26
Sehr spät an diesem Abend hörte Angela, wie sich ihre Kabinentür öffnete. Im Türrahmen zeichnete sich Kits Silhouette ab. Das Licht vom Gang bildete einen hellen Schein um ihn her und fiel kurz in ihre Kabine, ehe er eintrat und die Tür leise wieder schloß.
»Wir haben den Sturm endlich hinter uns gelassen«, sagte er, trat zu einem Sessel und sank ermattet darauf nieder.
»Ich habe es gemerkt«, sagte sie und griff mit zitternden Fingern nach dem Lichtschalter bei ihrem Bett, weil sie sich an die Abmachung erinnerte, die sie getroffen hatten. Als die Lampe sanft aufglühte, sah sie ihn deutli-cher: Tief im Sessel zusammengesunken, die Augen bloße dunkle Schatten in seinem schmalen Gesicht.
»Ich dachte, ich könnte ritterlich bleiben«, sagte er leise, »aber wie du siehst ...« Er zuckte die Achseln. Völlige Erschöpfung stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben. »Ich halte dich nicht lange wach.«
Langsam öffnete er die Messingknöpfe seines Rocks, als mache es ihm Mühe, die Finger zu koordinieren, und schlüpfte mit einem kurzen, unterdrückten Seufzer aus den Ärmeln.
»Du hast überhaupt nicht geschlafen, stimmt's?« fragte Angela, die merkte, welche Mühe ihm diese Bewegung machte. Beim Klang ihrer Stimme blickte er kurz auf, als müsse er sich erinnern, wo er war. Er wirkte höflich, aber leicht abwesend.
»Hast du überhaupt irgendwann geschlafen?« wiederholte sie die Frage.
»Ich glaube, ja.« Er hob einen Fuß auf das andere Knie, band seine Schnürsenkel auf, zog den Schuh aus und ließ ihn auf den Boden fallen. Dann sackte er wieder im Sessel zusammen, wie um für die nächste Anstrengung Kraft zu sammeln. »Du bist bestimmt auch sehr müde«, sagte er mit einer Stimme, die vor Erschöpfung heiser war. »Entschuldige bitte, daß ich hier einfach so eingedrungen bin.«
»Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Du hast mir Fitz zurückgebracht. Dafür werde ich dir bis in alle Ewigkeit dankbar sein.«
Nun lächelte er zum ersten Mal. »Er ist ein tapferer Bursche.«
»Und in Sicherheit – dank deines Einsatzes.« Sie spürte eine starke Welle von Wärme und Zuneigung für den erschöpften Mann in sich aufsteigen, der ihr da gegenübersaß. Er hatte ihretwegen die tosenden Elemente bezwungen. »Laß mich dir helfen«, schlug sie vor, schlug die Bettdecke beiseite und stand auf. »Tu einfach so, als wäre ich eines von deinen Haremsmädchen, die dich bedienen. Außerdem bist du mit Sicherheit lange schon eingeschlafen, ehe du das tun kannst, was du hier vorhattest.«
Einen langen Moment trafen sich ihre Blicke in der kleinen Kabine mitten auf dem dunklen Atlantik. »Du hast nichts dagegen, daß ich hergekommen bin?«
»Ich verdanke dir ungeheuer viel. Heute abend haben wir Grund zum Feiern. Ich habe meinen Sohn wieder.«
Er hatte immer schon gestaunt, wie belastbar sie war – mit Sicherheit ein ausschlaggebender Faktor dabei, daß sie ihre Ehe so lange durchgestanden hatte. Verschmitzt lächelnd sagte er: »Kennst du dich denn in Haremspflichten aus? Ich bin nicht sicher, ob ich mich heute abend überhaupt noch bewegen kann.«
»Ich habe im Laufe der Jahre so manches Kind ausgezogen«, erwiderte sie und kniete zu seinen Füßen nieder. »Du bist einfach nur etwas größer«, fügte sie mit einem Lächeln hinzu. Dann löste sie die Schnürsenkel seines anderen Schuhs.
