25
Es war an der Zeit, Bel ein anderes Aussehen zu
verpassen.
Also färbte sie sich die Haare dunkel, und ich
schnitt sie ihr anschließend ab. Ihr Haar war schon zuvor kurz
gewesen, jetzt sah sie wie ein Igel aus. Das behielt ich natürlich
für mich. Sie war mit ihrer neuen Frisur sehr zufrieden und strich
sich ausgelassen mit der Hand über den borstigen Kopf. Mit einer
Wimpernbürste färbte sie sich die Brauen. Dann experimentierte sie
mit dem Make-up herum, das wir im Supermarkt neben dem Motel
erstanden hatten.
Bel stutzte mir die Haare. Sie hatte einmal einen
Kurs besucht und konnte das sehr gut. Die von mir ausgesuchte
Haartönung war weniger gut, und das Ergebnis sah ziemlich scheckig
aus. Die Augenbrauen ließ ich so, wie sie waren.
»Wie sehe ich aus?«, fragte Bel. Die Wahrheit war,
dass sie absolut umwerfend aussah, aber eben nicht mehr wie Bel.
Ihre Augen waren stark geschminkt, schwarz und unglaublich sexy.
Sie hatte sich etwas Rouge auf die Wangen gepinselt, kirschroten
Lippenstift aufgetragen und sich mit billigem Modeschmuck behängt;
Ohrringen, Armreifen und einer goldfarbenen Halskette.
»Du siehst anders aus.«
»Das ist es ja, was wir wollen.« Sie machte einen
Schmollmund. »So, Mikey, und, darf ich jetzt ins
Krankenhaus?«
»Aber versuch bloß nicht, mit einem amerikanischen
Akzent zu reden, okay?«
»Okey-dokey, Mikey.«
Eigentlich war ihr Akzent ziemlich gut. Wenn’s
daran was zu beanstanden gab, dann lediglich, dass er so klang wie
aus dem Mund einer Schauspielerin statt aus dem eines realen
Menschen. Ich vermutete, den hatte sie eher aus TV-Serien und
Filmen als während unserer Fahrt gelernt.
Sie schien sich ihrer Sache sicher zu sein, also
fuhr ich sie in die Stadt. Ein Teil von mir hoffte, sie würde in
Clancys Zimmer hineinspazieren und auf der Stelle festgenommen
werden. Ich nahm nicht an, dass sie den Bullen irgendetwas verraten
würde, aber wenigstens wäre sie dann hinter Schloss und Riegel und
somit aus der Schusslinie. Ich spielte mit dem Gedanken, die
Polizei von einer Telefonzelle aus anzurufen, nur hätte Bel sofort
gewusst, wer sie verpfiffen hatte.
Also setzte ich sie vor dem Krankenhaus, in der
Nähe des Haupteingangs, ab und fuhr um den Block. Es gab einen
Besucherparkplatz, und da ich nirgendwo sonst eine Parklücke fand,
fuhr ich schließlich dort hinein. Das Problem war, dass ich von da
aus den Krankenhauseingang nicht im Auge behalten konnte, also
stieg ich aus und begann, auf und ab zu gehen, so als wartete ich
auf jemanden. Ich war nicht allein. Es gab noch ein paar Männer,
die das Gleiche taten, und außerdem einen Kaugummi kauenden
Taxifahrer, der, den Arm aus dem Fenster gestreckt, mit den Fingern
auf das Dach trommelte.
Es war ein warmer, aber nicht schwüler Abend. Es
muss ungefähr die gleiche Zeit des Jahres gewesen sein, als ich zum
Whalewatching hergekommen war. Ich hatte Glück gehabt und mehrere
Schulen von Schwertwalen gesehen, konnte mich jetzt aber nicht mehr
erinnern, warum ich den Wunsch verspürt hatte, Wale zu beobachten.
Doch ich war froh, es getan zu haben.
»Ich kann Krankenhäuser nicht ab.« Ich drehte mich
nach der Stimme um. Es war der Taxifahrer, der gesprochen hatte.
