11

Der Rest des Abends verstrich wie hinter Nebelschleiern, obwohl Angela auf Fragen antwortete, den Tee servierte, sich mit scheinbarer Aufmerksamkeit an Gesprächen beteiligte und mit Freddy und ihrem Schwager tanzte, als Dolly beschloß, ein paar ihrer Lieblingswalzer auf dem Klavier zu spielen. Sie ertappte sich mehrmals dabei, wie sie Priscilla ansah, als wolle sie herausfinden, was Kit wohl an einem so hartherzigen Wesen gefunden haben konnte. Es gelang ihr sogar, zwei Runden Bridge mit ihren Vettern aus Sussex ohne einen drastischen Schnitzer durchzustehen. Aber als die Gesellschaft sich kurz nach Mitternacht auflöste und Angela in der Halle allen Gute Nacht wünschte, fragte sie sich doch, wie es ihr gelungen war, die vergangenen drei Stunden ohne die kleinste Erinnerung an den Abend durchzustehen.

Sie zitterte tatsächlich am ganzen Körper, und als sie den letzten Gästen die Treppe hinauf nachsah, zählte sie im Geist die Stufen, bis die Gestalten auf dem Gang verschwanden. Dann drehte sie sich um und durchschritt rasch die große Eingangshalle zur Haustür. »Sagen Sie Nellie, ich schlafe heute nacht in Stone House«, sagte sie zu dem Türsteher, der neben der Eingangstür auf seinem Platz stand. »Wenn Sie nichts dagegen haben, leihe ich mir Ihren Schirm aus«, fügte sie hinzu.

»Mylady sollten sich einen Mantel bringen lassen«, gab der alte Mann vertraulich zurück. »Es regnet ziemlich heftig.«

»Nicht nötig, Penn«, antwortete sie dem alten Bediensteten, der sein ganzes Leben lang in Easton gearbeitet hatte. »Es ist ja nicht kalt.«

»Wenn Sie das sagen, Mylady«, gab er zurück und öffnete für sie die Tür; er wußte, daß sie oft die Nacht in ihrer Klause verbrachte. »Halten Sie sich aber auf der Ostseite der alten Buchen, dann sind Sie besser vor dem Wind geschützt.«

»Versprochen«, erwiderte Angela mit einem Lächeln und ließ den großen Schirm aufschnappen. Dann trat sie in die Nacht – zitternd, aber nicht vor Kälte, sondern vor aufflammender Erregung.

Regen schlug ihr ins Gesicht, als sie über den Steinplattenweg zu Stone House hinüberlief. Der Sturm tobte ebenso wild wie ihre Leidenschaften. Sie hielt den Schirm wie ein Schild gegen den Wind und eilte zu dem Mann, der ihre Fantasie schon seit Wochen quälte und verlockte. Ihr silbriges, zartes Gewand schleppte wie ein Strom aus Seide hinter ihr her; der durchweichte Rock schlug ihr gegen die Beine, wenn sie über Pfützen hüpfte; ihre silbernen Satinschuhe wurden dabei völlig durchnäßt. Aber das bemerkte sie kaum, so aufgestachelt waren ihre Sinne; sie dachte nur an ihr Ziel und an den Mann, der dort auf sie wartete.

Die Buchen, die ein schon lange verstorbener Vorfahre in einem langgezogenen Bogen angepflanzt hatte, ragten wie Wächter hoch über ihr auf; die alten Äste knarrten im Wind, die Blätter rauschten und regten sich unter den starken Böen. Sie lehnte sich gegen die heftigen Windstöße und fragte sich, ob Kit nun tatsächlich auf sie wartete oder ob sie sein Auftauchen in Easton einfach nur fantasiert hatte.

Seine überraschende Ankunft heute abend schien ihr plötzlich unwirklich – die unschuldigen Vergnügungen nach dem Abendessen boten nun die vertrautere Realität, und nicht dieser rücksichtslose Freibeuter von einem Mann, der unverhofft in ihrem Arbeitszimmer gestanden hatte.

Doch dann sah sie die Lichter in der Ferne und lächelte in den Wind und den Regen.

Er war da.

Er wartete auf sie.

Das Glück hatte einen Namen bekommen.

Er mußte nach ihr Ausschau gehalten haben, denn die Tür öffnete sich schon, als sie sich dem kleinen Gartentor näherte. Lampenlicht ergoß sich ins Dunkel und beschien den mit Steinen gepflasterten Pfad. Dann trat Kit hinaus in die Nacht und war mit zwei langen Schritten vor dem Windfang. Er trug nur seine Reithosen und ein kragenloses Hemd; mit seinen nackten Füßen sah er aus wie einer ihrer Pachtbauern, und sie stellte sich vor, wie schön es wäre, wenn er zu Easton und ihrem Anwesen gehörte. Aber er strahlte nicht die Untertänigkeit eines Pächters aus: Er sprang nun eher, als daß er ging, rannte ihr entgegen, nahm ihr den Schirm aus der Hand und schwang sie auf seine Arme.

»Ich weiß nicht, ob ich es eine Sekunde länger ausgehalten hätte«, murmelte er, mit langen Schritten aufs Haus zueilend. »Sag mir, wie sehr du mich vermißt hast.« Er lächelte durch den Regen auf sie herab. »Ich bin beim Warten fast verrückt geworden, wollte schon hinüberkommen und dich suchen. Sind die anderen endlich ins Bett gegangen?«

»Endlich«, sagte sie mit einem glückseligen Lächeln. »Ja, ich habe dich schrecklich vermißt. Der Abend schien einfach kein Ende zu nehmen.«

»Bist du müde?« fragte er, als sie das schützende Vordach erreichten, und seine Stimme klang plötzlich verändert und besorgt.