»Eine Frau mit zahlreichen Talenten«, murmelte er zufrieden und sah ihr unter halbgeschlossenen Lidern her zu. Ihre unterwürfige Haltung und ihre unschuldige Schönheit in dem weiten Nachthemd, das auch einer Nonne angestanden hätte, begannen seine Sinne zu erregen. Langsam beugte er sich vor und befingerte die Spitze an dem hochgeschlossenen Kragen. »Du hattest wohl nicht mit mir gerechnet«, sagte er und öffnete den ersten Knopf am Ausschnitt. »In einem so prüden Gewand.«
»Mir war kalt.«
Er lachte leise. »Ich hätte früher kommen sollen. Knöpf bitte meine Hose auf, dann wärme ich dich auf.«
Seine Stimme schien nun verändert. Sie merkte, daß sie befehlender klang, amüsiert und herausfordernd. »Was antworten denn die Haremsfrauen auf deine Befehle?«
»Sie sagen danke«, erwiderte er mit schamlosem Lächeln. »Ich glaube, ich werde wieder wach«, meinte er und fuhr sich mit den Fingern durch das recht lange Haar.
Wenn er noch nicht wach war, dann gewiß jedoch sein Schwanz, stellte Angela fest, als sie die schlichten, marineblauen Knöpfe seiner Hose öffnete: Sie spürte die steife Härte unter dem Stoff, und ihr Körper reagierte darauf wie immer auf Kit Braddocks Sexualität: Eine Flamme schlug in ihr hoch, quälende Sehnsucht begann, ihre Sinne zu durchbeben, und sie empfand Angst und Verlangen wie eine Jungfrau. »Es ist schon wieder sehr lange her«, flüsterte sie. Ihre Finger zitterten nun bei ihrer Aufgabe, nicht sicher, ob sie mit ihrer neu entstandenen Intimität fertig würde. Jedesmal aufs neue fühlte sie sich von seiner ungewöhnlich starken sexuellen Anziehungskraft überwältigt, so daß sie ein Gefühl bekam, wie ausgehungert zu sein.
Kit legte seine Hand auf ihre und preßte sie auf den steifen Penis unter dem Wollstoff. »Du machst das ziemlich gut, Angela. Er erinnert sich an dich.«
»Ich bin mit keinem Mann zusammengewesen, seit ...«
Er verschloß ihr mit den Fingern der anderen Hand den Mund. »Ist mir egal«, murmelte er, »mach nur weiter.« Dann lehnte er sich wieder zurück und sah zu, wie ihre zitternden Finger mühsam die letzten Knöpfe öffneten und anschließend den Gürtel aufschnallten.
Er erkannte, wie Lust ihr die Wangen rötete und sich die Hitze über den Hals bis in den geöffneten Kragen ihres ach so anständigen weißen Nachthemdes ausbreitete. »Als nächstes solltest du das ausziehen«, sagte er, als seine Hose offen war und sie versuchte, die kleinen Perlmuttknöpfe seiner Unterhose zu öffnen. »Das mache ich selbst.«
Sie blickte fragend auf.
