Guter Einwand. „Sagen wir mal so: Er soll nicht wissen, dass er so viel Macht über mich hat. Kann ich mir deinen Pick-up ausleihen? Ich muss noch mein ganzes Zeug in sein Haus bringen.“

„Du willst bei ihm einziehen?“

Lexi meinte sich zu erinnern, dass seine genauen Worte „in mein Haus und in mein Bett“ gewesen waren, was in ihr das Bedürfnis weckte, sich Luft zuzufächern. „M-hm“, erwiderte sie.

„Das klingt ganz und gar nicht nach dir. Außerdem – will dir dein strahlender neuer Verlobter denn gar nicht helfen?“

Woher sollte sie das wissen? „Er, ähm, ist an dem Tag nicht in der Stadt. Ich will ihn überraschen.“

„Du bist eine miserable Lügnerin. Was willst du denn mitnehmen?“

„Nur Klamotten und persönliche Dinge.“

„Keine Möbel?“

„Nicht sofort.“ In Wahrheit hatte sie keinen Schimmer, was sie mitnehmen sollte, aber Klamotten konnten ja nicht schaden. „Er kann mir später bei den großen Teilen helfen, die ich mitnehmen möchte“, sagte sie, wohl wissend, dass es dazu nicht käme. Sie würde ihre Wohnung behalten, damit sie nach dem vereinbarten halben Jahr ein Zuhause hätte, in das sie zurückkehren könnte.

Dana sah aus als wollte sie diskutieren, doch stattdessen sagte sie: „Ich helfe dir beim Umzug und fahre meinen Pick-up selbst.“

„Weil du mir dein Baby nicht anvertrauen willst?“

„Verdammt richtig.“

„Aber es ist doch nur ein Pick-up.“

Dana zuckte zusammen. „Genau deshalb kannst du ihn zwar gern benutzen, aber auf keinen Fall fahren.“

Kaum war Dana gegangen, schnappte sich Lexi ihre Handtasche und kramte Cruz’ Visitenkarte hervor. Seine Handynummer hatte er auf die Rückseite gekritzelt. Sie wählte die Rufnummer und wartete ungeduldig, bis er sich meldete.

„Rodriguez.“

„Was hast du dir dabei gedacht? Das ist wirklich eine Riesensauerei! Schlimm genug, dass du es gemacht hast, aber noch schlimmer ist, dass du mich nicht mal gewarnt hast. Ich hatte es meinen Schwestern noch nicht erzählt. Du hast Skye verletzt. Ich kann wirklich vieles vergeben, aber das nicht.“ Izzy wäre das Ganze ohnehin egal, aber Skye war sensibel. „Was, wenn ich es meinem Vater noch nicht erzählt hätte?“, fuhr sie fort, und ihre Stimme rutschte eine Nuance höher. „Glaub mir, du möchtest Jed Titan lieber nicht begegnen, wenn er so richtig in Fahrt ist.“

„Bist du bald fertig?“, fragte Cruz.

„Ich fange gerade erst an.“

„Gut. Ich bin in zehn Minuten da. Dann kannst du mich persönlich anschreien.“

Noch bevor sie protestieren konnte, legte er auf.

Sie knallte den Telefonhörer auf den Tisch und marschierte in ihr privates Badezimmer, wo sie sich kaltes Wasser über die Handgelenke laufen ließ und ihr Make-up kontrollierte. Sie hasste sich dafür, dass sie für ihn gut aussehen wollte, und beschimpfte sich innerlich, während sie neuen Lipgloss auflegte.

Warum sie? Warum hatte er sich sie ausgesucht? Sie hatte weder Skyes umwerfende Kurven und feminine Gesichtszüge noch Izzys Abenteuerlust. Sie war eine klassische kühle Blondine. Oder wie Andrew es so eloquent ausgedrückt hatte: eine Eisprinzessin. Cruz war die Leidenschaft in Person. Also warum sie?

Spielte es denn eine Rolle? Sie hatte bekommen, was sie wollte – einen millionenschweren Rettungsring. Sie war immer noch im Rennen um Titan World und die Zuneigung ihres Vaters. In sechs Monaten wäre sie Cruz los. Bis dahin würde sie ausharren. Darin war sie gut.