Lächelnd schüttelte sie den Kopf. Ihre Gefühle konnte sie unmöglich beschreiben, denn Wochen der Vorfreude, der Sehnsucht, der nervösen Ängstlichkeit fielen jetzt von ihr ab.

Ihr Haar, wildgelockt von der Feuchtigkeit, glänzte hell im Dunkeln auf, und ihr freudig erregtes Gesicht war noch schöner, als er es in Erinnerung hatte. »Vielleicht solltest du dich ein wenig ausruhen«, bot er galant an, als hätte sie nicht eindeutig genug reagiert, um ihn vom Gegenteil zu überzeugen. Ihr durchnäßter Körper lag kühl an seiner Brust. »Setz dich doch ans Feuer«, fügte er hinzu, als sie das Haus betraten.

Als Angela durch den Eingangsbogen in den kleinen Salon schaute, sah sie ein prasselndes Feuer im Kamin, Kits Stiefel und Jackett daneben zum Trocknen aufgehängt, und einen Strauß Rosen auf einem Tisch neben dem Sofa. »Du hast Rosen gepflückt«, sagte sie mit einem Blick zu ihm hoch, Entzücken in den Augen, denn der Duft der Paul-Neyron-Rosen erfüllte den Raum.

»Bertie sagte, du liebst Rosen.«

»Wie ritterlich«, neckte sie, »und in einer solchen Nacht.«

»Ich hatte genau drei Stunden und siebzehn Minuten Zeit ...«

Rasch hatte er den Kopf gesenkt, um auf seine Uhr mit dem Lederarmband am Handgelenk zu schauen, die er stets trug. »Setz du dich ans Feuer, und ich suche ein Handtuch, mit dem du dich abtrocknen kannst.«

»Ich will nicht.«

Fragend sah er sie an.

»Ich will mich nicht setzen«, erläuterte sie leise.

»Ich war nicht sicher«, sagte er. »Ich versuche nur, mich richtig zu benehmen.«

»Da du nun endlich hier bist«, murmelte sie zärtlich.

»Und vermutlich auch nur um Haaresbreite«, fügte er hinzu und senkte die von dunklen Wimpern gesäumten Augen. »Oben brennt auch ein Feuer.«

Einen Moment lang war das einzige Geräusch in dem dämmrigen Vorraum das rhythmische Tropfen des Regenschirms, den er immer noch in der Hand hielt.

»Ich würde gern nach oben gehen«, flüsterte Angela, und diese schlichten Worte nahmen in dem stillen Haus eine ungeheure Bedeutung an.

Kit legte den Schirm auf eine reich geschnitzte Truhe, die irgendein frommer Mönch wohl vor Jahrhunderten angefertigt hatte, und überflog mit einem Blick die Treppe, als erwäge er stumm diese Möglichkeit. Dann sah er sie wieder an und sagte leise: »Das ist mir noch nie passiert. Ich merke, wie ... empfindlich ich bin.«

»... für Gefühle?«

Er nickte. »Die Regeln scheinen sich geändert zu haben.«

»Vielleicht sind wir beide heute nacht Neulinge.«

Er schüttelte den Kopf. »Ich bin viel zu eifersüchtig auf jeden Mann, der dich je angesehen hat.«

»Wie ich auf die Frauen in deinem Leben.« Mit funkelnden Augen neidete sie allen seine Zuneigung.

»Ich schicke sie fort.« Noch vor einem Monat hätte ein solches Versprechen völlig unwahrscheinlich geschienen.

»Dann wird es auch keine anderen Männer mehr für mich geben«, erwiderte Angela impulsiv – das von einer Frau, die sich in männlicher Anbetung stets gesonnt hatte. »Komm, ich zeige dir mein Bett.«

Als Kit auf die Treppe zuging, berührte sie seine Wange leicht mit einer Fingerspitze. »Du brauchst mich nicht zu tragen.«

»Ich will aber«, erwiderte er mit jungenhaftem Grinsen. »Ich fühle mich wie ein Bräutigam.«

»Wäre das nicht schön?« murmelte Angela, die von dieser Vorstellung so hingerissen war, daß sie ihren Verstand anzweifelte. Sie betrachtete die Institution der Ehe schon seit Jahren nicht sehr freundlich.

»Erschreckend schön«, bestätigte Kit, die dunklen Brauen leicht gehoben.

Angela lachte. »Welche Unentschiedenheit! Eigentlich müßte ich mich beleidigt fühlen.«

»Nein, denn ich bin mir einer Sache immerhin sehr sicher.«

»Ja«, antwortete sie leise, denn sie wußte, daß die Welt um sie herum zusammenbrechen konnte, sie würde ihn immer noch begehren.

Er trug sie rasch wie ein Federgewicht die Treppe hinauf und mußte sich oben angekommen, unter dem Balken bücken.

Sein Kopf streifte fast die niedrige Decke, als sie den Gang entlang gingen. Wie wunderbar groß er war, dachte Angela, vor Sehnsucht und Erregung bebend – und wie wagemutig. Wer sonst wäre schon mitten in einer Gesellschaft in ihrem Haus aufgetaucht?

»Was sind das für Malereien an deinem Bett?« fragte Kit im Konversationston auf dem Gang.

»Wie gelassen und kühl du bleiben kannst«, murmelte Angela, die seine starke Sinnlichkeit in scharfem Gegensatz zu dieser höflichen Frage fand. »Und wenn ich es nun sehr eilig habe?«

Er lächelte. »Darüber reden wir dann, nachdem du mir dein Bett gezeigt hast.« Er blieb vor ihrer Schlafzimmertür stehen und schob mit einem Fuß die Tür auf.

