5. KAPITEL

Der König schlägt den Bauern

Die ersten sechzehn Jahre meines Lebens verbrachte ich unter dem wachsamen Blick eines Mannes, der Monster sah, die für alle anderen unsichtbar waren. Ich dachte, er sei verrückt, und ein Teil von mir nahm ihm all die Regeln übel, die er für uns aufstellte, all den Ärger, den er uns machte.

Er hatte ein Haus gebaut, in dem wir geschützt sein sollten. Eine regelrechte Festung mit Eisenplatten in den Wänden und Gittern vor den Fenstern. Meine Schwester und ich hatten dieses Gefängnis nur verlassen, um zur Schule und zur Kirche zu gehen und für gelegentliche Besuche zum Mittagessen bei unseren Großeltern. Das war es schon gewesen. Jede andere Sekunde hatten wir sozusagen in Gefangenschaft verbracht.

Inzwischen wusste ich einiges über diese unsichtbare Welt um mich herum, mehr als Dad jemals geahnt hatte. Und ich wusste, dass die Eisenplatten und Gitter die Monster überhaupt nicht zurückgehalten hätten. Das konnten nur die Blutlinien. Ich wusste, dass die Zombies sich nach Leben sehnten – das Wichtigste, was sie verloren hatten. Ich wusste, dass sie zuallererst Hunger auf Zombiejäger hatten und dass sogenannte normale Menschen die zweite Wahl darstellten. Wir waren wohl der leckerste Happen, nehme ich an. Ich wusste, dass Angst für sie ein Aphrodisiakum war und Wut so was wie ihr Dessert.

Emotionen bildeten die Würze.

So unglücklich ich mich damals auch gefühlt hatte, ich vermisste das alte Leben. Ich sehnte mich nach den Stunden zurück, in denen ich meine kleine Schwester im Arm gehalten hatte, bis sie eingeschlafen war. Ich vermisste die Umarmungen meiner Mutter, mit denen sie so verschwenderisch umgegangen war. Vermisste das Lächeln, das sie mit meinem Dad ausgetauscht hatte, das Essen, das sie gekocht hatte. Die Zettel, die sie mir unter das Kissen gelegt hatte:

Ich liebe dich, Alice Rose, und denke heute an dich, mein Liebling. Du bist so stark und wunderschön. Was für ein Glück ich doch habe!

Wenn ich daran dachte, brannte sich der Schmerz in meine Brust, verzehrte mich von innen, immer und immer wieder.

Rasiermesserscharfe Krallen schienen mein Inneres zu zerfleischen, jeden Muskel, jeden Knochen, sodass ich blutend und voller Qualen zurückblieb. Oh Himmel, es tat so weh, dieser Hunger, den niemand je ertragen sollte. Es war, als hätte ich nie etwas gegessen. Als würde mein Körper sich selbst zerstören, Zelle für Zelle. Und die ganze Zeit über schlugen diese beiden Herzen in meiner Brust.

Ich stieß einen markerschütternden Schrei aus.

Der Schmerz wurde nur noch unerträglicher, schnitt in meine Gedanken, schoss mir bis in die Zehen. Ich krallte die Finger in mein Haar, versuchte verzweifelt diese Pein zu packen und sie herauszureißen, aber ich war hilflos dagegen.

Das Blut in meinen Adern schien zu kochen, verbrannte mich innerlich. Doch schon Sekunden später kroch mir Kälte über die Haut und ich erschauerte. Kalt. Ich klapperte mit den Zähnen und wühlte mich tiefer unter die Decke. Heiß. Ich riss die verflixte Decke von mir. Kalt. Ich warf die Arme um mich, versuchte mich förmlich in mich zu verkriechen, um mich zu wärmen. Heiß. Ich zerrte an meinen Klamotten.

„Ali“, hörte ich eine Stimme, die ich kennen müsste. Männlich. Heiser vor Besorgnis.

Vielleicht Cole. Ich atmete tief durch. Oh, er duftete so gut. Sauber und frisch und strotzend vor Energie. Der Hunger überwältigte mich wieder. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. „Essen“, krächzte ich.

Hände strichen mir zärtlich über die Wangen, um mich zu trösten.

Meine Nerven lagen blank, der Schmerz nahm noch zu. Ich zuckte zurück. „Nein. Nicht.“

„Ali.“

Greif ihn dir. Verschlinge ihn. Dann fühlst du dich viel besser.

