Freitag, 22. Mai 2009
KPI Erlangen
»Michelle! Wo bist du?«
»Hier! Was ist?« Bei Marias Tonfall kam Michelle gleich aus der Küche angestürzt.
Maria grinste wie ein Honigkuchenpferd. »Setzen!« Sie deutete neben sich. »Cohen war an besagtem Samstag in Interlaken. Er hatte für eine Nacht ein Zimmer in einem benachbarten Hotel. Ich habe alle abtelefoniert und ein Hotelier konnte sich daran erinnern, denn er hat sich darüber gewundert, dass Cohen nicht über Nacht geblieben ist, sondern beim Nachtportier gegen halb eins ausgecheckt hat. Cohen war tagsüber mit einer Frau auf dem Zimmer, auf die die Beschreibung von Sara Eichmüller passt. Sein Notdienst begann erst um acht Uhr morgens – Zeit genug, um zurückzufahren. Die früheren Patienten wurden von einem anderen Arzt behandelt, Cohen war erst um zehn Uhr in der Praxis. Vorher gab es keinen Einsatz für ihn. Dann der Obduktionsbericht. Frau Esser wurde wahrscheinlich noch am Tag ihres Verschwindens erwürgt. Es gab keine Abwehrverletzungen, möglicherweise hat sie geschlafen, denn sie hatte eine extrem hohe Dosis Schmerzmittel im Blut, dazu ein Breitbandantibiotikum namens Doxycyclin. Ihren Hausarzt hatte sie während der ganzen Zeit nicht aufgesucht, obwohl sie offensichtlich sehr krank war. Doxycyclin ist verschreibungspflichtig, Eichmüller war bis Samstags im Krankenhaus, also wer könnte es ihr besorgt haben?«
»Cohen!«, gab Michelle brav den gewünschten Tipp, obwohl die Antwort auf der Hand lag.
»Richtig! Vermutlich ein Privatrezept. Davon, dass er ihr das Medikament gebracht hat, sagte er bis jetzt nichts.«
»Was er aber einfach vergessen haben könnte«, warf Michelle ein.
Maria wiegte den Kopf. »Könnte. Nehmen wir an, er brachte ihr die Medizin und stellte fest, wie krank sie war. Ein leichtes Ziel, also …«
»… ihm kommt die Idee, Eichmüller eins auszuwischen.«
»Vielleicht hat er sich eingeschmeichelt, sie untersucht, getan, als wolle er helfen. Die DNA-Spuren im Bad sind übrigens nicht von Eichmüller! Der Bericht kam vorhin auch. Auf dem Handy, das Bianca in der Tasche hatte, waren zwischen Freitag und Montag vier Anrufe von Cohen. Am Sonntag schrieb sie: ›Lass mich endlich in Ruhe!‹, und: ›Ich will nicht, dass du kommst!‹.«
»Wow«, entfuhr es Michelle.
»Und es kommt noch besser. Er hat geantwortet – mehrfach. Seine letzte SMS am Montag lautete ›Ich komme zu dir‹. Möglicherweise hat Michelle daraufhin Eichmüller angerufen, doch Cohen und Sara Eichmüller waren schneller.«
Michelle hielt Maria die Hand hin, damit sie abklatschte. »Bingo! Und das heißt?«
Maria schlug mit ihrer Faust in die Handfläche. »Dass heißt, es sind verdammt noch mal viel zu viele Vermutungen für einen Haftbefehl. Ich rufe am besten Olaf an, vielleicht kann er was tun.«
»Und dann nehmen wir Cohen fest?«
Maria schnappte sich den Telefonhörer. »Wir brauchen unbedingt seine Fingerabdrücke und eine DNA-Probe. Ich gehe jede Wette ein, dass uns das die nötigen Beweise liefert.«
Während Maria mit ihrem Freund telefonierte, las Michelle den Obduktionsbericht noch einmal. »Granulomatose … Hiliuslymphom …«, murmelte sie. »Wo hab ich das schon mal gehört?« Sie ging zu ihrem Computer.
Maria legte gerade auf und rieb sich die Hände. »Olaf hat zwar Bedenken, weil es lauter Indizien sind, aber er glaubt, es könnte klappen.«
Michelle nickte flüchtig. »Weißt du, was ich sehr seltsam finde?«
»Nein. Aber du wirst es mir jetzt sagen.«
»Erinnerst du dich an die obdachlose Frau, die in der Regnitz ertrunken ist?«
»Ja«, antwortete Maria langsam.
»Und an den anderen Obdachlosen im Februar in Nürnberg?«
»Der nicht in unseren Bereich fiel«, erinnerte Maria sie.
»Jaja, ich weiß schon. Beide litten an schweren Infektionen mit beginnender oder ausgeprägter Lungenentzündung. Sie hatten sogenannte granulomatöse Läsionen in der Lunge und ein Hiliuslymphom.« Sie machte eine Pause und sah Maria erwartungsvoll an.
»Was ist das genau?«
»Granulome sind kleine, knötchenförmige Entzündungen. Als Hiliuslymphom bezeichnet man vergrößerte Lymphknoten im Bereich der Lunge und Atemwege. Auch bei Bianca Esser kam beides vor. Den Rest habe ich nicht mehr im Kopf, aber ich glaube, die Symptome waren ziemlich ähnlich.«
Maria schwieg eine Weile, bevor sie nachfragte: »Sind solche Symptome normal bei einem gewöhnlichen Infekt?«
»Ich weiß es nicht«, sagte Michelle ehrlich. »Klingt jedenfalls ziemlich speziell.«
Maria nickte. »Überprüf das bitte. Aber jetzt sehen wir zu, dass wir erst einmal Cohen verhaften!«
Erlangen, in der Nähe des Palais Sutterheim
Das Wetter zeigte sich von seiner schönsten Seite. Genau richtig für das bevorstehende Wochenende. Die Innenstadt war voller Menschen, denen man ansah, dass sie die Wärme nach den kühlen Regentagen genossen. Nina fühlte sich nicht besonders. Die gute Laune um sie herum ließ ihre Stimmung erst recht in den Keller sacken. Am liebsten hätte sie sich in eine dunkle Ecke verzogen. Irgendwo hin, wo sie allein war, stattdessen sah sie auf die Uhr. Noch eine Viertelstunde, bis sie sich mit Isabelle, einer jungen Kollegin von der Realschule, am Europakanal treffen wollte. Eigentlich hatten sie sich nach dem Unterricht im Lehrerzimmer über die Schwierigkeiten mit einigen Kindern aus Isabelles Klasse unterhalten wollen, doch sie hatte Nina dazu überredet, sich an diesem sonnigen Nachmittag lieber in dem neuen Eiscafé neben der frisch renovierten Stadtbibliothek im Palais Sutterheim zu treffen.
Um die letzten Minuten totzuschlagen und sich dabei wenigstens ein Stück von all den Menschen zu entfernen, betrat Nina schließlich eine Boutique und tat, als interessiere sie sich für die Sommerkleider. In Wahrheit dachte sie an ihre Begegnung mit Jens, als sie von der Schule nach Hause kam. Er hatte nicht mit ihr gerechnet, weil er von ihrer Verabredung mit Isabelle wusste – und sie hatte geglaubt, er sei schon weg, da er seiner Schwester versprochen hatte, ihr beim Aufbau eines neuen Etagenbettes für die Mädchen zu helfen. Stattdessen hatte er niedergeschlagen in der Küche gehockt, als Nina hereinkam – den Arztbericht vor sich liegend. Nun mussten sie sich wohl oder übel mit der bitteren Wahrheit befassen: Jens war unfruchtbar.