Licht ergoß sich auf den Gang und beschien Angelas verdutzte Miene. »Du meinst das ernst.«

»Ich sehe dich gern an«, sagte er und setzte sie hinter der Schwelle ab. »Und ich gehe nicht mehr fort.« Er lehnte sich mit den breiten Schultern an den Türrahmen und verschränkte lässig die Arme. »Komm, gib mir eine Lektion in Kunstgeschichte.«

Seine Lässigkeit reizte sie, ebenso seine ruhige Überzeugung, daß er nun in ihrem Leben bleiben würde.

»Sie sehen aus wie Temperamalereien«, bemerkte er mit einem Nicken in Richtung des reich bemalten Bettrahmens, als nötige er eine zögernde Studentin, den Vortrag zu beginnen.

Sie blickte ihn fragend an. »Dauert das lange?«

»Nicht unbedingt. Ich habe nur dein Bett gesehen, als ich heraufkam, um das Feuer anzuzünden, und sah, daß es ...« Er lächelte. »... ich will mal sagen: prachtvoll verziert ist. Das paßt zu dir, dachte ich. Die Malereien sind übrigens exquisit. Die Obstgartenszene gefällt mir besonders.«

»Du bist seltsam.«

»Weil ich dich nicht sofort in Besitz nehme?«

»Nein, weil du dich tatsächlich für Malerei interessierst.«

»Die Bilder sind sehr ungewöhnlich. Dieser Stil einer Buchillustration auf einem Bett ist einzigartig. Außerdem«, fügte er mit fröhlichem Grinsen hinzu: »würde ich gern etwas mehr über diese fleißigen Mönche erfahren, die das gemalt haben. Weil sie uns heute nacht alle beobachten werden.«

»Wirklich?« Dieser Gedanke war ihr noch nie in den Sinn gekommen.

»Wenn du jetzt nackt vor mir stündest, glaub mir, ich würde es auch tun.« Belustigung funkelte in seinem Blick. »Stammt es aus dem vierzehnten Jahrhundert?«

Sie schüttelte den Kopf. »Aus dem zwölften. Es ist ein Wunder, daß das Bett in einem so guten Zustand überdauert hat.«

»Vielleicht hat das Stundenbuch es besonders wertvoll gemacht.«

»Oder der Monatskalender, in den alle örtlichen Bräuche der jeweiligen Jahreszeit eingetragen sind«, fügte sie hinzu. »Das könnte aus dem vierzehnten Jahrhundert stammen; du hast wirklich ein sehr geschultes Auge.«

»Ich weiß.« Seine grünen Augen folgten den sanften Kurven ihres Körpers, die sich unter dem nassen Kleid deutlich abzeichneten. Das feuchte, silbrige Gewebe wirkte auf ihrer Haut kaum dichter als ein zarter Film.

»Wenn du sehr lieb bist, lasse ich dich vielleicht darin liegen«, bot sie spielerisch an.

»Da ich sehr lieb bin«, erwiderte Kit mit seinem Wolfsgrinsen, »freue ich mich, dir darin nachgeben zu können.«

»Du unbescheidener Mann!«

»Wenn ich dich aus diesen nassen Sachen geschält habe, kannst du das selbst beurteilen.«

Sein Lächeln entzückte sie. »Wird das bald geschehen?«

»Ich dachte gerade daran. Geschichtslektionen machen mir immer Appetit auf Liebe.«

»Wie schön. Ich erzähle dir mehr von den Dominikanern, die Stone House erbaut haben, wenn du mir dieses nasse Kleid jetzt aufhakst.« Sie wandte ihm den Rücken zu und lächelte ihn über die Schulter an.

»Du hast doch nichts dagegen, meine Zofe zu spielen, oder?«

»Nur ausnahmsweise.«

Sie schwang so rasch herum, daß seine Hände in der Bewegung innehielten. »Machst du jemals irgend etwas selbst?« Ein Mann mit einem Harem würde das allerdings per definitionem nicht nötig haben – und das wußte sie.

»Was meinst du mit ›irgend etwas‹?« fragte er vorsichtig, weil ihm die Unzufriedenheit in ihrer Stimme aufgefallen war.

»Ich meine sexuell«, lautete die eindeutige Antwort.

Er zögerte, denn die zahlreichen Antworten, die ihm in den Sinn kamen, würden ihren Zorn nicht besänftigen. »Gibt es auf diese Frage überhaupt eine richtige Antwort?« fragte er leise.

»Sag es einfach.« Sie hatte die Hände zusammengeballt und sah ihm direkt ins Gesicht.

»Ich habe doch gesagt, ich schicke sie alle fort.« Seine tiefe Stimme klang sanft.

Da entspannte sie sich und lächelte ihn reumütig an. Die Wut war aus ihren Augen verschwunden. »Es tut mir leid. Es sollte eigentlich nicht so wichtig sein, aber irgendwie ist es das doch.«

»Ich verstehe«, antwortete er leise. »Weil ich dich auch besitzen möchte und zwar nicht auf sanfte oder wohlwollende Art, sondern mit der barbarischsten Absicht.«

»Ich weiß. Ich hatte vorhin den Gedanken, wie nett es wäre, dich als Leibeigenen auf Easton zu haben.«

Ein flüchtiges Lächeln zuckte über sein gebräuntes Gesicht.

»Ein solches Besitzverhältnis dürfte wohl kein Problem sein.«

»Du weißt über Besitzverhältnisse ja genau Bescheid, nicht wahr?« Ihre Stimme hatte wieder einen schärferen Klang.

»Sie sind Freundinnen von mir. Bitte, werde nicht wieder wütend«, sagte er, sanft ihre Fingerspitzen berührend. »Ich schicke sie doch fort.«

Angela seufzte. »Das alles ist für mich sehr ungewohnt; ich verlange zu viel von dir.«8

»Nein«, antwortete er schlicht und nahm ihre Hand in seine.

Das kleine Zimmer unter dem Dach hatte eine klösterliche Atmosphäre und bot ihnen einen warmen Schutzraum vor dem Sturm draußen. Er war zudem ein Ort des Rückzugs vor der modischen Welt und all den Hindernissen und Schranken, die diese ihnen bieten würde.