Ich schlenderte zu ihm rüber. »Ich meine, ich könnte ja auch
drinnen warten, nicht? Aber ich wart lieber im Auto. Drinnen könnte
ich vielleicht einen Kaffee kriegen, aber dann ist da überall
dieser Geruch. Kennen Sie diesen Geruch?« Er wedelte mit den Händen
unter seiner Nase herum. »Diesen verdammten Arztgeruch, von so
Zeugs in Flaschen. Den Geruch.«
»Ich weiß, was Sie meinen.«
»Wollen Sie’ne Zigarette?« Er hielt mir eine hin,
und aus welchen Gründen auch immer nahm ich sie an. Er glaubte
offenbar, damit sei das Eis gebrochen und er könne aus dem Auto
steigen. Sobald er draußen war, gab er mir und sich Feuer. Er hatte
das Gesicht eines Exboxers und ein paar verblasste blaue
Tätowierungen an den Armen. Er trug ein kurzärmliges Hemd, in
dessen Brusttasche eine Reihe von Stiften steckte. »Haben Sie sich
schon mal gefragt, wie viele Leute da drinnen sterben, während Sie
draußen warten? Wie viele ihre Innereien auskotzen oder verbluten?
Haben Sie sich geprügelt oder was?«
Ich berührte mein Gesicht. »Ja, was in der
Art.«
»Herrjesus, womit hat der auf Sie eingeschlagen,
mit einer Brechstange?«
»Eigentlich war’s nur seine Faust.«
Der Taxifahrer stieß einen Pfiff aus.
»Schwergewicht, hm?«
»Superschwer.«
Er rollte seine Schultern, fragte sich wohl, ob
er mit meinem Gegner besser klargekommen wäre.
»Haben Sie früher mal geboxt?«, fragte ich
ihn.
»Schon, ja, ne Zeit lang.«
»Hab ich mir gedacht.«
»Und Sie?«
»Ich bin ein Mann des Friedens.«
»Na, wenn Sie mich fragen, ist jeder ein Mann des
Friedens, bis ihm irgendwas richtig auf die Nüsse geht. In meiner
Jugend war ich ganz schön aggressiv. Was sollte ich damit anfangen,
die Straßen unsicher machen oder in den Ring steigen? Steigst du in
den Ring, ist die ganze Aggression gestattet. Ist Show.«
»Hat Spaß gemacht, hm?«
»Prügel zu beziehen war weniger
lustig.«
Ich hörte ihm nicht mehr zu. Ich beobachtete den
Eingang. Ein paar Leute waren gerade aus dem Krankenhaus
herausgekommen und standen auf der Vortreppe. Als Ersten erkannte
ich Kline. Dann, mit einem Augenblick Verzögerung, Bel.
Kline blickte die Straße entlang. Zuerst dachte
ich, er würde nach mir Ausschau halten, aber tatsächlich warteten
sie auf ein Auto. Einer seiner Männer, damals bei Oban der
Beifahrer im vorderen Auto, sprach in ein Funkgerät. Bel starrte
auf den Boden. Kline hielt sie am Arm fest.
»Hey, was nicht in Ordnung?«
Die Zigarette war mir aus dem Mund gefallen. Ich
wandte mich vom Taxifahrer ab und ging schnell zum VW-Bus. Ich
stieg hinten ein, öffnete einen Schrank und holte den Colt Commando
raus. Es war geladen und einsatzbereit. Dann setzte ich mich nach
vorn und ließ den Motor an. Der Taxifahrer riss die Augen auf, als
ich, eine Hand am Lenkrad, in der anderen das Sturmgewehr, an ihm
vorbeifuhr.
Klines Wagen kam gerade an. Sie hatten Bel hinunter
auf die Straße geführt. Ich gab Gas, knallte gegen den Bordstein
und rumpelte auf den Bürgersteig. Kline und seine Männer machten
ein überraschtes, dann ein erschrockenes Gesicht. Als ich einen
Feuerstoß abgab, sprangen sie aus dem Weg. Bel brauchte keine
Instruktionen. Sie riss die Beifahrertür auf und kletterte in den
Wagen.
»Hey, Kline«, brüllte ich. »Wir müssen ein paar
Takte miteinander reden!«
Er kauerte hinter dem Wagen. »Fick dich!«
Ich gab einen weiteren Feuerstoß ab, damit sie die
Köpfe unten behielten, setzte dann auf die Fahrbahn zurück, haute
wieder den ersten Gang rein und bretterte los.
»Unten bleiben!«, schrie ich. Ich feuerte noch
einmal in die Luft, aber jetzt war der Anfangsschock verflogen, und
sie hatten ihre Pistolen gezogen. Ich spürte, wie Kugeln in die
Flanke und das Heck des Busses einschlugen. Aber die Reifen
verfehlten sie. Wir bogen scharf rechts in eine andere Straße ein,
überfuhren eine rote Ampel und bogen nach links ab. Ich hatte nicht
die leiseste Ahnung, wo wir uns befanden, aber ich wusste immerhin,
dass wir außer Schussweite waren.