„Ich habe ihr vor Stunden eine doppelte Dosis Antiserum gegeben. Warum geht es ihr nicht besser?“

Zweifellos Cole. Er war hier. Er war bei mir.

„Gib ihr noch eine.“

„Kann sie das denn vertragen?“

„Haben wir eine Wahl?“

Ein scharfer Stich in meinem Nacken, Kühle rauschte durch meine Venen und Schmerz und Hunger erstarben endlich. Der zweite Herzschlag wurde langsamer, leiser, verschwand aber nicht vollständig. Doch es reichte. Ich sackte zu einem Haufen zusammen, als wäre ich knochenlos.

„Ali, ich muss dich aufwecken, okay?“

Für Cole alles. Ich kämpfte mich durch den Schleier der Dunkelheit und zwang mich, die Augen zu öffnen. Zuerst sah ich nur weißen Dunst.

Wolken.

Emma.

Aber … sie war nicht da. Wo war ich überhaupt? Ich runzelte die Stirn.

„Gutes Mädchen, so ist es richtig“, sagte Cole. „Komm zu mir zurück, mein Schatz.“

Mein Schatz.

Er war nicht mehr sauer auf mich.

Ich blinzelte so lange, bis der weiße Nebel verschwunden war. Cole beugte sich über das Bett und sah auf mich herunter. Das schwarze Haar fiel ihm in Strähnen auf die Stirn, die er vor Sorge in tiefe Falten verzogen hatte. Seine Augen sahen glasig und gerötet aus, wahrscheinlich von zu wenig Schlaf, aber ich bemerkte auch Erleichterung. Der Bartschatten, den ich schon immer an ihm kannte, war noch dunkler.

„Hallo“, sagte er leise.

„Hallo.“ Meine Stimme klang, als hätte man mir die Stimmbänder zerschnitten und gerade erst wieder zusammengenäht. „Ich bin froh, dass du wieder mit mir sprichst.“

Er runzelte die Stirn und sah aus, als würde sich trotz seiner Erschöpfung ein Sturm in seinem Inneren zusammenbrauen. „Ich habe immer mit dir gesprochen.“

„Dann bist du mir halt ausgewichen.“

Eine kurze Pause entstand. „Ja“, sagte er schließlich.

Eine Sekunde später verschwand die Welt um mich herum, nur Cole existierte noch. Freudige Erregung erfasste mich – endlich hatten wir wieder eine Vision!

… In Ankhs Partyraum. Cole stand gegenüber von mir. Er lächelte über eine Bemerkung, die Veronica gemacht hatte. Ich stand neben Gavin und hatte ihm die Hände an die Wangen gelegt.

„Du bist ein besserer Typ, als ich je gedacht hätte“, sagte ich zu ihm.

„Ich weiß“, entgegnete Gavin.

„Und du bist vor allem so bescheiden!“

Er lachte. „Bist du nun froh darüber, wie sich alles entwickelt hat?“

Mein Blick fiel auf Cole. Die Anspannung, die er die ganze Woche über wie eine zweite Haut mit sich herumgetragen hatte, war vollkommen verschwunden. „Ja. Ja, ich bin …“

Im nächsten Moment war die Vision vorbei, ebenso meine Hochstimmung. Cole ließ den Kopf in seine Hände sinken, dann strich er sich mit den Fingern durchs Haar, das sowieso schon völlig verstrubbelt war.

„Gavin ist nicht an einer Beziehung interessiert, er war noch nie länger als eine Nacht mit einem Mädchen zusammen“, sagte er. „Und er steht auch nicht auf blond. Er wird nicht lange bei dir bleiben.“

Sein Ton klang eiskalt, das machte mir Angst. „Ich habe kein Interesse an ihm.“ Nervös versuchte ich, mich aufzurichten. „Cole, du musst wissen …“

„Sag jetzt nichts. Bitte …“ Aufgewühlt schob er mir zwei Kissen in den Rücken und griff nach dem Glas Wasser auf meinem Nachttisch.

Ich befand mich in meinem Schlafzimmer, stellte ich fest. Das Sonnenlicht arbeitete sich entschlossen durch die Vorhänge. Der iPod, den Cole mir gegeben hatte, stand auf dem Dock auf meinem Schreibtisch und war eingeschaltet. Leise Musik erklang.