»Du wirst mich vermutlich nur schwer wieder los«, murmelte Kit und zog Angela enger an sich.

»Wie schön«, gab sie leise zurück und sah zu ihm hoch. »Denn mir gefällt die Vorstellung, dich hier in Easton zu haben.«

»Als dein ganz persönlicher Deckhengst?« Seine Stimme klang spöttisch, aber seine Augen betrachteten sie mit ungewöhnlichem Ernst.

»Natürlich«, stimmte sie zu und fuhr mit einem Finger über seine sinnlich geschwungene Unterlippe. »Aber auch, weil du große Freude in mein Leben bringst.«

»Würde ich lernen müssen, das Land zu bestellen?« neckte er.

»Ich könnte dich in Easton als meinen persönlichen Sekretär einstellen«, erwiderte sie ironisch.

»Wie persönlich?«

»Ganz persönlich.«

»Den Job nehme ich an, meine hübsche kleine Gräfin.« Er senkte den Kopf und küßte sie sehr sanft und keusch, als wolle er einen Pakt besiegeln.

»Und nun, Mylady«, sagte er in gespielter Ehrerbietung, »würde ich meine Pflichten versäumen, wenn ich Sie nicht daran erinnerte, dieses nasse Gewand auszuziehen. Sie werden sich noch erkälten.«

»Genau dafür bist du da.«

»Gut. Dreh dich bitte um, und wir beginnen mit unserem netten Arbeitsverhältnis.« Er hakte sie ohne Eile auf, hielt gelegentlich inne, um ihren duftenden Hals, die Wange oder ihre helle Schulter zu küssen, während sie die Haarnadeln aus ihren aufgelösten Locken zog und auf den Boden fallen ließ. Ihre Bewegungen vollzogen sich mit einer lässigen Intimität, als seien diese Rollen für sie vertraut und sie hätten dies schon Hunderte von Malen zuvor gemacht. Als das Kleid offen war, ließ er das seidige Gewebe von ihren Schultern gleiten, wo es vor Feuchtigkeit kleben blieb, schälte es an ihr herab und legte es über eine Stuhllehne.

»Danke, Braddock«, sagte sie, stützte die Hände auf seine Brust, stellte sich auf die Zehenspitzen und küßte ihn.

»Ganz mein Vergnügen, Mylady«, erwiderte er zurückhaltend, reglos und mit völlig unbeteiligtem Blick.

»Bezahle ich Ihnen auch genug, Braddock?« fragte Angela spielerisch und fuhr mit einem besitzergreifenden Finger an seinen Halssehnen entlang.

»Oh ja«, antwortete er leise und erwiderte einen köstlichen Moment lang ihren Blick. »Ich werde vom gesamten Personal beneidet.«

»Und Sie haben auch nichts gegen meine persönlichen Aufmerksamkeiten?«

»Nein, Madam.«

»Vermissen die Zofen nicht ... ihre Gesellschaft, seit ich Sie ihnen fortgenommen habe? Ich hörte, Sie seien unten ziemlich begehrt.«

»Das würde ich nicht sagen, Madam.«

»Immer so bescheiden, Braddock?«

»Ja, Madam. Sie zittern, Madam, in dem nassen Unterzeug.«

»Wollen Sie nicht über die Zofen sprechen, Braddock?«

»Nein, Madam. Wenn Sie näher zum Feuer kommen, kann ich Ihnen das nasse Zeug ausziehen.« Ohne auf ihre Antwort zu achten, schob er sie dichter vor den Kamin, wo er rasch und fingerfertig die nassen Röcke aufknöpfte.

»Sie scheinen sehr kompetent«, bemerkte Angela, nun ohne Unterröcke, gewärmt vom Feuer und von Kits Nähe.

»Ich hatte eine gute Schule, Mylady.«

»Wie angenehm für mich. Küssen Sie mich, Braddock, damit ich das besser beurteilen kann.«

»Wo, Mylady?« fragte er sanft.

»Sie sind ein frecher junger Mann.«

»Manche Damen haben das gern, Mylady.«

Eine heiße Welle der Wut erhitzte ihre Wangen; seine Vergangenheit ließ sie nicht in Ruhe. »Bitte behalten Sie solche Bemerkungen für sich, Braddock.«

»Jawohl, Madam. Befolgen Ihre aristokratischen Liebhaber auch so genau Ihre Regeln?« Er war ebenso dünnhäutig wie sie.

»Sie sind unverschämt«, schnappte sie.

»Aber Sie wollen meinen Schwanz«, erwiderte er leise und aufbrausend beim Gedanken an ihre Leidenschaftlichkeit und alle Männer, die sie geliebt hatte.

Ihre blauen Augen blitzten auf. »Ich könnte Sie jetzt fortschicken!«

»Das werden Sie aber nicht tun«, sagte er. »Komm her«, befahl er nun leise, »und ich küsse dich auf deinen hochmütigen Mund.«

»Du verdammter, arroganter ...«

»... Deckhengst?«

So, als habe das Wort einen optischen Nerv gereizt, fiel ihr Blick auf den offensichtlichen Beweis seiner Erregung, der sich unter den hautengen Wildlederhosen deutlich abzeichnete.

»Was meinen Sie, Gräfin?« nölte er lässig. »Findet er Ihre Gunst?«

Die Knie waren ihr bei diesem Anblick weich geworden, denn seine starke Erektion dehnte das Leder vom Schritt bis zu seiner Taille.

»Komm näher, Liebling. Berühr ihn.«

»Du bist ziemlich unverschämt«, murmelte sie, nahm aber die ausgestreckte Hand, und als er ihre Finger auf sein pulsierendes hartes Glied legte, erbebte sie. Noch nie hatte sie einen so langen, dicken Penis gesehen, noch nie einen gefühlt, der so hart war. Zitternd griff sie nach seinem Gürtel.

