Dreiunddreißig

 

 

Auger pellte sich gerade durch eine Orange, als Cassandra wieder auftauchte. Sie trat durch einen Vorhang, der sich in einer imaginären Brise bewegte.

Die Slasherin in Gestalt eines Mädchens ließ aus dem Nichts einen Stuhl entstehen und nahm darauf Platz. »Wie fühlst du dich?«

»Das ist das Köstliche, was ich jemals gegessen habe«, sagte Auger.

»Das ist das Köstlichste, was du niemals gegessen hast«, korrigierte Cassandra sie mit einem amüsierten Lächeln. »Was natürlich unfair ist. Wie könnte reale Nahrung mit einer direkten Stimulation des Geschmackszentrums konkurrieren?«

Die Erinnerung, dass das Obst bloße Phantasie war, genügte, um ihr den Appetit restlos zu verderben. »Ist es für dich jeden Tag so?«, fragte Auger. Neben ihr ließ sich Floyd nicht beirren und machte sich weiter über eine Weintraube her.

»Mehr oder weniger.«

»Ich vermute, irgendwann gewöhnt man sich daran. Wenn man in der Lage ist, alles zu erleben, was man möchte, wann und wo auch immer man es möchte …«

»Es hat seinen Reiz«, sagte Cassandra. »Aber es ist genauso wie mit einem Kind, das unbeschränkten Zugang zu Süßigkeiten hat. Es ist eine schlichte Tatsache, dass wir lernen, mit dem zu leben, was wir haben, und dass sich der Reiz nach einer Weile abnutzt. Die Maschinen in meiner Umwelt können jeden Raum nach meinen unmittelbaren Bedürfnissen umgestalten. Wenn die Maschinen nicht schnell genug reagieren können oder wenn es einen Konflikt mit den Wünschen eines anderen gibt, kann ich den Maschinen in meinem Kopf den Befehl geben, das Gleiche durch Manipulation meiner Wahrnehmung zu schaffen. Wenn es eine Erinnerung gibt, die mir unangenehm ist, kann ich sie löschen oder verdrängen. Oder ich programmiere sie so, dass sie erst dann wieder an die Oberfläche kommt, wenn ich mich an meine Fehler erinnern muss. Wenn es eine Empfindung gibt, die mir nicht gefällt, kann ich sie abschalten oder dämpfen.«

»Zum Beispiel die Angst vor der Zukunft?«

»Angst ist ein sehr nützliches Werkzeug. Sie zwingt uns, Pläne zu machen. Aber wenn zu viel Angst uns in Unentschlossenheit erstarren lässt, muss sie reguliert werden.« Cassandra lehnte sich auf ihrem Sitz zurück, nahm sich einen Apfel aus einer Schale auf einem Tisch und biss hinein. »Es ist eine Frage des Ausgleichs. Für dich mögen diese Dinge wunderbar klingen, aber für mich sind sie einfach nur ein Teil der Konsistenz meines Lebens.«

Floyd schob seinen Teller beiseite. »Für mich klingt es wie der Himmel. Man kann alles geschehen lassen oder sich zumindest die Illusion verschaffen, dass es geschieht. Und man kann ewig leben.«

»Cassandras Leute haben keine Vergangenheit«, sagte Auger. »Wir haben auch nicht viel davon, aber was wir haben, ist sakrosankt.«

»Ich weiß nicht, ob ich dir folgen kann«, sagte Floyd.

