25
Die Sonne war gerade aufgegangen, als Angela bei der ›Möwe‹ ankam. Kit hatte von seinem Zimmer im ersten Stock nach ihr Ausschau gehalten und traf sie bei der Tür, als sie gerade aus der Kutsche stieg.
»Danke, daß du gewartet hast«, sagte sie, vor Erleichterung fast zusammenbrechend; die ganze Nacht hatte sie sich gesorgt, daß sie ihn vielleicht verpaßte.
»Du bist ja völlig erschöpft«, meinte Kit fürsorglich; er mußte sich beherrschen, sie nicht in den Arm zu nehmen. »Komm mit nach oben. Ich lasse etwas zu essen heraufschicken, und dann kannst du mir von Fitz erzählen.«
Er hatte die ganze Nacht lang seine Optionen bedacht, doch es schien sich keine einfache Antwort aus seinen Gedanken zu ergeben – er war immer noch unentschieden.
Sie berichtete ihm kurz alles, was sie von Leuten erfahren hatte, mit denen sie bereits gesprochen hatte, und bat ihn dann, ihr zu helfen, die Adelaide einzuholen und Fitz wieder zurückzubringen.
»Bitte, Kit«, flehte sie. »Ich bin bereit, dich auf den Knien anzubetteln, falls das nötig ist. Fitz kommt da unten vielleicht um. Ich könnte es nicht ertragen, wenn er stürbe. Bitte, du mußt mir einfach helfen!«
Ihre Augen waren voller Tränen, ihr Gesicht eine Maske der Verzweiflung, und ihre Stimme klang so rauh, daß er sie nur noch in den Arm nehmen wollte, um ihr Leid zu lindern und ihr zu sagen, daß er alles tun würde, was sie von ihm verlangte. Aber er hatte kaum die emotionale Zermürbung der letzten Wochen überstanden, seit er sie verlassen hatte. Er hatte genügend Whisky getrunken, um die Desirée darin schwimmen zu lassen. War es denn fair von ihr, einfach hier aufzutauchen und so viel von ihm zu verlangen?
Vielleicht beeinflußte eine Art Rachegefühl seine Entscheidung, ein brutales quid pro quo. Vielleicht handelte es sich aber auch um etwas Fleischlicheres, Elementareres?
»Ich bin bereit, dir zu helfen«, sagte er mit völlig ausdrucksloser Stimme, »aber nur unter einer Bedingung.«
»Alles, was du willst«, rief sie, und ihre Augen leuchteten durch die Tränen auf.
»Du mußt vier Monate bei mir bleiben«, sagte er leise.
Sie sah ihn mißtrauisch und erstaunt an. »Wie meinst du das ... bei dir bleiben?«
»Fahre mit mir zum Pearl River. Die Reise dauert vier Monate. Wir können Fitz vorher zurück nach England bringen, falls er das wünscht. Du willst vermutlich ohnehin May bei dir haben. Fitz kann aber auch mit uns fahren, wenn er will. Das ist alles.«
»Und ich würde mit dir schlafen«, murmelte sie leise und blickte ihn direkt an.
»Natürlich. Sehr natürlich.« Darin lag keinerlei Entschuldigung.
»Kannst du mich wirklich zu einem solchen Zeitpunkt um so etwas bitten?« Entrüstung schwang in ihrer Stimme mit.
»Du bittest mich, alte Wunden wieder aufzureißen. Dies ist eine reine Geschäftsabmachung. Ich gebe dir, was du willst, und du gibst mir, was ich will. Vielleicht überlebe ich diesen Aderlaß.« Und das von einem Mann, der zweiundzwanzig Handelsniederlassungen rund um die Welt besaß.
»Du bist kalt und ohne Gefühl.«
»Nein, du bist es. Du machst mein Leben zur Hölle.«
Darauf folgte ein spannungsgeladenes Schweigen, und Wut und Verzweiflung schwängerten die Atmosphäre in dem kleinen Raum.
»Das tut mir leid«, sagte Angela schließlich. Sie begriff nicht, daß ihm in seinem bisherigen Leben tatsächlich Unglück erspart geblieben war – bis er ihr begegnete. Er hatte eine wohlbehütete Kindheit gehabt, war geliebt und gehätschelt worden, ein Jüngling mit Reichtum, gutem Aussehen und Talenten: Ein Mann, dem die Welt zu Füßen lag.
