Kapitel 48
Im Supermarkt stand nur noch ein Einkaufswagen im Abstellkäfig. Die abendliche Einkaufsschlacht war in vollem Gange. Kalle kramte in seiner Hosentasche nach dem Plastikchip und erlöste den Wagen von seinen Ketten. Marga saß immer noch auf dem platten Land fest. Zustände waren das. Wozu nach Indien reisen, wenn es Ostfriesland gab? Sie hatte Kalle angerufen und auf die Deutsche Bahn geflucht. »Spätestens morgen früh bin ich wieder zurück in Hamburg. Wenn es sein muss, zu Fuß.«
Zuzutrauen wäre es ihr. Immerhin hatte sie sich gemeldet. Das ging schon in Ordnung. Auch Guntbert war nicht zum Dienst erschienen. Der Flurfunk meldete, er sei beim Kardiologen. Sich bei Kalle abzumelden, war unter Guntberts Würde. Hatte auch sein Gutes. Das Märchen von Margarethe und den sieben defekten D-Zügen hatte Kalle sich also sparen können. Ansonsten traten sie auf der Stelle. Xenia Borg war bisher nur ein Phantomschmerz in Kalles Ermittlerbrust. Die spanischen Kollegen in der Comunidad Valenciana sprachen ein grottenschlechtes Englisch und ein gewöhnungsbedürftiges Spanisch. Valencianisch konnte der Dolmetscher nicht. Kalle kam mit seinem Grundwortschatz Portugiesisch erst recht mit denen auf keinen gemeinsamen Nenner. Europa einig Vaterland. Daraus würde nie was werden. Kalles Magen knurrte. Hungrig einkaufen zu gehen, war eigentlich strengstens verboten. Salz mit Jodid, stand auf Emmas Zettel. Mit Jodid. Immer Extrawünsche. Er stellte zwei Packungen in den Einkaufswagen. Was bereitet Ihnen auf dem Weg zur Arbeit Bauchschmerzen? Das war eine von Gesas Fragen beim Workshop gewesen. War es bloß Hunger? Der Hunger danach, ein Held sein zu wollen? Vor allem diesem Guntbert wollte Kalle es zeigen. Das gestaltete sich jedoch unerfreulich. Nichts gegen den Rechtsstaat, es gab keinen besseren. Doch das wussten gerade Kriminelle besonders zu schätzen. Kalle konnte es nicht ändern. Er hatte versucht, einen richterlichen Durchsuchungsbefehl für die Wohnung von Xenia Borg bei der zuständigen Staatsanwältin zu bekommen. Die zierte sich noch. Xenia Borg schien so etwas wie einen Promibonus zu haben. Sie schrieb Drehbücher fürs Fernsehen, für Daily Soaps und den Tatort aus Hamburg. Das Heckenscherenmassaker war auch von ihr gewesen. Da kam sie unmöglich selbst als Täterin in Frage. Logisch. Ein beschissener Montag war das gewesen! Kalle drückte der reifen Birne den Saft ab, die ihm daraufhin aus der Hand glitschte und unter die Obstauslage rollte. Und nie hatte er ein Taschentuch dabei, wenn er es am dringendsten brauchte. Birnen, Bohnen und Speck – Emmas Einkaufszettel nahm kein Ende. Sechshundert Gramm durchwachsenen Speck hatte Kalle an der Fleischtheke geordert. Kartoffeln erledigt. Bohnen und Bohnenkraut und Petersilie ebenfalls. Mussten es unbedingt Bergamotte-Birnen sein, oder gingen auch diese matschigen grünen? Kalle entschied, sich nicht länger mit Fachsimpeleien über Birnen aufzuhalten, und wog fünf Stück ab. Bier fehlte noch. Viel Bier. Und zum Nachtisch wollte Emma heute ihre berühmte rote Grütze servieren. Johannisbeeren, Himbeeren, Kirschen und Erdbeeren, so lecker! Alles Bio aus dem Tiefkühlfach. Gesund leben hatte seinen Preis, und der Strom kam aus der Steckdose. Immer hatte er was zu motzen. Spätestens, wenn es ihn selbst nervte, sollte er vielleicht einfach mal die Klappe halten. Die Schlange endete hinter Kalles Horizont. Nächstes Mal würde er sich einen Campinghocker mitbringen und Piña Colada schlürfen. Kräftig – nach fest kommt ab – zog er an der Schnur, die vor seiner Nase von der Decke des Supermarktes baumelte.