»Jeder heute existierende Mensch ist ein Nachkomme von jemandem, der im Weltraum lebte, als der Nanocaust stattfand«, führte Auger aus. »Niemand auf der Oberfläche des Planeten hat es überlebt, also stammen wir alle von den Kolonisten ab, die bereits damit begonnen hatten, das Sonnensystem zu besiedeln.« Sie sah die Slasher-Frau an. »Richtig?«

»Wohl wahr.«

»Aber damals war es noch recht schwierig, in den Weltraum zu gelangen. Jedes Gramm musste gerechtfertigt werden. Wir haben keine Bücher mitgenommen, weil wir uns mit elektronisch gespeicherten Scans der Texte begnügen konnten. Wir haben keine Filme oder Fotos eingepackt, weil wir sie in digitaler Form viel leichter transportieren konnten. Wir haben nicht einmal Tiere oder Pflanzen mitgenommen, weil es Transkriptionen ihrer DNS gab.«

»In dieser Hinsicht waren die Vorfahren unserer beiden Fraktionen gleich«, fügte Cassandra hinzu. »Der einzige Unterschied war, dass sich Augers Gruppierung – die Vorfahren der VENS – mit weniger Begeisterung in die digitale Welt gestürzt hat. Und zwar zu Recht, wie sich herausgestellt hat.«

»Wir haben durchaus ein paar reale Artefakte in den Weltraum mitgenommen«, sagte Auger. »Ein paar Bücher oder Fotos. Sogar einige Tiere. Es war mit immensen Kosten verbunden, aber wir hatten das Gefühl, dass die Speicherung von so viel Wissen in Form digitaler Aufzeichnungen – in maschinellem Gedächtnis – uns verletzlich machte. Nach dem Nanocaust, als wir erlebt hatten, wie die Maschinen in einem unvorstellbaren Ausmaß versagt hatten, starteten wir ein Schnellprogramm, mit dem so viel elektronisch gespeicherte Informationen wie möglich wieder in analoge, solide Formate ungewandelt werden sollten. Wir bauten Druckerpressen, um reale Bücher herzustellen. Wir haben digitale Bilder wieder auf Fotoplatten gebrannt. Wir hatten Fabriken, die Papier produzierten, so schnell wie unsere Drucker es verbrauchen konnten. Wir haben sogar Armeen von Schreibern beschäftigt, die Texte in Handschrift kopieren sollten, falls die Drucker versagten, bevor die Arbeit erledigt war. Wir haben alles getan, was wir konnten – alles, was uns einfiel –, um Kopien herzustellen, die man berühren und an denen man riechen konnte, wie in den alten Tagen. Und es hätte beinahe funktioniert. Aber wir waren einfach nicht schnell genug.«

»Wir bezeichnen es als das Vergessen«, sagte Cassandra. »Es geschah etwa fünfzig Jahre nach dem Nanocaust, als unsere Gesellschaften nach dem Tod der Erde eine gewisse Stabilität und die Fähigkeit zur Selbsterhaltung erlangt hatten. Bis heute weiß niemand genau, wodurch es verursacht wurde. Manchmal ist von Sabotage die Rede, aber ich neige zu der Ansicht, dass es ein Unfall war – einer jener Zufälle, die einfach irgendwann passieren müssen.«

»Die digitalen Speicher stürzten ab«, sagte Auger. »Über Nacht breitete sich irgendein Virus oder Wurm in sämtlichen verlinkten Archiven des Systems aus. Texte wurden in unsinnige Zeichenfolgen verwandelt. Bilder, Filme, sogar Musik wurde zur Sinnlosigkeit entstellt.«

»Manche Archive überlebten«, sagte Cassandra. »Aber nach dem Vergessen konnten wir uns nicht mehr sicher sein, wie zuverlässig ihre Informationen waren.«

»Wir haben fast alles verloren«, sagte Auger. »Von der Vergangenheit waren nur noch Fragmente übrig geblieben. Es war, als würde man versuchen, die Gesamtheit des menschlichen Wissens aus ein paar Büchern zu rekonstruieren, die man aus einer brennenden Bibliothek gerettet hatte.«

»Was ist mit Institutionen?«, fragte Floyd. »Haben sie keine Originale von all dem Zeug aufbewahrt?«