Was für Unannehmlichkeiten hatte er schon erlebt?
»Gut«, stimmte sie zu. »Ich tue alles, um meinen Sohn zu retten.« Ihre Stimme klang herausfordernd. Doch dann änderte sie ihren Tonfall – wandelbar wie ein Chamäleon. »Danke«, sagte sie demütig und dankbar.
Er war trotz seiner Bedingung großzügig, und sie stand in seiner Schuld.
»Wann können wir lossegeln?« fragte sie einen Herzschlag später. Ihre Stimme klang nun lebhaft, die Trauer war von ihrem Gesicht gewichen, und die vertraute Lebhaftigkeit glänzte in ihren Augen auf.
Und unfreiwillig mußte auch er lächeln.
»Sofort«, sagte er und bot ihr seine Hand.
Er machte sich allerdings nicht die Mühe, sie bei der schnellen Fahrt gen Süden an ihre Abmachung zu erinnern – vielleicht aus Taktgefühl, aus Respekt vor ihrer Angst um Fitz – vielleicht aber auch aus Angst vor sich selbst und seinem künftigen Herzeleid.
Er mied sie, wie er nur konnte, hielt sich meist auf der Brücke auf, ließ sich die Mahlzeiten hochbringen und ging nur nach unten in seine Kabine, um sich zu waschen oder umzukleiden, wenn er sicher war, daß sie schlief. Außerdem ordnete er an, daß die Lady sich bitte unter Deck aufhalten möge.
Angela gehorchte ihm bereitwillig, weil sie seine ehrenhaften Absichten respektierte; sie wußte aber auch besser als manche andere, wie schwierig und anstrengend die Aufgabe eines Kapitäns war, wenn die Maschinen mit voller Kraft durch die aufgewühlte See stampften.
Sie fuhren durch schweres Winterwetter und hielten sich unter dem Angriff der Stürme, die sie immer wieder nach Osten abdrängen wollten, nur mühsam auf Kurs. Nach dem dritten Tag hielten sie ununterbrochen Ausschau nach der Adelaide. Angela marschierte angespannt und voller Angst durch ihre kleine Kabine. Ihr fielen sämtliche Geschichten über Fieber und Epidemien auf Truppenschiffen wieder ein, und ihre Gedanken waren unaufhörlich mit schrecklichen Vorstellungen befaßt. Immer wieder studierte sie die Karten, die Kit ihr verständnisvoll nach unten geschickt hatte, und bestürmte die Stewards jedesmal, wenn sie mit einer Mahlzeit ihre Kabine betraten, mit allen möglichen Fragen nach dem Verlauf der Reise.
Kit blieb am Steuer, abgesehen von kurzen Schlafpausen, weil sein Gehirn zu erregt war, um jeweils mehr als nur ein paar Momente einzunicken. Seinen Kopf durchfuhren die gleichen ungünstigen Gedanken: Die Unsicherheit, ein Schiff mit einem solchen Vorsprung einzuholen, die Möglichkeit, daß ein Sturm sie vom Kurs abbrachte, die Schwierigkeit, die Adelaide bei Nacht zu sichten – oder daß sie inzwischen ebenfalls vom Kurs abgetrieben war.
Die Desirée funkte zwei Schiffe an, die sie in der Nacht überholten, aber beide waren nicht das Ziel ihrer Suche. Eines hatte die Adelaide am vorigen Tag gesichtet und gab ihnen ihren Kurs an. Kit ließ diese Nachricht sofort Angela in ihrer Kabine übermitteln. »Morgen könnten wir sie erreichen«, hieß es. Danach ordnete er ein noch schärferes Tempo an – falls seine Crew das schaffte, ohne die Motoren zu überhitzen –, und die Männer im Maschinenraum legten weitere fünf Knoten zu und trieben die Druckventile in den Gefahrenbereich.
Die Desirée stampfte durch die Nacht.
Am nächsten Tag bat Angela um Erlaubnis, auf die Brücke kommen zu dürfen, denn sie war zu unruhig und ungeduldig, um weiter unter Deck zu bleiben.