Das Ergebnis des Urologen, das er bei seinem Termin am Vormittag bekommen hatte, war eindeutig. Der Arzt hatte ihm keine Hoffnungen gemacht, dass es sich noch ändern ließe. Die Erkrankung sei zu lange her, vielleicht hätte man etwas tun können, wäre er eher gekommen, aber nun sei es zu spät.
Zu spät!
Mit allergrößter Willensanstrengung unterdrückte sie die Welle der Übelkeit, die sie überfiel. Was, um Himmels willen, sollte sie jetzt tun? Es nicht bekommen? Instinktiv legte sie eine Hand auf ihren Bauch.
Das Baby konnte nichts dafür!
Außerdem wünschte sie sich schon so lange ein Kind und auch Jens wirkte vorhin tief betroffen, dass sie den Gedanken an eigene Kinder tatsächlich begraben konnten. Nicht umsonst hatte er die Untersuchung wohl hinausgezögert. Über die Möglichkeit einer Adoption hatten sie bisher natürlich nie gesprochen. Nina selbst würde diese Möglichkeit ganz sicher in Betracht ziehen – wäre sie nicht bereits schwanger. Vielleicht konnte Jens das Kind ja irgendwie akzeptieren.
Sie atmete tief durch. Unter keinen Umständen konnte sie diesem kleinen Wesen etwas antun, auch wenn der Vater … der Erzeuger, korrigierte sie sich sofort, auch wenn dieser Mann jemand war, über den sie lieber nicht weiter nachdenken wollte.
Bis jetzt hatte sie lediglich Maria von dieser Begegnung erzählt, daher sollte sie ihrer Freundin vielleicht die Neuigkeiten als Erstes berichten. Die pragmatische Einstellung Marias und deren guter Draht zu Jens würden bestimmt helfen, ihn zu überzeugen.
Nina zückte ihr Handy. Jens hatte Nachtschicht und würde danach erst einmal schlafen. Kurzerhand schrieb sie Maria eine Nachricht: ›Muss morgen früh dringend mit dir sprechen‹. Dann setzte sie noch hinzu: ›Es geht um neulich. Jens weiß immer noch nichts. Es ist sehr wichtig!‹.
Sie drückte auf Senden.
Seine Eifersucht hin oder her, ihre Beziehung musste einfach so stabil sein, dass sie das gemeinsam durchstehen konnten.
Sie musste es geschickt anstellen, auf keinen Fall riskieren, dass er sie vor die schreckliche Entscheidung stellte: Baby oder er. Es bot sich die Chance, endlich eine richtige Familie zu sein. Ein Wink des Schicksals. Sie lächelte unwillkürlich, als sie den Sonnenstrahl bemerkte, der durch das Schaufenster fiel und ihre Hand berührte. Warm und hell.
Ihr Handy vibrierte. ›Um neun zum Frühstück bei mir‹.
Offenbar war Maria im Stress, denn sonst hätte sie auf der Stelle zurückgerufen. Allerdings war es Nina deutlich lieber, denn am Telefon mitten in der Stadt wollte sie wirklich nicht darüber reden. Sie schrieb noch eine Nachricht. Diesmal an Jens: ›Bin morgen bei Maria frühstücken. Gib mir ein bisschen Zeit. Wir schaffen das! Ich liebe Dich!‹.
Sie atmete durch. Es war eine Chance. Davon würde sie Jens mit Marias Hilfe überzeugen!
Ein wenig besser gelaunt machte sie sich auf den Weg zu dem Café, in dem sie sich mit Isabelle treffen wollte. Als sie um die Ecke bog, saß ihre Kollegin bereits an einem der Tische draußen und winkte sie heran.
Nina setzte sich ihr gegenüber. »Bist du schon lange da?«
Die junge Lehrerin mit dem dunklen Wuschelkopf schüttelte den Kopf. »Ein paar Minuten. Ist irgendwas passiert? Deine Augen sind ganz rot.«
Die Spuren ihrer Tränen waren offenbar immer noch zu sehen. Nina zog ein wenig die Nase hoch. »Vielleicht eine Allergie«, sagte sie möglichst gleichgültig.
»Hoffentlich keine Schweinegrippe oder diese neue Seuche aus Neustadt«, unkte Isabelle. »Was das wohl ist?«
»Ach, das ist bestimmt alles halb so wild, was die Zeitungen schreiben«, meinte Nina und winkte ab. Ihr Handy vibrierte und sie las die Nachricht, die Jens ihr zurückgeschickt hatte: ›Ich dich auch ‹.
Sie lächelte versonnen. Es würde gut gehen. Es musste einfach! Sie steckte es zurück in ihre Tasche. »Also, jetzt erzähl mal, was ist denn los in deiner Klasse.«
In der nächsten Dreiviertelstunde schlemmten sie nicht nur die großen Eisportionen, sondern Nina ließ sich – dankbar über die Ablenkung – von Isabelle in ein Gespräch über die vertrackte Situation in deren Klasse verwickeln.
Nachdem sie ihren Becher verputzt hatte, nahm sie sich noch einmal die Eiskarte vor. Sie hatte vermutlich noch nie in ihrem Leben zwei Eisbecher hintereinander verdrückt. Schwanger sein war eindeutig eine interessante Erfahrung. Unschlüssig blickte sie von der Karte auf und ließ ihren Blick umherschweifen, als stünde irgendwo ein Plakat herum mit der Lösung ihres Appetit-Problems.
Der Straßenverkauf der Eistheke, der höchstens vier, fünf Meter entfernt war, zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Eine Frau mit einer schicken blauen Strickmütze auf ihren dicken braunen Locken und einer riesigen Sonnenbrille á la Anastasia hatte gerade eine Eistüte in der Hand. Ein großer, leicht untersetzter Mann mit schlabberigem T-Shirt in undefinierbarer Farbe und schmuddeliger Jeans stand neben ihr. Seine langen Haare waren eindeutig zu schwarz, als dass ihre Farbe natürlichen Ursprungs sein konnte. Ein zweiter Mann bezahlte gerade. Er nahm den kleinen Papp-Eisbecher von der Theke. Als er sich in Ninas Richtung umwandte, blieb ihr fast das Herz stehen. Mit halb offenem Mund starrte sie den Mann an, den sie als Georg kennengelernt hatte – in Wahrheit Stefan Falk, linksautonomer Terrorist. Gerade in dem Moment, in dem ihr klar wurde, wie auffällig sie sich benahm, begegnete er ihrem Blick. Seine nicht ganz parallel stehenden Augen hinter der rechteckigen Brille verengten sich für einen kurzen Moment.
Er hatte sie erkannt.