»Sie hatten sich seit Jahren alle Mühe gegeben, ihre Papiersammlungen zu schreddern und zu vernichten«, sagte Auger. »Sie hatten es furchtbar eilig damit, nachdem man ihnen die Idee verkauft hatte, dass sie die vielen Bände, all dieses umständliche Volumen, auf eine einzige Mikrofiche-Karte oder eine einzige optische Diskette oder eine einzige Partition eines Flash-Speichers reduzieren konnten – oder was in der aktuellen Woche gerade als neuestes und bestes Speichermedium gehandelt wurde.«

»Auf ewig der perfekte Klang«, sagte Cassandra wie jemand, der einen Werbespruch aufsagte. »Zumindest war das die ursprüngliche Idee. Nur schade, dass es in der Realität nicht funktioniert hat. Jetzt verstehst du vielleicht, warum unsere Gemeinschaften unterschiedliche Wege gegangen sind. Die Stoker glauben daran, dass man nicht zulassen darf, dass es je zu einem neuen Vergessen kommt. Zu diesem Zweck enthalten sie sich sogar der Technologie, die ihnen die Unsterblichkeit ermöglicht.«

»Niemand ist unsterblich«, entgegnete Auger schroff. »Man ist nur so lange unsterblich, bis es zum nächsten Nanocaust oder zum nächsten Vergessen kommt oder bis die Sonne zur Nova wird. Und jeder von uns hat die Freiheit, zu den Kommunitäten überzulaufen, wenn es uns nicht gefällt, unter der eisernen Herrschaft der STOK zu leben.«

»Ein berechtigtes Argument«, sagte Cassandra. »Wir dagegen haben beschlossen, uns wegen der Vergangenheit keine grauen Haare mehr wachsen zu lassen. Wir haben sie schon einmal verloren. Warum sollen wir uns also darum sorgen, dass es erneut geschieht? Wir leben in der Gegenwart.«

Sie streckte die Hand aus und veränderte den Raum. Er dehnte sich beträchtlich aus, die weißen Wände zogen sich in alle Richtungen zurück, bis er die Ausmaße einer Kathedrale und dann eines Wolkenkratzers hatte. Der Raum erweiterte sich immer mehr, und schließlich waren die Wände kilometerweit entfernt. Die Decke schoss in den Himmel, bis sie das Blau einer Atmosphäre annahm und sich Wolken bildeten. Das offene Fenster des Raums zeigte nun die sternenübersäte Nacht.

Es war ein Bravourstück der geistigen Macht, aber Cassandra war noch nicht fertig. Sie kniff die Augen zusammen, worauf sich die fernen Wände flackernd mit gigantischen plastischen Details füllten. Kannelierte Säulen und Karyatiden so hoch wie Berge, Strebepfeiler und Bögen, die sich über absurde Weiten leeren Raums wölbten. Sie machte, dass sich Buntglasfenster in den Wänden öffneten, durch die Licht in einem Spektrum fiel, das Auger nie für möglich gehalten hätte. Cassandra musste ihr Gehirn auf einer elementaren Ebene frisiert haben, sodass ihre Wahrnehmung nun völlig anders organisiert war. Es waren nicht nur Farben, die Auger noch nie gesehen hatte (und die herzzerreißend schön waren), sondern sie konnte sie sogar hören, sie fühlen und sie riechen.

Sie hatte noch nie etwas erlebt, das so hübsch, so traurig und so wunderbar war.

»Bitte hör auf«, sagte sie überwältigt.

Cassandra ließ den Raum zu seiner früheren Ausdehnung schrumpfen. »Ich muss mich entschuldigen«, sagte sie zu Auger und zu Floyd, »aber ich dachte, dass eine kleine Demonstration besser illustrieren würde, was ich derzeit unter Leben verstehe. Das ist die Art von Gegenwart, die ich meine.«

»Ich habe nur eine einzige Frage«, sagte Floyd. »Wenn ihr so etwas machen könnt, wenn ihr alles haben könnt, was ihr wollt, jederzeit und überall – warum sind einige von euch dann so versessen darauf, die Erde in ihren Besitz zu bringen?«

»Das ist eine raffinierte Frage«, sagte Cassandra.