»Du siehst jetzt aus, als sei dir wärmer. Daher kannst du dieses verdammte Jungfrauengewand ausziehen.«
»Woher willst du denn wissen, was Jungfrauen nachts tragen?«
»Ich habe einmal eine gesehen. Weitere Fragen?«
»Ich weiß nicht, warum ich ständig dieses ungeheure Verlangen nach dir habe«, murmelte sie und betrachtete abschätzend seine Erektion, die sich nun aus ihrer Umhüllung löste. »Du bist so grob und unverschämt.«
»Und gewillt, für dich zu sterben. Bekomme ich dafür ein paar Pluspunkte?«
Als er es so präzise ausdrückte, erkannte sie, daß ihre eigenen Ängste im Vergleich zu seinem Akt der Liebe unangemessen hoch waren. Daher ließ sie rasch das Nachthemd über die Schultern gleiten und auf den Boden fallen, stand nackt in ihrer üppigen, lustvollen Schönheit vor ihm und flüsterte: »Dafür bekommst du mich.«
»Und das will ich verdammt nochmal auch«, sagte er und stemmte sich aus dem Sessel hoch, riß sich mit einer raschen Handbewegung den weißen Pullover über den Kopf und sagte lächelnd auf das zerknüllte Bett weisend: »Leg dich da hin, mon ange, und wir lösen unsere Geschäftsabmachung ein.«
In einer Sekunde hatte er die Hose und das Unterzeug abgestreift und war plötzlich hellwach und tatbereit. Sein harter, starker Männerkörper wirkte in seiner unanfechtbaren Kraft wie hypnotisierend. Er drang im gleichen Moment ungestüm in sie ein, als er sich zwischen ihre Beine legte, und sie begegneten sich in einer wilden, fiebrigen Fusion von Körper und Seele, so, als sei es ihnen endlich wieder gestattet: Die Krise war gemeistert, und sie konnten ihrer atemlosen Lust wieder nachgeben.
Er wußte genau, was ihr gefiel, und selbst auf die Knochen erschöpft, wie er war, wollte er ihr diese köstlichen, befriedigenden Freuden schenken. Sie kam zweimal, dann zum dritten Mal, ehe sie seinen Mund mit ihrem berührte und flüsterte: »Jetzt brauchst du nicht mehr galant zu sein.« Sie zog ihn mit jener betörenden Zauberkraft, die ihn von Anfang so fasziniert hatte, in ihren duftenden Körper und schenkte ihm Stoß für Stoß ihre Leidenschaft. Sie hielt ihn so eng in sich umschlungen, daß er unter den heftigsten Gefühlserregungen schauderte.
Diesmal brauchte sie ihn nicht anzuflehen, in ihr zu bleiben, wie noch beim letzten Mal, als sie zusammen waren. Er war viel zu müde, um diese äußerste Anstrengung auch nur zu versuchen; er wollte viel zu sehr in dieser süßen, warmen Glückseligkeit verharren. Und als der berauschende Krampf ihn erfaßte und schüttelte und er sich in sie ergoß, staunte er, wie eine einzige Frau in der ganzen Welt ihm so viel bedeuten konnte.
Sanft küßte er sie auf die Stirn. Sein Körper war unendlich erschöpft, befriedigt und schläfrig. »Ich gehe bald«, murmelte er und rollte sich von ihr herab. Aber noch während er das sagte, zuckten seine Lider, und schon war er in ihren Armen eingeschlafen.
Er war seit Tagen wachgeblieben, erkannte Angela und streichelte sanft seine seidigen Haare. Sein Kopf auf ihrer Schulter war ein solides, tröstliches Gewicht. Er hatte nicht geschlafen, weil sie ihn brauchte, um Fitz zu retten. Sie liebte ihn in diesem Moment grenzenlos – für seine Großzügigkeit, seinen unübertrefflichen Mut, seine Zärtlichkeit und Leidenschaft, für alles, was er in der Vergangenheit für sie gewesen war. In der kleinen Kabine mitten auf dem dunklen Ozean fragte sie sich auch, ob überhaupt noch etwas von ihr übriggeblieben war, so sehr wollte sie ein Teil von ihm sein.
Er war für ihr Leben unentbehrlich geworden, eine blinde Notwendigkeit, ebenso nötig wie der Atem selbst, und in einem glasklaren Moment der Erkenntnis wußte sie, daß sie ihr Leben nie mehr nach den Vorstellungen anderer Menschen leben wollte, nur aus Pflicht und Gehorsam gegenüber den Regeln der Gesellschaft.
