Je näher wir der Stadt kommen, desto wohler fühle ich mich. Es ist kalt, bewölkt und ungemütlich, trotzdem freue ich mich darauf, das Meeresrauschen und die malerischen Sonnenuntergänge von Mallorca gegen den Verkehrslärm und den Dreck meiner Stadt eintauschen zu können. Ich öffne das Fenster und atme ein, als stünde ich auf einer Bergwiese.
«Muss das?», fragt Schamski. «Is kalt hier.»
Ich antworte nicht, sondern ziehe die Herbstluft in die Nase, bis der Taxifahrer wortlos einen Knopf drückt und das Fenster zusurren lässt. Ich will es gleich wieder öffnen, aber der Fahrer hat bereits die Kindersicherung aktiviert. Gut, dann also kein Trinkgeld.
Zuerst werde ich meinen Hund abholen, dann werde ich Lammkoteletts kaufen und sie mit einer Flasche Rotwein und einem möglichst anspruchslosen Film herunterspülen. Fred kriegt ein paar Markknochen, obwohl er die nach der Geschichte mit den Rottweilern eigentlich nicht verdient hat, aber zur Feier unseres Wiedersehens will ich mal ein Auge zudrücken.
Falls Fred sich freut, mich wiederzusehen, lässt er es sich nicht anmerken. Während ich Lisa begrüße, bleibt mein Hund ungerührt vor der Heizung liegen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass er mir schwanzwedelnd und kläffend |110|entgegenläuft, weil das nun wirklich nicht seine Art ist, aber eine winzige Reaktion fände ich schon angebracht, nachdem ich tagelang weg war.
Während Lisa einen Kugelschreiber sucht, um für mich Gordons Telefonnummer zu notieren und sich nebenbei dafür entschuldigt, dass sie in Eile ist und deshalb auch keine Zeit für einen Plausch hat, erhebt sich Fred gemächlich, streckt sich, schlufft zu mir herüber und stellt sich neben mich.
«Du bist ganz schön abgebrüht», sage ich. Fred ignoriert den Vorwurf.
Ich sehe, dass eines seiner Ohren umgeklappt ist, und erinnere mich daran, dass er eine Wunde beim Kampf mit den Rottweilern davongetragen hat. Als ich mich bücke, um mir die Verletzung genauer anzusehen, stelle ich fest, dass Freds halbes Ohr keineswegs umgeklappt ist, vielmehr fehlt es schlicht. Erstaunt schaue ich mir Freds Restohr an.
Lisa erscheint und sieht, dass ich meinen Hund begutachte. «Ich wollte dich nicht beunruhigen …», beginnt sie.
«Wo ist sein halbes Ohr?», unterbreche ich perplex.
«Ich hab dir doch erzählt, dass die Rottweiler ihm ein Stück abgebissen haben.»
«Ja, du hast gesagt: ein Stück», erwidere ich. «Aber ihm fehlt das halbe Ohr. Mein Hund hat nur noch anderthalb Ohren.»
«Ganz so schlimm ist es nun wieder auch nicht», beschwichtigt Lisa.
«Natürlich ist es so schlimm», motze ich. «Sein halbes Ohr ist weg. Er sieht total scheiße aus!»
«Er war auch vorher keine Schönheit», erwidert Lisa.
Fred blickt zu ihr rüber und wirkt konsterniert.
«Wahrscheinlich hört er jetzt auch nur noch die Hälfte.»
|111|Lisa schüttelt den Kopf. «Der Arzt hat gesagt, rein physiologisch gesehen ist das kein Problem. Fred hört genauso gut wie vorher. Und es ist alles prima verheilt. Außerdem kann man das ja kaschieren …»
«Wie denn kaschieren?», grätsche ich rein. «Soll ich ihm einen Hut kaufen? Oder eine Perücke?»
Lisa seufzt. «Es gibt so ’ne Art Mützen, hat der Arzt gesagt. Aber ist ja auch egal. Das Ohr war beim besten Willen nicht zu finden. Wir konnten es also nicht mehr annähen lassen.»
Sie drückt mir den Zettel mit Gordons Telefonnummer in die Hand. «Vielleicht rufst du ihn direkt an. Soviel ich weiß, wollte er morgen für ein paar Tage nach London.»
Ich blicke auf den Zettel, und meine Laune verschlechtert sich rapide. «Mein Hund hat nur noch anderthalb Ohren, und dieser Gordon will ein Vermögen für seine Rottweiler. Das ist ja wohl nicht sein Ernst.»