Nina hätte am liebsten die Flucht ergriffen, doch ihre Beine gehorchten ihr nicht – genau wie an jenem Abend. Isabelle plapperte immer noch und schien sich Gott sei Dank nicht darüber zu wundern, dass sie gar nicht antwortete. Plötzlich registrierte die Frau mit der Sonnenbrille den Blickkontakt. Sie stieß dem Dicken unsanft den Ellbogen in die Seite, dabei musterte sie Nina gründlich. Der Mann – Georg? Stefan? – sagte etwas zu den beiden und fixierte immer noch Nina, wie ein Jäger seine Beute.
Drei! Sie waren zu dritt!
Nina spürte, wie etwas in ihrem Gehirn einrastete.
Auch die anderen gehörten zu den radikalen Terroristen des kb, die in ganz Deutschland gesucht wurden!
Und mitten in Erlangen spazierten sie einfach durch die Menge. Was hatten sie vor? Waren sie bewaffnet? Erlangen war nicht Berlin. Oder Frankfurt oder München oder eine der anderen Großstädte, in denen sie bisher Anschläge verübt hatten. Waren sie vielleicht untergetaucht?
Plötzlich bewegte er sich. Erschrocken sprang Nina auf und stieß dabei an den Tisch.
»Hoppla!«, sagte Isabelle erschrocken.
»Tut … tut mir leid, ich … muss mal …«, begann Nina mit schriller Stimme, doch bevor sie sich aus dem Staub machen konnte, hatte er sie bereits erreicht.
»Nina!«, sagte er mit seiner rauen Stimme. »Schön, dass du schon da bist.«
Ohne Umschweife zog er sie trotz des Eisbechers, den er in der Hand hielt, in seine Arme und küsste sie mitten auf den Mund. Vollkommen perplex über diese Dreistigkeit ließ sie ihn gewähren.
»Du siehst gut aus.« Mit der freien Hand strich er über Wange und Schläfe. Er küsste sie auf ihre Halsbeuge. »Und du riechst gut. Hast du ein neues Parfum?«
»Was? Nein …«, stammelte Nina immer noch fassungslos.
Sie spürte, wie ihr die Hitze ins Gesicht schoss, als sie Isabells überraschten und zugleich neugierigen Gesichtsausdruck wahrnahm.
»Willst du uns nicht vorstellen?« Er sah Nina unverwandt an.
»V… vorstellen? Ach so, ähm … ja, also …« Nina lächelte unsicher, während sie versuchte, sich aus seinen Armen zu lösen. Er ließ es gerade eben zu, dass sie sich halb zu Isabelle umdrehte. »Das ist Isabelle Schad, meine Kollegin aus der … aus der Schule. Sie unterrichtet Deutsch, Französisch und Kunst … und hat Schwierigkeiten mit einem Schüler …« Fieberhaft überlegte Nina, was sie sagen sollte, wer er war. Ihre Kollegin wusste schließlich, dass sie verheiratet war. Sie musste vermeiden, dass bald Gerüchte darüber kursierten, sie hätte einen heimlichen Freund.
»Hallo Herr Langenbach«, sagte Isabelle da einfach und fand offenbar nichts Sonderbares an Ninas Zögern.
»Hallo!« Freundlich reichte er Isabelle die Hand.
Nina erstarrte, unfähig, den Irrtum aufzuklären. Er schob Nina den Stuhl zurecht, bevor er genau zwischen den beiden Frauen Platz nahm. Dabei wandte er sich leicht von Isabelle ab, schlug lässig die Beine übereinander und aß dabei sein Eis. Nina fuhr sich durchs Haar und rutschte auf dem Stuhl herum. Niemand sagte etwas. Isabelle kramte in ihrer Handtasche herum, bis sie schließlich einen Fettstift für die Lippen hervorzog.
»Braucht ihr noch lange?«, fragte er, als er den Becher fast leer hatte, ohne seine Stimme allzu deutlich zu heben und ohne seinen Blick von Nina abzuwenden.
Sie hatte Mühe, ihre Hände stillzuhalten. »Ob wir noch lange … ähm … nein, keine Ahnung.« Reiß dich endlich zusammen, dachte sie. Wir sind hier mitten in Erlangen, was sollte er ihr also tun? Er hat schließlich keine Ahnung, dass ich weiß, wer er ist. Oder vielmehr was er ist.
»Ich glaube, ich belästige dich nicht länger mit meinen Problemen«, meinte Isabelle da.
Die veränderte Stimmung hatte sie natürlich registriert, worin sie offenbar einen Wink mit dem Zaunpfahl gesehen hatte, dass Jens gern mit seiner Frau allein sein wollte. »Du hast mir ja schon weitergeholfen. Ihr habt bestimmt noch was vor.« Sie stand auf, dabei wirkte sie nicht ärgerlich, sondern als habe sie Verständnis, dass nun Wochenende sei und schulische Probleme bis Montag warten mussten.
Nina wollte protestieren, doch er kam ihr zuvor. »Das ist wirklich nett von Ihnen, Frau Schad. Und Sie haben absolut recht. Meine Frau und ich haben noch etwas ganz Besonderes vor. Allerdings … Sie weiß davon noch nichts.« Er zwinkerte Nina verschwörerisch zu.
»Ja, dann …« Isabelle reichte erst Nina, anschließend ihm die Hand, um sich endgültig zu verabschieden. »Ich geh rein und zahle mal meinen Anteil«, sagte sie noch.
»Nein, lassen Sie mal. Betrachten Sie sich als eingeladen. Ein schönes Wochenende.«
»Oh, vielen Dank, Herr Langenbach. Gleichfalls.«
Dann war sie weg. Verstohlen sah Nina sich um. Wo waren eigentlich seine ›Freunde‹ geblieben? Nirgendwo konnte sie die beiden entdecken, war sich aber sicher, dass sie in der Nähe waren. Sie fröstelte in der Wärme.
»Ich … muss auch gehen«, sagte sie schnell. »Schön, dich wiedergesehen zu haben … Georg.«
»Nicht so hastig.« Schneller als sie aufstehen konnte, griff er ihre Hand, um sie festzuhalten. Nicht stark, aber stark genug, dass sie sich nicht von ihm lösen konnte, ohne dass es den Umsitzenden auffallen würde. Was würde er tun, wenn sie einen Aufstand machte? Es konnte ihr nichts passieren.
Er streichelte ihre Hand und küsste die Fingerspitzen. Nina versuchte krampfhaft es zu ignorieren, doch sie fühlte die Berührung seiner Lippen bis in die Fußspitzen. Sie schluckte. Endlich ließ er sie los, um sich bequem zurückzulehnen. Seine zwanglose Haltung täuschte, davon war sie überzeugt.
Er hob die Brauen. »Ich dachte, wir könnten uns irgendwo hier ein Zimmer nehmen und da weiter machen, wo wir aufgehört haben. Was meinst du?«
»Was?«
»Komm schon, tu nicht so, als sei es dir plötzlich peinlich.« Er grinste zweideutig. »Ich dachte, ich habe einen bleibenden Eindruck bei dir hinterlassen.«
Allmählich gewann Nina ihre Fassung zurück. »Das hast du ganz bestimmt nicht!«
»Oh doch, mein süßes Unschuldslamm. Ich habe ein gutes Gedächtnis. Und du auch, nicht wahr?«
Nina schluckte. Natürlich erinnerte sie sich daran, was an jenem Abend geschehen war. Viel zu gut.