»Aber nur, wenn du mir nicht im Weg bist«, hatte Kit brüsk geantwortet. »Für Höflichkeit kann ich nicht garantieren.« Rasch musterte er sie. »Hast du geschlafen?«
»Nicht viel«, antwortete sie und bemerkte nun ihrerseits die tiefen Schatten unter seinen Augen und die dunkelroten Stoppeln auf seinen Wangen. »Wie kann ich dir jemals danken, daß du das für mich tust?«
»Wir haben ihn noch nicht gefunden«, erwiderte er knapp und wappnete sich für einen Brecher. »Spar dir deinen Dank auf. Setz dich da drüben hin und halt dich fest.«
Sie fügte sich ihm in dem lebhaften Treiben auf der Brücke, ohne über seine Kurzangebundenheit beleidigt zu sein.
»Schiff steuerbord!« rief der Erste Offizier am Nachmittag, denn durch den treibenden Regen war undeutlich die Form eines Schiffes auszumachen.
»Haltet darauf zu«, ordnete Kit an, »und wenn es die Adelaide ist, schickt ein Signal aus, wenn wir unter hundert Yards an sie herankommen.«
Ein kurzer Jubelruf ertönte, als der Schiffsname in Sicht kam, und nun konnte Angela trotz Kits Befehl nicht länger stillsitzen. Sie trat zum Fenster der Brücke, preßte ihr Gesicht an die Scheibe und versuchte, durch den Sturm zu spähen.
»Können wir denn bei diesem Seegang überwechseln?« fragte sie.
»Wir bestimmt nicht«, antwortete Kit, den Blick auf den Bug der Adelaide gerichtet, »aber ich kann es.«
»Du willst mich nicht mitnehmen?«
»Sei vernünftig, Angela. Die Wellen sind an die zehn Fuß hoch.«
»Dann sollten wir vielleicht warten. Wir könnten ihnen doch folgen, bis die See ruhiger wird.«
»Das würde ich lieber vermeiden. Wir sind bereits vier Tage unterwegs, und das bei höchstem Tempo. Wir brauchen noch einmal vier Tage für die Rückfahrt.« Er atmete tief aus, und nun wurde seine Erschöpfung sichtbar. »Und wenn dieser Sturm andauert, fahren wir vielleicht den ganzen Weg bis zum Kap hinter ihnen her, und so viel Zeit habe ich nicht. Ich werde am Pearl River erwartet. Eigentlich hätte ich schon vor Wochen dort sein sollen.«
Sie warf ihm einen raschen Blick zu.
»Ich mache dir keinen Vorwurf«, sagte er; seine Miene blieb dabei ebenso beherrscht wie seine Stimme. »Es ist einfach so verlaufen. Aber nun muß ich so bald ich kann dort auftauchen. Meinst du, Fitz hat Angst, bei diesem Seegang herüberzukommen?«
Angela schüttelte den Kopf. »Er ist sein ganzes Leben gesegelt, aber Violet hat sich gefragt, ob er überhaupt mit mir zurückkommen will. Das hatte ich noch gar nicht bedacht, bis sie es erwähnte.«
»Mach dir darum keine Sorgen.«
Diese klare, einfache Antwort beruhigte sie, ebenso wie die kurze Nachricht, die der Funker an die Adelaide schickte, mit der man um Erlaubnis bat, das Truppenschiff betreten zu dürfen.
Nach einigem Hin und Her mit dem Kapitän der Adelaide, der sie wegen des schlechten Wetters von ihrem Vorhaben abbringen wollte, legte ein kleines Boot mit einer Besatzung von acht kräftigen Männern und Kit von der Desirée ab. Es war ein Anblick, bei dem einem fast das Herz stillstehen wollte: Das winzige Rettungsboot, das von den haushohen Wellen herumgeworfen, hochgehoben und niedergeschleudert wurde wie ein Stück Treibholz. Die Männer ruderten mit allen Kräften in den Wellentälern und klammerten sich an die nutzlosen Ruder, wenn sie hoch auf den Kamm gehoben wurden.
Langsam und mit übermenschlicher Anstrengung gelang es dem Rettungsboot, sich dichter an die Adelaide zu schieben. An der Reling des großen Schiffs standen dicht an dicht die Passagiere, die sich diesen heroischen Übergang nicht entgehen lassen wollten.
Da entdeckte Angela die Gestalt ihres Sohnes, der sich mit eine Schwimmweste versehen an die Gangway an der Schiffsflanke klammerte. Drei weitere Männer gaben ihm Halt.