»Wir scheinen mit unseren Fahrzeugen nicht gerade
Glück zu haben«, sagte ich. Die Sache gefiel mir nicht;
zuallermindest wussten sie jetzt, dass ich bewaffnet war und einen
VW-Bus fuhr. Sie konnten sich sogar die Zulassungsnummer gemerkt
haben: Es waren nur drei Buchstaben und drei Zahlen. Ich schaute
immer wieder in den Rückspiegel, und als ich keine Verfolger
ausmachen konnte, ging ich ein bisschen vom Gas, bis ich mich
orientiert hatte. Bald waren wir wieder auf der 99, Richtung
Norden.
»Willst du nicht hören, was passiert ist?«, fragte
Bel. Sie zitterte. Ich kurbelte mein Fenster wieder hoch, begriff
dann, dass sie nicht wegen der Kälte zitterte.
»Also, was ist passiert?« Ich war mehr als sauer
auf sie. Ich war wütend. Ich hatte ihr gesagt, sie solle da nicht
hin, ich hatte gewusst, dass das eine blödsinnige Idee war.
Trotzdem hatte ich sie nicht daran gehindert. Ich war auf mich
selbst wütend.
»Die hielten sich anscheinend im Eingangsbereich
auf, aber ich hab sie nicht bemerkt. Ich hab gefragt, wo ich Sam
Clancy finden könne, und die Frau am Empfang hat den Korridor
entlanggezeigt. Aber ich war noch nicht weit gekommen, da haben die
mich geschnappt und von oben bis unten angeguckt, und dann forderte
dieser Kline mich auf, irgendwas zu sagen.«
»Da hast du es mit deinem amerikanischen Akzent
probiert?«
»Ja. Und da hat mich das Dreckschwein geschlagen.
Also hab ich ihn angeschrien und beschimpft, aber er hat nur
gelächelt. Dann hat er mir gesagt, er wüsste, wer ich bin, und
gefragt, wo du wärst.«
»Wie hat er mich genannt?«
»Weston.«
»Nicht West?«
»Nein, Weston. Oder vielleicht auch West. Ich weiß
nicht. Herrgott, ich war halb tot vor Angst, Michael!«
»Hast du sonst noch was gesagt?«
»Ich hab ihm gesagt, ich wüsste, dass er meinen
Vater getötet habe, und dafür würde ich ihn töten.«
»Na wunderbar, da hast du ihm so ziemlich alles
gesagt, was er zu wissen brauchte. Jetzt bleibt ihm nichts mehr
anderes übrig, als uns umzubringen.«
Sie biss sich auf die Lippe. »Danke, dass du mich
rausgehauen hast.«
Ich rang mir ein Lächeln ab.
Ich fuhr, ohne anzuhalten, am Motel vorbei, bog
bei einem Fastfood-Restaurant rechts ab und wartete eine Minute
lang am Straßenrand. Niemand folgte uns.
»Morgen müssen wir uns wieder was Neues suchen.
Heute Nacht schlafen wir in Schichten. Der andere hält am Fenster
Wache. Okay?«
»Okay.«
Dann brachte ich es aber doch nicht übers Herz, sie
zu wecken. Es war einzig und allein meine Schuld, dass sie sich
hier befand. Welcher Teufel hatte mich eigentlich geritten, sie mit
nach London zu nehmen? Andererseits, wenn sie nicht mit mir in
London gewesen wäre, dann hätten sie sie wahrscheinlich zusammen
mit Max umgebracht. Dieser Gedanke erleichterte mein Gewissen. Ich
saß in einem Sessel am Fenster und verließ meinen Posten immer
wieder nur kurz, um mir draußen eine eiskalte Cola und Schokoriegel
aus dem Automaten zu ziehen. Ich kaute Koffeintabletten, bis mir
meine Herzfrequenz Sorgen zu machen begann. Mittlerweile kannte ich
jeden Quadratzentimeter des Parkplatzes, jeden Fitzel Müll, der
darüber hinweggeweht wurde, auswendig. Vom grellen Licht der
Natriumlampen taten mir die Augen weh. Ich hatte das Bedürfnis, sie
zu schließen. Dann hielt ich sie eine Sekunde zu lang
geschlossen.
Ich schlief ein.
Als ich aufwachte, war es Morgen, und nicht mal
früher Morgen.