»Dann beantworte sie«, sagte Auger.

»Wir wollen die Erde, weil sie das Einzige ist, was wir nicht haben können. Und das ist für einige von uns einfach unerträglich.«

 

Cassandra wartete, während der geäderte Deckel zur Seite wich. »Und? War die Reintegration so schmerzfrei, wie ich vorhergesagt habe, Auger?«

»Ich werde es überstehen. Kannst du mir helfen, hier rauszukommen?«

»Gewiss doch.«

Ein anderer Slasher half Floyd, sich aus dem Behälter zu befreien. Auger blickte sich mit getrübten Augen um, während sich die letzten Reste der blauen Flüssigkeit zu größeren Klumpen sammelten und in das offene Maul des Tanks zurückflossen.

»Komm«, sagte Cassandra. »Ich werde dich auf den neuesten Stand bringen. Wir sind der Erde schon sehr nahe.«

Sie kehrten in die taktische Zentrale zurück, die fast genauso war, wie Auger sich vom ersten Besuch erinnerte, nur dass diesmal keine Slasher anwesend waren. »Sie liegen noch in ihren Beschleunigungstanks«, erklärte Cassandra. »So sind sie besser in der Lage, schnell zu reagieren, wenn es die Situation erfordert.«

»Werden wir immer noch von Niagara gejagt?«

»Niagara – oder wer auch immer sich in diesem Schiff befunden hat – stellt kein Problem mehr dar. Er ist in eine unserer Raketen gerast, kurz bevor wir den äußeren Verteidigungsring von Tanglewood erreichten.«

»Heißt das, er ist tot?«

»Jemand ist tot. Es könnte Niagara oder jemand anderer sein. Wenn nicht, werden wir ihn früher oder später wiederfinden.«

»Das will ich hoffen.«

»Wenn du mir genau sagen könntest, warum es für dich so wichtig ist, mit Caliskan zu reden, bin ich vielleicht in der Lage, dir etwas besser zu helfen.«

»Ich habe dir alles gesagt, was du wissen musst«, entgegnete Auger entschlossen.

»Du hast mir nur die Hälfte der Geschichte erzählt.«

»Und ich bin noch nicht bereit, dir auch den Rest anzuvertrauen. Vielleicht, wenn ich mit Caliskan gesprochen habe … Sind wir nahe genug, um ihm eine Richtfunkbotschaft zu schicken?«

»Das Risiko, dass die Sendung abgefangen wird, lässt sich nie ganz ausschließen … aber wir sind jetzt nahe genug.« Mit einer gezierten Fingerbewegung – eine Geste, die, wie Auger vermutete, durchaus einen theatralischen Aspekt hatte – verwandelte Cassandra einen Teil der Wand in einen Flachbildschirm. Für einen Moment blieb er leer, während er auf weitere Anweisungen wartete. »Du kannst jetzt sprechen«, forderte sie Auger auf.

»Wie ist unsere Position?«, fragte sie.

Cassandra sagte es ihr.

»Caliskan«, begann sie. »Hier spricht Verity Auger. Ich glaube, Sie erwarten eine Rückmeldung von mir. Ich lebe, mir geht es gut, und ich bin eine halbe Lichtsekunde von Tanglewood entfernt. Ich befinde mich an Bord eines Raumschiffs der Slasher. Sie müssen also ein paar Fäden ziehen, damit ich näher kommen kann, ohne dass hier gleich die Hölle losbricht.«

Ein oder zwei Sekunden später erhellte sich die Fläche mit Klecksen in Primärfarben, die sich schnell zu einem flackernden Bild mit geringer Auflösung formierten.

»Das ist Caliskan?«, fragte Floyd, als das Gesicht des weißhaarigen Mannes erkennbare Gestalt angenommen hatte.

»Der Mann, der mich nach Paris geschickt hat, und der einzige Mensch, der in der Lage ist, Ordnung in dieses Chaos zu bringen«, sagte Auger.