Sie wollte Kit Braddocks Frau sein – wenn er sie noch wollte. In ihrer Fantasie, mit ihm im Arm, schwelgte sie nun in den romantischsten Vorstellungen. Sie malte sich aus, wie sie es ihm sagen würde, wie er sie zärtlich anlächeln und antworten würde, daß er sie und keine andere zur Frau wollte. Sie würden über ihr zukünftiges Leben sprechen, von ihren Hoffnungen und Träumen, von allem, was sie zusammen tun konnten. Bei diesen Gedanken an glückliche Gespräche mit ihm lächelte sie zärtlich vor sich hin.
Aber als sie es ihm schließlich mitteilte, geschah es nicht in ausgesuchten Worten oder lyrischen Bildern. Um fünf Uhr früh am nächsten Morgen schoß sie aus dem Bett und erreichte mit knapper Not das kleine Badezimmer nebenan, ehe sie sich übergab. Als sie wieder hochblickte, sah sie Kit im Türrahmen stehen, und sie murmelte leise, während ihr die Übelkeit noch den Magen umdrehte: »Ich glaube, ich bin schwanger, und das ist nur deine Schuld, weil du bei Madame Centisi in mir gekommen bist.«
»Wenn ich mich recht erinnere, warst du es, die mich nicht gehen ließ«, protestierte er milde, aber sein Blick war noch sanfter als seine Stimme. »Und danach war es eigentlich nicht mehr wichtig.«
Er sah so prachtvoll aus in seiner Nacktheit mit den perfekten Proportionen – wie ein ruhmreicher, hellenischer Held. Das war eigentlich nicht fair, so schlecht, wie es ihr nun ging! »Jetzt mußt du mich heiraten«, flüsterte sie, ganz blaß, schwach und schwindlig.
Er verharrte absolut reglos, immer noch auf sie herabstarrend. »Machst du mir vielleicht einen Antrag?« fragte er dann leise.
»Es ist deine Pflicht«, murmelte sie, doch dabei entfaltete sie das strahlendste Lächeln. Die Übelkeit war auf die typische Weise plötzlich wie weggefegt.
»Meine Pflicht?« fragte er, als sei das für ihn eine sehr fremdartige Vorstellung. Er bot ihr einen Schluck Wasser an, damit sie sich den Mund ausspülen konnte, und hockte sich neben sie. »Ich bin nicht so sicher, wie pflichtbewußt ich sein kann«, meinte er. Dann hob er sie auf seinen Schoß und murmelte grinsend: »Was springt für mich dabei heraus?«
»Ein Baby, ein Sohn und eine Tochter und eine Frau, die völlig verrückt nach dir ist«, antwortete Angela mit dem glückseligsten Lächeln.
»Hmmm«, murmelte er spielerisch und sah sie mit theatralisch zusammengekniffenen Augen an. »Darüber muß ich erst nachdenken.«
»Das kannst du aber nicht«, widersprach sie ungerührt – ganz Angela Lawton, die stets bekommen hatte, was sie wollte. »Ich brauche jemanden, der mir jeden Morgen die Hand hält, wenn ich kotze.«
»Jeden Morgen?« fragte er mit gespieltem Entsetzen. »Das muß ich mir wirklich nochmal überlegen.«
»Ich werde dich zwingen, mich zu heiraten.«
Da hob er die Brauen in schurkischer Herausforderung. »Und wie willst du das schaffen?«
»Ich werde dich an mein Bett fesseln«, antwortete sie aufsässig und mit unverschämtem Grinsen. »Und dann wirst du schließlich zustimmen, nur um meinen raubgierigen Ansprüchen endlich zu entkommen.«
Er lächelte. »Da liegst du nicht ganz richtig, Liebling. Ich sehne mich in der Regel nicht danach, mich von raubgierigen Frauen zu befreien. Doch die andere Vorstellung reizt mich: Ich bin noch nie ein Liebessklave gewesen.«
»Du solltest mich nicht mehr aufziehen«, protestierte sie nun mit verführerischem Schmollmund. »Ich will dich zu sehr. Und wir werden ein Kind haben.«
»Bist du ganz sicher?« Sein Blick glitt langsam über ihre üppige Gestalt und verharrte suchend auf den Brüsten und ihrem Bauch.