Ihre Assistentin rief an, um sie über sein Eintreffen zu informieren. Lexi ignorierte, dass sich ihr Magen verkrampfte und ihre Knie weich wurden, und machte sich auf zum Eingangsbereich ihres Spas.

Wie immer machte es sie auch diesmal glücklich, durch ihre Geschäftsräume zu gehen. Die hohen Decken und die Zierleisten aus dunklem Holz verliehen dem Ort ein elegantes Flair. Sie grüßte die Mitarbeiter, denen sie auf ihrem Weg begegnete. Jeannie, die in wenigen Minuten eine Kundin zur Gesichtsbehandlung erwartete, schien kurz davor, unter dem Gewicht mehrerer Dutzend Handtücher zusammenzubrechen.

„Alles in Ordnung?“, erkundigte sich Lexi und nahm ihr einen Armvoll ab.

Jeannie richtete sich auf. „Danke. Mrs. Miller kommt gleich, und sie verlangt immer extra viele Handtücher im Zimmer. Sie benutzt sie zwar nicht, aber sie will sie in Sichtweite haben.“

Mrs. Miller war eine Stammkundin. Wöchentliche Maniküre, alle vierzehn Tage Pediküre und Gesichtsbehandlungen. Außerdem Massagen sowie falsche Bräune im Sommer.

„Lieber mehr Handtücher als eine kläffende Hündin, die überall hinpinkelt“, meinte Lexi grinsend, während sie die Handtücher ins Regal räumte.

„Na ja, wenigstens fänden dann die Handtücher Verwendung.“ Jeannie lachte und verschwand in einem der anderen Behandlungsräume.

Lexi setzte ihren Weg zum Haupteingang fort, wobei sie am Ruheraum vorbeikam. Er war mit drei Sofas und mehreren Sesseln möbliert. Frauen in dicken Bademänteln saßen bei Kräutertee zusammen, während sie entweder auf ihre Behandlungen warteten oder sich im Anschluss daran noch ein wenig entspannten. Im Hintergrund klimperte beruhigende Musik. Eine junge Mitarbeiterin bot Zeitschriften an und schnitt frisches Obst.

Lexi blieb stehen und ließ ihren Blick zurück durch den langen Korridor schweifen. Fast alle Behandlungsräume waren geschlossen und die Türen mit dezenten „Besetzt“-Schildern gekennzeichnet. Es war mitten in der Woche, und sie waren beinahe ausgebucht. Wenn auch sonst nichts glatt lief – in ihrem Berufsleben stimmte alles.

Cruz stand neben der Rezeption. Sie hatte erwartet, dass er irgendwie deplatziert wirken würde. Doch stattdessen lehnte er lässig an einer Glasvitrine voller Kosmetika und schien sich auf eine männliche, sexy Art pudelwohl zu fühlen. Alle Frauen sahen ihn mit Blicken an, die ihm nicht nur die Kleider vom Leib rissen, sondern ihm auch das Frühstück ans Bett brachten und ihn anflehten, es noch einmal zu tun.

Lexi verspürte ein merkwürdiges, besitzergreifendes Gefühl, was vollkommen verrückt war. Eigentlich hätte sie nur das Bedürfnis haben sollen, ihn wegen der Sache mit der Anzeige anzuschreien.

Als er aufsah und sie erblickte, lächelte er sie so entwaffnend an, dass ihr Nervensystem mit einem heftigen Kribbeln reagierte.

„Lexi“, sagte er im Näherkommen, nahm sie an den Händen und küsste sie sanft. Er drückte ihr die Lippen ans Ohr und flüsterte: „Wenn du mich weiter so ansiehst, als würdest du mich lieber totgefahren am Straßenrand liegen sehen, wird uns niemand glauben, dass wir verlobt sind.“

„Uns wird erst recht niemand mehr glauben, wenn ich anfange zu versuchen, ein Fitzelchen Verstand in dich hineinzuprügeln“, erwiderte sie ebenso leise.