»Wir eröffnen sofort eine weitere Kasse. Danke für Ihren Hinweis.«
Stunden später zahlte Kalle in bar, weil er seine PIN dreimal falsch in das Kartenlesegerät eingegeben hatte. Ohne einen Cent in der Tasche kettete er den Einkaufswagen wieder in seinem Käfig an und steckte den Chip in sein leeres Portemonnaie. So etwas nannte sich wohl Punktlandung.
Kalter Nieselregen pinkelte Kalle an, ach, woher denn, die ganze Welt tat das. Die schweren Einkäufe hatte er nach oben geschleppt. Dank der Vorfreude war das ohne Kreislaufkollaps über die Bühne gegangen. Alles eine Frage der Motivation. Dann hatte er jedoch den gemütlichen Familienabend gleich wieder knicken können. Emma, mit einer Plastiktüte auf dem Kopf, hatte er im Badezimmer vorgefunden. Nein, sie wolle sich nicht umbringen, sondern nur die Haare färben. Ach? Seit Jahren hatte sie das nicht mehr getan. Grau sei der neue Schick im Norden, war ihre Devise gewesen. Da steckte dieser Kurt dahinter. Das würde Kalle sich nicht lange anschauen. Fehlte noch, dass der Spacken unter Emmas Decke kroch. Das kam überhaupt nicht in Frage. Obwohl Emma ganz genau wusste, dass Kalle Eliza verboten hatte, unter der Woche bei Laura zu übernachten, tat Eliza jetzt genau das. Sie übernachtete bei Laura. Das musste man sich auf der Zunge zergehen lassen. Emma hatte mit den Schultern gezuckt und sich die Anleitung auf der Haarfärbepackung durchgelesen, sie schien absolut nicht bei der Sache zu sein. Und von wegen Abendessen. Sie sei eingeladen. Großes Sorry, aber wozu gäbe es Kühlschränke? Eliza hatte ihr Handy in ihrem Zimmer liegen gelassen. Bei Laura meldete sich nur die Mailbox oder der Anrufbeantworter. Wo waren diese Prolls? Es war nach neun Uhr abends! Da Kalle die Adresse von Laura nicht kannte, musste er Emma danach fragen, und die ließ sich mehr als zweimal bitten. Die Wut, die Kalle in weniger als einer Viertelstunde bis vor Lauras Haustür in der Altstadt, gegenüber der Speicherstadt, torpediert hatte, schlug um in Panik. Das kleine Viertel mit den windschiefen Fachwerkhäusern lag verlassen im Dunkeln. Die Straßenbeleuchtung war komplett ausgefallen. Hinter jeder Ecke vermutete Kalle Kundschaft, die ihm an die Wäsche wollte. Ganz recht, man könnte auf die Idee kommen, er sei hysterisch. Würde er nicht abstreiten. Kalle klingelte Sturm, niemand öffnete. Auch die Nachbarn schienen nicht zu Hause zu sein. Nirgends brannte Licht in diesem verdammten Spukviertel. Nass war er bis auf die Haut, oder war er schweißgebadet? Rumstehen brachte ihn keinen Schritt weiter. Wenigstens funktionierten die Straßenlaternen an der Hauptstraße, und der Regen hatte aufgehört. Vor dem Deichgrafen standen ein paar windige Gestalten und qualmten. Die Kleine in der Karnickelfelljacke …
»Eliza!«
»Probleme, Alder?« Der Braut fehlte ein Schneidezahn.
Sie war locker Barbies Jahrgang. Kalle hätte sie küssen können, so erleichtert war er. Let the sunshine in. Let … Emma is calling.
»Ist was mit Eliza?« Kalle schrie, als würde er ohne Betäubung aufgeschnitten.