Cole legte mir den Strohhalm an die Lippen. „Trink.“

Ich gehorchte, die kühle Flüssigkeit rann mir die Kehle hinunter, doch das angenehme Gefühl wurde gleich darauf zerstört, als es wie Säure in meinem Magen brannte. „Danke.“

Er nickte steif und stellte das Glas auf den Nachttisch zurück. „Lass uns darüber reden, was mit Justin passiert ist.“

Ja. Okay. Sicheres Thema. „Hat er sich wieder erholt?“

„Ja, und zwar viel schneller als du.“

In seiner Stimme lag so etwas wie ein Vorwurf. Ich sah ihn wütend an. „Hey, du brauchst mir nicht die Schuld dafür zu geben. Ich bin hier das Opfer.“

Er massierte sich nervös den Nacken. „Ja, ich weiß. Tut mir leid. Es war absolut stressig, zu sehen, wie du leidest, ohne dir helfen zu können.“

Langsam entspannte ich mich wieder. „Ist das schon mal passiert, dass ein Zombiejäger von einem anderen Zombiejäger gebissen wurde?“

„Nicht, dass ich wüsste. Nicht, während beide noch Menschen waren.“

Warum Justin? Warum ich? Was war anders gewesen? „Habe ich versucht, jemanden zu beißen, als ich … nicht ich selbst war?“ In dem Augenblick, als ich die Frage stellte, kam die Erinnerung wieder. Cole. Ich hatte Cole beißen wollen.

„Nur mich“, sagte er ohne jeden Anflug von Emotion.

Ich war entsetzt. „Es tut mir so leid“, sagte ich schnell. „Ich weiß, dass ich es nicht geschafft habe. Moment. Ich hab es doch nicht geschafft, oder?“

Er nickte einmal ruckartig. „Nein, hast du nicht.“

Ich entspannte mich, allerdings nur ein bisschen. „Cole, es tut mir so leid. Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist, aber ich weiß, dass ich das nie wieder machen werde. Das verspreche ich dir.“

Er zuckte mit den Schultern – und ich war mir nicht sicher, ob das bedeuten sollte, dass er mir glaubte … oder nicht.

„Ich meine es ernst, wirklich“, unternahm ich einen weiteren Versuch.

„Du hast mehr als einmal versucht, mich zu beißen“, sagte er tonlos.

Oh. Ich erinnerte mich nicht an die anderen Male. „Das tut mir leid“, beteuerte ich. „Mir war nicht klar …“

„Ich weiß.“

Ich schluckte. Fühlte er sich von mir abgestoßen? „Meinst du, Anima hat Justin auf mich angesetzt? Damit wir uns gegenseitig zerstören?“

„Vielleicht. Aber ich glaube, Justin wusste genauso wenig wie du, was er tat.“

Da stimmte ich ihm zu. Die roten Augen, die ich bei ihm gesehen hatte … „Wo ist er denn jetzt?“

„Ankh hat ihn ein paar Tage unten bei sich behalten, im Kerker, wie du es nennst. Um sicherzugehen, dass das Antiserum auch tatsächlich wirkt und er nicht noch jemanden angreift. Sie haben Tests mit ihm gemacht und ein unbekanntes Gift in seinem Blut gefunden. Kein Zombiegift, sondern etwas wie ein Antizombieserum, aber anders als das, was wir benutzen. Wir glauben, deshalb hat er sich übergeben.“

Moment. Alles auf Anfang. „Ein paar Tage? Wie lange war ich denn ohne Bewusstsein? Habt ihr mein Blut auch untersucht?“

Daran gewöhnt, konnte er meinen schnell abgefeuerten Fragen problemlos folgen. „Etwa eine Woche. Und ja. Du hattest – oder hast – dasselbe Antizombiegift im Blut, allerdings bei Weitem mehr. Deshalb denken wir, er hat es von dir aufgenommen, als er dich gebissen hat.“

Verdammt. Ich hatte eine weitere Woche meines Lebens verloren. Die arme Nana. Oje, meine armen Zensuren. „Wie bin ich denn zu diesem Gegengift gekommen, woher habe ich das? Und warum ist es in meinem Blut und nicht nur in meinem Geist?“

Er zuckte die Achseln. „Könnte eine besondere Gabe sein, so wie die Visionen, und wenn es in deinem Geist ist, ist es auch in deinem Blut. Wir müssen so viele Tests wie möglich machen.“

Ja. Okay. Das ergab alles einen Sinn.