Er richtete sich auf und grinste. „Na, auf den Versuch bin ich aber gespannt.“ Er ließ ihre eine Hand los und zog an der anderen. „Komm mit. Ich möchte dir was zeigen.“

Sie ließ sich von ihm nach draußen führen.

Die Sonne stand hell und hoch am blauen Himmel. Sie musste ihre Augen mit der Hand abschirmen, um den Parkplatz sehen zu können. Zuerst fiel ihr nichts Besonderes auf. Das übliche Sortiment Besucherfahrzeuge, wovon die meisten teure Importwagen waren, die …

Ihr Blick blieb an dem silberblauen Mercedes hängen. Sie erkannte das Auto und die Farbe, weil der Wagen eine Sonderbestellung zu ihrem Geburtstag gewesen war. Ihr Vater war todunglücklich gewesen, als sie ihm den Verlust des Autos gebeichtet hatte. In Wahrheit hatte es Jed gar nicht so sehr geärgert, dass sie ein so teures Auto verspielt hatte, sondern mehr, dass sie als Verliererin aus dem Rennen hervorgegangen war. Er hatte sie daran erinnert, dass sie stark sein musste, wenn sie sich schon dumm verhielt.

Ihre Wut auf Cruz verflog, während sie sich dem Wagen näherte. Das konnte unmöglich derselbe sein. Nicht nach zehn Jahren. Oder doch? Hatte er ihr Auto tatsächlich all die Jahre behalten?

„Im Ernst?“, fragte sie und starrte ihn an.

Er zuckte die Achseln. „Klar. Meine Haushälterin hat ihn die letzten Jahre gefahren. Aber jetzt habe ich ihr einen neuen gekauft, also kannst du ihn wiederhaben.“

Alles klar. So viel zum Thema „sich besonders fühlen“.

Sie öffnete die Fahrertür und glitt auf den Sitz. Alles war genau so, wie sie es in Erinnerung hatte. Sie rieb mit den Handflächen über das Lenkrad und ließ den Blick durchs Wageninnere schweifen.

Auf dem Beifahrersitz lag eine kleine Schachtel von Tiffany’s. Sie war quadratisch und hatte die richtige Größe für einen Ring. Einen Verlobungsring.

Weil sie jetzt verlobt waren.

Lexi starrte auf die Schachtel. Als kleines Mädchen hatte sie sich in stundenlangen Tagträumen ausgemalt, wie es sein würde, wenn sie sich verliebte und heiratete. Immer wieder hatte sie sich diesen einen Moment vorgestellt. Manchmal hatte der gesichtslose Mann ihrer Träume sie bei einem Abendessen im obersten Stockwerk eines Hochhauses gefragt, in einem nur von Kerzenlicht erhellten Restaurant. Ein andermal bei Sonnenuntergang am Strand oder unter dem Eifelturm in Paris. Aber nie hatte eine wie zufällig platzierte Schachtel auf dem Beifahrersitz eines alten Autos gelegen.

„Mach sie auf“, sagte er.

Sie öffnete die Schachtel und hatte einen Diamanten im Cushion-Schliff vor sich. Schätzungsweise drei Karat und ungefähr noch ein Karat in Form von kleineren Steinen am Ring selbst. Lupenrein. Perfekt. Und ohne jegliche Bedeutung.

Sie nahm den Ring aus der Schachtel und stieg aus dem Wagen.

„Steck ihn an“, forderte er sie auf.

Gleich. Eine Sekunde noch. Wenn die Enttäuschung nicht mehr so scharf und drückend war.

Es ist ein Deal, erinnerte sie sich. Nur eine geschäftliche Transaktion. Hier ging es nicht um ihre Mädchenträume oder ums Verlieben oder so. Die Romantik käme später … mit jemand anderem.

Sie steckte den Ring an. Er passte wie angegossen.