»Eliza fragt, ob sie nicht doch bei Laura übernachten darf. Laura hat heute Geburtstag. Sie waren mit Lauras Eltern im Kino und danach fein essen. Tut mir leid, ich hab’s verschlunzt.«
»Sag ihr, ich liebe sie.« Kalle drückte Emma weg und trat gegen eine Mülltonne am Straßenrand.
Die Tonne rollte den Zombies vor die Füße. »Was bist ’n du für ’n Honk, ey?«
Es hatte wieder angefangen zu regnen. Kalle breitete die Arme aus. Dem Himmel sei Dank. Der Abend war sowieso gelaufen. Da konnte er sich gleich ins Büro trollen und dort schlafen. Polizisten waren auch bloß Beamte. Kalle war einfach nur selig. Wenn es Eliza gutging, was scherte ihn die Pinkelei von oben! Der 6er Bus zum Hauptbahnhof war unverschämt unpünktlich, dafür kam er aber genau rechtzeitig, nur um Kalle einzusammeln. Beim Fahrer kaufte er sich die Nachtausgabe der MOPO. HSV – So schaffen wir das Wunder! Haut rein, Jungs! HSV for ever. Gerade wollte er die Zeitung zusammenfalten, da fiel sein Blick auf eine unscheinbare Kurzmeldung unter »Hamburg Regionales«. Fritz F. (84) hatte einst ein schickes Apartment am Schwanenwik an der Alster, führte ein Luxusleben, finanziert aus dubiosen Geschäften mit dem billigen Sex. Inzwischen ist er Rentner, krank und pleite. Jetzt stand der Berufskriminelle wieder vor Gericht: Er hatte in seiner Reinigungsfirma in Wandsbek 201 Putzfrauen schwarz beschäftigt. Seine Anwältin erklärte, ihr Mandant sei dement. Sie legte ein ärztliches Attest vor …
Kalle hörte die Nachtigallen singen. Noch im Bus ließ er sich mit der Rufbereitschaft des Kriminaldauerdienstes verbinden. Die SOKO Hayenga war wie blöd hinter Fritz Flemming her. Der eine Staatsanwalt war so gütig, einen Haftbefehl wegen Mordverdachts beim zuständigen Amtsgericht Hamburg-Mitte zu erwirken, und parallel klagte der andere die Fritz-Bazille wegen Steuerhinterziehung im Stadtteil Wandsbek an. Kommunikation über die Bezirksgrenzen hinaus? Fehlanzeige. Fremdwort. Fuck! Ging Kalle sowieso nichts an. Er war ja bloß töffeliger Bulle. Und weil das für einen echten Beamtenwitz noch nicht ausreichte, markierte Fritz Flemming obendrauf den Tüddeligen. Das Drehbuch des wahren Lebens war sich echt für nichts zu doof.
Karl-Heinz Bärwolff ist der coolste Honk in down town Lauch, LKA for ever and ever HSV, my Darling Luzie Crime, das Spiel ist aus.
»Moin, Herr Bärwolff, entschuldigen Sie …«
Den Bruchteil einer Sekunde – mit Blick auf die Uhr: Es war drei Minuten nach zwei – brauchte es, bis Kalle wieder im Film war.