Durch das Fenster sah ich den Putzwagen des
Zimmermädchens. Als sie mich anschaute, schüttelte ich den Kopf,
also schob sie den Wagen weiter zum nächsten Zimmer, klopfte und
ging dann hinein.
Nach meiner Uhr war es Viertel nach zehn. Ich stand
vom Sessel auf und reckte mir die Steifheit aus den Schultern. Ich
musste dringend unter die Dusche.
»Bel«, sagte ich. »Zeit aufzustehen.«
Sie rollte sich auf den Rücken, stieß einen Seufzer
aus und hob dann den Kopf vom Kissen. Wie ich, war sie fast
vollständig angezogen.
»Wie spät ist es?«
»Zehn durch. Komm, steh auf. Du darfst als Erste
unter die Dusche.« Ich sah ihr nach, wie sie im Bad verschwand. Ich
wusste, dass sich unsere Optionen erheblich reduziert hatten. Wir
waren nicht mehr die Jäger, sondern die Gejagten. Und was das
Schlimmste war - ich hatte nach wie vor keine Ahnung, was da
ablief. Jemand fiel mir schon ein, der es vermutlich wusste:
Jeremiah Provost. Aber Kline würde seine Hand über Provost halten.
Kline würde seine Hand über alles halten.
Ich hatte noch genügend Kleingeld, um uns zwei
Frühstückscokes zu besorgen. Mein Kopf fühlte sich dumpf an und
mein Körper, als wäre er mit Bleigewichten behängt. Der
Getränkeautomat stand neben der Eismaschine in einer schmalen
Gasse, die seitlich entlang dem Motel verlief. Von da führte eine
Betontreppe hinauf zu den Zimmern im ersten Stock. Dort hatte ich
letzte Nacht eine Zeit lang gesessen und den Verkehrsgeräuschen
gelauscht. Als ich jetzt die zweite Coladose aus dem Automaten
holte, hörte ich vorn an der Straße Reifen kreischen. Ich schaute
um die Ecke und sah ein Auto vor der Rezeption. Ein Mann war gerade
auf der Beifahrerseite ausgestiegen und knöpfte sich das Jackett
zu, während er zum Büro ging. Er trug eine Sonnenbrille und blickte
sich um. Er kam mir nicht bekannt vor, aber er wirkte nicht wie ein
typischer Motelgast. Er sah nach Bundesbehörde aus. Ich zog mich in
die Gasse zurück und flitzte in unsere Zimmer.
»Wir müssen weg!«, rief ich. Bel kam aus dem Bad;
sie war angezogen und rubbelte sich die Haare mit einem Handtuch
trocken. »Wir müssen weg«, wiederholte ich. Als sie sah, wie ich
wahllos Sachen in eine Reisetasche schmiss, verstand sie den Wink,
warf das Handtuch weg und fing an zu packen.
»Was ist los?«
»Böse Buben an der Rezeption. Sie könnten sich nach
VW-Bussen erkundigen.« Ich holte die Smith & Wesson raus.
»Hier«, sagte ich, »nimm das.«
Sie sagte nichts, sie brauchte einen Augenblick, um
sich zu entscheiden. Dann riss sie mir die Pistole aus der Hand,
überprüfte das Magazin, rammte es wieder hinein und vergewisserte
sich, dass die Waffe gesichert war. Ich hatte keine Zeit zu
lächeln.
Es heißt ja, Vorsicht sei die Mutter der
Porzellankiste, aber wie wir uns verdrückten, erinnerte eher an
zwei Elefanten im Porzellanladen. Wir rannten zum Bus und warfen
unser Gepäck hinein. Bel hatte die Pistole in der Hand, ich hielt
den Colt Commando ohne Mündungsfeuerdämpfer an seinem Tragegriff.
Als ich den Commando letzte Nacht benutzt hatte, war der Lärm des
Dings ohne Feuerdämpfer ziemlich eindrucksvoll gewesen. Er hatte
die Leute sofort in Deckung gescheucht. Also blieb der Dämpfer
weg.
Jetzt, wo wir im Bus saßen, zögerte ich einen
Augenblick. Was sollten wir tun? Mit einem Lächeln gemächlich am
Auto vorbeifahren? Um das Motel herum Verstecken spielen? Oder den
Bus stehen lassen und uns zu Fuß auf den Weg machen? Den Bus
aufgeben wollte ich jetzt noch nicht. Also blieb nur eins:
fahren... fahren und sehen, was passierte. Sicher, ich hätte Bel
vorschlagen können, dass wir uns trennten; sie könnte entweder
allein weglaufen oder sich im Zimmer verstecken. Schließlich war
ich es, den sie suchten. Aber natürlich suchten sie auch sie. Sie
wusste alles, was ich tat. Außerdem wäre sie bestimmt nicht allein
zurückgeblieben. Ich sah sie an.