„Danke“, sagte sie und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen. Auch wenn sie seine Gedanken sowieso nicht lesen konnte. „Er ist wunderschön.“

„Er steht dir.“ Er betrachtete intensiv ihre Hand. „Du kannst ihn behalten. Danach.“

Wenn die sechs Monate um wären. „Die Tradition will es, dass die Frau den Ring zurückgibt, sofern der Bräutigam in spe die Verlobung nicht löst oder sie betrügt. Zumindest glaube ich, dass es so läuft.“

Er grinste. „Schon vergessen, was du in deinem extravaganten Benimmunterricht gelernt hast?“

„Zum Teil. Als Kind habe ich jeden Sommer ein paar Wochen bei meiner Mutter verbracht. Aber diese Besuche waren wirklich eher wie Unterricht. Es gab immer eine Menge Anweisungen.“ Und viel Kälte. Ihre Mutter war nicht außergewöhnlich grausam oder unfreundlich gewesen, es entsprach nur nicht ihrem Charakter, Zuneigung zu zeigen oder zu schmusen, wie sie zu sagen pflegte. In ihrer Welt waren Umarmungen überflüssig.

„Skye ist zwei Jahre auf ein Mädchenpensionat in der Schweiz gegangen“, fuhr sie fort. „Sie weiß so was bestimmt. Du kannst sie ja mal fragen.“

„Nein danke.“ Er nahm ihre Hand und rieb mit dem Daumen über ihren Ring. „Das Auto kannst du auch behalten. Verkauf es.“

„Kann ich es auch meiner Haushälterin geben?“

„Sicher.“

„Ich habe aber gar keine.“ Sie entzog ihm ihre Hand. Seine Haut auf ihrer zu spüren lenkte sie einfach zu sehr ab, und sie musste jetzt einen klaren Kopf bewahren. „Warum hast du die Anzeige in die Zeitung gesetzt?“, fragte sie.

Er steckte die Hände in die Hosentaschen. „Ich wollte die Sache ein wenig beschleunigen. Du hattest den Scheck eingelöst. Warum also warten?“

„Du dachtest, ich würde mich vielleicht nicht an unsere Abmachung halten, stimmt’s? So was würde ich niemals tun.“

„Das habe ich auch nicht gedacht.“

Das musste er aber. Warum sonst sollte er es so eilig gehabt haben, der ganzen Welt von ihrer Verlobung zu erzählen?

„Was weißt du über einen Mann namens Garth Duncan?“, wechselte Cruz das Thema.

Sie runzelte die Stirn, als sie versuchte, den Namen einzuordnen. „Nicht viel. Ich habe ihn nie persönlich kennengelernt. Er ist wohlhabend. Hat viele Geschäfte laufen. Treibt sich nicht oft auf Partys rum. Er lebt hier irgendwo in der Gegend. Warum?“

„Er ist derjenige, der dir das Darlehen gegeben hat.“

„Was? Warum hätte er das tun sollen? Warum hätte er zuerst in mein Day Spa investieren und anschließend versuchen sollen, mich zu ruinieren? Ich bin dem Mann doch nie begegnet.“ Die Vorgehensweise hatte sich viel mehr nach einer Privatfehde angefühlt. „Das ergibt doch gar keinen Sinn.“

„Da stimme ich dir zu. Ich tue, was ich kann, um noch mehr herauszufinden. Garth Duncan ist keine Person des öffentlichen Lebens. Ich muss also tief graben, und das wird einige Zeit dauern. Aber ich werde herausbekommen, was du wissen willst.“

„Danke.“ Die Neuigkeit verwirrte sie. Warum sollte ein Fremder sie verletzen wollen?

„Gehört alles zum Deal“, erinnerte er sie. „Und das mit der Annonce tut mir leid. Ich hätte gründlicher darüber nachdenken sollen.“

Irgendetwas schwang zwischen den Zeilen mit. Sie schüttelte ihre Gedanken über Garth ab. „Weil du dadurch auch Schwierigkeiten bekommen hast?“ Das geschähe ihm ganz recht.