Lisa sieht mich an, sie wirkt genervt. «Mach, wie du meinst, Paul. Das ist jetzt deine Sache. Aber, wie gesagt, juristisch hat er ganz klar die besseren Karten. Und jetzt muss ich los.»
Im Auto hockt Fred wie gewöhnlich neben mir und blickt interessiert auf die Straße. Ich weiß, dass es verboten ist, einen ungesicherten Hund auf dem Beifahrersitz zu transportieren, aber Fred weigert sich, einen Gurt anzulegen, und hat sich auch durch mehrere absichtliche Vollbremsungen nicht davon abbringen lassen, vorne Platz zu nehmen, also lasse ich ihm seinen Willen. Seine aufmerksame Beobachtung des Straßenverkehrs wird heute dadurch gestört, dass ich ab und zu auf sein halbes Ohr schiele, um mich an den Anblick zu gewöhnen. Fred registriert |112|das und wirkt irritiert. Er wirft mir seinerseits kurze Blicke zu, die zu fragen scheinen: Was ist los? Sitzt meine Krawatte schief? Hab ich Lippenstift am Kragen? Steht mein Hosenstall offen?
Ich ziehe mein Handy hervor, um Gordon anzurufen. Wenn ich mit einem ungesicherten Hund erwischt werde, kostet mich das sowieso fünfzig Mäuse, vielleicht kriege ich ja aufs Telefonieren Rabatt.
«Hi. Hier is Snake. Gordon kann grad nicht.»
Snake klingt ziemlich zugedröhnt. Ich erkläre ihm, wer ich bin, was ich will und bitte um Rückruf.
«Hey, warte, Mann», erwidert Snake. «Du bist doch der Typ mit dem Köter, der unsere Rottis plattgemacht hat, oder?»
Das habe ich ihm zwar gerade erklärt, aber Snake ist sich im Moment offenbar nicht sicher, ob er wirklich unsere Sprache spricht.
«Ja, das sagte ich gerade», erwidere ich.
«Okay, wart mal kurz. Ich hol Gordy.»
Man hört ein Klacken in der Leitung. «Gordy, hier ist der Typ mit dem Köter, der unsere Rottis plattgemacht hat», höre ich Snake sagen. Wenig später öffnet und schließt sich eine Tür, dazwischen hört man erbärmliches Gitarrengeschrammel und Getrommele.
«Ja, hallo?» Gordon ist mir von der ersten Sekunde an unsympathisch. Wieder erkläre ich den Grund meines Anrufs und bitte um einen Gesprächstermin.
«Du, ich weiß zwar nicht, was es da noch zu besprechen gibt, aber wenn du willst, dann komm hier im Studio vorbei. So in zwanzig Minuten hab ich ’ne Viertelstunde Zeit für dich. Mehr is nich drin. Sorry.»
Obwohl es mir gründlich gegen den Strich geht, so von |113|oben herab behandelt zu werden, stimme ich zu. Da ich laut Lisa auf Gordons Entgegenkommen angewiesen bin, bleibt mir wohl nichts anderes übrig, als die Zähne zusammenzubeißen.
Meine Engelsgeduld wird zwei Minuten später auf eine schwere Probe gestellt, weil Gordon erneut anruft: «Wenn du sowieso kommst, kannst du dann Pizza mitbringen? Fünf große, gemischt. Unser Prakti is krank, und hier kann grad keiner weg.»
Klar, Gordon. Ich kann später auch gerne noch eure Autos waschen, Groupies organisieren und Drogen besorgen. Zwischendurch hab ich sicher noch Zeit, die Rottis zur Krankengymnastik zu fahren.
«Kein Problem», erwidere ich knapp und beherrscht.
Das Studio ist eine geräumige Siffbude. Die Sitzecke sieht aus, als hätte man sie aus dem Sperrmüll gezogen, und überall stehen leere Flaschen und übervolle Aschenbecher herum. Gordons Rockband arbeitet offenbar hart an der Legendenbildung.
«Oh. Für mich keine Cipolla», sagt Snake, während er mit glasigen Augen in einen der Pizzakartons starrt. «Mein Magen is nicht ganz in Ordnung.»
Ich bin sicher, auch Snakes übrige Organe sind nicht ganz in Ordnung, denn seine Gesichtsfarbe erinnert an Hackbraten, und seine Haut sieht aus, als müsste sie mal wieder gebügelt werden.