»Dein Mann ist nicht hier, Nina«, wiederholte er leise. Seine heisere Stimme klang wie die des Wolfes, der die sieben Geißlein zu betören versucht. »Niemand ist hier … niemand weiß, wo du bist.«
Er küsste sie mit unvermuteter Leidenschaft. Zu verblüfft über diese Dreistigkeit hielt sie zunächst still, bevor sie sich gegen seine Brust stemmte, um sich ihm zu entziehen. Trotz ihrer Gegenwehr hielt er sie eine Weile fest, bevor er sie freigab. Ihre Beine fühlten sich an wie Pudding. Was sollte sie tun?
Niemand war hier. Niemand wusste, wo sie war – niemand würde sie hören, wenn sie schrie.
Was würde er mit ihr tun, wenn sie sich wehrte? Wenn sie versuchte zu fliehen?
Und was, wenn sie es nicht tat?
Die Haustür war abgeschlossen. Konnte sie den richtigen Schlüssel schnell genug aus dem Kästchen holen?
Das Herz schlug ihr bis zum Hals.
Mit einem Mal – als wolle er ihre Gedanken und ihre Angst Lügen strafen, berührte er noch einmal sehr zärtlich ihre Lippen und verließ wortlos den Raum. Nina brauchte ein paar Sekunden, bis sie reagieren konnte. Sie huschte zum Fenster. Die Fensterbank stand voller Nippes. Wegräumen würde ewig dauern. Wenn sie das Fenster öffnete, ohne den Kram beiseite zu stellen, wäre Georg mit Sicherheit alarmiert. Doch das war ihr egal. Wild entschlossen drehte sie am Griff.
Er klemmte!
Mit einem Laut der Verzweiflung rüttelte sie daran.
»Ich würde es lieber zu lassen.« Nina erstarrte mitten in der Bewegung. Georg stand im Türrahmen, sein Taschenmesser in der einen Hand, in der anderen eine Flasche Wein. »Den habe ich in der Küche gefunden. Er ist schon was älter, aber vielleicht noch genießbar.«
Nina rührte sich nicht. Beinahe unbeteiligt sah sie zu, wie er den Korkenzieher aus dem Messer herausklappte, die Flasche öffnete und zwei Gläser aus dem Schrank holte. Das Messer verschwand in seiner Hosentasche. Als er sich mit den Gläsern in der Hand auf sie zu bewegte, kam endlich Leben in sie. Blitzschnell rannte sie los wich ihm aus, lief um den Sessel herum und stieß dabei gegen die Armlehne. Sie taumelte zunächst, dann stürzte sie und schlug ungebremst an der Tischkante an. Bevor sie sich aufrappeln konnte, half Georg ihr, sich auf das Sofa zu setzen.
Vorsichtig untersuchte er ihre Schläfe. »Das wird blau, fürchte ich. Warte, ich hole dir etwas zum Kühlen.« Schon war er fort und kam mit einem feuchten Handtuch aus der Küche zurück, das er ihr an die schmerzende Stelle hielt. Zögernd nahm sie es ihm ab.
Er prostete ihr mit dem Wein zu. »Nicht der Beste, aber trinkbar.«
Weil sie keine Anstalten machte, nach ihrem Glas zu greifen, schloss er ihre Finger um das Weinglas, um es sanft zu ihrem Mund zu dirigieren. Sie trank mechanisch. Etwas von der dunkelroten Flüssigkeit lief daneben. Zart wischte Georg mit seinem Finger darüber, verteilte es auf ihren Lippen und leckte sie ab. Ein sanftes Kribbeln breitete sich in ihrer Magengrube aus.
Zittrig wischte Nina sich mit dem Handrücken über ihren Mund. »Bitte …«
»Bitte?« Ohne ihren Blick loszulassen, nippte er am Weinglas. »Heißt das: ›Bitte mach weiter!‹ oder ›Bitte lass mich in Ruhe!‹?«
Als Nina schwieg, küsste er sie noch einmal. Steif wie eine Puppe ließ sie es geschehen, bis sie sich nach kurzer Zeit dabei ertappte, wie ihre Zunge auf sein laszives Spiel einging. Das Handtuch fiel zu Boden, als seine warme Hand unter ihren Bademantel glitt und ihre Brust umfasste.
»Hast du etwa Angst vor mir?« Er schob seine Finger in ihren BH.
Kaum merklich nickte sie, obwohl sie durch seine aufreizenden Berührungen eine merkwürdige Mischung aus Angst und Erregung erfasst hatte. Er reichte ihr noch Wein. Nun trank sie in großen Schlucken. Der viele Alkohol benebelte sie. Alles war so unwirklich.
»Ich tue dir nicht weh.«
»Nein«, flüsterte sie. »Bitte nicht. Nicht wehtun.«
Wieder lachte er. Rau, betörend. Eine Gänsehaut überlief sie. Sie fürchtete sich vor dem, was er vorhatte und gleichzeitig wünschte sie sich, dass er weitermachte. Ihre Empfindungen waren ein einziges Chaos.
»Wir tun genau das, was du willst.«
Er streifte ihr den Bademantel von den Schultern und löste ihren BH. Ihr Atem ging schneller, als seine Lippen der Spur seiner Fingerkuppen folgten. Sie schloss die Augen.
Es war wie tausend Stromschläge auf jedem Quadratzentimeter, den er berührte.
Nina nestelte am Verschluss seiner Hose. Sie hatte keine Ahnung, woran es lag. Sie war nicht sicher, ob sie den Grund überhaupt wissen wollte, doch er erregte sie auf eine so unbändige Art, wie sie es noch nie erlebt hatte. Bald lag sein nackter Körper auf ihrem. Es war genau das, wonach sie sich sehnte, seit er sie das erste Mal geküsst hatte.
»Dein Mann ist nicht hier, Nina«, hatte er vorhin zu ihr gesagt. »Niemand ist hier … niemand weiß, wo du bist.« Und niemand musste davon erfahren.
Die Nacht war noch lang. Sehr lang.
Mit verschränkten Armen saß er ihr gegenüber und schien ihre Erinnerung zu erraten. »Es hat dir ziemlich gut gefallen«, stellte er mit süffisantem Lächeln fest. Er machte sich nicht die Mühe leise zu sprechen. »Oder alles, was ich über Frauen weiß, stimmt nicht.«
Nina neigte sich über den Tisch und zischte: »Ich wollte nicht mit dir schlafen!«
Er lachte erheitert. Dasselbe Lachen, das ihr in jener Nacht noch manchen Schauer über den Rücken gejagt hatte. Abrupt beugte er sich zu ihr. Wieder fasste er sie unterm Kinn. Sie wollte sich seinem harten, beinahe schmerzhaftem Griff entziehen. Mit der anderen Hand streichelte er ihre Wange. Sein Gesicht war ihrem ganz nah. Sie starrte in seine dunklen Augen, die sie einfach nur liebevoll zu betrachten schienen – auf die kurze Distanz sah sie jedoch die Berechnung darin.