„Meine Mutter. Sie hat es gelesen, und jetzt will sie dich kennenlernen.“

Seine Mutter? Meinte er … seine Mutter? „Äh, nein.“

„Du hast keine Wahl. Wir sind verlobt. Sie lebt in Houston. Wir fahren hin und essen mit ihr zu Mittag.“

„Nein, das tun wir nicht. Ich werde deine Mutter nicht anlügen.“

„Ich lüge deinen Vater doch auch an.“

„Das ist was anderes. Deine Mutter ist wahrscheinlich nett.“

„Sie ist vieles. Was genau, kannst du herausfinden, wenn wir sie zum Mittagessen treffen.“

Plötzlich fühlte sich der Diamantring an ihrer linken Hand unsagbar schwer an. Lexi seufzte. „Ich muss zuerst in meinen Terminkalender sehen.“

„Mach das. Dir bleiben übrigens nicht mal mehr vier Tage, um bei mir einzuziehen.“ Seine dunklen Augen waren unergründlich. „Bis Samstagabend.“

„Na, du bist ja ganz schön erpicht darauf, die Besitzverhältnisse klarzustellen.“

Er zog einen Mundwinkel hoch. „Ich weiß.“

Sie hätte ihm gern gesagt, dass sie mehr Zeit brauchte. Dass sie zwar ohne Problem in sein Haus einziehen konnte, aber noch längst nicht in sein Bett. Sie waren praktisch Fremde. Sie konnten nicht zusammen schlafen. Wenn man mal vergaß, dass es sie vor zehn Jahren kein bisschen gestört hatte, dass sie sich kaum kannten.

„Ich werde da sein“, murmelte sie. „Mir wird jemand beim Umzug helfen.“

„Was ist das für ein Jemand?“

Sie verdrehte die Augen. „Der Jemand heißt Dana, und sie ist Polizistin. Also nerv sie nicht, sonst verhaftet sie dich.“ Sie stemmte die Hände in die Hüfte. „Ich habe dir versprochen, meine Affären zu beenden, und das habe ich auch getan. Bei so was würde ich niemals lügen.“ Im Übrigen: Warum sollte ihn das stören? Verletzte das seinen männlichen Stolz?

„Ich glaube dir ja.“

„Anscheinend ja nicht, wenn du mir all diese Fragen stellst.“

Er streichelte ihre Wange. „Na, du hast ja eine Laune … Das gefällt mir.“

„Dann wirst du im nächsten halben Jahr ein sehr glücklicher Mann sein. Ich bin nämlich eine ziemlich mürrische Person.“

Er musste lachen. „Das bezweifle ich, querida.“

Er beugte sich vor und küsste sie. Nur einmal und nur ganz kurz. Dann drückte er ihr einen Satz Schlüssel in die Hand. „Für dein Auto.“

Sie sah ihm nach, als er davonging.

Unsicher, was sie als Nächstes tun sollte, setzte sie sich wieder ins Auto und startete den Motor. Das klang gut – als hätte ihn jemand in Schuss gehalten. Wahrscheinlich Cruz’ Haushälterin, dachte sie grimmig. Die Frau musste unglaublich sauber gewesen sein. Sie konnte keinen einzigen Kratzer sehen und keine Spur von …

Ihr Blick fiel auf den Kilometerzähler. Als sie es an Cruz verloren hatte, war das Auto erst wenige Monate alt gewesen. Sie war mit ihren Freundinnen nach Kalifornien und zurück gefahren sowie einige Male zum College und von da nach Hause. Sie konnte sich nicht an den genauen Kilometerstand erinnern, aber es konnten nicht mehr als fünfzehntausend Kilometer gewesen sein.

Der Kilometerzähler zeigte 14.423.

Es kann unmöglich jemand mit diesem Auto gefahren sein, dachte sie irritiert. Aber es funktionierte einwandfrei. Hatte Cruz den Wagen tatsächlich all die Jahre aufgehoben? Das war die einzig logische Antwort, nur, dass sie vollkommen unlogisch war. Warum hätte er das tun sollen? Er hätte es verkaufen und locker dreißig-, vierzigtausend dafür bekommen können. Vielleicht sogar noch mehr. Wenn es ihm nicht um das Auto gegangen war, warum hatte er sich dann überhaupt auf ein Rennen gegen sie eingelassen? Und warum gab er ihr den Wagen jetzt zurück?