Während die Bandmitglieder über ihre Pizzen herfallen, gewährt Gordon mir die angekündigte Audienz. «Magst ’n Bier?»
«Gibt’s auch ’n Kaffee?»
Gordon nickt, drückt mir einen Plastikbecher in die Hand und gießt ein. Dem Geschmack nach zu urteilen |114|wurde der Kaffee noch zu Lebzeiten von Jimi Hendrix aufgebrüht.
«Okay, Paul, was hast du auf dem Herzen?»
Da ich nur eine Viertelstunde Zeit habe, erkläre ich Gordon in knappen Worten, dass ich den Vorfall mit Fred und den Rottweilern sehr bedauere und selbstverständlich gewillt bin, für den Schaden aufzukommen. Dann schildere ich blumig Freds Verletzungen und frage mich rein rhetorisch, ob nicht auch Gordons Rottweiler eine Mitschuld an dem Vorfall haben. Das wiederum bringt mich zum springenden Punkt: «Ich halte es für angemessen, dass wir uns die Kosten teilen. Und es würde mir außerdem helfen, wenn ich das Geld nicht auf einen Schlag zahlen müsste, weil die Summe ja nicht unbeträchtlich ist.»
Gordon nickt, greift nach einem Päckchen Tabak und beginnt, sich gemächlich eine Zigarette zu drehen. «Paul, Paul, Paul», sagt er nach einer Weile. Es klingt, als hätte er mich zum wiederholten Male beim Äpfelklauen erwischt. «Tommi hat mir erzählt, dass du ein hohes Tier bei einer großen Zeitung bist. Du hast keine Familie und verdienst einen Haufen Kohle. Und jetzt machst du hier einen auf arme Kirchenmaus. Das find ich echt nich fair, weißt du?»
Ich finde es nicht fair, dass der Mann meiner Exfrau wildfremde Leute über meine Vermögensverhältnisse informiert. Nachdem sich meine Meinung von Tommi in den letzten Monaten etwas verbessert hatte, ist er gerade auf meiner Sympathieskala wieder ein paar Millionen Plätze nach unten gerutscht.
«Tommi hat da wohl etwas falsche Vorstellungen von meinen finanziellen Möglichkeiten», erkläre ich. «Er kann wahrscheinlich meine Kosten nicht richtig einschätzen und …»
|115|«Paul», unterbricht Gordon. «Erzähl mir bitte keine Geschichten. Ich muss mir jeden Tag irgendwelche Geschichten anhören. Weißt du, im Musikbusiness wird von morgens bis abends gelogen und …»
«Soll das heißen, ich bin ein Lügner?», entgegne ich und spiele den Empörten, obwohl es mir völlig gleichgültig ist, was Gordon von mir hält.
Er grinst. «Das soll heißen, wenn du nicht zahlen könntest, hättest du wahrscheinlich nicht die Schuldanerkenntnis unterschrieben. Sonst müsstest du ja jetzt damit rechnen, im Knast zu landen.»
Ich muss zugeben, das ist eine ziemlich hellsichtige Schlussfolgerung. Gordon sieht mir an, dass ich beeindruckt bin.
«Also …?», fragt er und zündet sich seine schlechtgedrehte Zigarette an.
Ich überlege. In taktischer Hinsicht hat er klar die besseren Argumente, aber die Moral ist auf meiner Seite. Leider wird mich das nicht davor bewahren, einen Haufen Geld zu verlieren.
«Ich dachte, wir könnten einen Kompromiss finden», sage ich. Es klingt wie eine Kapitulation, und Gordons zufriedenes Gesicht zeigt mir, dass er meine Bemerkung auch genau so versteht.
Wir sehen uns an, dann schüttelt er den Kopf.
«Sonst noch was?», fragt er, und damit ist die Audienz beendet.
Beim Gehen will Snake mir einen Zwanziger für die Pizza zustecken. Ich winke ab. Der Besuch hat mich sowieso ein Vermögen gekostet, da kommt es auf die Pizza auch nicht mehr an. Snake schenkt mir ersatzweise das letzte Album der Band.
|116|Es ist fürchterliches Geschrammel, Fred sieht das genauso, denn er jault sich die Seele aus dem Leib. Nach drei Songs ziehe ich die CD aus dem Schacht und pfeffere sie mitsamt Hülle auf die Straße. Wenig später kostet mich das fünfzig Euro, weitere fünfzig werden fällig, weil Fred ungesichert auf dem Beifahrersitz hockt. Die Polizisten finden, dass ich Glück gehabt habe, denn die CD-Hülle hat den Einsatzwagen nur knapp verfehlt.