»Lass mich los! Oder ich schreie!«
»Oh, ja, schrei nur. Du weißt, ich mag das«, antwortete er spöttisch. »Am Anfang hast du getan, als würdest du dich ein bisschen zieren, aber ich glaube eher, es hat dich angemacht.«
»Ich dachte, du … du … bringst mich um, wenn ich nicht mache, was du willst«, entfuhr es ihr. Und im selben Moment wusste sie, es war ein Fehler, das zu sagen.
In seinen Augen blitzte etwas auf, doch er lächelte unverwandt. »Und warum«, fragte er langsam, »hätte ich das tun sollen? Ich wollte einfach ein bisschen Spaß mit dir haben. Ich habe dich nicht bedroht. Warum sollte ich das tun?«
Sie antwortete nicht. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie sollte einfach aufstehen und gehen. Aber sie saß wie angewurzelt.
»Du hast mich angebettelt, meine Süße. Richtig angefleht«, flüsterte er. »Du warst unersättlich.«
»Arschloch!«
Er kam noch näher. Sie hielt die Luft an, während er zart an ihren Lippen knabberte, und dachte kurz daran, ihn zu beißen. Doch sie hielt sich zurück, konzentrierte sich stattdessen darauf, ihren Mund geschlossen zu halten.
»Ich weiß genau, was du brauchst«, hauchte er. »Du kannst dich nicht verstellen. Nicht bei mir.«
Sie schluckte hart, versuchte seinen Atem zu ignorieren und zählte die Sekunden. Plötzlich ließ er sie los.
»Und du würdest dich zu gern wieder von mir ficken lassen«, meinte er mit einer Betonung, als rede er vom Wetter.
Langsam pustete sie die Luft aus der Nase heraus, als sie sich darüber klar wurde, wie recht er hatte. Dafür hasste sie ihn – und sich selbst am allermeisten. »Ja, wahrscheinlich. Zufrieden?« Trotzig sah sie ihn an.
Er lächelte charmant. Es war pure Lust gewesen, die er in ihr geweckt hatte. Ein Teil von ihr wollte es zu ihrem Entsetzen tatsächlich wiederholen. Doch der andere Teil dachte an Jens – und daran, wer der Mann ihr gegenüber eigentlich war.
Immer noch grinsend streckte er ihr versöhnlich seine Hand entgegen. »Hey, komm her, Süße, mach dir deswegen keine Vorwürfe, okay?« Sie ignorierte seine Hand. »Im Übrigen wäre es reine Verschwendung, so etwas Hübsches wie dich umzubringen anstatt zu vögeln. Schließlich bist du nicht der Typ Frau, die einen kleinen …, sagen wir, Ausrutscher ausplaudert. Oder irre ich mich?«
Sie verschränkte die Arme. Sie hätte Maria die Wahrheit anvertrauen sollen. Gleich morgen früh würde sie das nachholen, wobei sie wohl besser bei der Variante mit der Vergewaltigung blieb. Dass es anders gewesen war, konnte ihr niemand beweisen. Er die Wahrheit allerdings auch nicht, doch Jens würde ihr glauben – hoffte sie. Schließlich hatte er ihre kleinen Blessuren gesehen und die konnten genauso gut durch Gewalt entstanden sein.
»Nun?«, fragte er noch einmal.
»Ich hab es niemandem erzählt«, log Nina.
»Glück für dich«, bemerkte er trocken. »Und für mich.«
Er zückte seine Geldbörse und warf einen Zwanzigeuroschein auf den Tisch. Anschließend zog er sie auf die Beine.
Verwirrt ging sie ein Stück mit ihm, bevor sie stehen blieb. »He, Moment … ähm Georg, ich … ich will nicht mit dir gehen. Ich muss nach Hause.«
Langsam wandte er sich ihr zu. »Realschule am Europakanal, richtig? Dort unterrichten du und deine entzückende Kollegin. Wie ist noch ihr Name? Isabelle Schad?«
»Ja, aber warum …«
»Wie viele Schüler gibt es eigentlich dort?«
Nina wollte antworten, doch sie klappte ihren Mund wieder zu. Schwindel stieg in ihr auf. »Das kannst du nicht tun«, flüsterte sie.
Er trat einen Schritt zurück. Sein Lächeln war kalt. Er öffnete seine Weste, damit sie einen Blick auf ein Pistolenholster werfen konnte. »Was kann ich nicht tun?«
Die Worte blieben ihr im Hals stecken. Plötzlich hatte sie das Gefühl, in der Falle zu sitzen.
»Warum hast du Angst vor mir?«, erkundigte er sich beiläufig, wobei er etwas aus der Tasche zog, das er in seiner rechten Hand verbarg.
»Ich habe keine Angst!« Ihre Stimmlage war deutlich höher als sonst.
»Ich habe mich nur nach deiner Schule erkundigt.«
»Ich … weiß … nicht …«, stammelte sie.
»Gefalle ich dir eigentlich besser mit langen Haaren?« Während er sich über seinen extrem kurz geschorenen Hinterkopf rieb, beobachtete er ihre Reaktion. »Und was ist mit dem Bart?«
»Ich … weiß nicht, wovon du sprichst.« Sie ahnte, dass es längst zu spät war – und seine Antwort bestätigte das.
»Natürlich weißt du das! Du hast mich erkannt. Dumm. Wirklich dumm. Es tut mir leid, aber du bist ein zu großes Risiko, daher kann ich dich dieses Mal nicht einfach laufen lassen.«
Nina hatte das Gefühl, ihr würde der Boden unter den Füßen weggezogen. »Was willst du von mir?«, flüsterte sie.
»Zuerst einmal kommst du mit mir, bevor wir Aufmerksamkeit erregen«, teilte er ihr nahezu emotionslos mit, während er auf sie zutrat. Vor seinem Körper, sodass nur Nina es sah, ließ er die Klinge eines Taschenmessers auf- und wieder zuschnappen. »Schalte dein Handy aus und gib es mir!«
Mechanisch tat sie es, danach legte er einen Arm um sie. Eng umschlungen, wie ein Liebespaar, schlenderten sie über den Schlossplatz in Richtung Uniklinik. Im Park warf er ein Knäuel Taschentücher in einen der Abfallbehälter, darin eingewickelt ihr Handy.
Während er so tat, als küsse er sie leicht aufs Ohr, flüsterte er. »Ich will dir immer noch nicht wehtun. Also sei einfach brav und tu, was ich dir sage. Das kannst du doch, oder?«
Sie nickte. Seltsamerweise fand sie es tröstend, dass er dabei ihre Schulter streichelte.
KPI Erlangen, Vernehmungszimmer
Cohen hatte es mit Fassung getragen, als Maria ihm den Haftbefehl zeigte und ihn abführen ließ. Ohne Protest war er ins Auto gestiegen und hatte beinahe stoisch die Formalitäten über sich ergehen lassen. Auf Cohens Bitte war Professor Leibl informiert worden, um einen Anwalt zu organisieren, der nun neben seinem Mandanten am Tisch saß, in Unterlagen blätterte und sich gelegentlich Notizen machte. Ihnen gegenüber hatte Maria Platz genommen und beobachtete Cohen, dessen bisherige Antworten allesamt kurz ausgefallen waren.