»Sein Gesicht kommt mir bekannt vor. Mir ist, als hätte ich ihn schon einmal getroffen.« Floyd sah sich das Bild genauer an.

»Du kannst ihn nicht kennen«, sagte sie. »Es ist ausgeschlossen, dass ihr euch begegnet seid.«

Floyd tippte sich an die Schläfe, als würde er salutieren. »Wenn du es sagst, Boss.«

Caliskans Brille warf Lichtreflexe in die Kamera. »Auger … Sie leben. Sie können sich gar nicht vorstellen, wie sehr mich diese Neuigkeit erfreut. Bitte sagen Sie Cassandra, wie dankbar ich ihr bin. Ich habe nicht zu hoffen gewagt, dass Sie die Phobos-Katastrophe überstanden haben.«

»Wir haben es geschafft, Sir. Wir beide.«

Sie wartete auf seine Antwort. Die leichte Distanzverzögerung verlieh dem Gespräch eine gewisse Geschraubtheit, als würden sie sich in einer Sprache unterhalten, mit der sie beide nicht ganz vertraut waren.

»Sie beide, Auger? Skellsgard sagte, die Kriegsbabys hätten Aveling und Barton getötet, bevor Sie ihr halfen, E2 zu verlassen.«

»So ist es, Sir. Ich bin mit einem Mann namens Floyd gekommen, der auf E2 geboren wurde.«

Hinter Caliskan konnte sie die Rippen, Spieren und Instrumente einer Raumschiffskabine erkennen. Es war ein modernes Stoker-Schiff, das allerdings längst nicht so hochgezüchtet war wie das der Slasher, in dem sie aufgewacht war.

»Das ist eine besorgniserregende Entwicklung«, sagte er.

»Es gibt noch mehr, worüber wir sprechen müssen«, sagte Auger. »Können Sie bei der Verwaltung von Tanglewood eine Landegenehmigung für uns bewirken?«

»Sie scheinen lange keine Nachrichten gehört zu haben, Auger. Es gibt keine Verwaltung von Tanglewood mehr. Die Verantwortlichen haben sich aus dem Staub gemacht. Ich hatte schon große Probleme, den Piraten und Plünderern auszuweichen, und ich habe ein recht schnelles Shuttle.«

»Meine Kinder sind noch in Tanglewood.«

»Nein«, sagte er. »Peter hat sie vor ein paar Tagen fortgebracht. Nachdem Skellsgard zurückkehrte, machten wir uns große Sorgen, dass in Kürze etwas Schlimmes geschehen könnte. Ihre Kinder sind in Sicherheit.«

»Wo sind sie?«

»Peter hielt es für das Beste, es niemandem zu sagen. Er will Kontakt mit Ihnen aufnehmen, sobald sich die Lage wieder beruhigt hat.«

Auger schloss die Augen und sprach ein kurzes, stummes Dankgebet.

»Sir«, sagte sie dann, »ich habe wichtige Neuigkeiten. Ich muss Ihnen dringend von etwas berichten. Ich weiß, was Susan White entdeckt hat, und es ist eine große Sache. Sie müssen sofort handeln … Sie müssen alle Ihre Beziehungen spielen lassen, um so viel Hilfe wie möglich zu bekommen, bevor es zu spät ist.«

»Keine Sorge«, sagte Caliskan. »Aus Skellsgards Bericht konnten wir bereits eine Menge Schlussfolgerungen ziehen. Es war sehr tapfer von Ihnen, Sie allein zurückzuschicken.«

»Geht es ihr gut?«

»Ja, sie ist wieder bei bester Gesundheit.«

Damit konnte sie einen weiteren Punkt zu den Akten legen. Ihre Kinder waren in Sicherheit, und auch ihrer kleinen Freundin von Phobos ging es gut.