In der Videothek kann ich mich nicht zwischen «Ein Mann sieht rot» und «Hängt ihn höher» entscheiden. Ein spindeldürrer Angestellter mit unreiner Haut kennt sich aus und empfiehlt mir «Das Gesetz der Rache» und «Ruf nach Vergeltung». Ich nehme zur Sicherheit alle vier Filme mit.
Als die Lammkoteletts in der Pfanne brutzeln und der Rotwein atmet, ist meine Laune zwar immer noch angeschlagen, aber auf dem Wege der Besserung. Fred liegt in seinem Korb und kaut zufrieden auf einem Markknochen herum.
Es klingelt. Schamski steht vor der Tür.
«Kann ich ’ne Weile bei dir wohnen?»
«Klar», sage ich. «Komm rein. Lust auf Lammkoteletts?»
«Perfekt», erwidert Schamski und steuert zielsicher jenes Zimmer an, in dem er bis vor ein paar Monaten gewohnt hat.
Beim Essen erfahre ich, dass Schamski die ohnehin nicht sehr glückliche Beziehung mit Katja beendet hat. Katja ist Schamskis Sekretärin und der Grund, weshalb ihn seine Frau verlassen hat.
«So plötzlich?»
Schamski nickt, gießt sich Rotwein nach. «Dass aus mir und Katja nichts mehr werden würde, war mir eigentlich |117|schon klar, als ich diese Affäre mit meiner Kardiologin hatte. Vielleicht hätte ich es ja nochmal mit Katja versucht, aber nach der Geschichte mit Melissa …»
Schamski wiegt den Kopf hin und her, überlegt.
«Ich bin ganz Ohr», sage ich und schiebe mir einen saftigen Bissen Lamm in den Mund.
«Na ja, könnte was werden», nuschelt Schamski und nimmt sich ein weiteres Lammkotelett.
«Könnte was werden», wiederhole ich mit vollem Mund. «Soso.»
«Ja», sagt Schamski gedehnt. «Wir haben uns verliebt.»
«Wie schön!», erwidere ich mit spontan besserer Laune und gieße mir Wein nach. «Und?»
«Und was?»
«Und wie geht es jetzt weiter?»
«Wie soll es schon weitergehen? Sie lebt in London, ich hier. Wir werden also eine Wochenendbeziehung führen, zumindest fürs Erste.»
Schamski sieht mein leicht erstauntes Gesicht. «Was?»
«Wundert mich. Ich hab Melissa für eine Frau gehalten, die möglichst schnell heiraten möchte», erkläre ich. «Ich dachte, sie will eine Familie. Und Kinder. Oder zumindest eins.»
«Will sie auch», erwidert Schamski. «Aber ist ja kein Problem.»
Ich stutze. «Wie? Soll das heißen, ihr legt es drauf an?»
Schamski nimmt einen ordentlichen Schluck Wein. «Ja, Paul, wir sind so frei. Wir dachten, es spricht nichts dagegen, zumal wir ja beide auch schon volljährig sind.»
«Ist ja okay, ich finde es nur … gewagt. Ich meine, ihr kennt euch ja kaum.»
Schamski lehnt sich in seinem Stuhl zurück, verschränkt |118|die Arme. «Und wie lange muss man sich nach Meinung des Beziehungsexperten Dr. Paul Schuberth kennen, um ein Kind zu zeugen?»
Ich zucke mit den Schultern. «Keine Ahnung. Ein Jahr? Vielleicht zwei?»
Schamski lacht kurz auf. «Paul, es gibt Leute, die springen in Las Vegas besoffen über einen Besen und bleiben ihr ganzes Leben zusammen. Andere trennen sich, nachdem sie fünfzig Jahre lang verheiratet waren. Ich würde daraus schließen, es gibt kein Rezept für eine Beziehung.»
«Ich geb ja zu, da ist was dran. Andererseits sind Beziehungen aber auch nicht nur reines Glücksspiel.»
Schamski greift zur Weinflasche, grinst dreckig. «Das musst du mir erklären …», beginnt er.
«Kann ich gerne tun», unterbreche ich.
«… und zwar anhand der Geschichte von dir und Iris», vollendet Schamski mit einem Hauch von Häme.
Ein kurzes Schweigen. Wir sehen uns an, ich denke nach, dann winke ich ab. «Okay, du hast gewonnen. Die Liebe ist ein Glücksspiel.»