»Erzähl mir von dir.«
»Was?«
»Du hast gesagt, ich soll dich fragen, wenn du es
nicht erwarten würdest.«
»Du hast einen Knall, Michael.« Aber sie grinste.
Ich begriff, dass sie für dieses Abenteuer eher bereit war als ich.
Ich ließ den Motor an.
»Es ist nur so, dass es nett gewesen wäre, dich
kennengelernt zu haben, bevor wir sterben.«
»Wir werden schon nicht sterben.« Sie hob die
Pistole. »Ich liebe dich, Michael.«
»Ich dich auch. Ich hab dich schon immer
geliebt.«
Sie entsicherte die Halbautomatische. »Fahr
einfach«, sagte sie.
Ich fuhr.
Aus unserer Parkbucht und um die Ecke des Motels
herum fuhr ich ganz langsam; dann gab ich Gas. Ich sah, dass das
Auto noch immer dastand. Schlimmer noch, es hatte zurückgesetzt und
blockierte dadurch die einzige Ein- und Ausfahrt des Parkplatzes.
Ich trat auf die Bremse. Der Beifahrer kam aus dem Büro und sah
uns. Er machte den Fahrer auf uns aufmerksam und zog dann ein
Walkie-Talkie aus der Tasche. Mit der anderen Hand griff er in eine
andere Tasche. Und als der Fahrer aus dem Auto stieg, erkannte ich,
dass er eine Maschinenpistole hielt. Ich warf einen kurzen Blick
über die Schulter, aber da gab es nichts als Mauern.
»Komm schon, Michael, lass es uns tun.«
»Was tun?«
»Na, was glaubst du wohl?« Sie öffnete ihre Tür und
bereitete sich vor auszusteigen. Der Fahrer hatte den Ellbogen auf
dem Dach des Autos aufgestützt und zielte. Ich öffnete meine Tür
und richtete das Sturmgewehr aus.
Dann sah ich ihn.
Es war ein Pick-up mit einem Bullenschieber vor der
Schnauze und einem Suchscheinwerfer auf dem Kabinendach. Ich wusste
nicht, wo er herkam, aber ich sah genau, wo er hinwollte. Er
rumpelte auf den Bürgersteig und fuhr mit unverminderter
Geschwindigkeit weiter. Als er das Dröhnen der Maschine hörte,
drehte sich der Fahrer des Autos halb um, sah, was da auf ihn
zukam, und stieß sich von seinem Fahrzeug ab, gerade als der
Bullenschieber dessen Heck rammte. Die Wucht des Zusammenstoßes
riss dem Pick-up die Hinterräder in die Luft, aber das war nichts
im Vergleich zu dem, was das Auto veranstaltete: Es machte einen
Satz nach vorn und hüpfte dann auf der Stelle, wie ein wildes
Pferd, das seinen Reiter abzuwerfen versucht. Die
zusammengeschobene Kofferraumhaube war aufgeflogen, die Heckscheibe
zu Glasbröseln zerfallen. Fahrer und Beifahrer hatten sich auf den
Boden geworfen. Jetzt tauchte aus dem Beifahrerfenster des Pick-ups
eine Schrotflinte auf und feuerte zwei Schüsse über die Köpfe der
Männer hinweg ab. Das Fenster des Büros ging in Scherben. Dann
setzte der Pick-up zurück, die kurze Rampe hinunter und wieder auf
die Straße, wo sich prompt ein Stau zu bilden begann.
»Er wartet auf uns!«, schrie Bel. Sie saß jetzt
wieder im Bus und knallte ihre Tür zu. Ich fuhr am demolierten Auto
vorbei und hielt dabei weiter den Commando aus dem Fenster für den
Fall, dass die Männer auf die Idee kamen aufzustehen. Der Pick-up
hatte sich schon in Bewegung gesetzt, also folgten wir ihm zur
Begleitung eines empörten Hupkonzerts.
»Wer ist das?«, schrie Bel. »Wer ist das im
Pick-up?«
Ich grinste übers ganze Gesicht. »Na, was glaubst
du wohl, wer das ist? Spike, natürlich.«