»Trotzdem muss ich mit Ihnen reden«, sagte sie. »Können Sie einen geeigneten Treffpunkt vorschlagen?«

»Ich habe bereits einen im Sinn. Die Piraten und Plünderer werden es nicht wagen, uns dorthin zu folgen. Ich vermute sogar, dass die Slasher es sich zweimal überlegen würden.«

Sie wusste genau, was er meinte, und es machte ihr Angst. »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein, Caliskan.«

»Es ist mein voller Ernst. Ist das Schiff, mit dem Sie unterwegs sind, in der Lage, in eine Atmosphäre einzutreten?«

Sie drehte sich fragend zu Cassandra um.

»Wir können hineinfliegen. Aber bei einem Flug zur Erde geht es um etwas mehr. Ein Stoker-Schiff mag hinreichend robust sein, sodass die Furien keine unmittelbare Gefahr darstellen, aber wir sind da etwas … anfälliger.«

»Ich dachte, die Slasher hätten inzwischen einen Schutz gegen Furien entwickelt. Ist das nicht der Grund, warum Sie so scharf auf die Erde sind?«

»Es sind experimentelle Gegenmaßnahmen«, sagte Cassandra, »mit denen – wie ich Ihnen zu meinem Bedauern mitteilen muss – dieses Schiff nicht ausgestattet ist.«

Auger wandte sich wieder an Caliskan. »Nichts zu machen. Sie sagt, dass sich das Schiff nicht gegen Furien wehren kann. Wir müssen uns einen anderen Treffpunkt überlegen.«

»Sagen Sie ihr, dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht«, sagte Caliskan. »Die Dichte der Furien in der Umgebung des von mir vorgeschlagenen Treffpunktes ist sehr gering. Ich weiß es, weil ich direkte Daten von Antiquitäten-Überwachungsstationen in der Nähe erhalte. Unsere Feinde dürften nicht über diese Informationen verfügen, weshalb sie zögern werden, uns ohne weiteres zu folgen.«

Auger sah zu Cassandra hinüber. »Bist du mit diesen Angaben zufrieden?«

»Er sprach von niedrigen Werten, nicht von null«, sagte Cassandra. »Ich kann es nicht riskieren, mit meinem Schiff in tiefere Atmosphärenschichten einzufliegen, und schon gar nicht, wenn sich achtzehn Evakuierte in meiner Obhut befinden.«

»Es ist aber sehr wichtig.«

»In diesem Fall müssen wir über eine alternative Transportmethode nachdenken.«

»Du meinst das Shuttle der Twentieth?«

»Es führt nicht mehr viel Treibstoff mit sich, aber es müsste noch in der Lage sein, den Flug zu schaffen.«

»Kann es von allein fliegen?«

»Das muss es gar nicht«, sagte Cassandra. »Darum werde ich mich kümmern.«

Auger wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Bildschirm zu. »Wir folgen Ihnen, aber wir brauchen noch ein paar Minuten, um alles vorzubereiten. Fliegen Sie nicht zu weit voraus.«

»Beeilen Sie sich, so gut es geht«, sagte Caliskan. »Und falls Sie Fracht aus Paris dabeihaben sollten, wäre jetzt nicht der schlechteste Zeitpunkt, um sie zu übergeben. Wenn ich bedenke, was im Marsorbit geschehen ist, könnte es die allerletzte Lieferung gewesen sein.«

»Es ist nicht viel«, sagte Auger. »Nur ein paar Kisten, die der Schlangenroboter in den Transporter verladen hat, bevor er die Verbindung sabotierte.«

»Sie arbeiten immer noch fürs Antiquitätenministerium. Bringen Sie mit, was da ist. Dann folgen Sie exakt meiner Flugbahn, auch wenn Sie Ihnen noch so ineffizient erscheinen mag.«

»Wohin wollen Sie uns bringen, Sir?«

»Zu einer Verabredung zum Mittagessen«, sagte Caliskan. »Wir werden mit dem Geist von Guy de Maupassant speisen. Ich hoffe nur, dass er nichts dagegen hat, wenn ich in Begleitung komme.«