»Vielleicht sollten wir einander erst besser kennenlernen, Mylady?« sagte Kit mit verschmitztem Grinsen und hielt sanft ihre Finger fest.

»Das ist nicht nötig.« Sie trat einen Schritt zurück und versuchte, sich aus seinem Griff zu lösen.

»Sind Sie da ganz sicher?« murmelte er, sie mühelos festhaltend. »Sie sind also nicht an meiner Unterhaltung interessiert?«

»Ganz sicher«, sagte sie, und die Leidenschaft überzog ihren Körper mit einem rosigen Hauch. »Ich will nicht länger warten.«

»Sollen wir das also ausziehen?« murmelte Kit, gab ihre Hände frei und fuhr mit einem Finger langsam über die harten Stangen, die ihre eng geschnürte Taille umgaben.

»Mir ist es egal, ob ich es anhabe oder ausziehe«, flüsterte sie, denn ihr Körper pulsierte vor Lust.

»Welch quälende Eile«, flüsterte er und umfaßte ihre schmale Taille mit beiden Händen. »Und wenn ich dich zum Warten zwinge?« Seine Hände glitten über das einengende Satin- und Spitzenleibchen, dann höher, um die hellen Hügel ihrer prallen Brüste zu streicheln, die voll und schwer in ihren spitzenbesetzten Körbchen lagen.

»Das darfst du nicht«, hauchte sie mit halbgeschlossenen Augen, das köstliche Gefühl seiner Hände auf ihren Brüsten genießend.

»Wirst du dann allein kommen?«

»Lieber nicht.«

»Klingt wie ein ja. Wie leicht erregbar Sie sind, Gräfin«, sagte er leise und drückte ihre harten Brustwarzen, die durch die zarte blaue Seide schimmerten wie zwei Edelsteine.

»Es ist schon so lange her.« Ihre Stimme klang kaum vernehmbar, so stark und alles auslöschend war das Pulsieren zwischen ihren Beinen, und der harte Druck seiner Finger schien bis ins bebende Zentrum ihres Körpers hinunter spürbar.

»Wie lange?« Neugewonnene Macht färbte die sehr leise Frage, und seine Finger drückten fester zu. Er spielte ihr Spiel nun nicht mehr weiter.

»Wochenlang«, flüsterte sie. Sie war unter ihren starken, überwältigenden Gefühlen einer Ohnmacht nahe.

»Wie viele Wochen?« Das war eine unbeherrschte, eifersüchtige Frage.

Sie hielt die Augen halb geschlossen und atmete keuchend und rhythmisch; der Rest der Welt war von der heißen Erregung fast ausgelöscht.

»Wie viele Wochen?« wiederholte er knapp, von Dämonen besessen, die er nicht beherrschen konnte. Grausam griffen seine Finger zu.

»Seit ... noch vor Cowes«, gelang es ihr zu antworten. Das letzte Wort verhauchte fest in einem Aufjammern.

»Dann solltest du jetzt nicht länger warten«, erwiderte er sanft. Die Schärfe war aus seiner Stimme verschwunden, und seine Finger gaben ihre brennenden Brustwarzen frei und glitten sanft zu ihren Schultern. Er drehte sie um, damit er die Bänder hinten am Korsett lösen konnte, band geschickt die seidenen Schleifen auf und nahm das Leibchen ab, während sie überflutet von ihrer Erregung reglos stehenblieb. Als er das Spitzenkorsett abnahm, wirbelte sie herum und verschmolz mit seinem Körper. Mit zitternden Fingern griffen sie nach seinen Hemdknöpfen.

»Warte«, befahl er ihr leise, zwang ihre Hände los und hielt sie fest. »Bleib still.«

Zitternd und atemlos vor Lust gehorchte sie, während er die winzigen Perlknöpfe ihres kurzen Hemdes aufknöpfte, es abstreifte, das blauseidene Band ihres Schlüpfers aufmachte und die gelösten Bänder zwischen den schlanken, gebräunten Fingern hielt – gerade ebenso straff, daß ihr letztes Kleidungsstück an seinem Platz blieb. »Dies ist ein wichtiger Anlaß«, murmelte er sanft und umschlang mit seinem Blick ihren vor Lust bebenden halbnackten Körper: Die wohl verführerischste Frau in ganz England, die nur noch seine Berührung herbeisehnte.

»Ich hoffe, du bist nicht den ganzen Tag von London aus angereist, um jetzt eine Rede zu halten«, flüsterte sie mit flammendem Blick.

»Eine ganz kurze.« Seine Stimme klang gelassen, als ließe ihn ihre Lust gänzlich unberührt.

Doch seine engen Reithosen ließen keinen Zweifel an seiner körperlichen Reaktion, und gequält von diesem fesselnden Anblick streckte Angela unruhig die Hand aus, um das samtige Leder zu streicheln, das sich über seiner Erektion spannte.

»Heirate mich«, sagte er und ließ die Bänder durch seine Finger gleiten. Er sah zu, wie der Satinschlüpfer an ihren Beinen herabglitt und ihre Nacktheit nur noch vom goldenen Feuerschein überglänzt war.

»Vielleicht«, flüsterte Angela und fuhr mit der Fingerspitze zart über seine herausragende Männlichkeit. »Wenn du mir gefällst ...«

»Hmmm ... Motivation«, murmelte er, hob sie aus dem Kreis aus Spitze und Batist zu ihren Füßen und setzte sie wieder ab. »Da muß ich mir etwas Schmeichelndes einfallen lassen.«

»Das hier wird schmeichelnd genug sein«, schnurrte sie und glitt mit der Handfläche über sein Glied.