»Ich habe seit Madame Centisi nicht mehr meine Regel gehabt«, antwortete sie frei heraus. »Zuerst dachte ich, es seien die Nerven, all die Aufregung mit ... uns ... und dann mit Fitz und die Angst und Unsicherheit. Aber wenn ich jetzt morgens erbreche ...« Sie zog die Brauen hoch und lächelte: »Bonjour Papa.«
Doch er erwiderte ihr Lächeln nicht. »Wie kann ich sicher sein, daß es von mir stammt?« Seine Stimme klang gedämpft, aber er wartete eindeutig auf eine Antwort.
»Weil ich seit deinem Weggehen in tiefe Trauer versunken war.«
»Abgesehen von der Nacht mit Stephen.« Er sprach unglaublich leise. »Ich frage mich, ob es andere solche Nächte gab.«
»Du glaubst mir nicht?«
Er hob die Schultern mit einem winzigen Ruck.
»Du glaubst mir nicht!«
»Vielleicht.«
»Auch wenn ich mit anderen Männern zusammen gewesen wäre – was nicht stimmt – wäre ich nie so verantwortungslos gewesen, es ohne Verhütung zu tun. Glaubst du, ich hätte in der Nacht bei Madame Centisi nur so getan?« Jetzt funkelten ihre Augen vor Entrüstung.
Die Erinnerung an diese Nacht war zugleich so zärtlich wie schmerzlich. Er war nicht sicher, ob er die beiden Gefühle auseinanderhalten konnte.
»Antworte, verdammt!«
»Nein, du hast nicht gespielt«, erwiderte er leise. Mit allem anderen müßte er selbst fertig werden. »Verzeih mir ... weil ich dich so verhört habe.«
»Du wirst es ja in acht Monaten sehen«, sagte sie, und ihr Lächeln erschien ebenso plötzlich wieder, wie es verschwunden war. Der Gedanke an Kits Baby erfüllte sie mit solcher Freude!
Diesmal erwiderte er das Lächeln, denn die Möglichkeit einer Vaterschaft war eine angenehme Vorstellung, wenn er sich erst einmal bewußt daran gewöhnte. »Heißt das, daß die Fahrt zum Pearl River abgesagt ist?« fragte er mit spöttischem Funkeln in den Augen.
»Wenn du mich in vier Monaten zurückbringen kannst, haben wir reichlich Zeit.«
»Willst du, daß das Kind in England auf die Welt kommt?« Seine Stimme klang nun verändert.
Unsicherheit flackerte rasch über ihre Züge, doch dann kehrte das Lächeln zurück. »Darüber habe ich noch nicht nachgedacht«, sagte sie dann. »Tut mir leid. Aber solange du mich verzweifelt, ausschließlich und exzessiv liebst und mir versprichst, den Rest deines Lebens nie wieder eine andere Frau anzusehen«, sprudelte es fröhlich aus ihr heraus, »dann können wir das Baby überall haben, wo du willst.«
Kit fiel auf, daß sie Brook nicht erwähnte, und daher unterließ er es ebenfalls, um ihre strahlende Laune nicht zu verderben. Ihren Mann könnte man den Rechtsanwälten überlassen. Und mit genügend Geld konnte man sogar die Königin umstimmen. »Warum verschieben wir diese Entscheidung nicht auf später?« fragte er.
»Liebst du mich?« fragte sie – furchtsam und bettelnd.