Maria stützte ihr Kinn auf ihre ineinander verschränkten Hände. »Also hat Frau Esser Sie am Donnerstag angerufen und Sie haben ihr angeboten zu ihr zu kommen, weil sie krank war?«
»Richtig. Sie bat mich, ihr etwas zu Essen und Medikamente mitzubringen. Sie fühlte sich nicht gut genug, um zum Arzt zu gehen.«
»Warum hat sie keinen Arzt kommen lassen?«
»Das weiß ich nicht. Vielleicht macht ihr Arzt keine Hausbesuche? Das ist nicht selbstverständlich«, erwiderte Cohen.
»Sie sind also zu ihr gefahren und haben Sie untersucht?«
»Ja.«
»Wie lautete Ihre Diagnose?«
Er sah Maria nicht an. »Ein unbestimmter, grippaler Infekt. Ich besorgte ihr ein Antibiotikum.«
Maria lehnte sich mit verschränkten Armen zurück. »Warum haben Sie uns das nicht viel früher gesagt? Das sind wichtige Informationen!«
»Weil ich wusste, was dann passiert!« Er wies mit der Hand in einer umfassenden Geste in den Raum und meinte damit die Situation. »Sie brauchen einen Schuldigen und da komme ich Ihnen natürlich gelegen.« Er schnaubte.
Der Anwalt neben ihm legte beruhigend die Hand auf seinen Arm. »Sie müssen sich nicht selbst belasten, Dr. Cohen. Wenn Sie nichts sagen wollen, haben Sie das Recht dazu.«
Cohen nickte grimmig.
Maria wartete einen Moment, bis sie die nächste Frage stellte. »Haben Sie Frau Esser noch einmal wiedergesehen?«
Er schwieg.
»Wo waren Sie am Montagnachmittag?«
»Wie ich Ihnen bereits sagte: Eine neue Küche aussuchen.«
»Warum hat Frau Esser Ihnen geschrieben, Sie sollen sie in Ruhe lassen?«
Cohen verschränkte die Hände und platzierte sie vor sich auf dem Tisch.
»Haben Sie Frau Esser umgebracht?«, fragte Maria nicht zum ersten Mal.
Cohens Hände knallten auf die Tischplatte, als er aufsprang. »Nein!«
Sein Anwalt beruhigte ihn und brachte ihn dazu, sich wieder hinzusetzen.
»Haben Sie eine Beziehung zu Frau Eichmüller?«
Maria glaubte, ein Blitzen in seinen Augen zu sehen, doch er wandte den Kopf ab und sagte nichts.
»Wo ist Sara Eichmüller?«
Er atmete hörbar. Dabei schüttelte er den Kopf.
»Was meinen Sie damit?«
»Alles, was ich zu sagen habe, habe ich Ihnen gesagt.«
Maria stellte noch unzählige Fragen, doch am Ende gab sie sich geschlagen – zumindest für den Moment. Cohen war ein zäher Brocken. Wenn er Bianca Esser nicht selbst umgebracht hatte, wusste er mehr, als er zugab. Auf jeden Fall deckte er Sara Eichmüller, das stand für Maria fest.
Unbekannter Ort
Nachdem sie durch den Schlosspark spaziert waren, führte er sie zu einem Auto, das in einer Seitenstraße in der Nähe der Uniklinik geparkt war. Als sie sich dem Fahrzeug näherten, achtete er darauf, dass sie das Kennzeichen nicht sehen konnte. Es war ein schwarzer Golf, doch das war alles, was Nina bemerkte. Nichts Besonderes. Schlicht und unauffällig. Offensichtlich kannte er sich gut aus, denn während er mit ihr die Stadt in nordwestliche Richtung durchquerte, vermied er Hauptstraßen und größeres Verkehrsaufkommen. Zwischen Bubenreuth und Möhrendorf überquerten sie die Autobahn, dann ging es weiter durch Kleinseebach in Richtung Röttenbach. In dem dazwischen liegenden Waldstück bog er schließlich in einen Waldweg ab, dem er so weit folgte, bis sie außer Sichtweite der Straße gelangt waren.
Mit im Schoß gefalteten Händen saß Nina da und traute sich kaum zu atmen.
Er legte eine Hand auf ihre. »Es nützt wahrscheinlich nichts, wenn ich dir noch einmal sage, dass du keine Angst haben musst.« Er wartete auf eine Reaktion von ihr, doch als die nicht kam, fügte er hinzu: »Rühr dich nicht von der Stelle!«
Während er ein Stück vom Auto entfernt zwei Telefonate führte, ließ er Nina nicht aus den Augen. Schließlich kam er zurück.
»Du weißt zu viel. Du solltest nicht sehen, wohin wir fahren.«
Mechanisch folgte Nina seinen Anweisungen. Er machte es ihr so bequem wie möglich und versicherte ihr, besonders vorsichtig zu fahren. Trotzdem wurde ihr bald so übel, dass sie sich übergeben musste, als er ihr nach längerer Fahrt wieder aus dem Kofferraum half. Sie waren in einer Garage. Mit den Händen an der Wand abgestützt spie sie sich die Seele aus dem Leib. Er stand mit angeekeltem Gesichtsausdruck neben ihr, während er wartete, bis sie fertig war. Schließlich reichte er ihr Taschentücher, stülpte ihr wortlos seine Jacke über den Kopf, um sie zunächst ein Stück innerhalb des Hauses und dann eine Treppe hinauf bis unters Dach zu führen. Als Nächstes ließ er sie in ein kleines Bad, damit sie sich den unangenehmen Geschmack aus dem Mund spülen und Wasser trinken konnte. Schließlich ging er mit ihr in ein Zimmer, versicherte ihr, dass er bald wiederkäme, schloss ab und ließ sie allein.
Mit angezogenen Beinen hockte Nina nun auf einem Sofa, das sich in einem vielleicht fünfzehn Quadratmeter großen Zimmer unter dem Dach befand. Der dunkelgrüne Veloursstoff war abgenutzt und roch ein wenig muffig, doch immerhin wirkte es sauber und schien einfach nur längere Zeit nicht benutzt worden zu sein. Im Raum befanden sich außerdem ein Schreibtisch, ein Schrank sowie ein Regal im puristischen Weiß der 70er, vollgestopft mit alten Büchern und Spielen, ausrangierten Anziehsachen und anderem alten Krimskrams. Die Wände waren mit einer Tapete beklebt, deren psychedelisches Muster bei längerer Betrachtung in den Augen wehtat.
In einer Dachgaube gab es ein Fenster, das den Blick auf einen Garten zwei Stockwerke unter ihr und einen dahinter liegenden Wald freigab. Er hatte ihr gesagt, sie dürfe das Fenster öffnen, falls sie frische Luft bräuchte. Unausgesprochen blieb, dass sie sich still verhalten solle, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Sein Blick hatte Bände gesprochen.
Die kühle Luft von draußen ließ sie frösteln, doch es wehte nicht nur ein Hauch Frühsommer hinein, sondern auch das Gebrumm von Autos in der Ferne drang an ihr Ohr. Hin und wieder zwitscherte ein Vogel. Sie war froh, dass sie ein wenig vom blauen Himmel sah.