»… entschuldigen Sie die Störung. Frau Xenia Borg ist festgenommen worden. Sie sitzt in II.«
Diesmal war Kalle zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Xenia Borg gehörte ihm allein. Der Büroschlaf hatte ein wahres Wunder vollbracht, er war hellwach. Auf der Toilette wusch er sich Gesicht und Hände und gurgelte den faden Geschmack weg. Er verschwendete einen kurzen Gedanken an Koffein, während seine Beine ihn zur Teeküche transportierten – und einen längeren an Xenia Borg, was sie wohl für eine Tusnelda war. Die Kaffeemaschine zeigte sich im fahlen Energiesparlampenlicht dermaßen versifft, dass er sich seine Finger nicht schmutzig machen wollte. Neben ihr und Kalle gab es noch einen Loser im LKA. Das war der Getränkeautomat. Wie immer fast leer. Nur noch Otto von B., das Tafelwasser aus dem Reichskanzlerwald, war vorrätig. Kalle klemmte sich die Flasche unter den Arm und nahm zwei Gläser von der Theke mit. Durch das Fenster zum Vernehmungsraum II sah er einen kleinen drahtigen Feldwebel mit üppigem Busen und Hüftspeck auf und ab marschieren. Der Busen hob und senkte sich im Takt der Schritte. Wäre ja auch zu schön gewesen … Die Klofrau in der Raststätte Hasbruch hatte die Fahrerin des roten Bulli als dürr und groß beschrieben. Wahrheit oder Wichtigtuerei? Das fing ja gut an. »Guten Morgen. Bitte nehmen Sie Platz, Frau Borg. Meine Name ist Bärwolff.«
Xenia Borg blieb stehen. Kalle setzte sich, stellte Flasche und Gläser auf dem Tisch ab. Etwas älter als Kalle war sie, oder? Doch, sie war älter, viel älter sogar. Gut über 50, schätzte er. Und weißer als die Wand war sie auch. Der rot geschminkte Mund wirkte im Kontrast dazu … obszön. »Setzen Sie sich doch bitte.«
Xenia Borg gähnte, hielt es nicht für nötig, die Hand vor den Mund zu halten. Korrektes Gebiss. Zu schöne Zähne, um echt zu sein.
»Ich leite die SOKO Hayenga. Wir ermitteln in zwei Tötungsdelikten. In Ihrem VW Caravelle T4 haben wir Spuren sichergestellt, die zweifelsfrei einem der beiden Opfer des Gewaltverbrechens zuzuordnen sind.«
Xenia Borg sank auf den Stuhl. Ihre Gesichtsfarbe wechselte von weiß nach rot.
Kalle fuhr fort: »Wenn Sie einverstanden sind, nehme ich unser Gespräch auf Band auf.«
»Nicht einverstanden.«
»Okay … möchten Sie einen Anwalt benachrichtigen?« Die Frau hatte nicht nur perfekte Zähne, sondern auch Haare drauf. Immerhin war sie verunsichert, nach der Größe der Schweißflecke unter ihren Achseln zu urteilen.
»Das werde ich sicher tun.« Xenia Borgs Stimme war klar und fest.
Lag er doch falsch? Die Symptome eines außer Kontrolle geratenen vegetativen Nervensystems machten aus Xenia Borg offenbar noch lange keine labile Nuss, die ohne Anstrengung zu knacken war.
»Ich bin eine absolut unbescholtene Bürgerin, komme müde von einer achthundert Kilometer langen Autofahrt nach Hause, gebe den Leihwagen tipptopp zurück und muss dann feststellen, dass mein eigener Wagen, den ich sicher in der Tiefgarage glaubte, aufgebrochen und verwüstet worden ist. Ich rufe die Polizei um Hilfe und werde pronto, ohne Angaben von Gründen, festgenommen und hierher verschleppt. Schon mal was von Sachbeschädigung in Tateinheit mit Freiheitsberaubung gehört?«
Kalle dachte an die Polizeipsychologin Kerstin Brockmann und ihren Tipp für Vernehmungen: reden lassen.
»Meine Mutter ist noch keine vierundzwanzig Stunden unter der Erde, ich habe mich mit bürokratischem Unsinn zu befassen, der mich selbst noch vorzeitig ins Grab bringen wird, und dann kommen Sie daher, behandeln mich wie eine Verbrecherin und konfrontieren mich mit gequirltem Himmelblau.«
»Mein Beileid, Frau Borg.«
Xenia Borg winkte ab. Ihr Redefluss schien versiegt zu sein. Hätte Kalle mal besser die Klappe gehalten. »Wo waren Sie am Sonntag, dem 20. Februar, Frau Borg?«
Xenia Borg warf den Kopf in den Nacken und lachte: »Das ist jetzt nicht Ihr Ernst!« Sie musterte Kalle von oben bis unten, als begutachte sie ein Stück stinkende Hundekacke an der Sohle ihres Stiefels. »Am Sonntag, dem 20. Februar, habe ich für meine Mutter Hamburger Labskaus gekocht, wie jeden Sonntag seit dem 23. Januar. Das war ihr Leibgericht. Kennen Sie sicher.« Der Blick von Xenia Borg ruhte auf Kalles Plauze.