»Ich habe doch vom ersten Abend, als ich dir begegnete, geliebt. Und ich werde dich bis zu meinem letzten Atemzug auf dieser Erde lieben.« Sanft strich er über die ängstlichen Falten auf ihrer Stirn und glättete sie mit einem Finger. »Ja, ich liebe dich, mon ange«, sagte er sehr, sehr leise. »Aus ganzem Herzen.«
»Sag mir, daß alles gut wird«, flüsterte sie.
»Ich tue mein Bestes, daß alles gut wird.« Er würde sie selbst noch gegen die apokalyptischen Reiter verteidigen.
»Aber wenn die ... du weißt schon ... die Scheidung ... länger dauert und ...« Nun stolperte sie über die Worte, die Hindernisse, die bevorstehenden Schwierigkeiten. »Vielleicht ordnet das Gericht an ... Aber dieses Baby wird er nicht bekommen«, murmelte sie ängstlich.
»Nein«, stimmte Kit entschieden zu. Er war hinsichtlich eines möglichen Anspruchs von Brook auf dieses Kind fest entschlossen. »Das würde ich nie zulassen.«
Sie teilten Fitz gleich am nächsten Morgen ihren Entschluß mit, zu heiraten, sobald die Scheidung von Brook durchgesetzt war.
»Gut«, sagte der Sohn. »Das hättet ihr schon vor einer Weile tun sollen.«
Als Kit begann, Fitz von dem Baby zu erzählen, versuchte Angela, ihn zu hindern, doch er sagte: »Still, er wird es ohnehin bald erfahren. Ich will es ihm jetzt sagen.«
Fitz sah seine Mutter an, als Kit ihm die Neuigkeit mitteilte. Er lächelte sie mit dem gleichen warmen Strahlen an wie ihr Großvater und antwortete: »May ist sicher auch ganz begeistert.«
»Du hast also nichts dagegen?«
»Warum sollte ich? Ich hatte nur immer etwas dagegen, daß du so lange unter Brook zu leiden hattest. Und ich konnte nichts dagegen ausrichten.« Seine Augen glänzten vor zurückgehaltenen Tränen. »Ich konnte es nicht verhindern, was er dir antat.«
Kit berührte den Jungen an der Schulter und sagte knurrig: »Wir sorgen jetzt beide dafür, daß deine Mutter nicht mehr darunter zu leiden hat. Ich rechne mit deiner Hilfe.«
»Ja, Kit«, sagte der junge Mann rasch und blinzelte die Tränen fort. »Wenn du mir sagst, was ich tun kann.«
»Wir haben gedacht, wir fahren zuerst einmal, um den Anfangsschwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, zum Pearl River. Es ist vermutlich nützlich, außer Landes zu sein, wenn die Anwälte und Bankiers miteinander verhandeln.«
»Nach China?« fragte Fitz aufgeregt. Er warf mit glühenden Wangen einen kurzen Blick auf seine Mutter. »Kit will nach China, Maman. Können wir mitfahren?«
Sie und Kit tauschten einen zärtlichen Blick aus. »Klingt gut, finde ich«, sagte Angela.
»Abgemacht«, meinte Kit.
Auf der Rückreise besprachen sie ihre Pläne für die Zukunft: Wo das Baby zur Welt kommen sollte, wo sie wohnen würden – ein paar Monate auf Easton, einige an Bord der Desirée und einen Teil des Jahres in San Francisco, wo Kit ein Haus besaß. Sie sprachen über ihr erstes gemeinsames Weihnachten, und Angela stellte schon Geschenkelisten für die Kinder zusammen. Kit aber lächelte nur und sagte: »Kauf, was immer du willst.« Als sie ihn fragte, was er sich zum Weihnachtsmahl zu essen wünschte, sagte er: »In erster Linie dich – der Rest ist mir egal.«
»In welchem Fall ich das eine oder andere zu unserem Menue hinzufügen werde«, antwortete sie lächelnd.