»Schnall meinen Gürtel auf«, ordnete er leise an und löste einen Manschettenknopf. Ihre warme Hand fühlte sich so verlockend an.

Als sie hastig und geschickt gehorchte, ärgerte ihn eine Sekunde lang ihre Vertrautheit mit solchen Dingen. Doch dann erreichte er einen Punkt, an dem dieser Hauch eines Vorwurfs sich an grundsätzlichere Triebe verlor, und mit der dringenden Absicht, sich in der köstlichen Gräfin Angela zu verlieren, fegte er weniger wichtige Einwände beiseite. Er riß die letzten Knöpfe mit einem scharfen Ruck auf und befreite sich aus seinem Hemd. »Das mache ich«, sagte er kurz, fegte ihre Hände beiseite und schnallte rasch die lederne Hose auf.

Dann hörte er ein leises, gehauchtes: »Oh«, als er sich das enge Leder von Hüften und Schenkel zog und rasch an den Beinen herabrollte.

»War das ein ja auf meinen Heiratsantrag?« murmelte er mit schurkischem Grinsen und richtete sich auf. Er war vertraut mit dieser Reaktion von Frauen.

»Das war ein eindeutiges ›Ja‹«, murmelte Angela zärtlich und berührte die zitternde Eichel, die sich zu seinem Bauch hin bog. Das heftige Pulsieren zwischen ihren Beinen entsprach genau dem Herzschlag, der in den sich deutlich abzeichnenden Adern seines Penis zu erkennen war. Sie fuhr zart und langsam mit der Fingerspitze an dem Glied abwärts und spürte, wie ihr Körper sich ihm sehnsuchtsvoll öffnete.

»Werde ich in dich hineinpassen?« flüsterte er, als seine Hand zwischen ihre Schenkel glitt. »Meinst du, du kannst mich in dich aufnehmen ...« fragte er leise und ließ einen Finger in sie gleiten.

»Ich werde es versuchen«, hauchte sie, um Luft ringend, als ein zweiter Finger in sie hineinglitt. Sanft streichelnd tastete er sich vor und bahnte sich langsam und zärtlich tiefer und immer tiefer den Weg in sie hinein, bis ihr Atem rascher ging und sie sich unter dem Ansturm ihrer tosenden Begierde heftig an ihn klammerte.

»Bist du bereit?« Seine feuchten Finger reichten eigentlich als Antwort, aber er wollte, daß sie es ihm sagte.

»Bist du für mich da?« wiederholte er leise.

»Ich will dich erst so«, antwortete sie keuchend. Sie umfaßte Kits prachtvolles Glied, beugte sich vor und fuhr mit der Zunge über die sich vorreckende Eichel.

Seine Hände glitten an ihrem Körper hoch. »Er gehört dir«, flüsterte er und sah zu, wie sie seine schimmernde Männlichkeit mit sanften Fingern umfaßte, als wolle sie ausmessen, wieviel sie davon in sich aufnehmen könnte. Seine Erregung verstärkte sich zusehends.

»Oh, Gott«, stöhnte sie schließlich bewundernd und fasziniert, als das starke Glied unter ihrer Berührung noch mehr anschwoll.

»Wir haben dich sehr gern«, meinte Kit leise lachend.

Da blickte sie hoch und erwiderte das spielerische Lächeln. »Ich glaube, ich sperre dich einfach in eine Mönchszelle, Liebling, und behalte dich ganz für mich allein.«

»Vielleicht lasse ich das mit mir machen«, antwortete er leise.

»Bist du schwer unter Kontrolle zu halten?«

»Ganz unmöglich, glaube ich.«

Einen noch nie dagewesenen Moment lang überlegte Angela, wegen mehr als nur flüchtigem Vergnügen bei einem Mann zu bleiben. »Dann muß ich dich eben so lange genießen, wie ich kann«, murmelte sie verspielt, senkte den Kopf und nahm das Glied in den Mund.

Er hatte nicht gewußt, was er erwartet hatte, aber das Gefühl war so überwältigend gut, daß es auf ewig in sein Gedächtnis eingebrannt bleiben würde. Er fragte sich, ob es daran lag, daß er so lange auf eine Frau gewartet hatte, an der ihm lag. Seine Hände umfaßten zärtlich ihren Kopf, während seine Männlichkeit immer tiefer ihn sie hineinglitt, und als sie geschickt und mit lähmender Kraft an ihm zu saugen begann, schloß er die Augen und stieß ein heiseres Stöhnen aus, das sich tief in seiner Kehle löste. Er stand völlig reglos, schutzlos der heftigen Lust hingegeben. Sie hielt ihn fest und verstärkte den Druck, so daß sein Glied noch tiefer in ihre Kehle gelangte. Es dauerte eine ganze Ewigkeit, und dann glitt sie zurück und ihre Lippen gaben ihn naß und glänzend frei. Doch dann beugte sie sich erneut vor, zog ihn wieder in sich hinein und fand schließlich einen Rhythmus, der sein Herz fast zum Platzen brachte. Der Druck ihrer warmen Lippen, der Zunge und der schlanken Finger war so intensiv und fesselnd, daß der Kern seines Lebens in diesem Moment in ihren Händen lag. Sie ist eine absolute Expertin, dachte er verschwommen in dem winzigen Teilchen seines Gehirns, das noch nicht vollständig von dem hingerissenen, seelenerschütternden Gefühl verschlungen war.

Einige Momente später, kurz vor dem Absturz in einen leidenschaftlichen Orgasmus, löste sich Kit unvermittelt von Angela, zog sie zu sich hoch, ergriff ihre Hand und schob sie aufs Bett zu. Er fiel ausgestreckt in die Kissen, riß sie mit sich und fing sie auf. Dann senkte er sie sanft auf seinen Bauch, und endlich begegneten sie sich, nach Wochen der Abweisung, der Werbung: Haut an Haut, Herz an Herz und in wilder Lust.