Kalle spürte, wie ihm das Blut zu Kopf stieg. Schnepfe.
»Ich habe sie Teelöffel für Teelöffel gefüttert, und es hat ihr gut geschmeckt. Danach hat sie ein bisschen geschlafen. Nachdem sie aufgewacht ist, habe ich ihr Bett neu beziehen müssen. Das war nämlich vollgekackt. Dann …«
»Das tut mir leid, Frau Borg.« Irgendwie drohte ihm die Gesprächsführung zu entgleiten. »Ihre Nachbarin hat ausgesagt, Sie hielten sich in Spanien auf.«
»Das stimmt. Ich bin von Herbst bis Frühling immer in Spanien. Anfang des Jahres erhielt ich einen Anruf vom Hausarzt meiner Mutter. Oberschenkelhalsbruch. Also habe ich meine Sachen gepackt und bin nach München geflogen und von dort mit dem Auto ins Allgäu. Sie ist nach der OP nicht wieder auf die Beine gekommen, hat rapide abgebaut. Ach, was rede ich. Das geht Sie alles nichts an.«
In Kalles Kehle hockte ein Frosch. Kalle räusperte sich. »Auch einen Schluck Wasser?«
Xenia Borg nickte. Er schenkte ein und reichte ihr das Glas. Sie nahm einen Schluck und senkte den Kopf. Kalle hatte das Blickkontaktduell gewonnen. Na also, ging doch. Jetzt drehte sie das Glas in ihren Händen und schien ihre Gedanken zu ordnen. Wollte sie sich passende Lügen zurechtlegen?
»Ihr Wagen ist von einer Überwachungskamera auf der Raststätte Hasbruch aufgenommen worden – am Nachmittag des 20. Februar. Wie erklären Sie sich das?«
»Dann muss ihn wohl jemand dorthin gefahren haben. So erkläre ich mir das. Ich war es definitiv nicht.«
Xenia Borg trank das Glas leer und knallte es auf den Tisch.
»Geht die Polizei eigentlich immer so respektlos rabiat mit fremdem Eigentum um? Sogar die Sitze habt ihr mir aufgeschlitzt.« Xenia Borg beugte sich vor. Ihr Blick krallte sich an Kalles fest. »Einerseits steckt ihr offenbar einzelne Staubkörner in Plastiktüten, und andererseits vergrault ihr Zeugen, die euch vielleicht etwas mitzuteilen haben.«
»Wie meinen Sie das, Frau Borg?«
»Grundsätzlich meine ich das.«
Xenia Borg hatte die Arme verschränkt und die Lippen zusammengepresst. Aus der würde er im Moment nichts mehr herausbekommen. Sie begutachtete ihn. Ihr Blick wanderte jetzt über ihn hinweg. Wie ein Stück Vieh kam Kalle sich vor. Reichte es zum Preisbullen oder nur für Blutwurst? Es war still. Kalle hörte sich atmen. Xenia Borg räusperte sich.
»Möchten Sie noch etwas sagen, Frau Borg?«
Ihre Augenlider flatterten. Da war noch was. Doch sie schüttelte den Kopf. Ihre Aussage erschien ihm einigermaßen glaubwürdig, auch wenn sie vermutlich noch nicht alles ausgezwitschert hatte. Auf der anderen Seite wäre es nicht die erste Geschichte vom Pferd, die er aufgetischt bekommen hatte. Manche Frauen konnten lügen, da blieb kein Auge trocken. »Frau Borg, wir müssen Ihre Angaben überprüfen.«
»Ich habe einen ganzen Koffer voll mit Beweisen. Papiere, Papiere, Papiere bis hin zur Auftragsbestätigung für den Grabstein.«
»Okay, wir werden sehen. Das ist aber leider noch nicht alles.«
»Noch nicht alles? Die zweite Leiche schimmelte in meiner Gartenlaube rum, oder wie?«
»Ganz genau. Kompliment, Sie kennen sich mit Drehbüchern aus.«
Xenia Borg war wieder bleich geworden. »Ich will meinen Anwalt sprechen!«