Sie hatte völlig ihr Zeitgefühl verloren. Es musste inzwischen später Nachmittag oder früher Abend sein. Sie fühlte sich besser und wunderte sich, dass sie nicht das Bedürfnis hatte zu weinen. Ihre Angst hielt sich momentan in Grenzen. Er war ihr gegenüber bislang nicht brutal gewesen – physisch zumindest –, daher hatte sie die Hoffnung, dass er sie nicht misshandeln würde, solange sie tat, was er verlangte. Irgendwie hoffte sie sogar, dass er bald wieder kam, damit sie nicht länger allein war.
Sie nagte an ihren Fingernägeln herum – eine Eigenschaft, die sie sich vor Jahren mit großer Mühe abgewöhnt hatte. Sie ging im Zimmer auf und ab. Ein paar Schritte in die eine, ein paar zurück in die andere Richtung war alles, was an Bewegung möglich war. Sie hatte nicht nur brennenden Durst und musste aufs Klo, sondern stellte auch mit großer Verblüffung fest, dass sie Hunger hatte.
Am Fenster blieb sie stehen und versuchte, etwas zu erkennen, das ihr einen Anhaltspunkt gab, wo sie sich überhaupt befand. Das weiß getünchte Haus war offenbar älteren Datums, denn sie konnte an der Fassade ein paar Fachwerkbalken entdecken. Links und rechts vermutete sie weitere Häuser. Kein einziger Hinweis darauf, ob sie in Erlangen oder anderswo war. Die Fahrt im Kofferraum war ihr wie eine Ewigkeit vorgekommen.
Plötzlich meldete sich ihr Magen mit lautem Knurren. In sich hineinlauschend, legte sie eine Hand unterhalb ihres Bauchnabels. Natürlich fühlte sie nichts außer ihrem knurrenden Magen, dazu war es noch viel zu früh.
Draußen auf dem Flur hörte sie Geräusche. Eine Tür schlug. Schritte. Lauter werdend, dann wieder leiser. Das Ganze wiederholte sich. Schließlich drehte sich der Schlüssel im Schloss. Er stieß die Tür sperrangelweit auf.
»Hi«, sagte er mit breitem Lächeln, das Nina unweigerlich an Jens erinnerte, wenn der zur Tür hereinkam. »Ich hab dir was mitgebracht.«
Kurzerhand schaffte er hinein, was er vor der Tür deponiert hatte: Bettzeug, Kleidungsstücke, Hygieneartikel sowie Getränke und etwas zu essen.
»Ach so. Falls du ins Bad willst …« Er deutete auf die Tür schräg gegenüber.
Nina nickte, doch bevor sie ging, schnappte sie sich erst eine Flasche Wasser und trank gierig.
»Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat.«
Auch das Fenster im Bad lag so ungünstig in einer Ecke, dass sie kaum hinausschauen konnte. Viel genützt hätte ihr eine bessere Sicht allerdings nicht: Selbst wenn sie wusste, wo sie war, benachrichtigen konnte sie ja niemanden. Als sie das Bad verließ, blieb sie einen Moment in der Tür stehen. Die Treppe, über die sie herauf gekommen waren, lag wahrscheinlich hinter einer der Türen. Nichtssagend war alles, was ihr zum Aussehen dieser Etage einfiel.
»Alles in Ordnung?«, erkundigte er sich, als er sie bemerkte.
»Hm.« Sie kam herein und schloss die Tür hinter sich.
»Ich hoffe, ich habe an alles gedacht. Wenn etwas fehlt, dann sag es einfach«, meinte er. »Der Zimmerservice hier lässt zu wünschen übrig, aber er bemüht sich redlich.« Er zwinkerte ihr zu.
Fast hätte Nina gelacht. »Danke.« Sie setzte sich auf das Sofa.
»Das kann man übrigens ausklappen«, informierte er sie, zog seine Brille ab und warf sie auf den Schreibtisch. Einen Arm auf der Lehne hinter ihrem Rücken, machte er es sich gemütlich. »Ist ziemlich bequem.«
Stocksteif blieb Nina sitzen. Sie würde sich nicht wehren, wenn er mit ihr schlafen wollte – allein, um dem Baby nicht zu schaden. Aber wie sollte sie Jens jemals wieder gegenübertreten?
Minuten vergingen, in denen sie beide einfach da saßen. Nina schielte zu ihm. Mit geschlossenen Augen atmete er ruhig, daher entspannte sie sich ein wenig. Plötzlich knurrte ihr Magen vernehmlich. Er öffnete ein Auge.
»Ich schätze, das bedeutet, dass du Hunger hast.« Er unterdrückte ein Gähnen. »Wie wäre es mit einer Brotzeit? Sieh mal in die Kühltasche. Ich wusste nicht, was du magst.«
Sie fand Butterbrezn, geschnittenes Holzofenbrot, Wurst und Käse, ein wenig Obst und Joghurt. Sogar an Brettchen und Plastikbesteck hatte er gedacht. Sie breitete alles auf dem Schreibtisch aus, nahm sich eine Butterbreze und je ein Stück Gelbwurst und Käse, in den sie gleich herzhaft hineinbiss.
»Was möchtest du?«, fragte sie ihn.
Er grinste anzüglich. »Oh, wenn du mich so direkt fragst …«
Prompt hielt sie beim Kauen inne und spürte, dass sie rot anlief. Er kam zum Schreibtisch. Sie rührte sich nicht, als er ihr leicht über die Schläfe strich.
»Hör zu, denn ich habe keine Lust, es ständig zu wiederholen.« Er betonte jedes Wort, als er weitersprach: »Du brauchst keine Angst vor mir zu haben – solange du dich an ein paar Regeln hältst. Die wichtigste ist: Du versuchst nicht wegzulaufen oder mit jemandem Kontakt aufzunehmen.«
Sie nickte, während sie langsam weiterkaute.
»Außerdem …« Seufzend hielt er inne. »Das glaubst du mir wahrscheinlich nicht, aber ich werde dich nicht anrühren – es sei denn, du hast andere Pläne.« Jetzt grinste er wieder.
Er hatte recht, das glaubte sie ihm nicht. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen meinte er es zumindest im Moment wirklich ernst. Er tätschelte ihr den Oberarm und begann, sich nun seinerseits etwas zu essen zu nehmen.
»Wie hast du mich erkannt?«, fragte er kauend. »Ich dachte eigentlich, die langen Haare und der Bart hätten aus mir eine andere Person gemacht.«
Sie musterte ihn. »Deine Augen. Nicht so sehr die Farbe. Eher die Stellung. Oder vielleicht beides. Ich weiß nicht.«
»Meine Mutter hatte die gleichen Augen«, meinte er und setzte mit leichtem Bedauern dazu. »Sie sind wohl auffälliger als ich dachte.«
Nina zuckte vage mit den Schultern.
»Ich habe farbige Kontaktlinsen probiert, aber die vertrage ich nicht. Deswegen die Brille – eigentlich brauche ich keine.«
Er verstummte und zum ersten Mal bemerkte Nina einen Anflug von Nervosität bei ihm. Seine Finger trommelten auf seinem Oberschenkel herum. Da sie nicht einschätzen konnte, ob das ein gutes oder ein schlechtes Zeichen war, machte es sie ebenfalls unruhig. Die Minuten verstrichen. Nach einer Weile stand Nina auf, um das Fenster zu schließen. Sie nahm sich eine Wolldecke aus dem Stapel Bettzeug und wickelte sich darin ein.