Erleichtert hatte Kit gesehen, wie sich Fitz durch die Reling schob, denn er war sich trotz seiner Zuversicht gegenüber Angela keineswegs sicher, ob der Sohn auch freiwillig folgen würde. Er war fest entschlossen, ihr Fitz zurückzubringen, aber dazu brauchte er jetzt wenigstens keinen Zwang anzuwenden.
Er winkte Fitz zu, als sie sich näherten, und bedeutete ihm, sich nach unten auf die wellenüberflutete Leiter zu begeben, während das kleine Boot sich gefährlich dicht dem Kriegsschiff näherte. Sie konnten in der sturmdurchtosten See leicht gegen die Flanke geschleudert werden, wenn sie zu nahe kamen, oder unter den Bug geraten, wenn eine Welle sie nach unten saugte. Er lobte Angelas Jungen insgeheim für seinen Mut, denn es war ein gefährliches Unternehmen für einen Siebzehnjährigen – eigentlich für jedes Alter.
Ihr Boot rollte und trieb weiter durch die Wellen und näherte sich Stück für Stück bis auf knappe sechs Meter der Adelaide. Die Angst stand Fitz ins Gesicht geschrieben und die Männer, die ihn noch hielten, hatten den gleichen Gesichtsausdruck. Kit schrie dem Mann neben sich etwas zu. Seine Stimme wurde fast vom Tosen des Windes übertönt. Als dieser nickte, richtete sich Kit vorsichtig für einen Sekundenbruchteil im Bug auf und sprang dann mit ausgestreckten Armen über die wogende See, um die Stahltrosse zu schnappen.
Angela schrie auf, und ihre Stimme hallte durch den kleinen umschlossenen Raum der Brücke. Dann schloß sie die Augen, denn sie wagte es nicht, hinzuschauen, ob er die gefährliche Distanz überbrückt hatte.
»Er hat es geschafft«, sagte jemand leise, aber mit abwartender Vorsicht, und als Angela die Augen wieder öffnete, begriff sie, warum es nicht freudig geklungen hatte.
Kit klammerte sich an die letzte Stufe; sein Körper hing über der wilden See, während das Schiff sich hob und senkte. Seine Gestalt wirkte winzig vor der riesigen Schiffswand.
Dann schwang er mit den Beinen einmal kurz aus, dann noch einmal in einem weiteren Bogen, und stemmte sich unter Aufbietung aller Muskelkräfte auf die Rampe. Wie graziös der ungebrochene Schwung von Muskeln und Kraft selbst in dieser Situation wirkte!
Einen kurzen Moment lang blieb er auf der Rampe hocken, um wieder zu Atem zu kommen, während die Männer auf der Brücke der Desirée ihm zujubelten. Dann erhob er sich und stieg die schlüpfrige Gangway zu dem Jungen hinauf.
Angela sah, wie er sich dicht zu Fitz beugte und mit ihm sprach. Als ihr Sohn nickte, winkte Kit die anderen Männer beiseite. Dann waren die beiden allein, zwei kleine Gestalten vor dem Hintergrund eines hochaufragenden Schiffes und der wilden Attacke der Natur.
Er hätte eine Schwimmweste anlegen sollen, dachte Angela, der es erst jetzt auffiel, daß Kit dies versäumt hatte. Dann begannen die beiden Männer, die Gangway hinabzuklettern, und alle überflüssigen Gedanken verschwanden aus ihrem Kopf.
Beim Abstieg über die schräge Treppe schien Kit mit Fitz zu sprechen, doch was er sagte, schien nicht auf Wohlwollen zu stoßen, denn Fitz schüttelte nachdrücklich den Kopf. Unten angekommen umklammerte Kit das Handgelenk des Jungen, bedeutete dem Boot und der Besatzung, sich von der Adelaide zu entfernen, und sah dem mühsamen Versuch zu, bis genügend Abstand zwischen ihnen und dem Schiff lag: Sechs Meter wogende, wilde See.
Dann schlang er ohne jede Vorwarnung die Arme um den Jungen und sprang mit ihm ins Wasser. Entsetzt schloß Angela wieder die Augen und betete zu sämtlichen Göttern, die gerade zuhören mochten, sie vor allen Gefahren zu retten.
»Er hat ihn«, sagte der Erste Offizier.