Wir schweigen wieder einen Moment, greifen fast synchron zu unseren Weingläsern, prosten uns zu und trinken.
«Keine Chance?», fragt Schamski fast beiläufig.
«Bei Iris?» Ich zucke mit den Schultern. «Ich würde sagen, das ist vorbei.»
«Schade», erwidert Schamski.
«Ja, finde ich auch. Aber da Timothy von ihrem Seitensprung weiß, wird sie alles daransetzen, ihm zu zeigen, dass die Sache mit mir endgültig erledigt ist. Ich vermute also, ich werde sie nie wiedersehen.»
Schamski nickt, denkt einem Moment nach. «Hältst du |119|es eigentlich für eine gute Idee, mit einem eifersüchtigen Ehemann zusammenzuarbeiten?»
Wieder zucke ich mit den Schultern. «Hab ich eine Wahl?»
In der Ecke ist nun ein Rascheln zu hören. Fred zieht gerade seelenruhig einen Lammknochen aus dem Müll und beginnt, ihn ohne Hast zu seinem Korb zu tragen.
«Hey! Das ist ja wohl nicht dein Ernst!», sage ich, als er an unserem Tisch vorbeischlendert.
Fred hält inne, blickt hoch und scheint zu fragen: Sollten ein Hund, dem man das halbe Ohr und ein Mann, dem man die große Liebe genommen hat, sich wirklich wegen eines lächerlichen Lammknochens streiten?
«Schon gut, behalt ihn», winke ich ab, und Fred trottet weiter.
Wenig später verrät ein Knacken und Knirschen, dass er es sich schmecken lässt. Die Erlaubnis, den Lammknochen mitzunehmen, versteht Fred als eine Art Generalvollmacht, denn noch mehrmals schlendert er an diesem Abend zum Mülleimer, um sich einen weiteren Knochen zu genehmigen. Als er irgendwann versucht, den gesamten Müllbeutel in seinen Korb zu zerren, frage ich ihn, ob er noch alle Tassen im Schrank hat. Fred zieht sich daraufhin in seine Ecke zurück und schmollt für den Rest des Abends.
«Hast du eigentlich die Sache mit den Rottweilern regeln können?», fragt Schamski mit Blick auf Fred.
Inzwischen hatte ich die Geschichte erfolgreich verdrängt. Jetzt ist sie wieder da, meine schlechte Laune.
«Es bleibt bei den fünfzigtausend», entgegne ich knapp.
Schamski zündet sich eine Zigarette an, raucht genüsslich. |120|«Ich hab mir da was überlegt», sagt er nach einer Weile.
Interessiert sehe ich ihn an. Wenn Schamski sich was überlegt, dann kann das selbst in einer schier aussichtslosen Situation die Wende bedeuten.
«Kostet dich aber zwei-, vielleicht dreitausend», setzt Schamski nach.
«Na und? Jetzt kostet es mich fünfzig.»
«Wenn mein Plan schiefgeht, dann ist das Geld aber zusätzlich futsch.»
Ich überlege. «Was hast du denn vor?», frage ich.
«Lass mich einfach machen», erwidert Schamski. «Als dein Stellvertreter kümmere ich mich um die Drecksarbeit. Die Details müssen dich ja nicht interessieren.»
Ich versuche zu ergründen, was er gerade denkt. «Du planst aber nicht irgendwelche krummen Dinger, oder? Ich meine, du engagierst jetzt keine Typen, die Gordon bedrohen, oder so ’n Quatsch.»
Schamski lächelt. «Bedrohen will ich ihn schon, aber anders.»
Ich warte auf eine Erklärung, Schamski schweigt.
«Na los, sag’s mir», dränge ich. In diesem Moment klingelt mein Handy. Unbekannter Teilnehmer. Ich nehme das Gespräch an.
«Halt dich bereit», sagt eine Stimme, dann wird das Telefonat beendet.
Schamski sieht mich erstaunt an, als ich das Handy sinken lasse. «Was war denn das?»
«Ich glaube, das war Günther.»
«Aha. Und was sagt er?»
«Halt dich bereit.»
«Mehr nicht?»
Schamski greift zum Weinglas. «Sehr interessant. Und wofür sollst du dich bereithalten?»
Ich greife ebenfalls zu meinem Glas und seufze. «Guido, ich hab nicht die leiseste Ahnung.»
Schamski nimmt einen beherzten Schluck. «Ja, klingt ganz nach Günther.»