Schließlich stieß er die Luft einmal kurz und heftig durch die Nase aus. Mit beiden Händen klopfte er sich auf die Oberschenkel. »Es wird noch eine Weile dauern, bis ich getan habe, was ich tun muss. Vielleicht eine Woche, vielleicht länger. So lange bleibst du hier. Danach kannst machen, was du willst. Ich nehme an, dein Mann wird sich Sorgen machen, aber das kann ich nicht ändern.« Er zuckte mit den Schultern. »Es kommt vor, dass Leute spurlos verschwinden.«
»Isabelle hat dich gesehen!« Das war Nina herausgerutscht. Sie biss sich auf die Lippe. Vielleicht war es nicht klug, ihn daran zu erinnern.
Er hob die Brauen. »Leute neigen dazu, das zu vermuten, was man ihnen suggeriert. Sie hat gleich angenommen, dass ich dein Mann bin. Und bis jemand auf die Idee kommt, dass ich nicht er war, vergehen ein paar Tage. Da du so brav mitgemacht hast, denken alle, du bist mit deinem heimlichen Lover durchgebrannt.« Der Gedanke amüsierte ihn offensichtlich. »Und irgendwann bist du zurück und klärst alle auf und dann ist es mir sowieso egal, weil ich bis dahin über alle Berge bin.« Er drehte die Handflächen gen Himmel. »Einfach, aber effektiv. Damit du unterdessen nicht auf dumme Gedanken kommst«, sagte er und stand auf, um etwas aus einer mitgebrachten Tasche zu holen, »möchte ich, dass du das hier nimmst.« Er hielt ihr eine Tablettenschachtel hin. »Du musst dir keine Sorgen machen, für die Zeit, die du hier bist, geht das in Ordnung. Das macht es uns beiden leichter.«
Zögernd griff sie nach der Packung. »Ein Schlaf- und Beruhigungsmittel? Warum?«
»Warum? Hey, Mädchen, glaubst du, ich hab nichts Besseres zu tun, als die ganze Zeit auf dich aufzupassen, damit du keinen Quatsch anstellst?«
»Ich hab dich nicht darum gebeten mich mitzunehmen.«
In komischer Verzweiflung rieb er sich über den Kopf. »Dass du mich wiedererkennst, war nicht eingeplant! Jetzt muss ich dich aus dem Weg haben, also keine Diskussion! Du nimmst das Zeug und Schluss.« Aufgebracht stapfte er ein paar Schritte durch den Raum. Dann blieb er vor Nina stehen. »Also los! Schluck schon!«
Nina drehte die Schachtel in den Händen. »Es ist verschreibungspflichtig.«
Er riss die Augen auf. »Na und?«
Kopfschüttelnd reichte sie ihm die Tabletten zurück. »Ich verspreche dir, dass ich keinen Ärger mache, aber das hier nehme ich nicht.«
»Das war keine Bitte, Nina! Du nimmst das Zeug, und zwar genau jetzt!«
»Nein.« Sie postierte sich direkt vor ihm. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, sie hatte große Angst, aber hierbei ging es nicht um irgendwelche Befindlichkeiten. »Das tue ich nicht.«
Er packte sie hart an den Schultern. »Du weißt wohl nicht, was auf dem Spiel steht! Erst bringst du mir alles durcheinander und dann …«
»Lass mich los!« Sie schlug seine Hände weg und warf ihm die Schachtel ins Gesicht.
Reflexartig wehrte er ab. Mit erhobener Hand hielt er inne. Sie fuhr zurück. »Du kannst froh sein, dass ich keine Frauen schlage!«, zischte er. »Sonst würde ich dir das Zeug jetzt einprügeln!«
»Nein, bitte …«
»Nein, bitte …«, äffte er sie nach. Dann trat er mit voller Wucht vor das Sofa. »Kuss uchtah!«
Vor seiner Wut wich Nina einen Schritt zurück. »Ich kann das nicht nehmen!«
Er wirbelte zu ihr herum. »Mund auf, Wasser rein, schlucken! Geht ganz einfach.«
»Nein, du verstehst das nicht. Ich … ich bin schwanger … und ich will nicht einfach irgendwelche Medikamente nehmen, von denen ich nicht weiß, ob … ob …« Ihre Stimme kippte.
Mit offenem Mund starrte er sie einige Sekunden an. Plötzlich lachte er humorlos. »Netter Versuch. Wirklich. Respekt vor deiner Fantasie.« Er holte ihr Wasserglas, füllte es nach und reichte es ihr mitsamt der Tablettenpackung. »Hier.«
Kopfschüttelnd schloss sie ihre Augen.
»Es ist nur ein … ein Schlafmittel! Kein Gift! Glaubst du immer noch, ich will dich umbringen, oder was?« Er stieß einen verächtlichen Laut aus. »Da gäbe es andere Mittel und Wege! Jetzt schluck das Zeug endlich!«
»Zwing mich nicht. Bitte«, sagte sie leise, ihre Lider immer noch fest zusammengepresst. Sie spürte, dass Tränen darunter hervorquollen. »Ich werde dir keinen Ärger machen. Ich bin leise und … ich verspreche dir, dass ich nicht versuchen werde wegzulaufen. Und wenn du … wenn du willst, dann … dann schlafe ich auch mit dir.«
Sie zuckte leicht zusammen, als er ihr Gesicht berührte. »Sieh mich an.«
Zögernd öffnete sie die Augen. Er wirkte immer noch aufgebracht, während er sie abschätzig musterte. Bevor sie es sich anders überlegen konnte, machte sie einen Schritt auf ihn zu und schmiegte sich an ihn. Erst nach einigen Sekunden schloss er die Arme um sie. Ihr Gesicht lag an seiner rauen Wange und bald fühlte sie eine Hand auf ihrem Rücken. Sanft liebkoste er mit der anderen ihren Nacken. Sie versuchte, nicht an Jens zu denken. Am besten dachte sie an gar nichts, sondern ließ es einfach geschehen. Es würde sein wie in jener Nacht. Sie fühlte, wie sie allmählich ruhiger wurde. Wie lange sie so standen, wusste sie nicht.
Nach einer Weile streiften seine Lippen zart ihre Wange. Schließlich blickte sie ihn an. »Du willst das wirklich?«
Sie nickte einfach, weil sie das Gefühl hatte, der Kloß in ihrem Hals versagte ihr die Stimme.
Er lachte. Zuerst leise, dann lauter. »Du bist eine sehr schlechte Lügnerin, Nina. Deswegen glaube ich dir sogar fast, dass du schwanger bist. Aber eben nur fast. Nun gut, nimm sie erst einmal nicht.« Er streichelte ihre Wange. »Und alles andere werden wir sehen.«
Nina fühlte sich erleichtert. Sie musste einfach tun, was er von ihr wollte. Das konnte sie. Es war nicht weiter schwer. Ihr würde nichts geschehen. Ihr nicht und ihrem Kind nicht.
Seinem Kind – aber das würde sie ihm nicht sagen.
Auch wenn er vielleicht kein schlechter Mensch war.