Einen Sekundenbruchteil lang lag sie auf seinem muskulösen, harten Körper – winzig im Vergleich zu seiner Größe, hell auf seiner gebräunten Haut; ihre blonden Locken waren in seidigem Gewühl über seine Arme und Schultern gebreitet. Dann rollte er sich unter dem Ansturm wilder Lust rasch auf sie.

»Endlich«, hauchte Angela.

»Verzeih meine Brutalität.«

»Ich will keine Höflichkeit.«

Er holte tief Luft, um sich zu beruhigen. »Das solltest du nicht sagen.«

»Ich meine es aber so.«

Da schloß er kurz die Augen, und als er sie wieder anblickte, glänzte in den grünen Tiefen eine Flamme auf.

»Ich wollte dich schon an jenem ersten Abend in Cowes«, flüsterte sie in dem Gefühl, daß sie damals wie jetzt von einem wundersamen kosmischen Plan dazu ausersehen war, mit ihm zusammen zu sein.

»Ich will dir nicht wehtun«, flüsterte er.

»Das wirst du nicht«, versprach sie. Er ragte über ihr auf, wollte ihr alles geben, wonach es sie verlangte. Sie brannte vor fiebrigem Verlangen, geschmeidig in ihrer Bereitschaft, und öffnete die Schenkel, um ihn willkommen zu heißen: lüstern, begierig und ungeduldig, ihn endlich in sich zu spüren.

»Bist du sicher?«

»Absolut.« Sie umklammerte seine kräftigen Schultern und zerrte an ihm, um ihn enger an sich zu spüren.

Da konnte er sich nicht mehr beherrschen – kein Mann hätte das geschafft. Er versenkte sich in sie, und sie spürte sein steifes Glied, das in ihre heiße, feuchte Scheide glitt. Doch das löste plötzliches, scharfes Entsetzen tief in ihrer Seele aus. »Warte!« schrie Angela vor Panik. »Warte, warte, warte!« Sie schob ihn mit vor Angst verdoppelter Kraft von sich und rollte sich außer Reichweite. »Ich darf doch nicht schwanger werden«, sagte sie atemlos und rückte weiter weg zu dem bemalten Kopfende des Bettes, von dem aus die Mönche beim Abendgebet ihr nun über die Schulter spähten. »Ich habe das völlig vergessen«, sagte sie zitternd und beunruhigt.

Kit lag auf dem Rücken, Arme und Beine gespreizt, sprachlos vor Überraschung. Er glaubte zu sterben und ballte einen Moment lang die Fäuste unter dem heftigen Ansturm seiner Gefühle. Dann holte er tief Luft, um sich zu beherrschen, versuchte, seine verwirrten Empfindungen zu ordnen und keuchte mit einer so gelassenen Stimme, wie seine wild angestachelte Libido und sein Gehirn, das zum ersten Mal in seinem Leben das Wort ›Vergewaltigung‹ dachte, nur vermochten: »Ich werde nicht ... in dir kommen.«

»Aber wenn du es doch tust?« flüsterte Angela ängstlich. »Das kann schließlich passieren, und dann ... mein Gott«, stöhnte sie, überwältigt von Selbstvorwürfen. »Ich habe es vergessen. Das ist mir noch nie passiert. Noch niemals«, hauchte sie ungläubig und stemmte die Hände auf die Schenkel, um ihren zitternden Körper zu beruhigen. Sie saß nun kerzengerade aufgerichtet, und ihre Erregung war deutlich sichtbar. »Warte ...«, flehte sie leise, und mit einem erstickten Schluchzer glitt sie vom Bett, rannte zur Kommode, zog eine Schublade auf und begann, hektisch darin herumzuwühlen.

Nachthemden und Unterwäsche flogen in wilder Unordnung zu Boden, während sie die Schubladen systematisch eine nach der anderen durchsuchte und den Inhalt überall verstreute. Bei der dritten Schublade hatte Kits Atem sich beruhigt, sein Herz schlug in einem weniger ungestümen Rhythmus, und der Drang zum Orgasmus war irgendwie unter Kontrolle gebracht. Sein Verstand war nun nicht mehr vollständig von der Flut der Begierde ausgefüllt, und er konnte den fesselnden Anblick besser genießen, der sich ihm bot: Nur wenige Meter von ihm entfernt, in Augenhöhe von seinem Mönchsbett aus, bot sich ihm der rosige, prachtvolle Anblick von Angelas Hinterteil in all seiner zarthäutigen Schönheit, während sie sich über die unterste Schublade beugte. »Kann ich behilflich sein?« murmelte er, den Blick auf die hervorschwellenden Lippen ihrer Scheide geheftet.

»Ich suche nach einem Pessar«,9 erwiderte Angela, die Stimme immer noch aufgewühlt vor Entsetzen. »Es müßte irgendwo hier sein, und ich habe auch mehr als eines, verdammt. Du warst so plötzlich da, daß ich nicht daran gedacht habe ... ich meine, natürlich habe ich daran gedacht, nur nicht an die praktischen Aspekte. Ich weiß, daß sie hier sind.« Sie warf mehrere weitere Kleidungsstücke auf den Boden und sah ihn kurz über die Schulter hinweg an. »Ich werde nämlich schon schwanger, wenn ein Mann mich nur ansieht, also muß ich eins finden. Du bist vermutlich auch nicht allzu scharf darauf, heute nacht Vater zu werden.« Sie wandte sich zu einer letzten, ungeleerten Schublade, zerrte sie auf und kippte sie auf dem Kelimteppich aus.