Als ich zu meinen Großeltern ins Haus gezogen war, hatte ich ein Tagebuch mit einem merkwürdigen verschlüsselten Code gefunden. Absatz für Absatz hatte sich diese Geheimschrift von selbst für mich entschlüsselt. Was da aufgeschrieben stand, erklärte mir einiges. Ich erfuhr, dass mitunter Zombiejäger mit ungewöhnlichen Fähigkeiten geboren wurden, die sich niemand erklären konnte. Ein Gift im Geist sowie im Blut war ebenfalls aufgeführt – das war eigentlich eine gute Sache. So wie Justin wurde auch den Zombies übel, nachdem sie mich gebissen hatten.

„Nur, damit du Bescheid weißt. Wir haben allen erzählt, dass du es übertrieben hast und dass deine Wunde aufgerissen ist“, sagte Cole. „Was ja tatsächlich der Fall war.“

„Danke.“

Wieder nickte er und ging zur Tür.

Er wollte … gehen? Einfach so?

„Cole!“, rief ich. „Wir müssen reden.“

„Du musst dich ausruhen.“

„Cole!“, sagte ich, meine Stimme klang wie ein Peitschenhieb. Ich würde ihn nicht so leicht davonkommen lassen. Diesmal nicht.

Er blieb stehen und sah mich an. Sein Gesicht war ausdruckslos.

„Das muss aufhören.“ Er nickte zustimmend, doch die Art, wie er das tat, machte mir Angst. „Ich habe versucht, dich nicht zu drängen, aber du musst mit mir reden. Dieses Schweigen treibt mich in den Wahnsinn.“

Er verschränkte die Arme, als würde er sich auf einen Kampf gefasst machen. „Es gibt Dinge, die man nicht diskutieren kann, Ali.“

Diesmal konnte ich das nicht akzeptieren. Jetzt war ich schon so weit gekommen … „Im Hearts wolltest du nicht mit mir zusammen sein. Warum?“

Er fuhr sich mit der Zungenspitze über die Zähne. „Ich sagte dir bereits alles, was ich zu diesem Thema zu sagen habe.“

„Du hast mich gebeten, dir zu vertrauen. Nun bitte ich dich, mir zu vertrauen und die Wahrheit zu sagen. Warum?“

Schweigen.

Arrrrgh! Ich versuchte es auf eine andere Art. „Du hast mir gesagt, dass ich mich von Gavin fernhalten soll, doch du hältst dich von mir fern. Warum?“

Wieder Schweigen.

Verdammt noch mal! Ich war wirklich offen zu ihm, aber er konnte das nicht erwidern. „Was wir gerade in der Vision gesehen haben …“

„… wird passieren.“

Wut blitzte in seinen Augen auf, und ich wünschte mir fast sein Pokerface zurück.

„Du weißt, dass es so ist. So war es immer“, sagte er.

Ich hatte es vor mir selbst nicht zugeben wollen, doch ich konnte es ihm gegenüber nicht abstreiten. „Vielleicht bedeutet es nicht das, was wir denken.“

Er legte den Kopf schief und musterte mich. Hoffnungsvoll?

„Was denkst du denn, was es bedeutet?“

„Ich … habe keine Ahnung.“ Ich war nicht bei bester Kondition, aber ich wusste, nur weil ich in der Vision neben Gavin stand und Cole neben Veronica und ich meine Hände auf Gavins Wangen hatte, während Cole diese Veronica so friedlich anlächelte, hieß das nicht, dass wir jeweils zu Gavin und Veronica gehörten. „Was glaubst du, was es zu bedeuten hatte?“

Bitte sag mir, was ich hören möchte!

Das würde er. Er musste einfach. Es gab nur wenige Menschen, die sich unter so vielen Schichten vergraben hatten wie Cole. Eine harte äußere Schale lag über Rasierklingenschärfe und die wiederum verbarg Stahlhärte. Diejenigen, die sich die Mühe machten und weitergruben – und all die Verletzungen ertrugen –, fanden darunter einen weichen Kern. Ich hatte gegraben. Ich hatte das Softe gefunden. Er würde mich nicht gehen lassen, würde sich nicht Veronica zuwenden.

„Ich glaube, das bedeutet … dass es aus ist.“ Er schloss die Augen.

Doch, er würde es tun. Er würde es tatsächlich tun.