Fast hysterisch vor Erleichterung sah Angela Kits dunklen Kopf und Fitz' helleren wie Korken auf den Wellen tanzen. Kit, ein starker Schwimmer, zog Fitz zu dem kleinen Boot und hievte ihn über die Seite, um sich selbst hinterherzustemmen.
Sie waren in Sicherheit.
Angela brach in Tränen aus.
Fitz und Kit lachten lauthals, als sie an Bord kamen. Sie waren völlig durchnäßt, das Wasser strömte nur so an ihnen herab, aber sie waren gewappnet gegen die Unannehmlichkeiten des Sturms. Kit blickte hoch, sah Angela an der Tür zur Brücke stehen und schob Fitz vor sich her.
Er sah, wie Mutter und Sohn sich umarmten: Sein Gesicht verschloß sich, und alle Fröhlichkeit verschwand aus seinen Augen. Dann wandte er sich an seine Männer und dankte jedem einzelnen mit einem Handschlag und ein paar Worten.
Fitz nahm seine Mutter beiseite und entschuldigte sich bei ihr. »Ich hätte niemals so verschwinden dürfen, Maman«, sagte er. »Es tut mir leid, bitte weine nicht«, besänftigte er sie und streichelte unbeholfen ihre Schulter. »Es geht mir doch gut. Hast du gesehen, wie wir ins Wasser gesprungen sind?«
Seine Stimme klang fröhlich und lebensfroh, und die Gefahr war für ihn jetzt, als es vorbei war, nur mehr ein Abenteuer.
»Natürlich habe ich dich gesehen«, sagte Angela, wischte die Tränen fort und lächelte ihren Sohn an, der sie deutlich überragte. »Ihr wart beide sehr mutig.«
»Er hat mich einfach hinterhergezogen«, gab Fitz kichernd zu. »Kit«, sagte Fitz und berührten diesen am Arm, um seine Aufmerksamkeit zu erlangen. »Erzähl Maman, wie ich bei dem Sprung geschrien habe!«
»Das war nur der erste Schock«, sagte Kit großzügig und wandte sich zu ihnen. »Als wir im Wasser waren, ist er großartig geschwommen.«
»Hast du dich bei Kit bedankt?« fragte Angela. »Wir schulden ihm ungeheuer viel.«
»Das werde ich den ganzen Rückweg lang tun, Maman«, erwiderte Fitz strahlend. »Dieses Truppenschiff war die Hölle.« Er zog eine Grimasse. »Danke, daß du mich da herausgeholt hast, Maman. Und danke, Kit«, fügte er grinsend hinzu, »für die aufregende Schwimmlektion.«
»Das nächste Mal suchen wir uns besseres Wetter aus«, erwiderte Kit lächelnd. »Warum gehen wir nicht ins Trockene?« Er deutete auf einen Matrosen. »Afgar wird euch nach unten bringen. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen wollt«, fügte er mit einer angedeuteten Verbeugung zu Angela hinzu. »Ich muß mich darum kümmern, die Desirée zu wenden und auf Kurs nach England zu bringen.«
Kit erschien an diesem Abend nicht zum Dinner. Der Steward übermittelte seine Entschuldigung. Der Kapitän sei noch zu sehr auf der Brücke beschäftigt, sagte er. Fitz und Angela aßen daher unter sich und suchten anschließend den Salon auf. Fitz erklärte, er habe geglaubt, sein Verschwinden würde ihr helfen. Sie bräuchte ihn dann nicht mehr gegen seinen Vater zu verteidigen.
»Deinen Vater bekommen wir in den Griff«, gab Angela leise zurück. Sie war so froh, den Sohn wiederzuhaben, daß sie überhaupt nicht daran dachte, ihn zu strafen.
»Nächstes Mal, wenn du ihn siehst, bleibe ich bei dir. Ich bin jetzt alt genug, für mich selbst einzutreten«, sagte er bestimmt, als habe er seine Angst vor dem Vater in den vergangenen paar Tagen überwunden.
»Das wäre mir lieb«, sagte Angela leise. Ihr Sohn wurde zusehends erwachsener. »Das wäre mir sogar sehr lieb.«
»Weine nicht, Maman.« Fitz beugte sich zu ihr und legte ihr den Arm um die Schulter.
»Ich weine doch gar nicht«, schniefte sie und wischte sich die Nässe aus den Augenwinkeln. »Ich weine doch gar nicht.«