Natürlich benutzt sie Verhütungsmittel, dachte er mit einem Blick über das Chaos auf dem Boden. Sie wäre dumm, das nicht zu tun. Doch egoistische, persönliche Motive lagen im Widerstreit mit Angela de Graes sinnlicher Zugänglichkeit und der Tatsache, daß sie einen ganzen Vorrat an Pessaren in diesem abgelegenen Häuschen bereit hielt. Nicht nur eines, sondern mehrere, überlegte er unmutig. Wie viele brauchte sie denn, zum Teufel? Plötzlich spürte er die Gegenwart von zahllosen Männern in dem feuerbeschienenen Raum.

Doch nur wenige Sekunden später setzte sein kühlerer Verstand wieder ein, und er rief sich in Erinnerung, daß Gräfin Angela schließlich eine Frau war, die für ihre Leidenschaft und verführerische Anziehungskraft bekannt war. Der Ruf, daß sie eine sinnliche Frau war, hatte ihn ja schließlich auch angelockt. Er hatte nicht erwarten können, einer Jungfrau zu begegnen. Doch trotz allem grübelte er weiter, mit einer perversen Unlogik, die für einen Mann von seinem ungezügelten Ruf geradezu ungewöhnlich war. Er wollte ihr einziger Mann sein, nicht nur heute abend, sondern auch gestern und letztes Jahr.

»Halleluja!« rief Angela nun leise und zog ein kleines grünes Lederetui aus dem seidenen Gewirr ihrer Wäscheschublade. Sie wirbelte mit einem bezaubernden Lächeln herum. »Es dauert nicht lange«, murmelte sie. »Ich muß nur noch ... etwas –, ah, da ist es«, sagte sie und zog ein kleines Glas aus dem Etui. »Wenn du mich bitte einen Moment lang entschuldigen willst ... das ist ein wenig peinlich.«

»Laß mich es machen. Die Frauen auf der Desirée benutzen alle Pessare.«

Sie erstarrte. Das Lächeln verschwand, ihr Blick wurde kühl. »Verdammt!« sagte sie leise.

»Komm doch endlich her«, nölte er träge, »und sag mir, wie viele Männer schon in diesem Bett geschlafen haben.«

»Wenn es um Rekorde geht, Mr. Braddock, bin ich sicher, daß ich im Vergleich mit Ihren saturnalischen Instinkten den kürzeren ziehe. Ich habe im allgemeinen immer nur einen Mann auf einmal.«

»Im allgemeinen?« hakte er nach, und das Knurren in seiner Stimme war unverkennbar.

»Fast immer«, erwiderte sie honigsüß. Sie hatte nicht die geringste Absicht, seinen Besitzerinstinkt mit der kargen Wahrheit zu befriedigen. »Wenn Sie also eine Jungfrau erwartet haben, dann sind Sie am falschen Platz. Und ich bin es ja schließlich nicht, die den ganzen Tag von London aus hergereist ist ...« Ihre Brauen hoben sich knapp, »... um zu vögeln.«

»Jetzt ärgerst du mich.« Er furchte die Stirn.

»Wie schade«, murmelte Angela, »wo ich doch immer noch von deinem so wunderbar großen Schwanz fasziniert bin.«

In dem Raum breitete sich Stille aus. Selbst das Prasseln des Feuers schien zum Schweigen gebracht, als habe die Spannung selbst die Flammen gelähmt.

Kit lag reglos auf dem Mönchsbett. Abschätzend sahen seine grünen Augen sie an.

»Es ist fünf Meilen weit durch den Regen bis zum ›Goldenen Hirschen‹«, sagte Angela leise.

»Ich könnte hier im Trockenen bleiben und dich trotzdem nicht vögeln.«

»Ist das eine Herausforderung? Das hältst du vermutlich nicht durch.«

»Doch.«

»In Schloß Morton hast du auch aufgegeben.«

»Heute nacht nicht.«

»Was für eine verdammte Verschwendung das wäre«, sagte Angela dann mit einem Lächeln. »Du hast die wunderbarste Erektion aller Zeiten. Doch das hast du vermutlich schon Hunderte von Malen gehört.«

Kits Mundwinkel zuckten unfreiwillig eine Sekunde lang, und dann brach er in echt belustigtes Lachen aus. »Du bist aber die erste Frau, Liebling, die mir ein so unverblümtes Kompliment macht. Danke«, sagte er lächelnd. »Verzeih meine schlechten Manieren«, fuhr er fort, und das Lächeln hellte seinen Blick auf. »Ich habe mich schon lange nicht mehr wie ein schmollender Schuljunge verhalten.«

»Mein siebzehnjähriger Sohn sieht genau so charmant aus, wenn er schmollt, um sich bei mir durchzusetzen.«

Es dauerte einen Moment, bis er diese locker hingestreute Bemerkung verdaut hatte. In seinen Augen war sie keine Mutter. Sie war Salome, Delilah, Venus – Zentrum seiner Lust. »Du solltest keinen siebzehnjährigen Sohn haben«, bemerkte er leise.

»Das habe ich aber.«

Wieder senkte sich Schweigen, und ihre gerade wiederhergestellte Intimität war wieder verschwunden.

Dann richtete sich Kit plötzlich auf, als sei er zu einer Entscheidung gelangt. »Gib mal her«, sagte er und streckte die Hand nach dem grünen Lederetui aus.

»Bist du sicher?«

Er sah sie an, wie sie nackt und üppig auf dem rosa Kelimteppich stand und auf seine Antwort wartete. Der Verstand hat hier keinen Platz, dachte er, noch alles andere, was mit Logik zu tun hatte. Angela de Grae war der krasse Gegensatz zu allem, was er in England suchte: Sie war weder Jungfrau, noch jung, noch unverheiratet. Sie war eine leidenschaftliche Frau, der es nie an heißblütigen Verehrern mangelte. Sie war die Mutter von zwei Kindern. Sie war mit einem anderen Mann verheiratet.

»Ganz sicher«, antwortete er leise.