Er hätte mich genauso gut schlagen können. „Nein“, sagte ich kopfschüttelnd. „Nein.“

„Okay, lass es mich so ausdrücken. Ich weiß, es bedeutet, dass es aus ist. Es kann gar nicht anders sein. Ich hätte dich zweimal fast verloren, und ich werde dich für immer verlieren, wenn die Vision sich erfüllt. Ich werde nicht hierbleiben und darauf warten, Ali.“

Panik machte sich in mir breit. Ich musste es ihm klarmachen, er musste verstehen. „Du wirst mich nicht verlieren. Es ist nicht aus. Ich kann Gavin nicht leiden.“

„Das wird sich ändern.“

Nein! „Tu das nicht“, sagte ich. „Bitte. Du musst mir vertrauen. Bitte“, bettelte ich und es war mir völlig egal, wie verzweifelt ich klang. „Es gibt ein paar Dinge, die man nicht rückgängig machen kann, und das ist eins davon.“

Fürchterliche Starre überfiel ihn. Ich war mir nicht mal sicher, ob er überhaupt noch atmete. Dann wirbelte er zur Wand herum und schlug mit der Faust dagegen.

Wumm! Ich zuckte zusammen. Der Putz gab nach und ein Loch klaffte in der Wand. Weißer Staub rieselte durch die Luft.

Hier war der gefährliche Junge, vor dem mich alle am Anfang gewarnt hatten. Die Sorte, vor der Mütter ihre Töchter verstecken wollten. Herzensbrecher hatten ein paar Mädchen in der Schule ihn genannt. Der Junge, vor dem die anderen Schüler sich fürchteten. Der Gewalttätige. Die herzlose Maschine.

„Ich werde ihn nicht plötzlich wollen, wenn ich ihn noch mal ansehe“, sagte ich leise. Ich konnte mir das nicht einmal vorstellen. „Du bist derjenige, der richtig für mich ist“, fügte ich hinzu. „Du machst nie einen Rückzieher. Du versteckst dich nie vor einem Kampf.“ Kämpfe um mich.

Er drückte seine Stirn an die zerstörte Stelle in der Wand.

„Cole“, sagte ich leise. Ich muss zu ihm durchdringen. „Willst du denn was von Veronica?“

„Nein“, entgegnete er, und ich hätte fast vor Erleichterung aufgeschluchzt. „Nicht mal ein bisschen.“

„Siehst du!“

„Ali, ich …“

Er richtete sich auf und drehte sich zu mir um. Ich sah Panik, bevor die emotionslose, kühle Maske sich auf sein Gesicht legte. Diese Eiseskälte war viel schlimmer als die Wut, die er vorher gezeigt hatte.

„Unser Gefühl füreinander ist im Moment nicht das Problem. Eines Tages, hoffe ich, wirst du mir vergeben. Ich bezweifle, dass ich mir selbst irgendwann verzeihen kann. Aber … es ist aus.“

Aus.

Einfach so.

Vorbei. Zu Ende.

„Cole.“

„Es ist aus“, wiederholte er mit mehr Nachdruck. „Es ist aus.“

Wie endgültig das klang, wie sicher er sich schien.

Zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres zerbrach mein Herz in tausend Stücke. Ich dachte, ich müsste sterben. Aber diesmal hatte ich noch dieses andere Herz, das neue, wo immer es herkam, das übernehmen konnte, um mich am Leben zu erhalten.

Schweigend drehte er sich um.

„Ich werde dir nicht hinterhergekrochen kommen“, flüsterte ich.

„Das will ich auch nicht.“

Mit diesen fünf Worten zerstückelte er den Rest von mir. Geist, Seele und Körper. Ich durfte ihm nicht die Gelegenheit geben, das noch einmal zu tun. Das konnte ich gar nicht. „Ich werde dich nicht wieder zurücknehmen, selbst wenn du angekrochen kommst.“

„Ich weiß“, sagte er, und diesmal klang seine Stimme fast verzweifelt. „Und ich würde nicht … ich kann nicht …“ Er schüttelte den Kopf. „Ich hab keine Ahnung, was ich sagen soll, um es uns beiden leichter zu machen, und es tut mir leid, wahrscheinlich ahnst du nicht mal, wie sehr, aber deshalb ändere ich meine Meinung trotzdem nicht. Es muss so sein.“

Damit verließ er das Zimmer.