Sie diskutierten auch einen Namen für das Kind und überlegten einige Vorschläge, bis Angela merkte, daß die Unterhaltung zu einem Monolog geworden war, in den Kit nur noch ab und zu einsilbige Laute einwarf.
»Sag doch, was du denkst«, forderte sie ihn auf.
»Ich will nicht mit dir diskutieren.«
»Das müssen wir aber irgendwann. Das Baby verschwindet nicht einfach wieder.«
Er sah sie einen Moment nachdenklich an. »Bei Mädchennamen habe ich keinerlei Vorliebe, solange es nicht Priscilla ist«, meinte er grinsend. »Aber wenn das Kind ein Junge wird, dann möchte ich, daß er Billy getauft wird, nach meinem Vater.«
»Und warum meinst du, hätte ich etwas dagegen?«
»Ich weiß es nicht, aber ich bin da zu keinem Kompromiß bereit ... wenn du daher anderer Meinung wärest ...« Er zuckte die Schultern und bekannte sich so zu seinem Eigensinn. »Dann täte es mir leid.«
Sie begriff, daß er einen Sohn nach dem Vater nennen wollte, den er nie gekannt hatte; sie beschlossen aber, daß ihm auch der Name ihres Vaters gegeben würde.
»Meinst du, wir haben diese Liebe gefunden, weil wir beide ohne einen Vater aufwuchsen?« fragte Angela eines Nachts, als sie Arm in Arm im Bett lagen. Das sanfte Dröhnen der Maschinen und das Rauschen des Meeres bildeten einen guten Hintergrund zu ihrer Zufriedenheit. »Wir haben diese besondere Liebe zueinander gefunden, mein Schatz, weil ich dich unerbittlich verfolgt und endlich in mein Bett geschleppt habe.« Er glaubte nicht an eine mystische Wendung des Schicksals.
»In mein Bett«, widersprach sie grinsend. »Und ich habe dich nie wieder losgelassen.«
»Das ist auch gut so, denn die Mutter meines Kindes gehört zu mir.«
»Bin ich etwa bloß die Mutter deines Kindes?« neckte sie.
»Nein, das bist du nur ... unter anderem.«
»Und was ist das andere? Klingt ja wie eine Einkaufsliste.«
»Nun, als erstes bist du das geilste kleine Geschöpf auf Gottes grüner Erde, und das steht auf meiner Liste ganz oben, aber eine Einkaufsliste ist es ganz bestimmt nicht. Außerdem finde ich, daß du die perfekte Frühstücksgenossin bist, ganz zu schweigen von Lunch und Dinner.« Im Gegensatz zu Priscilla, dachte er, dem Himmel sei Dank! »Und du verwaltest ein Gut, um das dich jeder nur beneiden kann. Ich heirate dich ganz gewiß auch wegen deines guten Stalls und weil du ungeheuer clever bist. Habe ich schon erwähnt, daß ich dich rund um die Uhr lieben will?« Als sie ihn anlächelte, küßte er sie sehr lange und zärtlich und sagte dann: »Wo war ich stehengeblieben?«
»Du sagtest mir gerade, wie wunderbar ich bin.«
»Ah, ja ... deine Kinder sind natürlich perfekt, dank deiner zärtlichen Fürsorge. Und wenn unsere ebenso wunderbar werden, dann bin ich zufrieden.« Sein Blick glitt über ihre prachtvolle Figur, vom Liebesakt immer noch rosig überhaucht. »Deine Brüste sind jetzt noch praller. Die Mutterschaft steht dir gut.« Seine Stimme war zärtlich geworden. »Ich glaube, ich muß sie noch einmal küssen.«
»Du weißt doch, was passiert, wenn du das tust.« Beim bloßen Gedanken daran begann ihr Körper dahinzuschmelzen.
»Ich weiß«, murmelte er, berührte ihre Brustwarze mit der Fingerkuppe und sah zu, wie sie hart wurde. »Dazu bin ich doch hier ...«